L 1 KR 340/15 NZB

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Frankfurt (Oder) (BRB)
Aktenzeichen
S 27 KR 311/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 340/15 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Aus § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X ergibt sich kein Kostenerstattungsanspruch der Leistungserbringer für die nach § 276 Abs. 2 SGB 5 zu erteilenden Daten und Auskünfte.
Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Oder) vom 9. Juli 2015 wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen. Der Streitwert wird auf 11,95 EUR festgesetzt.

Gründe:

Die gemäß § 145 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 9. Juli 2015 ist unbegründet. Denn weder ist die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts bereits kraft Gesetzes zulässig noch sind Zulassungsgründe nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 bis 3 SGG gegeben.

Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt, es sei denn, dass die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft. Im erstinstanzlichen Verfahren haben die Beteiligten um die Erstattung von Kosten für die Anfertigung von Kopien und einem Foto in Höhe von 11,95 EUR gestritten. Die Kopien und das Foto wurden der Beklagten im Juni 2013 übersandt. Im Streit sind damit weder Leistungen für mehr als ein Jahr noch ist der erforderliche Wert des Beschwerdegegenstandes erreicht. Das gilt selbst dann, wenn zusätzlich der von der Klägerin vor dem Sozialgericht noch ausdrücklich verfolgte Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Kosten in Höhe von 83,54 EUR einbezogen wird.

Die Berufung ist auch nicht nach § 144 Abs. 2 SGG zuzulassen. Hiernach ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr. 1), das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG), des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr. 2) oder ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann (Nr. 3).

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtsache nur zu, wenn von der Entscheidung der Rechtssache erwartet werden kann, dass sie zur Erhaltung und Sicherung der Rechtseinheit und zur Fortbildung des Rechts beitragen wird. Dies ist wiederum nur dann der Fall, wenn es in einem Rechtsstreit um eine klärungsbedürftige und klärungsfähige Rechtsfrage geht, deren Entscheidung über den Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Klärungsfähigkeit in diesem Sinne ist gegeben, wenn es auf die als grundsätzlich angesehene Rechtsfrage im konkreten Rechtsfall ankommt, wenn sie also für den zu entscheidenden Streitfall rechtserheblich ist. Nicht klärungsbedürftig ist die Rechtsfrage, wenn die Antwort praktisch außer Zweifel steht, weil sie sich beispielsweise unmittelbar aus dem Gesetz ergibt oder sie bereits höchstrichterlich geklärt ist (vgl. Kummer, Der Zugang zur Berufungsinstanz nach neuem Recht, NZS 1993, S. 337 ff. [341] m. w. Nachw.).

An diesem Maßstab gemessen, hat die Klägerin keine klärungsbedürftige Rechtsfrage formuliert. Nach dem Sinn ihres Vorbringens geht es ihr um die Frage, ob sich aus § 21 Abs. 3 Satz 4 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) iVm dem Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetz ein Anspruch auf Kostenerstattung für einen Pflegedienst ergibt, der einer Krankenkasse Auskünfte erteilt und übersendet. Nach § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X setzt ein solcher Anspruch auf Kostenerstattung voraus, dass eine Behörde Zeugen, Sachverständige oder Dritte bei ihren Ermittlungen heranzieht. Zur Reichweite dieser sich aus dem Gesetz ergebenden Erstattungspflicht hat das BSG aber bereits höchstrichterlich entschieden, dass § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X keine Anwendung findet, wenn die Auskunftspflicht eines "Dritten" speziell geregelt ist, ohne dass gleichzeitig für die Erfüllung der Auskunftspflicht auch eine Kostenerstattung eingeführt wurde (BSG v. 4. Juni 2014 – B 14 AS 38/13 R – juris Rn 31/32). Denn die spezielle Regelung einer Auskunftsverpflichtung sperrt den Rückgriff auf die allgemeinen Vorschriften, zu denen auch die in § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X normierte Kostenerstattung gehört. So liegt es aber auch hier. Die Klägerin ist nach § 276 Abs. 2 Satz 1 SGB V der Beklagten zur Erteilung von Auskünften verpflichtet. Eine Kostenerstattung für die zu erteilenden Auskünfte ist im SGB V nicht vorgesehen. Danach ist § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X hier offensichtlich nicht anwendbar. Es ist nicht erkennbar und wird von der Klägerin auch nicht näher erläutert, warum die vom BSG zur Auskunftspflicht von Arbeitgebern entwickelten Grundsätze für die Auslegung des § 21 Abs. 3 Satz 4 SGB X auf das Verhältnis zwischen Krankenkasse und Pflegedienst nicht übertragbar sein sollten. Eine andere Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Zahlungsanspruch ist nicht ersichtlich und wird von der Klägerin mit ihrer Beschwerdebegründung auch nicht genannt.

