Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 14 R 196/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 1 RS 5/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Eine Einbeziehung in die zusätzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz kommt für einen Versicherten, der seinen ständigen Aufenthalt im Bundesgebiet (Berlin West) bereits am 7. Oktober 1989 genommen hat, über keine Versorgungszusage und keine positive Rehabilitierungsentscheidung verfügt, auch dann nicht in Betracht, wenn er von seinem letzten Arbeitgeber in der ehemaligen DDR unbezahlt von der Arbeit freigestellt worden ist.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 27.08.2014 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die vom Kläger in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anzuerkennen sowie die dabei erzielten Entgelte festzustellen.
Dem im Februar 1943 geborenen Kläger wurde ausweislich der Urkunde der Technischen Hochschule G. M-Stadt vom 30. August 1968 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" in der Fachrichtung Fertigungstechnik verliehen. Er war nach seinen eigenen Angaben ab 1. Oktober 1968 als Diplom-Ingenieur bzw. Gruppenleiter Verfahrensentwicklung, Abteilungsleiter, Assistent des technischen Direktors, Abteilungsleiter Fertigungsvorbereitung und zuletzt von Januar 1983 bis 31. Oktober 1989 als Abteilungsleiter technisches Rechenzentrum tätig. Ab 1. November 1989 habe das Arbeitsverhältnis geruht.
Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vom 3. Januar 1977 findet sich für das Jahr 1988 die letzte vollständige Eintragung. Hier wurde vom VEB W. U. G-Stadt eine Tätigkeit als Abteilungsleiter vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1988 bestätigt sowie Angaben zu den Arbeitsausfalltagen, dem beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst sowie dem Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, gemacht. Für das Jahr 1989 ist nur noch der Beginn der Tätigkeit mit 1. Januar 1989 angegeben und die Tätigkeit als Abteilungsleiter bezeichnet. Eine Eintragung in die für das Jahr 1989 vorgesehene Zeile für das Ende der Tätigkeit, für Arbeitsausfalltage, für den beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst und den Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, fehlt. Für das Jahr 1990 ist keine Eintragung mehr vorhanden.
Mit Schreiben vom 10. September 2013 beantragte der Kläger die Gewährung einer "Intelligenzrente". Er habe als Abteilungsleiter technologische Arbeitsvorbereitung im VEB W. U. G-Stadt gearbeitet. Der Arbeitsvertrag sei bis zur Umwandlung der Rechtsform in 1991 gültig gewesen. Der VEB W. U. G-Stadt sei nach dem 30. Juni 1990 in eine neue Rechtsform überführt worden.
In einem dem Kläger daraufhin übersandten Formblattantrag gab er an, es lägen keine Zusatzversorgungszeiten vor, für die Nachweise nicht erbracht werden könnten. Auch seien keine Zeiten aus einem Zusatzversorgungssystem in die FZR übertragen worden. Die Frage, ob der Kläger anerkannter Verfolgter im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet sei, wurde nicht beantwortet; eine für den Fall der Bejahung dieser Frage erbetene Bescheinigung der Rehabilitationsbehörde wurde jedoch nicht vorgelegt. Übersandt wurden hingegen die Diplomurkunde sowie die Urkunde über die Verleihung des akademischen Grades Dr. Ing., zahlreiche Arbeitsverträge, Nachweise über Beitragszahlungen, Entgeltbescheinigungen, das Arbeitsbuch sowie der Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung.
Mit angefochtenem Bescheid vom 18. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, da die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt seien. Der Kläger habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG gehabt. Es liege weder eine tatsächliche Einbeziehung noch eine nachträgliche Rehabilitierung vor. Auch habe der Kläger nicht nach Maßgabe der vom BSG aufgestellten Grundsätze einen Anspruch auf Versorgungszusage gehabt. Am 30. Juni 1990 habe der Kläger im Beitrittsgebiet keine abhängige Beschäftigung mehr ausgeübt. Er sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und erklärte, er habe am 30. Juni 1990 eine abhängige Beschäftigung im Beitrittsgebiet auf der Grundlage eines gültigen Arbeitsvertrags ausgeübt. Nach Verlassen des Beitrittsgebiets am 7. Oktober 1989 (aus politischen Gründen, da die Sicherheit der gesamten Familie gefährdet gewesen sei) sei weder vom VEB W. noch von ihm der Arbeitsvertrag gekündigt worden. Das Arbeitsrecht der ehemaligen DDR (AGB §§ 56, 57) hätte zwingend die Schriftform für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorgeschrieben. Beide Seiten hätten von dem Recht der Kündigung keinen Gebrauch gemacht. Damit sei stillschweigend von beiden Seiten akzeptiert worden, dass der Arbeitsvertrag und damit das Beschäftigungsverhältnis bei ruhenden Hauptleistungen weiter Bestand habe. Die Annahme, dass der Arbeitgeber die einseitige Suspendierung akzeptiert habe, werde durch die Zahlung des vollen Gehalts für Oktober 1989 unterstrichen. Beschäftigung sei definiert als nichtselbstständige Arbeit besonders in einem Arbeitsverhältnis. Dabei sei es unerheblich, ob die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt werde. Entscheidend sei, dass am 30. Juni 1990 tatsächlich ein juristisch korrektes Arbeitsverhältnis ohne Einschränkung bestanden habe. Dies werde auch nicht durch ein zweites Arbeitsverhältnis infrage gestellt, da auch im Beitrittsgebiet eine Mehrfachbeschäftigung zulässig gewesen sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 zurückgewiesen. Der Kläger habe aufgrund seiner Ausreise aus der ehemaligen DDR am 7. Oktober 1989 am 30. Juni 1990 im Beitrittsgebiet keine abhängige Beschäftigung mehr ausgeübt. Damit seien die sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Durch seine Ausreise hätte er auch nicht mehr in die Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden können.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des BSG, wer zum Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne gewesen und welcher Zweck von dem Betrieb tatsächlich verfolgt worden sei. Die Suspendierung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sei im AGB ausdrücklich erlaubt. Diese führe nicht automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrages. Auch sei die Dauer der Suspendierung nicht befristet. Der Arbeitgeber habe die einseitige Suspendierung akzeptiert, da er das volle Gehalt im Oktober 1989 gezahlt habe. Eine korrekte Zustellung der Kündigung sei zu jedem Zeitpunkt möglich gewesen, da er über einen Anwalt mit dem Arbeitgeber in Kontakt gestanden sei. Die Feststellung, mit der Ausreise sei auch die Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht mehr möglich gewesen, verstoße gegen das Grundrecht der freien Wahl von Wohn- und Arbeitsort. Nicht der Wohnort, sondern der Arbeitsort und der Arbeitsvertrag seien entscheidend.
