L 1 KR 385/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 198 KR 452/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 385/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2015 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, der Klägerin ihr für die Versicherte M S erbrachtes Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes sowie die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 12. Juni 2007 bis zum 3. Februar 2008 dem Grunde nach zu erstatten. Die Klägerin trägt ein Zehntel, die Beklagte neun Zehntel der Kosten des Rechtsstreits. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Kostenerstattung für von ihr getragenes Verletztengeld.

Zugrunde liegt ein Verkehrsunfall der 1957 geborenen Versicherten M S (Versicherte = V), welche bei der Klägerin gesetzlich unfall- und bei der Beklagten gesetzlich krankenversichert war. Die V stürzte am 7. August 2006 auf dem Weg zur Arbeit mit dem Fahrrad auf die rechte Schulter.

Die Beklagte zahlte im Auftrag der Klägerin der V ein Verletztengeld von kalendertäglich 13,59 EUR für die Zeit vom 18. September 2006 bis zum 10. Dezember 2006 sowie vom 11. Dezember 2006 bis 31. Juli 2007, ferner vom 1. August 2007 bis 3. Februar 2008 kalendertäglich 13,71 EUR.

Die Beauftragung erfolgte jedenfalls für die Zeit vom 18. September 2006 bis zum 10. Dezember 2006 in Anwendung der Vorschriften der Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag (Verwaltungsvereinbarung über das Verfahren zur Entschädigung bei Einzelaufträgen der Unfallversicherungsträger nach § 189 SGB VII i. V. m. § 88 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch [SGB X]; Generalauftrag betreffend die Erbringung von Verletztengeldzahlungen). Für die Zeit ab danach erteilte die Klägerin der Beklagten nach dem Rechtsvortrag einen Einzelauftrag nach dieser Verwaltungsvereinbarung mit der Maßgabe, Verletztengeld weiterhin zu ihren Lasten sicherzustellen. Konkret erteilte die Klägerin der Beklagten unter dem 7. März 2007 den Auftrag nach § 189 SGB VII, Verletztengeld von täglich 13,59 EUR rückwirkend ab 11. Dezember 2006 zu zahlen. Der Anspruch bestehe nach § 45 Abs. 1 SGB VII. Die Beklagte bezeichnet diesen Auftrag in einem Faxschreiben vom 5. September 2007 als "Einzelauftrag".

Der beratende Arzt der Klägerin äußerte in seiner Stellungnahme vom 1. September 2006 die Vermutung, dass die Verletzungen der Schulter der V kausal auf einen Vorschaden zurückzuführen sein könnte. Nach vorheriger Ankündigung beschied die Klägerin die V mit Bescheid vom 9. Januar 2008, die Zahlung von Verletztengeld, das in ihrem Auftrag durch die Beklagte gezahlt werde, mit Ablauf des 3. Februar 2008 einzustellen. Zur Begründung verwies sie auf § 46 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII), wonach das Verletztengeld mit dem Ablauf der 78. Woche ab Beginn der Arbeitsunfähigkeit ende, wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen sei.

Die Klägerin meldete gegenüber der Beklagten mit Schreiben vom 11. Juni 2008 einen Erstattungsanspruch nach §§ 102 ff. des SGB X an, "um die Ausschlussfrist zu wahren (§ 111 SGB X)". Es stehe noch nicht fest, ob die Erkrankung eine Folge eines Arbeitsunfalles sei. Sie machte konkret Kosten der Behandlung für den Zeitraum 13. September 2006 bis 3. Februar 2008 geltend (Eingang Erstattungsschreiben bei der Beklagten: 12. Juni 2008).

Mit Bescheid vom 6. Februar 2009 erkannte die Klägerin gegenüber V das Ereignis vom 7. August 2006 als Arbeitsunfall an, lehnte jedoch die Gewährung von Entschädigungsleistungen aus Anlass dieses Arbeitsunfalls über den 4. September 2006 hinaus ab. Ein Anspruch auf Rente bestehe nicht. Der Unfall sei nicht geeignet gewesen, eine Verletzung der Rotatorenmanschette sowie die anlagebedingten Veränderungen im Schulterbereich hervorzuführen. Diese stünden nach gutachterlicher Einschätzung nicht in einem inneren ursächlichen Zusammenhang mit dem Unfall.

