Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 274/13
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Der Versicherungsschutz wird nicht nach den (ehemaligen) Grundsätzen einer „geringfügigen Unterbrechung“ begründet. Nach Auffassung der Kammer kann es dieses Rechtsinstitut, das den Versicherungsschutz begründet hatte, im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des BSG (insbesondere im Bereich des Wegeunfalles bzw. Home-Office), in dieser Form nicht mehr geben. Das BSG stellt nach der neuen Rechtsprechung zur Begründung des sachlichen Zu-sammenhanges konsequent auf die Handlungstendenz eines Versicherten vor bzw. zum Zeit-punkt des Unfallereignisses ab (vgl. BSG Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 12/12 R (Tankstelle); Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R (Erdbeerkauf); Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R (Bahnsteig) und insbesondere W. Spellbrink aaO.).
Diese klare und in sich schlüssige Rechtsprechung führt dazu, dass der Versicherungsschutz transparent und vorhersehbar ist. Es bleibt insoweit kaum mehr Raum für die sachliche Zu-rechnung bei einer – nicht genau (zeitlich) definierten – „geringfügigen“ Unterbrechung. Eine solche Unterbrechung ist wesentlich eigenwirtschaftliche Wirkursache, die die Haftung des Unfallversicherungsträgers nicht begründen kann.
2. Die in der Rechtsprechung und Literatur genannten Beispiele einer „versicherten geringfügi-gen Unterbrechung“, dass etwas „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werde (vgl. hierzu beispielsweise G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57), sodass Versicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründet werde, ist nicht mehr zu folgen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das Unfallereignis konkret aus der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ergibt bzw. kausal entwickelt. Insoweit ist nach Auffassung der Kammer kein sachlicher Grund dafür gegeben, die Zurechnung eines wesentlich durch eigenwirtschaftliches Handeln geprägtes Unfallgeschehen zum Unfallversi-cherungsträger zu begründen.
Diese klare und in sich schlüssige Rechtsprechung führt dazu, dass der Versicherungsschutz transparent und vorhersehbar ist. Es bleibt insoweit kaum mehr Raum für die sachliche Zu-rechnung bei einer – nicht genau (zeitlich) definierten – „geringfügigen“ Unterbrechung. Eine solche Unterbrechung ist wesentlich eigenwirtschaftliche Wirkursache, die die Haftung des Unfallversicherungsträgers nicht begründen kann.
2. Die in der Rechtsprechung und Literatur genannten Beispiele einer „versicherten geringfügi-gen Unterbrechung“, dass etwas „im Vorbeigehen“ oder „ganz nebenher“ erledigt werde (vgl. hierzu beispielsweise G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57), sodass Versicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründet werde, ist nicht mehr zu folgen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das Unfallereignis konkret aus der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ergibt bzw. kausal entwickelt. Insoweit ist nach Auffassung der Kammer kein sachlicher Grund dafür gegeben, die Zurechnung eines wesentlich durch eigenwirtschaftliches Handeln geprägtes Unfallgeschehen zum Unfallversi-cherungsträger zu begründen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Ereignisses vom 18. Dezember 2012 als Arbeitsunfall.
Der 1960 geborene Kläger ist als Straßenbauer beschäftigt. Nach der Unfallanzeige vom 20. Dezember 2012 stürzte der Kläger am Unfalltage gegen 12.50 Uhr beim Verlassen eines Bauwagens von der obersten Stufe und fiel auf den Asphaltsboden. In einem ärztlichen Brief der A. Klinik vom 20. Dezember 2012 an den weiterbehandelnden Arzt wird unter anderem ausgeführt, der Kläger sei nach der Mittagspause in einem Bauwagen aufgestanden, sei einige Schritte gegangen und hatte im Stehen etwas getrunken, dann hatte er einen plötzlichen Bewusstseinsverlust und stürzte aus dem Bauwagen. Eine durchgangsärztliche Behandlung wurde nicht eingeleitet. In einem Schreiben des Facharztes für Chirurgie Dr. R. vom 27. Dezember 2012 wird ausgeführt, dass im Krankenhaus sei keine berufsgenossenschaftliche Behandlung eingeleitet worden sei, weil dort angegeben worden sei, der Kläger habe erst einen "Black Out" gehabt und sei deshalb aus dem Bauwagen gestürzt.