Mit Urteil vom 27. August 2014 hat das SG die auf Feststellung der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz für die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten und die hierin erzielten Arbeitsentgelte gerichtete Klage abgewiesen. Am 30. Juni 1990 sei der Kläger nicht mehr beim VEB W. U. G-Stadt beschäftigt gewesen. Unerheblich sei, ob der Arbeitsvertrag formell fortbestanden habe. Rein tatsächlich sei der Kläger am 30. Juni 1990 dort nicht mehr beschäftigt gewesen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, am Stichtag bereits in den alten Bundesländern beruflich tätig gewesen zu sein.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, im Mittelpunkt stehe nicht das Sozialrecht, sondern die Feststellung, ob am 30. Juni 1990 ein juristisch gültiges Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem VEB W. U. G-Stadt bestanden habe. Das SG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich um ein ruhendes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Da er bereits seit dem 11. September 1990 Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland sei, müsse davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland vollumfänglich gültig sei. Die einseitige Suspendierung des Arbeitsverhältnisses am 7. Oktober 1989 sei in einer persönlichen Notlage erfolgt. Es sei illegal in seine Wohnung eingedrungen worden. Er und seine Ehefrau seien getrennt verhört worden. Auch sei er ständig am Arbeitsplatz überwacht worden. Seine mögliche Inhaftierung und die seiner Ehefrau sowie die zwangsläufige Unterbringung der Kinder in einem Kinderheim seien ein nicht mehr tragbares Risiko gewesen. Die Flucht in die Bundesrepublik Deutschland sei die unausweichliche Konsequenz gewesen. Logische Konsequenz der Flucht sei gewesen, dass sein Aufenthaltsort nicht mehr in der DDR gewesen sei. Die Verletzung der Grundrechte nach Art. 2, 12 und 13 GG seien bei der Urteilsfindung völlig außer Acht gelassen worden. Er sei am 7. Oktober 1989 nicht aus dem Beitrittsgebiet ausgereist. Tatsächlich habe es sich um Republikflucht gehandelt. Im Falle einer Ausreise hätte er alle bürgerliche Rechte einschließlich des Arbeitsplatzes verloren. Bei einer Flucht sei durch den Flüchtling kein Anerkenntnis des Verlustes der bürgerlichen Rechte einschließlich des Arbeitsplatzes erfolgt. Unerheblich sei, dass er in der Bundesrepublik Deutschland eine Beschäftigung aufgenommen habe. Bei ruhendem Arbeitsverhältnis sei eine Zweitbeschäftigung rechtlich zulässig. Es könne nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden, dass sein Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.
Die Beklagte hat auf Entscheidungen des BSG hingewiesen (B 4 RS 120/07 B, B 4 RA 6/95, B 4 RA 238/05 B), wonach das AAÜG nicht auf Personen anwendbar sei, die die DDR vor dem 19. Mai 1990 dauerhaft verlassen haben.
Der Kläger hat hierauf entgegnet, eine Rückkehr an seinen Arbeitsplatz sei auch im Frühjahr 1990 aufgrund von Aktivitäten von MfS und Volkspolizei nicht möglich gewesen. Im Urteil des SG finde keine Berücksichtigung, dass er bereits seit dem 11. September 1989 Bürger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Die Beklagte müsse auch dem amtlichen Leitsatz aus dem BSG-Urteil vom 19. März 1997 (Az. 5 RJ 72/95) folgen, wonach ein Rentenanspruch aufgrund von im Gebiet der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten für Rentenbewerber, die die DDR vor dem 19. Mai 1990 verlassen haben, allein nach den Vorschriften des FRG bestehe.
Der Kläger hat nochmals betont, dass er bereits vor der Flucht aus der DDR am 7. Oktober 1989 unter dem Schutz des Grundgesetzes gestanden habe, da er ab dem 11. September 1989 Bürger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass eine unwiderrufliche Freistellung vorgelegen habe. Damit ende das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im leistungs- wie beitragsrechtlichen Sinne nicht bereits mit dem Beginn der Freistellung von der Arbeit. Der Arbeitnehmer bleibe vielmehr entgegen älterer Auffassungen Arbeitnehmer im Sinne eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und bis zum endgültigen Ausscheiden Pflichtmitglied der Sozialversicherung (BSG vom 24. September 2008). Von Seiten des Arbeitgebers sei keine Abmeldung von der Sozial- und der Rentenversicherung erfolgt. Entsprechendes sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden. Die Flucht (nicht Ausreise) habe das ruhende Arbeitsverhältnis und damit auch das Fortbestehen einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bis zum 30. Juni 1990 begründet. Die von ihm in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Nebentätigkeit sei gestattet und verfassungsrechtlich garantiert gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am 16. November 2016 hat der Kläger erklärt, er habe einen Antrag auf berufliche Rehabilitation gestellt, über den jedoch noch nicht entschieden sei. Dessen ungeachtet werde eine Entscheidung des Senats begehrt. Die Beklagtenvertreterin hat eine Überprüfung für den Fall der Vorlage einer Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugesichert. Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurde auch die Akte des Senats L 1 RS 4/16 gemacht. Strittig ist hier die Verpflichtung der dort beklagten DRV Bund als Rentenversicherungsträger, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens bei der Berechnung der dem Kläger mit Bescheid vom 3. März 2008 bewilligten Regelaltersrente die Daten zu Grunde zu legen, die in einem Schreiben der Beklagten vom 5. September 1999 enthalten sind.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 27. August 2014 sowie des Bescheids der Beklagten vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 zu verurteilen, die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur Zusatzversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz und die hierin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zutreffend als unbegründet abgewiesen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses wird nicht durch das parallel anhängige Berufungsverfahren L 1 R 4/16 ausgeschlossen. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Gewährung einer höheren Rente aufgrund der Anerkennung von Ansprüchen nach dem AAÜG, sondern aufgrund eines anderen Sachverhalts (behauptete Bindungswirkung eines Schreibens der DRV Bund als Rentenversicherungsträger vom 5. September 1999).
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Hiermit hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass der Kläger bei Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes hatte.
Regelungsinhalt des Bescheids vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist die zutreffende Feststellung, dass für den Kläger keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG festzustellen sind, weil dieses Gesetz für ihn nicht anwendbar ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 8 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger dem Kläger durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG mitzuteilen. Diese Mitteilung hat u.a. die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zur enthalten. Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte geltend gemacht hat - das AAÜG auf den Kläger schon deshalb "schlechterdings" nicht anwendbar ist, weil er vor dem 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen hatte, ohne in ein Versorgungssystem der DDR einbezogen gewesen zu sein (vgl. ausdrücklich BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2006, B 4 RA 238/05 B; Beschluss vom 24. April 2008, B 4 RS 120/07 B; Beschluss vom 25. April 2008, B 4 RS 25/08 B; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997, Az. B 4 RA 6/95, alle in juris). Hieran bestehen Zweifel, weil der Kläger - anders als die Klägerin in dem vom BSG mit Urteil vom 30. Januar 1997 entschiedenen Fall - zu diesem Zeitpunkt noch keine Rente bezogen hat.
Jedenfalls ist das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar, da er am 1. August 1991, also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG hatte.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei dem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG als nicht eingetreten. Nach § 1 Abs. 2 AAÜG sind Zusatzversorgungssysteme die in der Anlage 1 zum Gesetz genannten Systeme. Nach deren Ziff. 1 ist hier die gesetzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz maßgeblich.
