S 1 U 2521/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 U 2521/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Keine rückwirkende Gewährung höherer Verletztenrente nach Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs über die Höhe der Rente für denselben Zeitraum in einem früheren Rechtsstreit
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Verletztenrente in Höhe der Vollrente (= Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) 100 v.H.) wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls auch für die Zeit vom 11.04.2011 bis zum 31.12.2014.

Der 1980 geborene Kläger erlitt am 27.07.2008 einen Arbeitsunfall, als er in der Wohnung seiner Nachbarin einen im Badezimmer in Brand geratenen Durchlauferhitzer mittels Feuerlöscher erstickte, weshalb das Feuer nicht auf das Mobiliar oder das Gebäude übergreifen konnte. Dabei zog er sich u.a. eine schwere Rauchgasvergiftung zu. Gestützt auf das Gutachten des Facharztes für Innere Medizin und für Psychotherapeutischer Medizin und Psychotherapie Dr. K. vom 06.10.2011 und eine beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters Dr. O. anerkannte die Beklagte das Unfallereignis als Arbeitsunfall und als dessen Folgen:

"Nach Inhalation von Rauchgas und ABC-Feuerlöschpulver anlässlich einer Hilfeleistung bei einem Wohnungsbrand und hierdurch bedingter Intoxikation mit Kohlenmonoxyd, die mittels hyperbarer Sauerstofftherapie behandelt wurde sowie nachfolgender posttraumatischer Belastungsstörung: Chronifizierte, schwere posttraumatische Belastungsstörung (ICD F43.1), organisch bedingte Persönlichkeitsstörung vom pseudo-psychopatischen Typus (ICD F04.0)."

Deswegen gewährte sie dem Kläger ab dem 11.04.2011 (= Tag nach Ende des Anspruchs auf Verletztengeld) Verletztenrente auf unbestimmte Zeit nach einer MdE um 50 v.H. der Vollrente (Bescheid vom 18.04.2012, Widerspruchsbescheid vom 23.10.2012).

Deswegen erhob der Kläger am 27.11.2012 Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG; S 4 U XXXX/12), mit der er die Gewährung von Verletztenrente auf unbestimmte Zeit in Höhe der Vollrente ab dem 11.04.2011 begehrte. Die 4. Kammer des SG erhob Beweis durch Einholung schriftlicher Auskünfte der Psychologischen Psychotherapeutinnen S.-M. und F., des Dr. K. sowie des Neurologen und Psychiaters Dr. P ... Außerdem ließ sie den Kläger durch den Neurologen und Psychiater Dr. H. untersuchen und begutachten (Gutachten vom 06.08.2013). Dieser diagnostizierte auf seinem Fachgebiet als Gesundheitsstörung eine als Folge einer Kohlenmonoxydvergiftung bestehende schwere organisch begründbare Psychose mit Angstzuständen, paranoiden Vorstellungen, Erregungszuständen und mutistischen Zügen. Eine posttraumatische Belastungsstörung sah er demgegenüber als nicht gegeben an. Die unfallbedingte MdE schätzte Dr. H. für die Zeit ab dem Unfallereignis bis einschließlich August 2009 auf 80 v.H. und seither auf 100 v.H ... Seinem Gutachten fügte der Sachverständige ein für die Staatsanwaltschaft Karlsruhe erstelltes fachpsychiatrisches Gutachten von Prof. Dr. E. und Dr. P. bei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.03.2014 schlossen die Beteiligten zur Erledigung des Rechtsstreits S 4 U XXXX/12 einen gerichtlichen Vergleich, demzufolge sich die Beklagte in Abänderung der angefochtenen Bescheide bereit erklärte, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.2008 Verletztenrente nach einer MdE um 70 v.H. der Vollrente zu gewähren (Ziff. 1). Außerdem erklärte sich die Beklagte bereit, den Kläger in einem halben Jahr erneut wegen der Höhe der MdE begutachten zulassen (Ziff. 2). Der Kläger erklärte sein Einverständnis mit den Erklärungen der Beklagten zu Ziff. 1 und 2 und die Klage im Übrigen für erledigt (Ziff. 3).

In Ausführung dieses gerichtlichen Vergleiches erteilte die Beklagte den Bescheid vom 02.04.2014.