Zum Unfallhergang teilte der Kläger am 18. Januar 2013 mit, er sei nach der Pause im Bauwagen, als er diesen verlassen wollte, über die Türschwelle nach draußen gestolpert. Dort sei er mit der Schulter und dem Kopf auf den Asphalt gefallen. Dann sei er bewusstlos geworden. Unter dem 21. Januar 2013 teilte der Zeuge A1 in einem Zeugenfragebogen der Beklagten unter anderem mit, der Kläger habe sich an seinem Getränk verschluckt, öffnete die Bauwagentür, um das Verschluckte vermutlich auszuspucken, hätte einen Fuß bereits auf die oberste Treppenstufe gesetzt, wobei er (vermutlich durch das Husten) aus dem Bauwagen herausstolperte und auf den Asphalt aufschlug. Er sei danach für mehrere Minuten nicht mehr ansprechbar gewesen. Weiter teilte der Zeuge mit, Zweck des Aufenthalts im Bauwagen sei das Abhalten der Mittagspause gewesen.
In einem weiteren Zeugenfragebogen erklärte der Zeuge W. unter dem 28. Januar 2013 zum Unfallhergang, der Kläger habe im Bauwagen einen Schluck getrunken und fing dann an zu husten. Er hätte gestand, als er im Bauwagen getrunken habe. Dann habe er die Bauwagentür aufgemacht und wollte wohl ausspucken, weil er keine Luft bekommen habe, dann sei er die Treppe heruntergefallen.
Mit Bescheid vom 12. März 2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17. Dezember 2012 (richtig: 18. Dezember 2012) mit der Begründung ab, dass der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen während der Mittagspause im Bauwagen etwas getrunken und sich hierbei verschluckt habe. Essen und Trinken seien im Allgemeinen dem persönlichen und daher dem unversicherten Bereich zuzuordnen, sodass das Ereignis nicht den Tatbestand eines Arbeitsunfalles erfülle.
Am 26. März 2013 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Sturz habe sich um 12:50 Uhr ereignet, die Mittagspause sei um 12:30 Uhr beendet gewesen. Das Unfallereignis habe sich daher während der Arbeitszeit und nicht während der Pause ereignet. Da das Trinken während der Arbeitszeit stattgefunden habe, könne dies nicht dem persönlichen Lebensbereich zugeordnet werden. Der Sicherheitsbeauftragte der Beklagten würde den Bauarbeitern immer wieder nahe legen, während der körperlich schweren Arbeit viel zu trinken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, für den Unfallzeitpunkt stehe fest, dass sich der Kläger im (Pausen-) Bauwagen befunden habe und auf dem Weg nach draußen stolperte und stürzte. Nach variierenden (eigenen und Fremd-) Aussagen habe der Kläger zuvor etwas aus einer Flasche getrunken und sich verschluckt. Auch sei die Rede von einem ganz unvermittelten Bewusstseinsverlust mit anschließendem Stolpern gewesen. Unabhängig von dem tatsächlichen Geschehensablauf sei festzustellen, dass sich der Kläger in keinem Falle zum Unfallzeitpunkt bei versicherter Tätigkeit befunden habe. Der Aufenthalt im Bauwagen zum Zwecke der Pausengestaltung, gleichzusetzen mit einer Kantine oder Gaststätte, gehöre nicht zu dem vom Versicherungsschutz umfassten Bereich. Aus diesem unversicherten Bereich heraus sei es zum Sturz gekommen, dessen Ursprung also im Bauwagen zu sehen sei.