Der Kläger ist nicht Inhaber einer am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Aufgrund der Angaben des Klägers im Formblattantrag und in der mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, dass bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 beim Kläger kein Versorgungsfall (Alter/Invalidität) eingetreten ist. Auch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelvertrag, Einzelfallentscheidung), durch die zu seinen Gunsten zu diesem Zeitpunkt eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden wäre, ist nicht ergangen. Der Kläger ist auch nicht durch eine spätere Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Zwar hat der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2016 insoweit einen Antrag gestellt. Über diesen ist jedoch noch nicht entschieden worden. Von einer Aussetzung des Verfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde (vgl. § 114 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) hat der Senat Abstand genommen, da der Kläger dessen ungeachtet ausdrücklich eine Entscheidung des Senats gewünscht und die Beklagte zudem eine Überprüfung bei Vorlage einer Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugesichert hat.
Schließlich gilt für den Kläger auch nicht § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG. Denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt, die er bei einem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG fingiert (BSG, SozR 3-8750 § 1 Nr. 2 S. 15, Nr. 3 S. 20f).
Der Kläger hatte auch nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 4, 5, 6, 8).
Die fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG die kumulative Erfüllung der persönlichen, der sachlichen und der betrieblichen Voraussetzungen zum Stichtag 30. Juni 1990 voraus. Erforderlich ist, dass der Betreffende berechtigt war, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, er die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat und dies in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einer gleichgestellten Einrichtung erfolgt ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R, in juris).
Es fehlt hier an der Erfüllung der sachlichen und betrieblichen Voraussetzung, da der Kläger zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr als Ingenieur bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einer gleichgestellten Einrichtung tatsächlich im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine seiner persönlichen Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.
Bei der Feststellung, ob am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden ist, ist auf das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des DDR-Rechts abzustellen. Anders als bei der Auslegung des Ausdrucks "Beschäftigung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob die sachliche Voraussetzung der VO-AVI-tech auch vorliegt, wenn am 30. Juni 1990 das Arbeitsverhältnis zwar fortbesteht, eine Arbeit jedoch nicht verrichtet wird, ist nicht § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV, sondern die zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme und die sonstigen zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen Regelungen, die von den zuständigen Rechtsetzungsorganen der DDR in der vorgesehenen Form getroffen worden sind, wobei für das Sprachverständnis dieser Texte auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 abzustellen ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, Az. B 4 RA 3/05 R, in juris Rn. 21).
Während der Dauer eines Arbeitsrechtsverhältnisses waren alle "Werktätigen" bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten pflichtversichert (§ 278 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977, GBl I 185). Das Sozialpflichtversicherungsverhältnis begann demnach mit der Aufnahme der Arbeit und endete, wenn sämtliche Rechtsbeziehungen des Werktätigen zur Sozialpflichtversicherung erloschen waren, in der Regel mit dem Tod. Aus den zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden Bestimmungen der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl I 373; Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 3 Einigungsvertrag) lässt sich jedoch entnehmen, dass auch im Sprachgebrauch der DDR bei einer Nichtverrichtung der Arbeit zwischen sozialpflichtversicherungsschädlichen und sozialpflichtversicherungsunschädlichen Tatbeständen unterschieden wurde (vgl. BSG, a.a.O.).
Wurde am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ist eine nachträgliche Erteilung einer Versorgungszusage und damit eine Einbeziehung in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nach der erweiternden Auslegung des BSG also dann möglich, wenn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach § 3 SVO vorliegt. Wurde hingegen am 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ohne dass ein Fortsetzungstatbestand im Sinne des § 3 SVO erfüllt war, bestand auch am 1. August 1991 kein fiktiver Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage (BSG, a.a.O., Leitsatz 2; vgl. auch Hauck/Noftz, SGB VI, § 259b, Rn. 89a).
Für den Senat steht aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem VEB W. U. G-Stadt am 30. Juni 1990 nicht förmlich aufgelöst war und damit tatsächlich noch als "ruhendes Arbeitsverhältnis" aufgrund einer unbezahlten Freistellung von der Arbeit weiter bestanden hat. Hierfür spricht auch, dass im Sozialversicherungsausweis kein Beendigungsdatum in Bezug auf die zuletzt vom Kläger ausgeübte Beschäftigung genannt ist.
Für den Senat steht ebenfalls aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass dieser am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit im VEB als Ingenieur mehr verrichtet hat, da er zu diesem Zeitpunkt bereits die ehemalige DDR verlassen und eine Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland (West) aufgenommen hatte. Damit bestand zum Stichtag 30. Juni 1990 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr zwischen dem VEB und dem Kläger. Denn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach dem zu Bundesrecht gewordenen § 3 SVO ist nicht gegeben. Vielmehr ist gemäß § 4 Satz 1 SVO von einer Unterbrechung der Pflichtversicherung ab Beginn der Freistellung auszugehen.
Nach § 3 SVO wird die Sozialpflichtversicherung nicht unterbrochen durch Zeiten a) der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, b) der Durchführung einer prophylaktischen Kur bzw. einer Heil- oder Genesungskur der Sozialversicherung, c) der Quarantäne, d) der Freistellung von der Arbeit zur Pflege erkrankter Kinder bzw. zur Betreuung der Kinder wegen vorübergehender Quarantäne für die Kinderkrippe oder den Kindergarten (nachfolgend Kindereinrichtungen genannt), e) der Freistellung von der Arbeit zur notwendigen Betreuung der Kinder bei Erkrankung des Ehegatten f) des Schwangerschafts- und Wochenurlaubs, g) des Bezugs einer Mütterunterstützung, h) der vereinbarten unbezahlten Freistellung von der Arbeit bis zur Dauer von 3 Wochen.
Die Fallgestaltungen der Bst. a)- g) scheiden beim Kläger ersichtlich aus. In Betracht kommt nur die vom Kläger behauptete und vom Senat auch angenommene vereinbarte unbezahlte Freistellung von der Arbeit. Insoweit liegt eine unschädliche Unterbrechung der Sozialpflichtversicherung aber nur vor, als die Dauer von 3 Wochen nicht überschritten wird. Nachdem der Kläger jedoch ab 1. November 1989 von der Arbeit unbezahlt freigestellt worden ist - er hat nach seinen Angaben nur bis Oktober 1989 noch seinen Lohn erhalten - ist am 30. Juni 1990 die Dreiwochenfrist deutlich überschritten.
§ 4 S. 1 SVO ordnet an, dass bei vereinbarter unbezahlter Freistellung für länger als 3 Wochen und damit im Fall des Klägers ab Beginn der Freistellung und damit ab 1. November 1989 die Pflichtversicherung unterbrochen ist. Der Umstand, dass gemäß § 4 Satz 2 SVO ein Anspruch auf Sachleistungen für den Werktätigen und seine Familienangehörigen erhalten bleibt, ändert an der Unterbrechung des Vorliegens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichts. Zum Stichtag 30. Juni 1990 lag somit kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor mit der Folge, dass die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung des Klägers in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nicht erfüllt ist.