Die Klägerin forderte die Beklagte mit Schreiben vom 13. Februar 2009 auf, ihr die über den 3. September 2006 hinaus entstandenen Kosten in Höhe von insgesamt 16 516,01 EUR zu erstatten. Mit Schreiben vom 11. März 2009 lehnte die Beklagte eine Erstattung des Verletztengeldes bis 10. Dezember 2006 unter Hinweis auf die Verjährungsfrist nach § 111 SGB X ab und für die Zeit danach, weil nach Ziffer 8.2 der Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag Geldleistungen nur dann vom Unfallversicherungsträger zurückzufordern seien, wenn die Krankenkasse Geldleistungen infolge Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit erbracht habe. Zusätzlich lehnte die Beklagte die Erstattung aller Leistungen bis zum 10. Juni 2008 ab, ebenfalls unter Hinweis auf § 111 SGB X. Sie teilte der Klägerin mit Schreiben vom 10. Juni 2009 mit, aufgrund einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung die Auffassung der Klägerin zu teilen, dass Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Unfallfolgen nur bis 5. September 2006 bestanden habe.

Nach vorangegangenem weiteren Schriftwechsel hat die Klägerin am 23. Februar 2011 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die Beklagte habe einen Teil der für die Behandlung über den 3. September 2006 hinaus entstandenen Kosten von insgesamt 16 516,01 Euro erstattet. Ein weiterer Teil sei von dieser zu Recht unter Hinweis auf § 111 SGB X nicht erstattet worden. Im Streit stünde jedoch noch das für die Zeit vom 11. Juni 2007 bis 3. Februar 2008 gezahlte Verletztengeld. Die Beklagte stütze sich insoweit darauf, dass Verletztengeld nicht nach der Verwaltungsvereinbarung "Generalauftrag", sondern nach der Verwaltungsvereinbarung "Einzelauftrag" gezahlt worden sei. Sie vertrete die Auffassung, dass die §§ 102 ff. SGB X im Rahmen eines Auftragsverhältnisses nach § 88 ff. SGB X nicht gälten und daher eine Erstattung nicht erfolgen könne. Lediglich im Falle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit des Beauftragten (§ 91 SGB X) sei eine solche möglich und hier auszuschließen. Dabei verkenne die Beklagte, dass es sich bei der Arbeitsunfähigkeit vom 11. Februar 2006 bis 3. Februar 2008 nicht um eine Neu- bzw. Wiedererkrankung, sondern um eine durchgehende Arbeitsunfähigkeit seit dem 7. August 2006 gehandelt habe. Es habe durchgehend ein Anspruch auf Verletztengeld bestanden. Berechnungsgrundlege des über den 10. Februar 2006 hinaus weiter zu gewährenden Verletztengeldes sei somit die Ursprungsberechnung und die Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag Verletztengeld. Für den Anspruch auf Verletztengeld sei die Arbeitsunfähigkeit infolge eines Versicherungsfalles im Sinne des SGB VII maßgeblich. Seien der Versicherungsfall und damit die Arbeitsunfähigkeit während eines Beschäftigungsverhältnisses eingetreten, entfalle der Anspruch auf Verletztengeld auch dann nicht, wenn das Beschäftigungsverhältnis während der weiter bestehenden Arbeitsunfähigkeit ende. Die Erteilung eines Einzelauftrages sei nicht erforderlich gewesen und lediglich im Interesse der V. erfolgt. Unabhängig von der Erforderlichkeit der Erteilung eines Einzelauftrages stehe der Klägerin auch bei einer Verletztengeldzahlung nach der Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag die Erstattung des Verletztengeldes im Rahmen des § 105 SGB X zu. Die Beklagte hat erwidert, ein Erstattungsanspruch scheitere aber daran, dass die Klägerin das Heilverfahren nicht streng überwacht habe, obgleich bereits im September 2006 auf degenerative Veränderungen bei der V. hingewiesen worden sei. Dass nicht (zeitnah) die arbeitsunfallbedingte Arbeitsunfähigkeit kritisch überprüft worden sei, könne nicht zu Lasten der Beklagten gehen. Weiter greife im hier maßgeblichen Auftragsverhältnis § 91 Abs. 1 Satz 3 SGB X. Eine Erstattungspflicht bestehe nicht, soweit Sozialleistungen zu Unrecht erbracht worden seien und den Beauftragten hierfür ein Verschulden treffe. Der Tatbestand des Verschuldens werde nach Nr. 4 der Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag auf Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit beschränkt. Zuletzt spreche auch der Grundsatz von Treu und Glauben im Sinne eines Verbotes widersprüchlichen Verhaltens, der auch im öffentlichen Recht zu beachten sei, gegen einen Rückerstattungsanspruch. Die Beklagte habe gutgläubig einen für sie verbindlichen Einzelauftrag der Klägerin ausgeführt. Das in die Weisung der Klägerin gesetzte Vertrauen der Beklagten sei auch schutzwürdig, womit die Klägerin nicht verlangen könne, dass rückwirkend Verletztengeld zu erstatten sei. Die §§ 102 ff. SGB X seien nicht einschlägig, da sie im Rahmen eines Auftragsverhältnisses nicht anwendbar seien. Hierfür sprächen auch rechtshistorische Überlegungen und die sogenannte Kehrseitentheorie.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21. August 2015 abgewiesen. Es hat ferner die Berufung zugelassen (Zustellung: 28. August 2015). Ein Erstattungsanspruch in direkter oder analoger Anwendung der §§ 102 bis 105 SGB X sei ausgeschlossen. Für die Zeit der Zahlung des Verletztengeldes ab dem 12. Juli 2007 sei die Auszahlung durch die Beklagte nach der Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag erfolgt. Diese sehe im Gegensatz zur Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag keine ausdrückliche Verweisung auf § 105 SGB X vor. Es gebe lediglich die § 91 Abs. 1 Satz 2 SGB X entsprechende Regelung, dass Geldleistungen, die infolge Vorsatz oder grober Fahrlässigkeit der Krankenkasse zu Unrecht erbracht worden seien, nicht zu erstatten seien. Bei den Regelungen über das Auftragsverhältnis nach §§ 88 ff. SGB X handele es sich um ein in sich geschlossenes gesetzliches Regelungskonzept. Die Vorschriften des Auftragsverhältnisses und des Erstattungsrechtes stünden alternativ zueinander. Dieser Auffassung sei auch das BSG in vergleichbaren Fällen (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 13/13 R).

Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin vom 22. September 2015. Zur Begründung führt sie aus, dass selbstverständlich die §§ 102 ff. SGB X ausgeschlossen seien, wenn es um die Erstattung im Rahmen eines Auftragsverhältnisses gehe. Insoweit habe der Träger der Unfallversicherung der beauftragten Krankenkasse auch dann ihre Aufwendungen zu ersetzen, wenn sich später herausstelle, dass ein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall nicht vorgelegen oder die Arbeitsunfähigkeit ganz oder teilweise nicht auf diesen Arbeitsunfall zurückzuführen sei. Außerhalb dieses Auftragsverfahrens seien die §§ 102 ff. SGB X nicht ausgeschlossen, wobei es keinen Unterschied mache, ob das Verletztengeld von der Unfallversicherung selbst, nach der Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag oder nach der Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag ausgezahlt worden sei. Daran ändere nichts, dass in letzterer keine ausdrückliche Verweisung auf § 105 SGB X enthalten sei. Mit Schriftsatz vom 7. Oktober 2016 hat die Klägerin vorgetragen, ohne Berücksichtigung der Forderung für den 11. Juni 2007 und Anwendung der Vorschriften des SGB V ergebe sich nunmehr als Gesamtforderung ein Betrag von 3.560,87 EUR soweit nicht noch weitere Aspekte zu berücksichtigen seien und der Betrag gegebenenfalls zu korrigieren sei. In der mündlichen Verhandlung hat sie erklärt, der Anspruch müsse sich ungeachtet dessen nach ihrer Berechnung auf 4.151,36 EUR belaufen. Die konkrete Höhe stehe aber unter dem Vorbehalt einer korrekten Berechnung des Krankengeldanspruches der V durch die Beklagte.

Sie beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. August 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr für die Versicherte M S erbrachtes Verletztengeld in Höhe des Krankengeldes sowie die Sozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 12. Juni 2007 bis zum 3. Februar 2008 dem Grunde nach zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und die Klage abzuweisen.

Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung. Zur Begründung führt sie aus, es stimme zwar, dass sie als Auftragnehmerin den ihr entstandenen Erstattungsanspruch von der Klägerin aus § 91 Abs. 1 SGB X erfüllt erhalten habe. Die Klägerin allerdings begehre diese nunmehr teilweise zurück. Mit einer Klageerweiterung hat sie sich einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung hat der Sache nach Erfolg. Das Sozialgericht hat die Klage zu Unrecht abgewiesen. Diese ist zulässig und begründet. Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch zu.

Richtige Klageart ist hier die allgemeine Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in der Form eines (echten) Grundurteiles nach § 130 Abs. 1 S. 1 SGG. Die erfolgte Klageänderung ist sachdienlich, § 153 Abs. 1 i. V. m. § 99 Abs. 1 SGG. Im Streit steht zwischen den Beteiligten nicht die Höhe des konkreten Erstattungsanspruches für den Zeitraum 12. Juni 2007 bis zum 3. Februar 2008, sondern nur das grundsätzliche Bestehen eines solchen Anspruches. Die etwaige Klageerweiterung, welche im Vorbringen der Klägerin in der mündlichen Verhandlung gesehen werden könnte, sie gehe (ungeachtet des Abzugs des sogenannten Spitzbetrages) von einem Betrag von 4.151,36 EUR aus, ist sachdienlich, weil ein etwaiger weiterer Rechtsstreit vermieden wird. Die Beklagte hat überdies zugestimmt.

Der Klägerin steht ein Erstattungsanspruch gemäß § 105 Abs. 1 SGB X zu.

Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist der zuständige Leistungsträger erstattungspflichtig, wenn ein unzuständiger Leistungsträger Sozialleistungen erbracht hat, ohne dass die Voraussetzungen des § 102 Abs. 1 SGB X (vorläufige Leistungen) vorliegen, soweit der an sich zuständige Leistungsträger nicht bereits selbst geleistet hat, bevor er von der Leistung des anderen Leistungsträgers Kenntnis erlangt hat. Der Umfang des Erstattungsanspruchs richtet sich nach § 105 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften.

Die Voraussetzungen des § 105 Abs. 1 Satz 1 SGB X liegen vor. Die Klägerin war für die Leistungen an die V (jedenfalls) ab dem 11. Juni 2007 nicht mehr zuständig. Sie hat deshalb das Verletztengeld als unzuständiger Leistungsträger durch die Beklagte gegen Erstattung nach § 189 SGB VII erbracht. Dabei hat es sich nicht um vorläufige Leistungen nach § 102 SGB X gehandelt.

Zwischen den Beteiligten steht hier außer Streit, dass die Arbeitsunfähigkeit der V aufgrund des Unfalles auf dem Weg zur Arbeit am 7. August 2006 nur bis 5. September 2006 bestanden hat. Die Klägerin als Trägerin der Unfallversicherung ist für Leistungen nur zuständig, wenn der Gesundheitsschaden des Verletzten durch ein versichertes Ereignis verursacht worden ist, wozu u. a. Wegeunfälle, also der unmittelbare Weg zum oder vom Ort der Tätigkeit, gehören. Das versicherte Ereignis muss rechtlich wesentliche Ursache des Gesundheitsschadens sein. Der Sturz hat "nur" zu einer Kontusion der rechten Schulter, des rechten Handgelenkes sowie Abschürfungen der Hand geführt. Diese Verletzungen waren Anfang September 2006 verheilt. Die weiteren Schädigungen der rechten Schulter, die durch ein MRT und anlässlich einer arthroskopischen Operation festgestellt worden waren, haben ihre wesentliche Ursache in generativen Veränderungen an der Rotatorenmanschette.

Ein Erstattungsanspruch ist nicht ausgeschlossen, weil zwischen den Beteiligten ein Auftragsverhältnis nach § 189 SGB VII i. V. m. der Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag bzw. Einzelauftrag bestanden hat. Im Streit ist hier nämlich gerade nicht der Aufwendungsersatzanspruch, für welchen das BSG im Urteil vom 18. November 2014 – B 1 KR 13/13 R – die Anwendbarkeit des Erstattungsrechts (konkret § 111 SGB X) ausgeschlossen hat. Bei dem geltend gemachten Erstattungsanspruch handelt es sich also auch nicht um die Kehrseite des ursprünglichen Auftragsverhältnisses. Auch die Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag geht in Nr. 9.2 von einem Erstattungsanspruch nach § 105 SGB X aus.