Im Oktober 2014 leitete sie von Amts wegen eine Nachprüfung der Höhe der unfallbedingten MdE ein. Hierzu erstattete der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie sowie Psychotherapie Dr. Ka. zusammen mit Dr. P. ein medizinisches Sachverständigengutachten. Diese diagnostizierten als Unfallfolgen eine organisch bedingte wahnhafte (schizophrenieforme) Störung und eine schwere posttraumatische Belastungsstörung. Gegenüber den Befunden im Gutachten des Dr. K. sei eine wesentliche Verschlechterung eingetreten. Neben der unfallbedingten schweren posttraumatischen Belastungsstörung sowie den latenten psychotischen Symptomen und fraglichen dissoziativen Zuständen sei es im Verlauf der letzten zwei bis drei Jahre zu einer zunehmenden, inzwischen klinisch führenden anhaltend schweren floriden psychotischen Symptomatik mit Wahnvorstellungen, optischen und akustischen Halluzinationen sowie Ich-Störungen gekommen. Inzwischen lägen massive Einschränkungen der psychischen und körperlichen Leistungsfähigkeit, der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit sowie der regelrechten Teilhabe am sozialen und gesellschaftlichen Leben vor. Aktuell sei es kaum möglich, mit dem Kläger ein adäquates Gespräch zu führen; dies sei auch bereits zum Zeitpunkt der Untersuchung und Begutachtung durch Dr. H. im August 2013 der Fall gewesen. Darüber hinaus sei der Kläger kaum in der Lage, seine Wohnung zu verlassen. Eine adäquate Kontaktaufnahme zu anderen Personen sei ebenfalls kaum noch möglich. Neue Situationen bereiteten ihm massive Ängste. Er könne sich in keiner Weise unterstützend bei der Versorgung des Haushalts oder der Versorgung seines kleinen Kindes beteiligten. Aufgrund der psychisch bedingten Inaktivität und mutmaßlich als medikamentöse Nebenwirkung sei weiter eine massive Übergewichtigkeit aufgetreten, die zwischenzeitlich ein zusätzliches somatisches Risiko bedeute. Die unfallbedingte MdE bewerteten die Dres. Ka. und P. mit 100 v.H ... Dem schloss sich der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. Ha. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme an. Gestützt auf das Ermittlungsergebnis gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 01.01.2015 wegen der Unfallfolgen Verletztenrente in Höhe der Vollrente (Bescheid vom 03.02.2016).

Mit seinem dagegen erhobenen Widerspruch begehrte der Kläger die Gewährung von Verletztenrente nach einer MdE um 100 v.H. bereits ab dem 11.04.2011. Die Beklagte wies den Widerspruch zurück: In Ausführung des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2014 habe sie zunächst Verletztenrente ab dem 11.04.2011 in Höhe von 70 v.H. der Vollrente gewährt. Die Erhöhung auf 100 v.H. der Vollrente entspreche dem Ergebnis des Gutachtens der Dres. Ka. und P. wie auch Ziffer 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2014. Der Kläger habe sich seinerzeit mit dieser Verfahrensweise ausdrücklich einverstanden erklärt (Widerspruchsbescheid vom 28.06.2016).

Deswegen hat der Kläger am 27.07.2016 erneut Klage zum SG erhoben, mit der er sein Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung wiederholt und vertieft er sein Widerspruchsvorbringen.

Er beantragt - teilweise sinngemäß -,

den Bescheid vom 03. Februar 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2016 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27. Juli 2008 Verletztenrente in Höhe der Vollrente auch für die Zeit vom 11. April 2011 bis zum 31. Dezember 2014 anstelle einer solchen nach einer MdE um 70 v.H. der Vollrente zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie erachtet die angefochtenen Bescheide für zutreffend.

Mit Schreiben vom 02.11.2016 hat das erkennende Gericht den Beteiligten mitgeteilt, es erwäge eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung und ohne Hinzuziehung ehrenamtlicher Richter durch Gerichtsbescheid, und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 02.12.2016 eingeräumt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der vorliegenden Verwaltungsakten der Beklagten sowie den der Prozessakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 und Abs. 4 i.V.m. § 56 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)) zulässig, aber unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 S. 1 SGG). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Gewährung von Verletztenrente in Höhe der Vollrente wegen der Folgen des erlittenen Arbeitsunfalls vom 27.07.2008 auch für die Zeit vom 11.04.2011 bis zum 31.12.2014. Diesem Anspruch steht der wirksame gerichtliche Vergleich vom 18.03.2014 entgegen, durch den das Verfahren S 4 U XXXX/12 beendet wurde. Hierüber konnte die Kammer gemäß § 105 Abs. 1 S. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, weil sie der Auffassung ist, dass die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist, und der Sachverhalt geklärt ist.

