L 3 AL 101/15

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 28 AL 158/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 3 AL 101/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Zwangsvollstreckung richtet sich grundsätzlich nach den Vorschriften, die für das jeweilige Vollstreckungsgericht (bzw. die Vollstreckungsbehörde) vorgesehen sind.
2. Wenn die Zwangsvollstreckung wegen rückständigen Unterhalts aufgrund eines vollstreckbaren Titels eines Amtsgerichts, also eines Gerichts der Zivilgerichtsbarkeit, betrieben wird, stehen dem Kläger die in der Zivilprozessordnung insoweit vorgesehenen Rechtsschutzmöglichkeiten offen.
3. Ab dem Zeitpunkt der Zustellung des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses an eine Behörde (hier der Bundesagentur für Arbeit) ist es ihr verboten, die von dem Beschluss erfassten Beträge an den Kläger zu zahlen.
I. Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 20. März 2015 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger wehrt sich gegen die Abführung eines gepfändeten Anteils seines Anspruchs auf Arbeitslosengeld.

Dem am 28. November 1968 geborenen Kläger wurde mit Bescheid vom 20. Februar 2014 Arbeitslosengeld für den Zeitraum vom 27. Dezember 2013 bis 30. Oktober 2014 (vorläufig) bewilligt. Mit Änderungsbescheid vom 24. April 2014 wurde der Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 1. April 2014 bis 30. Oktober 2014 auf 39,81 EUR täglich (1.194,30 EUR monatlich) festgesetzt. Unter Berücksichtigung eines der Beklagten am 9. April 2014 zugestellten Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts A ... vom 2. April 2014 (Unterhaltsschulden des Klägers in Höhe von 12.360,00 EUR), mit dem der pfandfreie Betrag zur Deckung des eigenen notwendigen Unterhalts des Klägers auf 711,00 EUR monatlich festgesetzt wird, wurde der Leistungsbetrag von 39,81 EUR täglich um die an den Gläubiger zu zahlenden 16,11 EUR auf 23.70 EUR (entspricht monatlich 711,00 EUR) reduziert.

Den Widerspruch des Klägers vom 2. Mai 2014 verwarf die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 7. Mai 2014 als unzulässig. Die Arbeitsagentur sei als Drittschuldnerin für eine Forderung in Anspruch genommen worden, die ein Dritter gegen den Kläger habe. Die Rechtmäßigkeit der Pfändung sei durch die Drittschuldnerin nicht zu prüfen. Vielmehr gelte ihr gegenüber die Pfändung nach § 836 Zivilprozessordnung (ZPO) als rechtsbeständig, bis sie von einer Aufhebung dieser Pfändung Kenntnis erhalte. Da die Agentur für Arbeit die von der Vollstreckungsstelle angeordnete Maßnahme habe durchführen müssen, habe sie insoweit keine eigene Entscheidung im Rahmen ihrer Zuständigkeit getroffen. Ein Verwaltungsakt der Agentur für Arbeit sei daher nicht ergangen, so dass der Widerspruch nicht zulässig sei. Gegen die Pfändung könne der Kläger vielmehr die Rechtsmittel aus der Zivilprozessordnung (ZPO), nämlich die "Erinnerung" nach § 766 ZPO oder die "Vollstreckungsabwehrklage" nach § 767 ZPO einlegen, für die das Vollstreckungsgericht zuständig sei.

Nachdem der Kläger am 22. Mai 2014 Klage zum Sozialgericht Leipzig erhoben hatte, bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 11. Juni 2014 und Änderungsbescheiden vom 22. Dezember 2014 und 5. Februar 2015 endgültig Arbeitslosengeld in Höhe eines Leistungsbetrages von täglich 39,81 EUR und eines Zahlbetrages von täglich 23,70 Euro (711,00 EUR monatlich), soweit nicht wegen kurzer zwischenzeitlicher Erwerbstätigkeit und Sperrzeit der Leistungsbetrag bei 0,00 EUR lag.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. März 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zu Recht habe die Beklagte ab April 2014 lediglich den festgesetzten Selbstbehalt in Höhe von 711,00 EUR monatlich an den Kläger gezahlt. Gegen den Pfändungsbeschluss stehe dem Kläger ausschließlich die Erinnerung nach § 766 ZPO beim Vollstreckungsgericht, also dem Amtsgericht Leipzig, zu. Eine Überprüfung dieser Entscheidung durch das Sozialgericht könne nicht erfolgen.