Für die Entscheidung unerheblich ist, ob der Kläger im Wege der Flucht oder der Übersiedlung die ehemalige DDR verlassen und wann er die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland erlangt hat. Unerheblich ist auch, wann sich der Kläger bei der Stadtverwaltung G-Stadt förmlich abgemeldet hat. Für die Frage, ob zwischen dem Kläger und dem VEB zum Stichtag 30. Juni 1990 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat oder dieses unterbrochen wurde, ist der Umstand, wann und wo der Kläger seinen Wohnort angemeldet hatte, ohne jeden Belang. Die maßgeblichen, zu Bundesrecht gewordenen Bestimmungen der §§ 3, 4 SVO stellen auf alle diese Umstände nicht ab.
Schließlich steht auch die vom Kläger zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Entscheidung des BSG vom 24. September 2008, Az. B 12 KR 27/07 R, in juris, dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Danach setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Ausreichend ist auch, dass der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner - damit jeweils als grundsätzlich weiterbestehend vorausgesetzten - Leistungspflicht befreit wird. Diese Rechtsprechung ist nicht einschlägig, da sie zu § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ergangen ist, der hier allerdings - wie ausgeführt - nicht anwendbar ist.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen hat der Senat nicht. Wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung gilt auch im Rahmen des erweiternden Verständnisses des BSG, dass die genannten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung gerade am 30. Juni 1990 erfüllt sein müssen. Personen, die wie der Kläger irgendwann einmal vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme die damals geltenden Regeln für die Einbeziehung in Zusatzversorgungssysteme erfüllt hatten, tatsächlich aber nie rechtsgültig einbezogen wurden, sind bundesrechtlich ohne Gleichheitsverstoß nicht als Zugehörige der Zusatzversorgung anzusehen. Gesetzgebung und Rechtsprechung durften ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich an der zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundenen Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen und waren nicht etwa gehalten, die sich hieraus ergebende Ungleichheiten zulasten der heutigen Steuer- und Beitragszahler zu kompensieren (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 5 RS 5/09 R; BSG, Urteil vom 8. Juni 2004, Az. B 4 RA 56/03 R, beide Entscheidungen in juris).
Einen Verstoß gegen das in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Grundrecht auf Berufsfreiheit vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Der Schutzbereich dieser Norm ist bereits nicht verletzt. Der Kläger wird durch die Regelungen des AAÜG weder in seiner Befugnis, einen (konkreten) Arbeitsplatz nach eigener Wahl anzunehmen, beizubehalten und aufzugeben (BverfGE 85, 360/372 f.; 97,169/175; 108,150/165) noch in der Ausübung des Berufs, die die gesamte berufliche Tätigkeit (Form, Mittel, Umfang und Inhalt) umfasst, negativ tangiert. Schließlich ist dem Senat nicht einmal ansatzweise erkennbar, warum der Kläger durch die angefochtenen Bescheide in sonstigen Grundrechten verletzt sein könnte.
Die angefochtenen Bescheide sind damit rechtmäßig.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Verpflichtung der Beklagten, die vom Kläger in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) anzuerkennen sowie die dabei erzielten Entgelte festzustellen.
Dem im Februar 1943 geborenen Kläger wurde ausweislich der Urkunde der Technischen Hochschule G. M-Stadt vom 30. August 1968 der akademische Grad "Diplom-Ingenieur" in der Fachrichtung Fertigungstechnik verliehen. Er war nach seinen eigenen Angaben ab 1. Oktober 1968 als Diplom-Ingenieur bzw. Gruppenleiter Verfahrensentwicklung, Abteilungsleiter, Assistent des technischen Direktors, Abteilungsleiter Fertigungsvorbereitung und zuletzt von Januar 1983 bis 31. Oktober 1989 als Abteilungsleiter technisches Rechenzentrum tätig. Ab 1. November 1989 habe das Arbeitsverhältnis geruht.
Im Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung vom 3. Januar 1977 findet sich für das Jahr 1988 die letzte vollständige Eintragung. Hier wurde vom VEB W. U. G-Stadt eine Tätigkeit als Abteilungsleiter vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1988 bestätigt sowie Angaben zu den Arbeitsausfalltagen, dem beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst sowie dem Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, gemacht. Für das Jahr 1989 ist nur noch der Beginn der Tätigkeit mit 1. Januar 1989 angegeben und die Tätigkeit als Abteilungsleiter bezeichnet. Eine Eintragung in die für das Jahr 1989 vorgesehene Zeile für das Ende der Tätigkeit, für Arbeitsausfalltage, für den beitragspflichtigen Gesamtarbeitsverdienst und den Verdienst, für den Beiträge zur FZR abgeführt worden sind, fehlt. Für das Jahr 1990 ist keine Eintragung mehr vorhanden.
Mit Schreiben vom 10. September 2013 beantragte der Kläger die Gewährung einer "Intelligenzrente". Er habe als Abteilungsleiter technologische Arbeitsvorbereitung im VEB W. U. G-Stadt gearbeitet. Der Arbeitsvertrag sei bis zur Umwandlung der Rechtsform in 1991 gültig gewesen. Der VEB W. U. G-Stadt sei nach dem 30. Juni 1990 in eine neue Rechtsform überführt worden.
In einem dem Kläger daraufhin übersandten Formblattantrag gab er an, es lägen keine Zusatzversorgungszeiten vor, für die Nachweise nicht erbracht werden könnten. Auch seien keine Zeiten aus einem Zusatzversorgungssystem in die FZR übertragen worden. Die Frage, ob der Kläger anerkannter Verfolgter im Sinne des Gesetzes über den Ausgleich beruflicher Benachteiligungen für Opfer politischer Verfolgung im Beitrittsgebiet sei, wurde nicht beantwortet; eine für den Fall der Bejahung dieser Frage erbetene Bescheinigung der Rehabilitationsbehörde wurde jedoch nicht vorgelegt. Übersandt wurden hingegen die Diplomurkunde sowie die Urkunde über die Verleihung des akademischen Grades Dr. Ing., zahlreiche Arbeitsverträge, Nachweise über Beitragszahlungen, Entgeltbescheinigungen, das Arbeitsbuch sowie der Ausweis für Arbeit und Sozialversicherung.
Mit angefochtenem Bescheid vom 18. November 2013 lehnte die Beklagte den Antrag auf Feststellung von Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) ab, da die Voraussetzungen des § 1 AAÜG nicht erfüllt seien. Der Kläger habe bei Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne des § 1 Abs. 1 AAÜG gehabt. Es liege weder eine tatsächliche Einbeziehung noch eine nachträgliche Rehabilitierung vor. Auch habe der Kläger nicht nach Maßgabe der vom BSG aufgestellten Grundsätze einen Anspruch auf Versorgungszusage gehabt. Am 30. Juni 1990 habe der Kläger im Beitrittsgebiet keine abhängige Beschäftigung mehr ausgeübt. Er sei nicht in einem volkseigenen Produktionsbetrieb (Industrie oder Bau) ingenieurtechnisch beschäftigt gewesen.