Ginge man von dem Geschehen des Trinkens mit allen Folgeerscheinungen aus, so würde es sich ebenfalls nicht um eine versicherte Tätigkeit handeln. Entgegen der Auffassung des Klägers, sei nach ständiger Rechtsprechung das Essen und Trinken grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Dieses sei für jeden Menschen ein beständig zu stillendes Grundbedürfnis, sodass betriebliche Belange, etwa das Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, zurücktreten würden. Ob es sich noch um die offizielle Pausenzeit, eine Verlängerung darüber hinaus oder den Gang in den Bauwagen zum Trinken während der eigentlichen Arbeitszeit gehandelt habe, sei somit letztlich unerheblich. Die Handlungstendenz sei jeweils das Trinken und somit die unversicherte Flüssigkeitsaufnahme.
Mit Schriftsatz vom 9. September 2013 hat der Kläger am 10. September 2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt er zusammengefasst aus, wegen der am Unfalltage herrschenden winterlichen Witterung sei die Mittagspause von dem Kläger und den mit ihm auf der Baustelle arbeitenden weiteren Arbeitnehmern nicht außerhalb, sondern innerhalb des auf der Baustelle stehenden Bauwagens absolviert worden. Die Pause habe um 12:30 Uhr geendet. Anschließend habe man eine Baubesprechung im Bauwagen durchgeführt, die bis gegen 12:50 Uhr gegangen sei. Danach wollten alle Teilnehmer den Bauwagen verlassen. Während der Kläger den Bauwagen verließ, hatte er noch einen Schluck aus seiner Getränkeflasche genommen und sich dabei verschluckt. Um die zu sich genommene Flüssigkeit wieder auszuspucken, wollte er möglichst schnell den Bauwagen verlassen. Dabei sei er über die vorstehende Schwelle der Bauwagentür gestürzt und direkt auf den asphaltierten Boden aufgeschlagen. Das Ereignis sei als Arbeitsunfall anzuerkennen, denn der Kläger sei nicht mehr in der Mittagspause gewesen, sondern es habe zum Unfallzeitpunkt eine Baubesprechung stattgefunden. Das Trinken und das daraus folgende Verschlucken sowie der nachfolgende Sturz über die Schwelle des Bauwagens stelle allenfalls eine geringfügige private Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit dar, die den Versicherungsschutz nicht ausschließe.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom 18. Dezember 2012 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Weiter hat das Gericht am 8. April 2016 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A1, W. und K ... Die Zeugen haben übereinstimmend den Sachverhalt zum Unfallhergang und die genauen Umstände bestätigt, dass der Kläger vor dem Kühlschrank stehen geblieben sei, seinen dort befindlichen Rucksack öffnete, und einen Schluck aus seiner Flasche getrunken habe. Hierbei hatte er sich verschluckt und wollte das Verschluckte draußen vor der Bauwagentür ausspucken, als er über die Schwelle an der Bauwagentür stolperte und auf den Asphalt stürzte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten, sowie der Zeugenaussagen, wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz -SGG).
Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat am 18. Dezember 2012 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Daher muss eine Verrichtung des Versicherten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge", also unter anderem nach dieser Verrichtung eingetreten sein, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet die Versichertenstellung in und den Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung. Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv (1. Kausalitätsstufe) und rechtlich wesentlich (2. Kausalitätsstufe) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 24. Juli 2012, Az.: B 2 U 23/11 R, nach juris). Die versicherte Tätigkeit und die zum Unfall führende Tätigkeit – die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses – müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen.
Der Gesundheitsschaden muss bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten worden sein, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dieser versicherten Tätigkeit steht. Diesen Nachweis konnte der Kläger zur Überzeugung der Kammer nicht führen.
Der Kläger hat zwar am 18. Dezember 2012 einen Unfall erlitten, als er aus dem Bauwagen stürzte und sich hierbei den Gesundheitsschaden an der Schulter und dem Kopf zuzog. Dieses Unfallereignis zog er sich aber nicht "infolge" seiner versicherten Tätigkeit zu. Die Handlungstendenz der zum Unfallereignis führenden Verrichtung war auf eine unversicherte – eigenwirtschaftliche – Tätigkeit gerichtet. Auch eine so genannte "geringfügige Unterbrechung" begründet vorliegend keinen sachlichen Zusammenhang mit der unter Versicherungsschutz stehenden versicherten Tätigkeit. Ebenfalls ist keine Zurechnung über besondere betriebliche Verhältnisse oder der Art und Schwere der Verletzung gegeben.