1. Materiell-rechtlicher Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist allein die Gewährung von Verletztenrente in Höhe der Vollrente anstelle einer solchen nach einer MdE um 70 v.H. wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.2008 auch für die Zeit vom 11.04.2011, dem Tag nach Ende des Anspruchs auf Verletztengeld (vgl. Bescheid vom 18.04.2012) bis zum 31.12.2014, dem Tag vor Beginn der Erhörung der Verletztenrente auf 100 v.H ... Diesem Begehren steht indes der zwischen den vorliegenden Beteiligten im Verfahren vor dem SG (S 4 U XXXX/14) am 13.08.2014 geschlossene gerichtliche Vergleich entgegen. Denn bereits in jenem Rechtsstreit stritten die Beteiligten um die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.2008 nach einer MdE in Höhe der Vollrente für die Zeit ab dem 11.04.2011.

Ob ein gerichtlicher Vergleich den im Klageverfahren verfolgten prozessualen Anspruch vollständig erledigt hat (§ 101 Abs. 1 SGG) und die Rechtshängigkeit der Klage entfallen ist, ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung. Ein Vergleich, den die Beteiligten zu Erledigung des geltend gemachten Anspruches - wie hier - ordnungsgemäß zur Niederschrift des Gerichts schließen, beendet den Rechtsstreit (§§ 101 Abs. 1, 185, 195 und 199 Abs. 1 Nr. 3 SGG). Bei dem Vergleich vom 18.03.2014 handelt es sich um einen gerichtlichen Vergleich im Sinne des § 101 Abs. 1 SGG. Das SGG enthält keine Definition des Vergleichs, sondern setzt diese als bekannt voraus. Eine Definition findet sich in § 779 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Danach ist ein Vergleich ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (vgl. auch § 54 Abs. 1 des Sozialgesetzbuchs -Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X)).

Die am 18.03.2014 zwischen den Beteiligten des vorliegenden Rechtsstreits getroffene Vereinbarung erfüllt diese Definition. Insbesondere handelt es sich bei der getroffenen Regelung um eine Vereinbarung im Sinne eines gegenseitigen Nachgebens. So hat die Beklagte ab dem 11.04.2011 Verletztenrente nach einer MdE um 70 v.H. der Vollrente anstelle der ursprünglich durch den Bescheid vom 18.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23.10.2012 bewilligten Rente nach einer MdE um 50 v.H. der Vollrente gewährt, während der Kläger im Gegenzug auf die Zahlung von Verletztenrente nach einer höheren MdE - konkret: In Höhe der Vollrente - verzichtet hat. Bei Abschluss des Vergleichs vom 18.03.2014 hat zwischen den Beteiligten überdies Streit über die Höhe der Ansprüche des Klägers für die Zeit ab dem 11.04.2011 und angesichts der unterschiedlichen ärztlichen Bewertungen hinsichtlich der Höhe und des Zeitpunkts der unfallbedingten MdE auch eine rechtliche Ungewissheit bestanden.

2. Dem gerichtlichen Vergleich vom 18.03.2014 kommt rechtlich eine Doppelnatur zu: Er ist sowohl öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne eines Vergleichsvertrags (§ 54 Abs. 1 SGB X), durch welchen eine bei verständiger Würdigung des Sachverhalts bestehende Ungewissheit - hier: über die Höhe der unfallbedingten MdE - durch gegenseitiges Nachgeben beseitigt wird, als auch Prozesshandlung der Beteiligten, die den Rechtsstreit unmittelbar beendet (vgl. BSG vom 24.01.1991 - 2 RU 51/90 -, Rdnr. 20 (juris); BSG SozR 1500 § 101 Nr. 8; BVerwG, NJW 1994, 2306 und BGHZ 79, 71) und deren Wirksamkeit sich nach den Grundsätzen des Prozessrechts richtet. In der Folge werden die streitgegenständlich gewesenen Bescheide bestandskräftig und ist eine - wie hier - neue Klage mit - im Ergebnis - gleichem Streitgegenstand daher unzulässig (vgl. Müller in Roos/Wahrenderf, SGG, 1. Aufl. 2014, § 101, Rdnr. 27 und Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 101, Rdnr. 10, jeweils m.w.N.).