Hiergegen erhob der Kläger Widerspruch und erklärte, er habe am 30. Juni 1990 eine abhängige Beschäftigung im Beitrittsgebiet auf der Grundlage eines gültigen Arbeitsvertrags ausgeübt. Nach Verlassen des Beitrittsgebiets am 7. Oktober 1989 (aus politischen Gründen, da die Sicherheit der gesamten Familie gefährdet gewesen sei) sei weder vom VEB W. noch von ihm der Arbeitsvertrag gekündigt worden. Das Arbeitsrecht der ehemaligen DDR (AGB §§ 56, 57) hätte zwingend die Schriftform für die Beendigung eines Arbeitsverhältnisses vorgeschrieben. Beide Seiten hätten von dem Recht der Kündigung keinen Gebrauch gemacht. Damit sei stillschweigend von beiden Seiten akzeptiert worden, dass der Arbeitsvertrag und damit das Beschäftigungsverhältnis bei ruhenden Hauptleistungen weiter Bestand habe. Die Annahme, dass der Arbeitgeber die einseitige Suspendierung akzeptiert habe, werde durch die Zahlung des vollen Gehalts für Oktober 1989 unterstrichen. Beschäftigung sei definiert als nichtselbstständige Arbeit besonders in einem Arbeitsverhältnis. Dabei sei es unerheblich, ob die Beschäftigung tatsächlich ausgeübt werde. Entscheidend sei, dass am 30. Juni 1990 tatsächlich ein juristisch korrektes Arbeitsverhältnis ohne Einschränkung bestanden habe. Dies werde auch nicht durch ein zweites Arbeitsverhältnis infrage gestellt, da auch im Beitrittsgebiet eine Mehrfachbeschäftigung zulässig gewesen sei.
Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 28. Januar 2014 zurückgewiesen. Der Kläger habe aufgrund seiner Ausreise aus der ehemaligen DDR am 7. Oktober 1989 am 30. Juni 1990 im Beitrittsgebiet keine abhängige Beschäftigung mehr ausgeübt. Damit seien die sachlichen und betrieblichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Durch seine Ausreise hätte er auch nicht mehr in die Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen werden können.
Hiergegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhoben. Entscheidend sei nach der Rechtsprechung des BSG, wer zum Stichtag Arbeitgeber im rechtlichen Sinne gewesen und welcher Zweck von dem Betrieb tatsächlich verfolgt worden sei. Die Suspendierung des Arbeitsverhältnisses durch den Arbeitnehmer sei im AGB ausdrücklich erlaubt. Diese führe nicht automatisch zur Auflösung des Arbeitsvertrages. Auch sei die Dauer der Suspendierung nicht befristet. Der Arbeitgeber habe die einseitige Suspendierung akzeptiert, da er das volle Gehalt im Oktober 1989 gezahlt habe. Eine korrekte Zustellung der Kündigung sei zu jedem Zeitpunkt möglich gewesen, da er über einen Anwalt mit dem Arbeitgeber in Kontakt gestanden sei. Die Feststellung, mit der Ausreise sei auch die Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz nicht mehr möglich gewesen, verstoße gegen das Grundrecht der freien Wahl von Wohn- und Arbeitsort. Nicht der Wohnort, sondern der Arbeitsort und der Arbeitsvertrag seien entscheidend.
Mit Urteil vom 27. August 2014 hat das SG die auf Feststellung der Zugehörigkeit zur Zusatzversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz für die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Zeiten und die hierin erzielten Arbeitsentgelte gerichtete Klage abgewiesen. Am 30. Juni 1990 sei der Kläger nicht mehr beim VEB W. U. G-Stadt beschäftigt gewesen. Unerheblich sei, ob der Arbeitsvertrag formell fortbestanden habe. Rein tatsächlich sei der Kläger am 30. Juni 1990 dort nicht mehr beschäftigt gewesen. Der Kläger habe in der mündlichen Verhandlung angegeben, am Stichtag bereits in den alten Bundesländern beruflich tätig gewesen zu sein.
Hiergegen hat der Kläger Berufung zum Bayerischen Landessozialgericht eingelegt und vorgetragen, im Mittelpunkt stehe nicht das Sozialrecht, sondern die Feststellung, ob am 30. Juni 1990 ein juristisch gültiges Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem VEB W. U. G-Stadt bestanden habe. Das SG habe nicht hinreichend berücksichtigt, dass es sich um ein ruhendes Arbeitsverhältnis gehandelt habe. Da er bereits seit dem 11. September 1990 Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland sei, müsse davon ausgegangen werden, dass das Arbeitsrecht der Bundesrepublik Deutschland vollumfänglich gültig sei. Die einseitige Suspendierung des Arbeitsverhältnisses am 7. Oktober 1989 sei in einer persönlichen Notlage erfolgt. Es sei illegal in seine Wohnung eingedrungen worden. Er und seine Ehefrau seien getrennt verhört worden. Auch sei er ständig am Arbeitsplatz überwacht worden. Seine mögliche Inhaftierung und die seiner Ehefrau sowie die zwangsläufige Unterbringung der Kinder in einem Kinderheim seien ein nicht mehr tragbares Risiko gewesen. Die Flucht in die Bundesrepublik Deutschland sei die unausweichliche Konsequenz gewesen. Logische Konsequenz der Flucht sei gewesen, dass sein Aufenthaltsort nicht mehr in der DDR gewesen sei. Die Verletzung der Grundrechte nach Art. 2, 12 und 13 GG seien bei der Urteilsfindung völlig außer Acht gelassen worden. Er sei am 7. Oktober 1989 nicht aus dem Beitrittsgebiet ausgereist. Tatsächlich habe es sich um Republikflucht gehandelt. Im Falle einer Ausreise hätte er alle bürgerliche Rechte einschließlich des Arbeitsplatzes verloren. Bei einer Flucht sei durch den Flüchtling kein Anerkenntnis des Verlustes der bürgerlichen Rechte einschließlich des Arbeitsplatzes erfolgt. Unerheblich sei, dass er in der Bundesrepublik Deutschland eine Beschäftigung aufgenommen habe. Bei ruhendem Arbeitsverhältnis sei eine Zweitbeschäftigung rechtlich zulässig. Es könne nicht zu seinem Nachteil ausgelegt werden, dass sein Arbeitgeber von seinem Kündigungsrecht keinen Gebrauch gemacht habe.
Die Beklagte hat auf Entscheidungen des BSG hingewiesen (B 4 RS 120/07 B, B 4 RA 6/95, B 4 RA 238/05 B), wonach das AAÜG nicht auf Personen anwendbar sei, die die DDR vor dem 19. Mai 1990 dauerhaft verlassen haben.
Der Kläger hat hierauf entgegnet, eine Rückkehr an seinen Arbeitsplatz sei auch im Frühjahr 1990 aufgrund von Aktivitäten von MfS und Volkspolizei nicht möglich gewesen. Im Urteil des SG finde keine Berücksichtigung, dass er bereits seit dem 11. September 1989 Bürger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Die Beklagte müsse auch dem amtlichen Leitsatz aus dem BSG-Urteil vom 19. März 1997 (Az. 5 RJ 72/95) folgen, wonach ein Rentenanspruch aufgrund von im Gebiet der DDR zurückgelegten Versicherungszeiten für Rentenbewerber, die die DDR vor dem 19. Mai 1990 verlassen haben, allein nach den Vorschriften des FRG bestehe.