Die Kammer stellt fest, dass sich der Kläger vor dem Unfallereignis im Bauwagen aufhielt und seine Mittagspause einnahm. Hierbei kann offen bleiben, ob die Mittagspause bereits beendet war, wie die Zeugen dies einhellig bestätigen, oder ob durch eine "Dienstbesprechung" die versicherte Tätigkeit ab 12.30 Uhr, nach Beendigung der Mittagspause, im Bauwagen wieder aufgenommen wurde. Mit dem Aufstehen vom Tisch hat der Kläger mit seiner subjektiven Handlungstendenz, die objektiv beobachtbar war, seine versicherte Tätigkeit (wieder) aufgenommen und wollte grundsätzlich seinen konkreten Arbeitsplatz auf der Baustelle wieder erreichen.
Die Kammer folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass ein Bauwagen mit einer "unversicherten Kantine bzw. Gaststätte" gleichzusetzen ist. Diese Argumentation verkennt den Zweck eines Bauwagens bzw. einer Kantine. Eine Kantine dient regelmäßig dem (unversicherten) Aufenthalt der Pausengestaltung und der Einnahme von Mahlzeiten. Ein Bauwagen wird im Wesentlichen auf einer Baustelle dazu aufgestellt, darin (witterungsgeschützt) versicherte Tätigkeiten in Bezug auf die Baustelle zu verrichten. Hierbei wird er auch (gelegentlich) als Pausenraum ("Kantine") genutzt werden. Der sachliche Zusammenhang muss jedoch immer in Bezug auf die konkrete Tätigkeit festgestellt werden.
Bei der juristischen Wertung des Versicherungsschutzes ist auf die tatsächliche vor dem Unfallereignis verrichtete Tätigkeit abzustellen, die sich aus der Handlungstendenz des Versicherten ergibt. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl. BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl. Spellbrink "Unfallversicherungs-schutz bei Tätigkeiten im Home-Office und bei Rufbereitschaft", NZS 2016, 527, 528; ders. "Gemischte Tätigkeit und gemischte Motivationslage bei der Feststellung von Arbeitsunfällen", WzS 2011, 351, 354).
Der Aufenthalt des Klägers im Bauwagen ist daher nicht als eine versicherungsrechtliche Einheit zu bewerten, sondern die konkret zum Unfallereignis führende Tätigkeit - als kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ist maßgebend. Hierbei stellt die Kammer als tatsächliches Unfallgeschehen (Wirkursache) fest, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit des Verlassens des Bauwagens mit der eigenwirtschaftlichen Handlungstendenz unterbrach, in dem er stehen blieb, seinen dort abgelegten Rucksack öffnete und einen Schluck aus seiner Flasche trank. Hierbei verschluckte er sich und wollte das Verschluckte draußen vor dem Bauwagen ausspucken, als er über die Schwelle an der Bauwagentür stolperte und aus dem Bauwagen auf den Asphalt stürzte. Die Verrichtung (unmittelbar) vor dem Zeitpunkt des Unfallereignisses als rechtlich relevante Wirkursache, stand nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit, sie war vielmehr wesentlich durch die eigenwirtschaftliche und unversicherte Verrichtung des Trinkens geprägt.
Der Kläger hat durch diese eigenwirtschaftliche Verrichtung seine versicherte Tätigkeit – das Verlassen des Bauwagens zum Erreichen seiner Arbeitsstelle, objektiv und mit der Handlungstendenz unterbrochen, die eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Trinkens zu verrichten. Aus dieser eigenwirtschaftlichen Tätigkeit folgte die Kausalkette, die unmittelbar zum Unfallereignis führte.
Der Versicherungsschutz wird vorliegend auch nicht nach den (ehemaligen) Grundsätzen einer "geringfügigen Unterbrechung" begründet. Nach Auffassung der Kammer kann es dieses Rechtsinstitut, das den Versicherungsschutz begründete, im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere im Bereich des Wegeunfalles bzw. Home-Office), in dieser Form nicht mehr geben. Das Bundessozialgericht stellt nach der neuen Rechtsprechung zur Begründung des sachlichen Zusammenhanges konsequent auf die Handlungstendenz eines Versicherten vor bzw. zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ab (vgl. BSG Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 12/12 R (Tankstelle); Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R (Erdbeerkauf); Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R (Bahnsteig) und insbesondere W. Spellbrink aaO.). Diese klare und in sich schlüssige Rechtsprechung führt dazu, dass der Versicherungsschutz transparent und vorhersehbar ist. Es bleibt insoweit kaum mehr Raum für die sachliche Zurechnung bei einer – nicht genau (zeitlich) definierten – "geringfügigen" Unterbrechung. Eine solche Unterbrechung ist wesentlich eigenwirtschaftliche Wirkursache, die die Haftung des Unfallversicherungsträgers nicht begründen kann.
Die in der Rechtsprechung und Literatur genannten Beispiele einer "versicherten geringfügigen Unterbrechung", dass etwas "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werde (vgl. hierzu beispielsweise G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57), sodass Versicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründet werde, ist nicht mehr zu folgen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das Unfallereignis konkret aus der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ergibt bzw. kausal entwickelt. Insoweit ist nach Auffassung der Kammer kein sachlicher Grund dafür gegeben, die Zurechnung eines wesentlich durch eigenwirtschaftliches Handeln geprägtes Unfallgeschehen zum Unfallversicherungsträger zu begründen. Einen "Betriebsbann", der Versicherungsschutz bei einer Tätigkeit mit eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründen kann, existiert nur in der Schifffahrt nach der Spezialnorm des § 10 SGB VII.
Nach Auffassung der Kammer sind Ausnahmen nur bei so genannten gemischten Tätigkeiten bzw. gemischter Motivationslage möglich (hierzu instruktiv Spellbrink "Gemischte Tätigkeit und gemischte Motivationslage bei der Feststellung von Arbeitsunfällen", WzS 2011, 351, 354). Handelt es sich bei Unfallereignissen um Handlungen, die den Bereichen der gemischten Motivationslage/Tätigkeiten zuzurechnen sind – zum Beispiel bei Arbeiten am Bildschirm, bei dem der Versicherte gleichzeitig ein Frühstücksbrot isst – ist auf der rechtlichen Wertungsebene (2. Kausalitätsstufe) zu entscheiden, ob die eigenwirtschaftliche "Verrichtung" als Wirkursache allein rechtlich-wesentlich das Unfallgeschehen geprägt hat, oder ob die versicherte Tätigkeit (das Blicken auf den Bildschirm) einen erheblichen Anteil hatte (ggf. an einem Verschlucken des Brotstückes), sodass die eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht allein rechtlich-wesentlich ursächlich war. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen, denn der Kläger verrichtete keine gemischte Tätigkeit oder eine Tätigkeit mit gemischter Motivationslage, sondern unterbrach seine versicherte Tätigkeit, das Verlassen des Bauwagens, um sich einer (neuen) eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zu widmen. Damit lag nur eine (unversicherte) Wirkursache vor (ähnlich BSG Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R – Erdbeerkauf-).
Das Ausspucken der getrunkenen Flüssigkeit stellt nicht eine erneute Wiederaufnahme der versicherten Tätigkeit, des Verlassens des Bauwagens zur Erreichung des Arbeitsplatzes, dar, sondern nach der Feststellung der Kammer handelt es sich, als tatsächliches Geschehen, um die Folgen des eigenwirt-schaftlichen Verschluckens. Dies war die festzustellende Handlungstendenz, die zum Unfallereignis führte und objektiv beobachtbar war.