a) Prozessrechtliche Gründe stehen der Wirksamkeit des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2014 nicht entgegen: der Vergleich wurde vor dem mit dem Rechtsstreit S 4 U XXXX/12 befassten Gericht geschlossen. Die Beteiligten waren bei Abschluss des gerichtlichen Vergleichs beteiligten- (§ 70 SGG) und prozessfähig (§ 71 SGG). Der Vergleich wurde nicht unter einer Bedingung abgeschlossen (vgl. zur Unzulässigkeit insoweit BVerwG, DVBl. 1996, 105 und Kopp/Schenke, VwGO, 21. Aufl. 2015, Vorb § 40, Rdnr. 15 m.w.N. ). Der gerichtliche Vergleich vom 18.03.2014 im Verfahren S 4 U XXXX/12 ist weiter unter Beachtung der gesetzlichen Protokollierungsvorschriften (§ 122 SGG i.V.m. § 159 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO)), insbesondere des § 162 ZPO, demzufolge das Protokoll, soweit es zu Protokoll erklärte Anträge der Verfahrensbeteiligten enthält, diesen vorzulesen und von ihnen zu genehmigen ist (§ 162 Abs. 1 Sätze 1 und 3 ZPO), zustande gekommen und hat damit den Rechtsstreit S 4 U XXXX/12 beendet (§ 101 Abs. 1 S. 1 SGG). Sonstige prozessrechtliche Gründe für eine Unwirksamkeit des Vergleichs vom 18.03.2014 hat der Kläger nicht vorgetragen. Allein dem Umstand, dass er mit der vorliegenden Klage nicht denselben Bescheid wie im Verfahren S 4 U XXXX/12 anficht, sondern denjenigen vom 03.02.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2016, kommt keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu.

b) Nachdem der Kläger durch den gerichtlichen Vergleich vom 18.03.2012 im Verfahren S 4 U XXXX/12 jedenfalls konkludent für die Zeit ab dem 11.04.2011 materiell-rechtlich auf die Gewährung von Verletztenrente wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 27.07.2008 in Höhe der Vollrente anstelle einer solchen nach einer MdE um (nur) 70 v.H. verzichtet hat, steht dies auch der Anwendung der Rücknahmevorschrift von § 44 SGB X entgegen (vgl. LSG Baden-Württemberg vom 17.07.2012 - L 13 AS 500/12 - und vom 09.06.2011 - L 10 R 3494/08 -, ferner Bayerisches LSG vom 20.07.2011 - L 16 SB 141/08 - (jeweils juris); so bereits SG Mannheim, Breithaupt 1989, 446 ff.).

c) Als Prozesshandlung kann der Kläger den in dem gerichtlichen Vergleich vom 18.03.2014 im Verfahren S 4 U XXXX/12 zum Ausdruck gekommenen Verzicht auf eine Verletztenrente nach einer höheren MdE als 70 v.H. der Vollrente für die Zeit ab dem 11.04.2011 bis zum 31.12.2014 auch nicht frei anfechten oder widerrufen (vgl. BSG vom 24.04.2003 - B 11 AL 33/03 B - m.w.N. (juris) und LSG Baden-Württemberg vom 11.07.2012 - L 2 SO 2207/12 - (unveröffentlicht)). Zwar können auch Prozessverhandlungen grundsätzlich im Verlauf des weiteren Verfahrens widerrufen, ergänzt, geändert oder berichtigt werden, wobei als Anfechtungsgründe vor allem Irrtum oder Täuschung (§§ 119, 123 BGB) in Betracht kommen (vgl. Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Aufl. 2016, Kapitel VII, Rdnr. 187). Dies gilt jedoch nur, solange der Rechtsstreit (noch) anhängig ist (vgl. Reichold in Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl. 2015, Einl. III, Rdnr. 21). Dies ist vorliegend ersichtlich nicht der Fall. Unwiderruflich und nicht abänderungsfähig sind darüber hinaus solche Prozesshandlungen, durch die der Prozessgegner eine Rechtsstellung erlangt oder aufgrund der er seine Rechtsstellung eingerichtet hat (vgl. BFH/NV 1992, 49 und Bay. LSG vom 16.10.2010 - L 15 V 37/01 - (juris)). Dies ist bei Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs der Fall.

