L 18 AS 713/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
18
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 167 AS 4266/14
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 18 AS 713/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Dem im Leistungsbezug nach dem Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) stehenden Kläger erteilte der Beklagte den Bescheid vom 2. Januar 2014, mit dem er einen mit Schreiben vom 13. Dezember 2013 gestellten Antrag des Klägers ablehnte, soweit dieser sich auf die Übersendung der Eingliederungsvereinbarung vom 25. Juni 2012 mit der Originalunterschrift des Klägers, die zusätzliche Bereitstellung eines Akteninhaltsverzeichnisses bzw EDV-Verfahrensverzeichnisses sowie auf eine zusätzliche kalendarische Auflistung mit allen in den letzten Jahren erhaltenen oder erteilten Auskünften zur Person des Klägers bezog. Mit einer E-Mail vom 6. Januar 2014 beantragte der Kläger zudem, ihm seine "Profilingakten" in Kopie zu übersenden.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers zurück (Widerspruchsbescheide vom 29. Januar 2014 und 31. Januar 2014). Das Sozialgericht (SG) Berlin hat den Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 2014 aufgehoben und den Beklagten verpflichtet, den Antrag auf Aushändigung der "Profiling-Akte" zu bescheiden, und die im Übrigen zuletzt auf Aushändigung einer kalendarischen Auflistung und eines EDV-Akteninhalts- und Übersichtsverzeichnisses, auf Verurteilung des Beklagten, bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens "keine Verwaltungsakten zu vernichten", sowie auf Gewährung eines Schmerzensgeldes iHv 1.000,- EUR gerichtete Klage mit Urteil vom 24. Februar 2015 abgewiesen. Zur Begründung ist ua ausgeführt: Der Kläger habe auf der Grundlage von § 25 Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) keinen Anspruch auf Erstellung der begehrten Verzeichnisse. Der Beklagte habe den Kläger zur Verwirklichung seines Auskunftsanspruchs nach § 83 SGB X ermessensfehlerfrei auf die persönliche Vorsprache und Akteneinsicht verweisen dürfen, die als zulässige Form der Auskunftserteilung anerkannt seien.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren auf Erteilung der in Rede stehenden Verzeichnisse und Untersagung einer Aktenvernichtung weiter; auf seine Berufungsschrift vom 12. März 2015 nebst Anlagen wird Bezug genommen.

Nach seinem Vorbringen beantragt der Kläger,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. Februar 2015 und den Bescheid des Beklagten vom 2. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2014 zu ändern und den Beklagten zu verurteilen, ihm eine kalendarische Auflistung mit allen in den letzten Jahren erhaltenen und erteilten Auskünften zu seiner Person in Kopie sowie ein EDV-Akteninhalts- und Übersichtsverzeichnis in Kopie auszuhändigen, ferner den Beklagten zu verurteilen, bis zum rechtskräftigen Abschluss des vorliegenden Verfahrens keine Verwaltungsakten zu vernichten.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das SG-Urteil im (noch) angefochtenen Umfang für zutreffend.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die vorbereitenden Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Verwaltungsakten des Beklagten (Band IV bis VI) haben vorgelegen und sind Gegenstand der Beratung gewesen.

II.

Der Senat hat gemäß § 153 Abs. 4 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) die Berufung des Klägers durch Beschluss zurückweisen können, weil er dieses Rechtsmittel einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich gehalten hat. Die Beteiligten sind hierzu vorher gehört worden (vgl § 153 Abs. 4 Satz 2 SGG).

Die Berufung des Klägers, mit der er zum einen seine erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf Erteilung der benannten Verzeichnisse weiter verfolgt, ist nach Maßgabe von § 54 Abs. 4 SGG zulässig (zur insoweit richtigen Klageart vgl BSG, Urteil vom 13. November 2012 – B 1 KR 13/12 R = SozR 4-1500 § 54 Nr 27 – Rn 8,9), aber nicht begründet. Die daneben erhobene (vorbeugende) Unterlassungsklage ist bereits unzulässig.

Der Beklagte hat mit den angefochtenen Bescheiden (vgl zum Erfordernis, über die Ablehnung einer Auskunft nach § 83 SGB X durch Verwaltungsakt zu entscheiden, sowie der Durchführung eines Vorverfahrens BSG aaO Rn 11 ff mwN) zu Recht die Erteilung der begehrten Auflistungen/Verzeichnisse abgelehnt.