Der Kläger hat nochmals betont, dass er bereits vor der Flucht aus der DDR am 7. Oktober 1989 unter dem Schutz des Grundgesetzes gestanden habe, da er ab dem 11. September 1989 Bürger der Bundesrepublik Deutschland gewesen sei. Es sei davon auszugehen, dass eine unwiderrufliche Freistellung vorgelegen habe. Damit ende das versicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnis im leistungs- wie beitragsrechtlichen Sinne nicht bereits mit dem Beginn der Freistellung von der Arbeit. Der Arbeitnehmer bleibe vielmehr entgegen älterer Auffassungen Arbeitnehmer im Sinne eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses und bis zum endgültigen Ausscheiden Pflichtmitglied der Sozialversicherung (BSG vom 24. September 2008). Von Seiten des Arbeitgebers sei keine Abmeldung von der Sozial- und der Rentenversicherung erfolgt. Entsprechendes sei dem Kläger nicht mitgeteilt worden. Die Flucht (nicht Ausreise) habe das ruhende Arbeitsverhältnis und damit auch das Fortbestehen einer versicherungspflichtigen Tätigkeit bis zum 30. Juni 1990 begründet. Die von ihm in der Bundesrepublik Deutschland ausgeübte Nebentätigkeit sei gestattet und verfassungsrechtlich garantiert gewesen.
In der mündlichen Verhandlung am 16. November 2016 hat der Kläger erklärt, er habe einen Antrag auf berufliche Rehabilitation gestellt, über den jedoch noch nicht entschieden sei. Dessen ungeachtet werde eine Entscheidung des Senats begehrt. Die Beklagtenvertreterin hat eine Überprüfung für den Fall der Vorlage einer Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugesichert. Zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurde auch die Akte des Senats L 1 RS 4/16 gemacht. Strittig ist hier die Verpflichtung der dort beklagten DRV Bund als Rentenversicherungsträger, im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens bei der Berechnung der dem Kläger mit Bescheid vom 3. März 2008 bewilligten Regelaltersrente die Daten zu Grunde zu legen, die in einem Schreiben der Beklagten vom 5. September 1999 enthalten sind.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Urteils des Sozialgerichts Landshut vom 27. August 2014 sowie des Bescheids der Beklagten vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 zu verurteilen, die in der ehemaligen DDR zurückgelegten Versicherungszeiten als Zeiten der Zugehörigkeit des Klägers zur Zusatzversorgung für Angehörige der technischen Intelligenz und die hierin erzielten Arbeitsentgelte festzustellen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Akten des SG und der Beklagten verwiesen, die sämtlich Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das SG hat die zulässige Klage zutreffend als unbegründet abgewiesen.
Die Klage ist zulässig, insbesondere hat der Kläger ein Rechtsschutzbedürfnis. Dieses wird nicht durch das parallel anhängige Berufungsverfahren L 1 R 4/16 ausgeschlossen. Streitgegenstand dieses Verfahrens ist nicht die Gewährung einer höheren Rente aufgrund der Anerkennung von Ansprüchen nach dem AAÜG, sondern aufgrund eines anderen Sachverhalts (behauptete Bindungswirkung eines Schreibens der DRV Bund als Rentenversicherungsträger vom 5. September 1999).
Die Klage ist aber unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 18. November 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Hiermit hat die Beklagte zu Recht festgestellt, dass der Kläger bei Inkrafttreten des Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetzes (AAÜG) am 1. August 1991 keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 dieses Gesetzes hatte.
Regelungsinhalt des Bescheids vom 18. November 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Januar 2014 ist die zutreffende Feststellung, dass für den Kläger keine Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum AAÜG als Pflichtbeitragszeiten nach dem AAÜG festzustellen sind, weil dieses Gesetz für ihn nicht anwendbar ist.
Anspruchsgrundlage für die begehrte Feststellung ist § 8 Abs. 2, Abs. 3 S. 1 und Abs. 4 Nr. 1 AAÜG. Nach § 8 Abs. 3 Satz 1 AAÜG hat die Beklagte als Versorgungsträger dem Kläger durch Bescheid den Inhalt der Mitteilung nach § 8 Abs. 2 AAÜG mitzuteilen. Diese Mitteilung hat u.a. die Zeiten der Zugehörigkeit zu einem Zusatzversorgungssystem sowie das hieraus tatsächlich erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zur enthalten. Allerdings hat der Versorgungsträger diese Daten nur festzustellen, wenn das AAÜG anwendbar ist. Dies ist hier jedoch nicht der Fall.
Es kann dahinstehen, ob - wie die Beklagte geltend gemacht hat - das AAÜG auf den Kläger schon deshalb "schlechterdings" nicht anwendbar ist, weil er vor dem 18. Mai 1990 seinen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet genommen hatte, ohne in ein Versorgungssystem der DDR einbezogen gewesen zu sein (vgl. ausdrücklich BSG, Beschluss vom 19. Oktober 2006, B 4 RA 238/05 B; Beschluss vom 24. April 2008, B 4 RS 120/07 B; Beschluss vom 25. April 2008, B 4 RS 25/08 B; BSG, Urteil vom 30. Januar 1997, Az. B 4 RA 6/95, alle in juris). Hieran bestehen Zweifel, weil der Kläger - anders als die Klägerin in dem vom BSG mit Urteil vom 30. Januar 1997 entschiedenen Fall - zu diesem Zeitpunkt noch keine Rente bezogen hat.
Jedenfalls ist das AAÜG auf den Kläger nicht anwendbar, da er am 1. August 1991, also zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des AAÜG, keine Versorgungsanwartschaft im Sinne von § 1 Abs. 1 AAÜG hatte.
Gemäß § 1 Abs. 1 S. 1 AAÜG gilt das Gesetz für Versorgungsberechtigungen (Ansprüche oder Anwartschaften), die aufgrund der Zugehörigkeit zu Versorgungssystemen im Beitrittsgebiet erworben worden sind und beim Inkrafttreten dieses Gesetzes am 1. August 1991 bestanden haben. War ein Verlust der Versorgungsanwartschaften deswegen eingetreten, weil die Regelungen des Versorgungssystems ihn bei dem Ausscheiden vor dem Leistungsfall vorsahen, gilt dieser Anwartschaftsverlust nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG als nicht eingetreten. Nach § 1 Abs. 2 AAÜG sind Zusatzversorgungssysteme die in der Anlage 1 zum Gesetz genannten Systeme. Nach deren Ziff. 1 ist hier die gesetzliche Altersversorgung der technischen Intelligenz maßgeblich.
Der Kläger ist nicht Inhaber einer am 1. August 1991 bestehenden Versorgungsanwartschaft. Aufgrund der Angaben des Klägers im Formblattantrag und in der mündlichen Verhandlung steht für den Senat fest, dass bis zum Inkrafttreten des AAÜG am 1. August 1991 beim Kläger kein Versorgungsfall (Alter/Invalidität) eingetreten ist. Auch eine Einzelfallregelung (Versorgungszusage, Einzelvertrag, Einzelfallentscheidung), durch die zu seinen Gunsten zu diesem Zeitpunkt eine Versorgungsanwartschaft zuerkannt worden wäre, ist nicht ergangen. Der Kläger ist auch nicht durch eine spätere Rehabilitationsentscheidung in das Versorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz einbezogen worden. Zwar hat der Kläger nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung am 16. November 2016 insoweit einen Antrag gestellt. Über diesen ist jedoch noch nicht entschieden worden. Von einer Aussetzung des Verfahrens bis zum Zeitpunkt der Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde (vgl. § 114 Abs. 2 S. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG) hat der Senat Abstand genommen, da der Kläger dessen ungeachtet ausdrücklich eine Entscheidung des Senats gewünscht und die Beklagte zudem eine Überprüfung bei Vorlage einer Entscheidung der Rehabilitierungsbehörde zugesichert hat.
Schließlich gilt für den Kläger auch nicht § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG. Denn er hatte vor dem 30. Juni 1990 keine Versorgungsanwartschaft erlangt, die er bei einem Ausscheiden aus einem Beschäftigungsverhältnis hätte verlieren können. Nur in diesen Fällen wird kraft Gesetzes eine Anwartschaft nach § 1 Abs. 1 S. 2 AAÜG fingiert (BSG, SozR 3-8750 § 1 Nr. 2 S. 15, Nr. 3 S. 20f).
Der Kläger hatte auch nach dem am 1. August 1991 gültigen Bundesrecht und aufgrund der am 30. Juni 1990 gegebenen tatsächlichen Umstände aus bundesrechtlicher Sicht keinen Anspruch auf Erteilung einer fiktiven Versorgungszusage im Sinne der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgenommenen erweiternden verfassungskonformen Auslegung des § 1 Abs. 1 Satz 1 AAÜG (vgl. BSG SozR 3-8570 § 1 Nrn. 2, 4, 5, 6, 8).
Die fiktive Einbeziehung in die Altersversorgung der technischen Intelligenz setzt nach ständiger Rechtsprechung des BSG die kumulative Erfüllung der persönlichen, der sachlichen und der betrieblichen Voraussetzungen zum Stichtag 30. Juni 1990 voraus. Erforderlich ist, dass der Betreffende berechtigt war, eine bestimmte Berufsbezeichnung zu führen, er die entsprechende Tätigkeit tatsächlich ausgeübt hat und dies in einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder in einer gleichgestellten Einrichtung erfolgt ist (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 9. April 2002, Az. B 4 RA 3/02 R, in juris).
Es fehlt hier an der Erfüllung der sachlichen und betrieblichen Voraussetzung, da der Kläger zum Stichtag 30. Juni 1990 nicht mehr als Ingenieur bei einem volkseigenen Produktionsbetrieb der Industrie oder des Bauwesens oder einer gleichgestellten Einrichtung tatsächlich im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis eine seiner persönlichen Qualifikation als Ingenieur entsprechende Tätigkeit ausgeübt hat.
Bei der Feststellung, ob am 30. Juni 1990 eine Beschäftigung ausgeübt worden ist, ist auf das Vorliegen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nach den zu diesem Zeitpunkt geltenden Vorschriften des DDR-Rechts abzustellen. Anders als bei der Auslegung des Ausdrucks "Beschäftigung" im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG sind Maßstab für die Beurteilung der Frage, ob die sachliche Voraussetzung der VO-AVI-tech auch vorliegt, wenn am 30. Juni 1990 das Arbeitsverhältnis zwar fortbesteht, eine Arbeit jedoch nicht verrichtet wird, ist nicht § 1 Abs. 1 Satz 1 SGB VI i.V.m. § 7 Abs. 1 SGB IV, sondern die zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden leistungsrechtlichen Regelungen der Versorgungssysteme und die sonstigen zu Bundesrecht gewordenen abstrakt-generellen Regelungen, die von den zuständigen Rechtsetzungsorganen der DDR in der vorgesehenen Form getroffen worden sind, wobei für das Sprachverständnis dieser Texte auf den staatlichen Sprachgebrauch der DDR am 30. Juni 1990 abzustellen ist (BSG, Urteil vom 13. Dezember 2005, Az. B 4 RA 3/05 R, in juris Rn. 21).
Während der Dauer eines Arbeitsrechtsverhältnisses waren alle "Werktätigen" bei der Sozialversicherung der Arbeiter und Angestellten pflichtversichert (§ 278 Abs. 1 Satz 1 Arbeitsgesetzbuch der DDR vom 16. Juni 1977, GBl I 185). Das Sozialpflichtversicherungsverhältnis begann demnach mit der Aufnahme der Arbeit und endete, wenn sämtliche Rechtsbeziehungen des Werktätigen zur Sozialpflichtversicherung erloschen waren, in der Regel mit dem Tod. Aus den zu Bundesrecht gewordenen, am 1. August 1991 geltenden Bestimmungen der Verordnung zur Sozialpflichtversicherung der Arbeiter und Angestellten (SVO) vom 17. November 1977 (GBl I 373; Art. 9 Abs. 2 i.V.m. Anlage II Kapitel VIII Sachgebiet F Abschnitt III Nr. 3 Einigungsvertrag) lässt sich jedoch entnehmen, dass auch im Sprachgebrauch der DDR bei einer Nichtverrichtung der Arbeit zwischen sozialpflichtversicherungsschädlichen und sozialpflichtversicherungsunschädlichen Tatbeständen unterschieden wurde (vgl. BSG, a.a.O.).
Wurde am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ist eine nachträgliche Erteilung einer Versorgungszusage und damit eine Einbeziehung in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nach der erweiternden Auslegung des BSG also dann möglich, wenn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach § 3 SVO vorliegt. Wurde hingegen am 30. Juni 1990 keine Arbeit verrichtet, ohne dass ein Fortsetzungstatbestand im Sinne des § 3 SVO erfüllt war, bestand auch am 1. August 1991 kein fiktiver Anspruch auf Erteilung einer Versorgungszusage (BSG, a.a.O., Leitsatz 2; vgl. auch Hauck/Noftz, SGB VI, § 259b, Rn. 89a).
Für den Senat steht aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass das Arbeitsverhältnis zwischen ihm und dem VEB W. U. G-Stadt am 30. Juni 1990 nicht förmlich aufgelöst war und damit tatsächlich noch als "ruhendes Arbeitsverhältnis" aufgrund einer unbezahlten Freistellung von der Arbeit weiter bestanden hat. Hierfür spricht auch, dass im Sozialversicherungsausweis kein Beendigungsdatum in Bezug auf die zuletzt vom Kläger ausgeübte Beschäftigung genannt ist.