d) Der gerichtliche Vergleich vom 18.03.2014 ist auch aus materiell-rechtlichen Gründen nicht unwirksam. Das materielle Recht führt zur Unwirksamkeit eines gerichtlichen Vergleichs, wenn ein Beteiligter diesem nicht wirksam zugestimmt hat (vgl. BSG SozR Nr. 8 zu § 102 SGG). Auch diese Voraussetzung liegt hier ersichtlich nicht vor. Denn bereits im Verfahren S 4 U XXXX/12 war der Kläger von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten und hat den von dem dortigen Kammervorsitzenden vorgespielten Vergleich nach dem Inhalt der Sitzungsniederschrift ausdrücklich genehmigt. Für eine Nichtigkeit des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2014, etwa im Sinne der §§ 116 bis 118 oder §§ 134 bis 138 BGB, hat der Kläger nichts vorgetragen noch ist eine solche aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens sonst ersichtlich.

e) Der materiell-rechtliche Vergleich kann überdies grundsätzlich entsprechend den bürgerlich-rechtlichen Vorschriften z.B. über die Anfechtung einer Willenserklärung mit Auswirkungen auf den gesamten Prozessvergleich beseitigt werden (vgl. BSGE 7, 280; 19, 114, 115f.; BSG vom 01.04.1981 - 9 RV 43/80 - sowie LSG Baden-Württemberg vom 20.11.2001 - L 13 AL 2307/01 -, jeweils zitiert nach juris). Für eine Anfechtung wegen Irrtums über den Inhalt der vom Kläger am 18.03.2014, vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten, abgegebenen Erklärungen liegt kein Anhalt vor. Gleiches gilt für eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung (§ 123 BGB).

f) Auch ein Widerruf oder eine Anfechtung des gerichtlichen Vergleichs entsprechend den Regeln über die Wiederaufnahmeklage (vgl. hierzu Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O., vor § 60, Rdnr. 12a m.w.N.) kommt vorliegend nicht in Betracht, weil ein gesetzlicher Restitutionsgrund im Sinne von § 179 Abs. 1 SGG in Verbindung mit § 580 ZPO (insbesondere: Falsche eidliche Aussage des gegnerischen Prozessbeteiligten, Urkundenfälschung, strafbares falsches Zeugnis oder Gutachten, Urteilserschleichung, strafbare Amtspflichtverletzung eines Richters, Auffinden einer bisher unbekannten Urkunde) weder vorgetragen noch ersichtlich ist. Überdies lägen auch die Voraussetzungen des § 581 Abs. 1 ZPO (rechtskräftige Verurteilung wegen einer Straftat oder fehlende Einleitung oder Durchführung eines Strafverfahrens aus anderen Gründen als wegen Mangels an Beweisen) nicht vor. Ob gegebenenfalls ein Nichtigkeitsgrund im Sinne des § 579 ZPO (unvorschriftsmäßige Besetzung des Gerichts, Mitwirkung eines kraft Gesetzes ausgeschlossenen oder wegen Befangenheit abgelehnten Richters, den gesetzlichen Vorschriften nicht entsprechende Vertretung eines Beteiligten) ebenfalls einen Widerruf oder eine Anfechtung des gerichtlichen Vergleichs vom 18.04.2012 im Verfahren S 4 U XXXX/12 rechtfertigen könnte, kann vorliegend offen bleiben. Denn die in § 579 Abs. 1 ZPO aufgeführten Nichtigkeitsgründe liegen hier ersichtlich ebenfalls nicht vor.

3. Aus Ziffer 2 des gerichtlichen Vergleichs vom 18.03.2014 ergibt sich überdies hinreichend deutlich, dass die Beklagte eine erneute Begutachtung (und Entscheidung) wegen der Höhe der unfallbedingten MdE nicht (auch) mit Wirkung für die Vergangenheit, sondern allein mit Wirkung für die Zukunft zu treffen hatte. Dem ist die Beklagte durch die hier streitgegenständlichen Bescheide voll umfänglich nachgekommen und hat dem Kläger auf der Grundlage des Gutachtes der Dres. Ka. und P. und der beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. Ha. Verletztenrente in Höhe der Vollrente für die Zeit ab dem 01.01.2015 gewährt.

4. Aus eben diesen Gründen sind die angefochtenen Bescheide nicht rechtswidrig und musste das Begehren des Klägers erfolglos bleiben.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 Absätze 1 und 4 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved