L 1 KR 408/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 210 KR 1567/12
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 408/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit steht noch ein Anspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Erteilung einer Auskunft.

Mit Schreiben vom 2. Januar 2011 bat der Kläger die Beklagte, bei welcher er zu diesem Zeitpunkt krankenversichert war, um Auflistung aller Kosten, welche die Beklagte für ihn im Jahr 2010 aufgebracht habe sowie um Mitteilung und Nachweis, welchen Gesamtbetrag die Beklagte unter Berücksichtigung seines Geschlechtes, seines Alters und seines Gesundheitszustandes "(Morbi-RSA für Asthma, Rücken, Psycho)" aus dem Gesundheitsfond 2010 für mich erhalten hat.

Die Beklagte schrieb dem Kläger am 13. September 2011, unter anderem, dass Bescheide des Bundesversicherungsamtes zum Gesundheitsfond nicht nach einzelnen Kunden untergliedert seien. Aus Datenschutzgründen dürften keine Berechnungen der Zuweisungshöhe für einzelne Kunden angestellt werden. Die Kassenärztliche Vereinigung und die Kassenzahnärztliche Vereinigung Berlin erteilten dem Kläger mit Schreiben vom 17. Oktober 2011 sowie vom 29. Dezember 2012 Auskünfte über die Kosten der ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen für das Jahr 2010. Die Beklagte teilte ihm mit Schreiben vom 25. November 2011 die Kosten für Arznei-, Verband- und Heilmittel mit.

Der Kläger hat am 3. September 2012 beim Sozialgericht Berlin (SG) Klage erhoben, mit der er zunächst beantragt hat, (1.) die Beklagte zu verpflichten, sämtliche Kosten der 2010 bewilligten Leistungen bekannt zu geben und (2.) ferner bekanntzugeben, welche Morbi-RSA sie für ihn beim Gesundheitsfond geltend gemacht und welche Gesamtfinanzzuweisungen sie daraufhin für ihn 2010 erhalten hat. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagte missachte seit Jahren ihre Pflicht gemäß § 36 der Verordnung über das Verfahren zum Risikostrukturausgleich in der gesetzlichen Krankenversicherung (Risikostruktur-Ausgleichsverordnung-RSAV) "ihren Versicherten, die für das Folgejahr ermittelnde Grundpauschale ( ) jährlich in geeigneter Form bis 31. Dezember bekannt" zu geben.

Die Beklagte hat dem Kläger eine Versichertenauskunft Stand 21. September 2012 hinsichtlich der im Jahr 2010 in Anspruch genommenen Heilmittel in Gestalt der Physiotherapie erteilt. In einem am 9. Oktober 2013 bei Gericht eingegangenen Schreiben hat sie für das Jahr 2010 die Kosten für Physiotherapie und für Wassergymnastik/Reha-Sport mitgeteilt. Sie hat dem Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem SG am 31. Juli 2015 Kopien ihrer Schreiben vom 1. Oktober 2010 und 8. Dezember 2010 hinsichtlich der Höhe des bewilligten Zuschusses zum Zahnersatz überreicht. Der Kläger hat daraufhin den Klageantrag zu 1. für erledigt erklärt.