Eine Zurechnung zum Versicherungsschutz wegen besonderer betrieblicher Umstände oder Betriebsgefahren bzw. der Art und Schwere der Verletzung, ist nach den Feststellungen der Kammer nicht gegeben. Zum einen können keine Umstände festgestellt werden, die eine besondere betriebliche Eile beim Trinken rechtfertigen würden. Auch eine (größere) Hitze am Arbeitsplatz des Klägers oder sonstige Umstände, die einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf rechtfertigen würde, waren nicht feststellbar. Allein der Umstand, dass der Kläger auch körperlich schwere Arbeiten verrichtet, begründet nicht den sachlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, auch wenn "viel Trinken" empfohlen wird. Ein Sturz aus ca. 1 Meter Höhe von einer (Bauwagen-)Treppe stellt keine besondere Betriebsgefahr dar. Eine solche kann vorliegen, wenn ein Kranführer aufgrund einer inneren Ursache (epileptischer Anfall) aus seinem Führerhaus beispielsweise 10 Meter tief fällt, und sich dadurch erheblich schwerere Verletzungen zuzieht, als hätte er den epileptischen Anfall "in normaler Umgebung" erlitten und wäre ggf. eine Treppe heruntergestürzt. Einen solchen Sachverhalt kann die Kammer vorliegend nicht feststellen. Der Sturz aus dem Bauwagen (ca. 1 Meter Höhe) begründet keine besondere Betriebsgefahr. Ein entsprechender Sturz von einer normalen Treppe wäre ebenfalls geeignet gewesen, die Verletzungen beim Kläger zu verursachen.
Abschließend weist die Kammer noch darauf hin, dass es vorliegend offenbleiben kann, ob der Kläger vor dem konkreten Unfallereignis einen "Black Out", d.h. einen Bewusstseinsverlust, erlitten hatte, wie es sich aus den Unterlagen ergeben könnte. Nach Auffassung der Kammer ist eine solche (konkurrierende) Wirkursache weder vollbewiesen, noch wäre sie zur Begründung des Versicherungsschutzes geeignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Nach § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Sozialgerichts die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Das Sozialgericht kann die Sprungrevision schon im Urteil zulassen; insoweit ist ein Antrag nicht erforderlich, auch die Zustimmung des Gegners muss noch nicht vorliegen; das Sozialgericht entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 161 Rn. 6). Die Revision ist durch die Kammer zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII bei einer "geringfügigen Unterbrechung" grundsätzliche Bedeutung.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung des Ereignisses vom 18. Dezember 2012 als Arbeitsunfall.
Der 1960 geborene Kläger ist als Straßenbauer beschäftigt. Nach der Unfallanzeige vom 20. Dezember 2012 stürzte der Kläger am Unfalltage gegen 12.50 Uhr beim Verlassen eines Bauwagens von der obersten Stufe und fiel auf den Asphaltsboden. In einem ärztlichen Brief der A. Klinik vom 20. Dezember 2012 an den weiterbehandelnden Arzt wird unter anderem ausgeführt, der Kläger sei nach der Mittagspause in einem Bauwagen aufgestanden, sei einige Schritte gegangen und hatte im Stehen etwas getrunken, dann hatte er einen plötzlichen Bewusstseinsverlust und stürzte aus dem Bauwagen. Eine durchgangsärztliche Behandlung wurde nicht eingeleitet. In einem Schreiben des Facharztes für Chirurgie Dr. R. vom 27. Dezember 2012 wird ausgeführt, dass im Krankenhaus sei keine berufsgenossenschaftliche Behandlung eingeleitet worden sei, weil dort angegeben worden sei, der Kläger habe erst einen "Black Out" gehabt und sei deshalb aus dem Bauwagen gestürzt.