Das ursprüngliche Auftragsverhältnis an die Beklagte als Krankenkasse gemäß § 189 SGB VII, im Namen der Klägerin Leistungen an die V. auszubezahlen, steht unabhängig vom jetzigen Verhältnis der Sozialversicherungsträger im Erstattungsverfahren. Die Klägerin hätte auch eine andere Krankenkasse nach § 189 SGB VII beauftragen können. Dann hätte sich in der jetzigen Konstellation der Erstattungsanspruch, der sich (nur) an die Beklagte als derjenigen Krankenkasse richten kann, bei der die V versichert war und die deshalb statt Verletztengeld Krankengeld hätte gewähren müssen, ohne Weiteres nur an die Beklagte als eigentlich zuständige Krankenkasse gerichtet. Das Erstattungsverfahren stellt sich insoweit als getrenntes Verfahren und nicht bloß als die Kehrseite der Auftragsgewährung dar (vgl. auch Eichenhofer in Wannagat, SGB X, Stand März 2001, § 91 Rdnr. 4: Zwischen § 91 SGB X und den Bestimmungen des Erstattungsrechts besteht nicht der Konkurrenzmodus der Spezialität, sondern der Alternativität). Das Auftragsverfahren betrifft (noch) das Verwaltungsverfahren der Leistungsgewährung. Hierbei wird die Krankenkasse als Dritter eingeschaltet. Das Erstattungsverfahren ist hingegen weder eine Rückabwicklung des Auftragsverfahrens noch eine Rückabwicklung der Leistungsgewährung gegenüber der V. Es handelt sich vielmehr um spezielle Regelungen für den Ausgleich ungerechtfertigter Bereicherungen zwischen Sozialversicherungsträgern. Die Klägerin macht hier also nicht geltend, dass sie der Beklagten für deren Auftragserfüllung keine Erstattung geschuldet habe und letztere deshalb ungerechtfertigt bereichert sei. Sie beruft sich vielmehr unabhängig hiervon auf das Vorliegen der Voraussetzungen eines Erstattungsanspruches nach § 105 SGB X.

Am Umstand eines Auftragsverhältnisses, das bereits abgeschlossen und nicht teilweise rückabgewickelt wird, ändert sich auch nichts, soweit es sich um einen Einzelauftrag nach der Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag gehandelt hat. Allerdings ist hier – jedenfalls nach Wortlaut – die Verwaltungsvereinbarung Generalauftrag Verletztengeld einschlägig. Nach deren Nr. 1 übernimmt die Krankenkasse die Berechnung und Auszahlung des Verletztengeldes im Auftrag des Unfallversicherungsträgers für Verletzte, soweit diese als versicherungspflichtige Arbeitnehmer Mitglieder der Krankenkasse sind. Die Ausnahmetatbestände des Satz 2 der Nr. 1 (Arbeitsunfall bei Nebentätigkeit oder auf Berufskrankheit beruhend) liegen nicht vor.

Im Übrigen stellt sich die Verwaltungsvereinbarung Einzelauftrag nicht als ein gegenüber der VV Generalauftrag Verletztengeld zur Gänze spezielles Regelungswerk. Nr. 2 VV Generalauftrag Verletztengeld verweist nämlich für den Einzelauftrag nur ergänzend auf die im dortigen Regelwerk vereinbarten Einzelheiten. Nr. 7 der VV Generalauftrag Verletztengeld und Nr. 9.2 bleiben unberührt.

Ein Erstattungsanspruch scheitert auch nicht an § 111 SGB X (Ausschluss eines Erstattungsanspruches, wenn der Erstattungsberechtigte ihn nicht spätestens zwölf Monate nach Ablauf des letzten Tages, für den die Leistung erbracht wurde, geltend macht). Die Klägerin hat hier ihren Erstattungsanspruch erstmals am 12. Juni 2008 (Eingangsdatum) geltend gemacht. Da Verletztengeld taggenau gewährt wird, ist eine Erstattung nur für die Zeit vor dem 12. Juni 2007 ausgeschlossen.