Das SG hat mit Urteil vom selben Tag (Zustellung: 5. September 2015) den noch gestellten Antrag, die Beklagte zu verpflichten, bekanntzugeben, welche Morbi-RSA sie für ihn beim Gesundheitsfond geltend gemacht hat und welche Gesamtfinanzzuweisungen bestehend aus Grundpauschale und Morbi-RSA sie daraufhin für ihn 2010 erhalten hat, abgewiesen. Die Klage sei als allgemeine Leistungsklage nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft, im Übrigen jedoch bereits unzulässig. Es fehle dem Kläger am allgemeinen Rechtsschutzbedürfnis. Ein solches fehle dann, wenn die begehrte Entscheidung die rechtliche oder wirtschaftliche Stellung des Klägers nicht verbessern könne oder das angestrebte Ergebnis auf einfachere Weise erreicht werden könne. Es bestehe der Grundsatz, dass niemand die Gerichte unnütz in Anspruch nehmen oder ein gesetzlich vorgesehenes Verfahren zur Verfolgung zweckwidriger und insoweit nicht schutzwürdiger Ziele ausnutzen dürfe. Ein solcher Fall liege hier vor. Das Rechtsschutzbedürfnis im Sinne einer Sachentscheidungsvoraussetzung sei ein allgemein anerkanntes Rechtsprinzip, das sich aus dem auch im Prozessrecht geltenden Gebot von Treu und Glauben, dem Verbot des Missbrauchs prozessualer Rechte sowie dem für die Gerichte geltenden Grundsatz der Effizienz staatlichen Handelns ergebe. Grundsätzlich sei ein Rechtsschutzinteresse daher nur dann zu bejahen, solange der Betroffene gegenwärtig beeinträchtigt sei und mit seinem Rechtsmittel ein konkretes praktisches Ziel erreichen könne. Artikel 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) gewähre kein Recht auf (gerichtliche) Auskunft über die Rechtslage. Hier könnte das vom Kläger begehrte Urteil seine rechtliche oder wirtschaftliche Stellung nicht verbessern. Entsprechende Vorteile seien weder ersichtlich, noch seien sie durch den Kläger substantiiert vorgetragen. Soweit er angebe, ein Interesse daran zu haben, zu erfahren, was genau mit seinen Beiträgen geschehe und wissen wolle, ob und in welchem Umfang er die Solidargemeinschaft belaste oder ob es in seinem Namen Betrug gegenüber dem Gesundheitsfond gegeben habe, könne dies einen rechtlichen oder wirtschaftlichen Vorteil für ihn nicht aufzeigen.

Hiergegen hat der Kläger am 1. Oktober 2015 Berufung eingelegt.

Der Senat hat die Beklagte mit Verfügung vom 6. Juli 2016 aufgefordert, eine Kopie der Bekanntgabe nach § 36 Abs. 3 Satz 2 RSAV in der im Jahr 2010 geltenden Verfassung vom 17. Juli 2009 einzureichen.

Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 8. August 2016 eine Kopie der Mitgliederzeitschrift TK-Aktuell Heft 1 2010 zur Akte gereicht.

Der Kläger trägt vor, er gehe davon aus, dass eine Veröffentlichung nach § 36 Abs. 3 RSAV nie erfolgt sei. Jedenfalls sei dies ihm gegenüber nicht über die Mitgliederzeitung bekanntgegeben worden. Er wolle die Grundpauschale wissen, um ausrechnen zu können, welchen Betrag die Beklagte aus dem Gesundheitsfond für ihn erhalten habe. In rechtlicher Hinsicht sehe er keinen Unterschied zwischen einem Interesse und einer möglichen Rechtsverletzung. Die Veröffentlichung der Grundpauschale in der Mitgliederzeitung TK-Aktuell genüge nicht den Anforderungen des § 36 RSAV. Eine nach einzelnen Versicherten aufgeschlüsselte Auskunft aus dem Gesundheitsfond sei durchaus möglich.

Er beantragt sinngemäß,

die Beklagte unter Abänderung des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 31. Juli 2015 zu verpflichten, bekanntzugeben, welche Morbi-RSA sie für ihn beim Gesundheitsfond geltend gemacht hat und welche Gesamtfinanzzuweisungen bestehend aus Grundpauschale und Morbi-RSA sie daraufhin für ihn 2010 erhalten hat.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Der Senat hält sie einstimmig für unbegründet. Er hält auch eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich. Die Beteiligten sind auf die Absicht, so vorzugehen, mit Verfügung vom 13. Oktober 2016 hingewiesen worden.

Der Berufung muss Erfolg versagt bleiben. Wie bereits das SG richtig ausgeführt hat, ist die Klage unzulässig.

Zur Vermeidung bloßer Wiederholungen wird auf die umfassende Begründung gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob die Beklagte ihrer Bekanntgabeverpflichtung aus § 36 Abs. 3 RSVG im vollen Umfang gerecht geworden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und entspricht dem Ergebnis in der Sache.

Die Revision war nicht nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG zuzulassen.

Grundsätzliche Fragen zum Rechtsschutzbedürfnis stellen sich insbesondere nicht.
Rechtskraft
Aus
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