Dagegen richtet sich die Berufung des Klägers vom 23. April 2015, zu deren Begründung er wie folgt vorgetragen hat: "Ich finde es eine Ungerechtigkeit, dass mein Arbeitslosengeld auf Hartz IV-Niveau gepfändet wurde. Ich dachte jeder Mensch hat einen Pfändungsfreibetrag."

Der Kläger beantragt, sachgerecht gefasst,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Leipzig vom 20. März 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das mit Bescheid vom 11. Juni 2014 in Gestalt der Änderungsbescheide vom 22. Dezember 2014 und 5. Februar 2015 bewilligte Arbeitslosengeld ungekürzt auszuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und verweist auf die dortigen Ausführungen.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des beigezogenen Verwaltungsvorgangs sowie der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist zulässig, aber unbegründet.

Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Auszahlung von mehr als monatlich 711,00 EUR aus seinem beschiedenen Anspruch auf Arbeitslosengeld nicht zu.

Der Gläubiger des Klägers verfügt in Gestalt einer vollstreckbaren Ausfertigung vom 3. Mai 2012 zum Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts A ... vom 12. April 2012 (Az. 336F805/12) über einen Vollstreckungstitel, nach dem er vom Schuldner (Kläger) 12.360,00 EUR wegen Unterhaltsrückstandes beanspruchen kann. Auf der Grundlage dieses Vollstreckungstitels hat das Amtsgericht Leipzig den Pfändungs- und Überweisungsbeschluss vom 2. April 2014 erlassen, mit dem der pfandfreie Betrag, der dem Kläger bis zur Deckung des Gläubigeranspruchs für seinen eigenen notwendigen Unterhalt monatlich zu verbleiben hat, auf 711,00 EUR festgesetzt wird. Diese Entscheidung ist im Sozialrechtswege nicht angreifbar.

In der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist geklärt, dass die Zwangsvollstreckung sich grundsätzlich nach den Vorschriften richtet, die für das jeweilige Vollstreckungsgericht (bzw. die Vollstreckungsbehörde) vorgesehen sind (BSG, Urteil vom 8. März 1982 - 7 RAr 14/81 - juris Rn. 19). Da vorliegend die Zwangsvollstreckung wegen rückständigen Unterhalts aufgrund eines vollstreckbaren Titels des Amtsgerichts A ..., also eines Gerichts der Zivilgerichtsbarkeit, betrieben wird, stehen dem Kläger die in der Zivilprozessordnung insoweit vorgesehenen Möglichkeiten offen. Nach § 766 Abs. 1 Satz 1 ZPO entscheidet das Vollstreckungsgericht über Anträge, Einwendungen und Erinnerungen, welche die Art und Weise der Zwangsvollstreckung oder das vom Gerichtsvollzieher bei ihr zu beobachtende Verfahren betreffen ("Erinnerung"). Mit diesem Rechtsbehelf hätte sich der Kläger an das Vollstreckungsgericht wenden und eine Erhöhung des festgesetzten Selbstbehalts begehren können. Der Beklagten hingegen war es nicht möglich, sich den Wirkungen des Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses zu entziehen. Mit der Zustellung des Beschlusses an die Beklagte war die Pfändung als bewirkt anzusehen (§ 829 Abs. 3 ZPO). Ab diesem Zeitpunkt war es der Beklagten verboten, die von dem Beschluss erfassten Beträge an den Kläger zu zahlen (§ 829 Abs. 1 Satz 1 ZPO). Ebenso wenig wie die Beklagte sind die Sozialgerichte befugt, durch eigene Anordnungen in das zivilgerichtliche Zwangsvollstreckungsverfahren hineinzuwirken.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe dafür nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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