Eine Geltendmachung nach § 111 Satz 1 SGB X verlangt das Behaupten des Anspruches gegenüber dem Anspruchsgegner. Nicht ausreichend ist die bloße Anmeldung im Sinne einer Ankündigung (so zutreffend LSG Baden Württemberg, juris Rdnr. 32, Urteil vom 21. November 2014 – L 4 KR 5373/12). Notwendig ist, dass der Wille des erstattungsberechtigten Leistungsträgers erkennbar wird, zumindest rechtssichernd tätig zu werden, und nicht nur das etwaige künftige Erheben einer Erstattungsforderung ankündigen zu wollen. Der erstattungspflichtige Leistungsträger muss in die Lage versetzt werden, sich ein Bild über Art und Umfang der in Rede stehenden Leistungen machen zu können und seine eigene Leistungszuständigkeit bzw. die Frage zu prüfen, ob er mit einer Erstattungspflicht zu rechnen habe. Die Klägerin teilte der Beklagten mit ihrem Schreiben vom 11. Juni 2008 nicht nur eine Aufstellung der Leistungen, deren Zeitraum/Zeitpunkt und die Höhe der Leistungen mit, sondern fügte auch ihr Schreiben vom selben Tag an die V. bei. Aus diesem ergab sich der zu dieser Zeit bestehende Gutachterstreit hinsichtlich der Unfallfolgen Da das Verletztengeld wie das Krankengeld kalendertäglich erbracht wird, ist Leistung im Sinne des § 111 SGB X das Verletztengeld für jeden einzelnen Tag, für den das Verletztengeld tatsächlich ausbezahlt ("erbracht") ist. Exakt beginnt die Zwölfmonatsfrist am Folgetag des Tages, für den der erstattungsberechtigte Träger die Sozialleistung letztmalig erbracht hat und ihm die entsprechenden Kosten entstanden sind (ebenso Mutschler in: Schlegel/Voelzke, juris PK SGB X, § 111 SGB X Rdnr. 29 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 22. August 2000 – B 2 U 24/99 R: "Bei wiederkehrenden Leistungen, die für bestimmte Leistungszeiträume erbracht werden, entstehen die Erstattungsansprüche sukzessive nach Ablauf eines jeden Leistungszeitraums").

Ein Erstattungsanspruch wäre ferner darüber hinaus allenfalls dann ausgeschlossen, wenn die Klägerin bewusst in Kenntnis ihrer Unzuständigkeit Leistungen erbracht hätte (so jedenfalls LSG Hamburg, Urteil vom 17. Februar 2015 – L 3 U 34/14 juris-Rdnr. 15). Im vorliegenden Fall bestand zwar bereits im Herbst 2006 der Verdacht einer Vorschädigung bzw. degenerative Veränderungen der Schulter der V als Ursache der Erkrankung. Allerdings ist dies erst später aufgeklärt worden. Bis dahin war von einem kausalen Zusammenhang zwischen dem Fahrradunfall unter der Arbeitsunfähigkeit aufgrund der Schulterverletzungen auszugehen.

Der Umfang des Erstattungsanspruches richtet sich – wie ausgeführt – aufgrund § 105 Abs. 2 SGB X nach den für den zuständigen Leistungsträger geltenden Rechtsvorschriften. Da das Verletztengeld nach SGB VII höher ist als das Krankengeld nach SGB V (sogenannter Spitzbetrag), kann die Klägerin nur Beträge exakt in Höhe des Krankengeldes nach SGB V erstattet verlangen, konkret nach § 47 Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB V 70 % des regelmäßig erzielten Arbeitsentgeltes, wobei das Krankengeld 90 % des nach § 47 Abs. 2 SGB V berechneten Nettoarbeitsentgelts nicht übersteigen darf.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197 a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 1,155 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Eine Kostenentscheidung hatte zu ergehen. Es handelt sich vorliegend um ein Endurteil und nicht lediglich um ein Zwischenurteil nach § 160 Abs. 2 SGG oder nach § 202 SGG i. V. m. § 304 Zivilprozessordnung (ZPO). Wie ausgeführt besteht hier zwischen den Beteiligten kein Streit über den Betrag im Sinne des § 304 Abs. 1 ZPO. Zu Lasten der Beklagten ist von einer teilweisen Klagerücknahme auszugehen, soweit zuletzt eine Erstattung für den 11. Juni 2007 und auch hinsichtlich des sogenannten Spitzbetrages nicht mehr begehrt worden ist.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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