Zum Unfallhergang teilte der Kläger am 18. Januar 2013 mit, er sei nach der Pause im Bauwagen, als er diesen verlassen wollte, über die Türschwelle nach draußen gestolpert. Dort sei er mit der Schulter und dem Kopf auf den Asphalt gefallen. Dann sei er bewusstlos geworden. Unter dem 21. Januar 2013 teilte der Zeuge A1 in einem Zeugenfragebogen der Beklagten unter anderem mit, der Kläger habe sich an seinem Getränk verschluckt, öffnete die Bauwagentür, um das Verschluckte vermutlich auszuspucken, hätte einen Fuß bereits auf die oberste Treppenstufe gesetzt, wobei er (vermutlich durch das Husten) aus dem Bauwagen herausstolperte und auf den Asphalt aufschlug. Er sei danach für mehrere Minuten nicht mehr ansprechbar gewesen. Weiter teilte der Zeuge mit, Zweck des Aufenthalts im Bauwagen sei das Abhalten der Mittagspause gewesen.
In einem weiteren Zeugenfragebogen erklärte der Zeuge W. unter dem 28. Januar 2013 zum Unfallhergang, der Kläger habe im Bauwagen einen Schluck getrunken und fing dann an zu husten. Er hätte gestand, als er im Bauwagen getrunken habe. Dann habe er die Bauwagentür aufgemacht und wollte wohl ausspucken, weil er keine Luft bekommen habe, dann sei er die Treppe heruntergefallen.
Mit Bescheid vom 12. März 2013 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 17. Dezember 2012 (richtig: 18. Dezember 2012) mit der Begründung ab, dass der Kläger nach den vorliegenden Unterlagen während der Mittagspause im Bauwagen etwas getrunken und sich hierbei verschluckt habe. Essen und Trinken seien im Allgemeinen dem persönlichen und daher dem unversicherten Bereich zuzuordnen, sodass das Ereignis nicht den Tatbestand eines Arbeitsunfalles erfülle.
Am 26. März 2013 legte der Kläger gegen den Bescheid Widerspruch ein und führte zur Begründung aus, der Sturz habe sich um 12:50 Uhr ereignet, die Mittagspause sei um 12:30 Uhr beendet gewesen. Das Unfallereignis habe sich daher während der Arbeitszeit und nicht während der Pause ereignet. Da das Trinken während der Arbeitszeit stattgefunden habe, könne dies nicht dem persönlichen Lebensbereich zugeordnet werden. Der Sicherheitsbeauftragte der Beklagten würde den Bauarbeitern immer wieder nahe legen, während der körperlich schweren Arbeit viel zu trinken.
Mit Widerspruchsbescheid vom 15. August 2013 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte sie aus, für den Unfallzeitpunkt stehe fest, dass sich der Kläger im (Pausen-) Bauwagen befunden habe und auf dem Weg nach draußen stolperte und stürzte. Nach variierenden (eigenen und Fremd-) Aussagen habe der Kläger zuvor etwas aus einer Flasche getrunken und sich verschluckt. Auch sei die Rede von einem ganz unvermittelten Bewusstseinsverlust mit anschließendem Stolpern gewesen. Unabhängig von dem tatsächlichen Geschehensablauf sei festzustellen, dass sich der Kläger in keinem Falle zum Unfallzeitpunkt bei versicherter Tätigkeit befunden habe. Der Aufenthalt im Bauwagen zum Zwecke der Pausengestaltung, gleichzusetzen mit einer Kantine oder Gaststätte, gehöre nicht zu dem vom Versicherungsschutz umfassten Bereich. Aus diesem unversicherten Bereich heraus sei es zum Sturz gekommen, dessen Ursprung also im Bauwagen zu sehen sei.
Ginge man von dem Geschehen des Trinkens mit allen Folgeerscheinungen aus, so würde es sich ebenfalls nicht um eine versicherte Tätigkeit handeln. Entgegen der Auffassung des Klägers, sei nach ständiger Rechtsprechung das Essen und Trinken grundsätzlich dem unversicherten persönlichen Lebensbereich zuzurechnen. Dieses sei für jeden Menschen ein beständig zu stillendes Grundbedürfnis, sodass betriebliche Belange, etwa das Interesse an der Erhaltung der Arbeitsfähigkeit des Arbeitnehmers, zurücktreten würden. Ob es sich noch um die offizielle Pausenzeit, eine Verlängerung darüber hinaus oder den Gang in den Bauwagen zum Trinken während der eigentlichen Arbeitszeit gehandelt habe, sei somit letztlich unerheblich. Die Handlungstendenz sei jeweils das Trinken und somit die unversicherte Flüssigkeitsaufnahme.