Die Berufung ist auch nicht wegen der Abweichung von der Rechtsprechung eines Obergerichts zuzulassen (Zulassungsgrund nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG). Dieser Zulassungsgrund setzt nach der Rechtsprechung des BSG voraus, dass einerseits ein abstrakter Rechtssatz der angefochtenen Entscheidung und andererseits ein der Entscheidung eines Obergerichts zu entnehmender abstrakter Rechtssatz nicht übereinstimmen. Dabei muss das abweichende Gericht den mit der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht übereinstimmenden Rechtssatz seiner Entscheidung zugrunde gelegt, insoweit eine die Entscheidung tragende Rechtsansicht entwickelt und damit der obergerichtlichen Rechtsprechung im Grundsätzlichen widersprochen haben. Dagegen genügt nicht ein Rechtsirrtum im Einzelfall, also zum Beispiel eine fehlerhafte Subsumtion des Sachverhalts, eine unzutreffende Beurteilung oder das Übersehen einer Rechtsfrage (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 160 RdNr. 13 und 14 m. w. Nachw.). Die Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt. Das Sozialgericht hat keinen von einer obergerichtlichen Rechtsprechung abweichenden tragenden Rechtssatz entwickelt. Ein solcher ist von der Klägerin auch nicht benannt worden.

Schließlich ist die Berufung auch nicht wegen eines Verfahrensmangels (Zulassungsgrund § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG) zuzulassen. Ein Verfahrensmangel ist ein Verstoß gegen eine Rechtsvorschrift, die das sozialgerichtliche Verfahren regelt. Der geltend gemachte Mangel muss sich auf das Vorgehen des Gerichts auf dem Weg zum Urteil und nicht auf den sachlichen Inhalt des Urteils beziehen. Der Verfahrensmangel muss wesentlich sein, d. h. das angefochtene Urteil muss auf diesem Mangel beruhen können. Dies ist schon dann der Fall, wenn die Möglichkeit besteht, dass der Verfahrensmangel das Urteil beeinflusst hat, das Gericht also ohne diesen Verfahrensmangel zu einem für den Kläger günstigeren Urteil gekommen wäre (Leitherer, a. a. O., § 160 RdNr. 23). Dabei ist bei der Prüfung, ob ein Verfahrensmangel vorliegt, von der Rechtsauffassung des Gerichts auszugehen, dem der Verfahrensmangel unterstellt wird. Die Klägerin hat weder solche Gründe geltend gemacht, noch sind Anhaltspunkte für deren Vorliegen auch nur im Ansatz ersichtlich.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a SGG iVm 63 Abs. 2, 53 Abs. 3 Gerichtskostengesetz.

Dieser Beschluss kann gemäß § 177 SGG nicht mit der Beschwerde an das Bundessozialgericht angefochten werden. Nach § 145 Abs. 4 Satz 5 SGG wird das Urteil des Sozialgerichts mit der Ablehnung der Beschwerde durch das Landessozialgericht rechtskräftig.
Rechtskraft
Aus
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