Nach § 83 Abs. 1 SGB X ist dem Betroffenen auf Antrag Auskunft zu erteilen über 1. die zu seiner Person gespeicherten Sozialdaten, auch soweit sie sich auf die Herkunft dieser Daten beziehen, 2. die Empfänger oder Kategorien von Empfängern, an die Daten weitergegeben werden, und 3. den Zweck der Speicherung. In dem Antrag soll die Art der Sozialdaten, über die Auskunft erteilt werden soll, näher bezeichnet werden. Sind die Sozialdaten nicht automatisiert oder nicht in nicht automatisierten Dateien gespeichert, wird die Auskunft nur erteilt, soweit der Betroffene Angaben macht, die das Auffinden der Daten ermöglichen, und der für die Erteilung der Auskunft erforderliche Aufwand nicht außer Verhältnis zu dem vom Betroffenen geltend gemachten Informationsinteresse steht. Die verantwortliche Stelle bestimmt das Verfahren, insbesondere die Form der Auskunftserteilung, nach pflichtgemäßem Ermessen. § 25 Abs. 2 SGB X gilt entsprechend. § 83 Abs. 2 bis 4 SGB X regelt Gründe, einen Auskunftsantrag nach § 83 Abs. 1 SGB X abzulehnen.

Nach Maßgabe dieser Vorschriften hat der Kläger einen Auskunftsanspruch gegenüber dem Beklagten ua darüber, ob und ggf welche Daten der Beklagte zur Person des Klägers speichert bzw ob und ggf welche dieser Sozialdaten der Beklagte an welche Empfänger weitergab. Es ist Sinn und Zweck des Auskunftsanspruchs nach § 83 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 SGB X, den Betroffenen in die Lage zu versetzen, zu erfahren, wer was wann und bei welcher Gelegenheit über ihn weiß. Dies dient dazu, die Rechte auf Löschung, Berichtigung, Sperrung und Schadensersatz (vgl §§ 82, 84 SGB X) effektiv geltend machen zu können. Der Auskunftsanspruch sichert hierdurch verfassungskonform das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 iVm Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz – GG -) ab (vgl grundlegend BVerfGE 65, 1, 43; BSG aaO Rn 16 ff mwN). Wie die Behörde diesem Auskunftsanspruch indes nachkommt, insbesondere also die Form der Auskunftserteilung, steht in deren pflichtgemäßem Ermessen (vgl § 83 Abs. 1 Satz 4 SGB X).

Demgemäß ist es dem Beklagten durchaus möglich, dem Kläger in einer Art und Weise Auskunft zu geben, die den organisatorischen Aufwand in Grenzen hält, "beispielsweise in Form der Gewährung von Akteneinsicht" (so ausdrücklich BSG aaO Rn 23). Dem ist der Beklagte mit dem Bescheid vom 2. Januar 2014 uneingeschränkt nachgekommen. Er hat darin ungeachtet dessen, dass er bereits unter dem 5. Dezember 2013 Auskunft über ggf an Dritte übermittelte oder von dort eingeholte Daten erteilt hatte, dem Kläger eine Daten- und Akteneinsicht vor Ort angeboten, um dann ggf auch gezielt weitere Unterlagen zu dem konkreten Auskunftsbegehren zur Verfügung zu stellen. Dies umfasste auch die "Bildschirmeinsicht" bzw den Ausdruck von Datensätzen zu einem insoweit auch bereits in Aussicht gestellten Gesprächstermin bei dem zuständigen Teamleiter. Angesichts dessen ist nicht ersichtlich, weshalb der Beklagte bei gerichtsbekannt angespannter Personalsituation zusätzlich gehalten sein sollte, Übersichten bzw Auflistungen zu erstellen, die einen erheblichen personellen Aufwand erfordern würden. Letztlich ist auch nicht nachvollziehbar, ob der Kläger tatsächlich konkrete Auskünfte begehrt oder nicht vielmehr pauschale Aufstellungen begehrt, um erst dann möglicherweise gezielte Auskünfte zu erbitten. Ermessensfehler sind nach alledem bei der von dem Beklagten getroffenen Entscheidung zur Form der Auskunftserteilung nicht ersichtlich.

Die vom Kläger zudem in Gestalt einer isolierten Leistungsklage bereits erstinstanzlich erhobene (vorbeugende) Unterlassungsklage, mit der dem Beklagten die Vernichtung der Verwaltungsakten des vorliegenden Verfahrens bis zu dessen rechtskräftigem Abschluss untersagt werden soll, ist bereits unzulässig. Ein Rechtsschutzbedürfnis (vgl zu dem insoweit zu fordernden qualifizierten Rechtsschutzbedürfnis Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage § 54 Rn 42a mwN) für diese Klage ist nicht ersichtlich.

§ 119 SGG geht von einer prinzipiellen Vorlagepflicht der Behörden hinsichtlich ihrer Verwaltungsakten aus; durch die Vorlagepflicht wird den Anforderungen des Art. 19 Abs. 4 GG Rechnung getragen. Mit der Vorlagepflicht der Behörde korrespondiert das Recht der Beteiligten aus § 120 SGG, Einsicht in die Verwaltungsakten zu nehmen, welches ebenfalls das Gebot effizienten Rechtsschutzes in Art. 19 Abs. 4 GG gewährleisten soll und eine wesentliche Grundlage für die Wahrnehmung des Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG darstellt. Dem Kläger wurde eine umfassende Akteneinsicht angeboten. Anhaltspunkte für eine zu besorgende "Aktenvernichtung" des Beklagten und eine damit drohende Verletzung von Rechten des Klägers sind nicht ansatzweise erkennbar.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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