Für den Senat steht ebenfalls aufgrund der Angaben des Klägers fest, dass dieser am Stichtag 30. Juni 1990 keine Arbeit im VEB als Ingenieur mehr verrichtet hat, da er zu diesem Zeitpunkt bereits die ehemalige DDR verlassen und eine Arbeit in der Bundesrepublik Deutschland (West) aufgenommen hatte. Damit bestand zum Stichtag 30. Juni 1990 kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr zwischen dem VEB und dem Kläger. Denn ein Fortsetzungstatbestand für die Sozialpflichtversicherung nach dem zu Bundesrecht gewordenen § 3 SVO ist nicht gegeben. Vielmehr ist gemäß § 4 Satz 1 SVO von einer Unterbrechung der Pflichtversicherung ab Beginn der Freistellung auszugehen.
Nach § 3 SVO wird die Sozialpflichtversicherung nicht unterbrochen durch Zeiten a) der Arbeitsunfähigkeit infolge von Krankheit, Arbeitsunfall oder Berufskrankheit, b) der Durchführung einer prophylaktischen Kur bzw. einer Heil- oder Genesungskur der Sozialversicherung, c) der Quarantäne, d) der Freistellung von der Arbeit zur Pflege erkrankter Kinder bzw. zur Betreuung der Kinder wegen vorübergehender Quarantäne für die Kinderkrippe oder den Kindergarten (nachfolgend Kindereinrichtungen genannt), e) der Freistellung von der Arbeit zur notwendigen Betreuung der Kinder bei Erkrankung des Ehegatten f) des Schwangerschafts- und Wochenurlaubs, g) des Bezugs einer Mütterunterstützung, h) der vereinbarten unbezahlten Freistellung von der Arbeit bis zur Dauer von 3 Wochen.
Die Fallgestaltungen der Bst. a)- g) scheiden beim Kläger ersichtlich aus. In Betracht kommt nur die vom Kläger behauptete und vom Senat auch angenommene vereinbarte unbezahlte Freistellung von der Arbeit. Insoweit liegt eine unschädliche Unterbrechung der Sozialpflichtversicherung aber nur vor, als die Dauer von 3 Wochen nicht überschritten wird. Nachdem der Kläger jedoch ab 1. November 1989 von der Arbeit unbezahlt freigestellt worden ist - er hat nach seinen Angaben nur bis Oktober 1989 noch seinen Lohn erhalten - ist am 30. Juni 1990 die Dreiwochenfrist deutlich überschritten.
§ 4 S. 1 SVO ordnet an, dass bei vereinbarter unbezahlter Freistellung für länger als 3 Wochen und damit im Fall des Klägers ab Beginn der Freistellung und damit ab 1. November 1989 die Pflichtversicherung unterbrochen ist. Der Umstand, dass gemäß § 4 Satz 2 SVO ein Anspruch auf Sachleistungen für den Werktätigen und seine Familienangehörigen erhalten bleibt, ändert an der Unterbrechung des Vorliegens eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses nichts. Zum Stichtag 30. Juni 1990 lag somit kein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis mehr vor mit der Folge, dass die sachliche Voraussetzung für eine Einbeziehung des Klägers in die Zusatzversorgung der technischen Intelligenz nicht erfüllt ist.
Für die Entscheidung unerheblich ist, ob der Kläger im Wege der Flucht oder der Übersiedlung die ehemalige DDR verlassen und wann er die Staatsbürgerschaft der Bundesrepublik Deutschland erlangt hat. Unerheblich ist auch, wann sich der Kläger bei der Stadtverwaltung G-Stadt förmlich abgemeldet hat. Für die Frage, ob zwischen dem Kläger und dem VEB zum Stichtag 30. Juni 1990 ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis bestanden hat oder dieses unterbrochen wurde, ist der Umstand, wann und wo der Kläger seinen Wohnort angemeldet hatte, ohne jeden Belang. Die maßgeblichen, zu Bundesrecht gewordenen Bestimmungen der §§ 3, 4 SVO stellen auf alle diese Umstände nicht ab.
Schließlich steht auch die vom Kläger zur Stützung seiner Auffassung herangezogene Entscheidung des BSG vom 24. September 2008, Az. B 12 KR 27/07 R, in juris, dem hier gefundenen Ergebnis nicht entgegen. Danach setzt eine versicherungspflichtige Beschäftigung im Sinne von § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV nicht zwingend eine tatsächliche Arbeitsleistung voraus. Ausreichend ist auch, dass der Dienstverpflichtete bei Fortbestand des rechtlichen Bandes aufgrund gesetzlicher Anordnung oder durch eine besondere vertragliche Abrede von seiner - damit jeweils als grundsätzlich weiterbestehend vorausgesetzten - Leistungspflicht befreit wird. Diese Rechtsprechung ist nicht einschlägig, da sie zu § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ergangen ist, der hier allerdings - wie ausgeführt - nicht anwendbar ist.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Regelungen hat der Senat nicht. Wegen der den gesamten Anwendungsbereich der Norm umfassenden Stichtagsregelung gilt auch im Rahmen des erweiternden Verständnisses des BSG, dass die genannten Voraussetzungen eines Anspruchs auf Einbeziehung in die Zusatzversorgung gerade am 30. Juni 1990 erfüllt sein müssen. Personen, die wie der Kläger irgendwann einmal vor Schließung der Zusatzversorgungssysteme die damals geltenden Regeln für die Einbeziehung in Zusatzversorgungssysteme erfüllt hatten, tatsächlich aber nie rechtsgültig einbezogen wurden, sind bundesrechtlich ohne Gleichheitsverstoß nicht als Zugehörige der Zusatzversorgung anzusehen. Gesetzgebung und Rechtsprechung durften ohne Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzlich an der zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung vorgefundenen Ausgestaltung der Versorgungssysteme der DDR anknüpfen und waren nicht etwa gehalten, die sich hieraus ergebende Ungleichheiten zulasten der heutigen Steuer- und Beitragszahler zu kompensieren (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010, Az. B 5 RS 5/09 R; BSG, Urteil vom 8. Juni 2004, Az. B 4 RA 56/03 R, beide Entscheidungen in juris).
Einen Verstoß gegen das in Art. 12 Abs. 1 S. 1 GG garantierte Grundrecht auf Berufsfreiheit vermag der Senat ebenfalls nicht zu erkennen. Der Schutzbereich dieser Norm ist bereits nicht verletzt. Der Kläger wird durch die Regelungen des AAÜG weder in seiner Befugnis, einen (konkreten) Arbeitsplatz nach eigener Wahl anzunehmen, beizubehalten und aufzugeben (BverfGE 85, 360/372 f.; 97,169/175; 108,150/165) noch in der Ausübung des Berufs, die die gesamte berufliche Tätigkeit (Form, Mittel, Umfang und Inhalt) umfasst, negativ tangiert. Schließlich ist dem Senat nicht einmal ansatzweise erkennbar, warum der Kläger durch die angefochtenen Bescheide in sonstigen Grundrechten verletzt sein könnte.
Die angefochtenen Bescheide sind damit rechtmäßig.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Kläger auch in der Berufungsinstanz erfolglos geblieben ist.
Gründe, die Revision zuzulassen (vgl. § 160 Abs. 2 SGG), liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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