Mit Schriftsatz vom 9. September 2013 hat der Kläger am 10. September 2013 Klage erhoben. Zur Begründung führt er zusammengefasst aus, wegen der am Unfalltage herrschenden winterlichen Witterung sei die Mittagspause von dem Kläger und den mit ihm auf der Baustelle arbeitenden weiteren Arbeitnehmern nicht außerhalb, sondern innerhalb des auf der Baustelle stehenden Bauwagens absolviert worden. Die Pause habe um 12:30 Uhr geendet. Anschließend habe man eine Baubesprechung im Bauwagen durchgeführt, die bis gegen 12:50 Uhr gegangen sei. Danach wollten alle Teilnehmer den Bauwagen verlassen. Während der Kläger den Bauwagen verließ, hatte er noch einen Schluck aus seiner Getränkeflasche genommen und sich dabei verschluckt. Um die zu sich genommene Flüssigkeit wieder auszuspucken, wollte er möglichst schnell den Bauwagen verlassen. Dabei sei er über die vorstehende Schwelle der Bauwagentür gestürzt und direkt auf den asphaltierten Boden aufgeschlagen. Das Ereignis sei als Arbeitsunfall anzuerkennen, denn der Kläger sei nicht mehr in der Mittagspause gewesen, sondern es habe zum Unfallzeitpunkt eine Baubesprechung stattgefunden. Das Trinken und das daraus folgende Verschlucken sowie der nachfolgende Sturz über die Schwelle des Bauwagens stelle allenfalls eine geringfügige private Unterbrechung der betrieblichen Tätigkeit dar, die den Versicherungsschutz nicht ausschließe.
Der Kläger beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 12. März 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 2013 aufzuheben und festzustellen, dass das Unfallereignis vom 18. Dezember 2012 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt (schriftsätzlich),
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich im Wesentlichen auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
Das Gericht hat zur Aufklärung des Sachverhaltes die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Weiter hat das Gericht am 8. April 2016 Beweis erhoben durch die Vernehmung der Zeugen A1, W. und K ... Die Zeugen haben übereinstimmend den Sachverhalt zum Unfallhergang und die genauen Umstände bestätigt, dass der Kläger vor dem Kühlschrank stehen geblieben sei, seinen dort befindlichen Rucksack öffnete, und einen Schluck aus seiner Flasche getrunken habe. Hierbei hatte er sich verschluckt und wollte das Verschluckte draußen vor der Bauwagentür ausspucken, als er über die Schwelle an der Bauwagentür stolperte und auf den Asphalt stürzte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten, sowie der Zeugenaussagen, wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichts-gesetz -SGG).
Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist unbegründet.
Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat am 18. Dezember 2012 keinen Arbeitsunfall erlitten.
Nach § 8 Abs 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Daher muss eine Verrichtung des Versicherten vor dem fraglichen Unfallereignis, das "infolge", also unter anderem nach dieser Verrichtung eingetreten sein, den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt haben. Nur dies begründet die Versichertenstellung in und den Versicherungsschutz aus der jeweiligen Versicherung. Diese (versicherte) Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis (Unfallereignis), kurz gesagt: eine Einwirkung, objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität). Diese (versicherte) Einwirkung muss einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv (1. Kausalitätsstufe) und rechtlich wesentlich (2. Kausalitätsstufe) verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität) (vgl. Bundessozialgericht Urteil vom 24. Juli 2012, Az.: B 2 U 23/11 R, nach juris). Die versicherte Tätigkeit und die zum Unfall führende Tätigkeit – die Verrichtung zur Zeit des Unfallereignisses – müssen im Grad des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, feststehen.
Der Gesundheitsschaden muss bei der Ausübung der versicherten Tätigkeit erlitten worden sein, die in einem sachlichen Zusammenhang mit dieser versicherten Tätigkeit steht. Diesen Nachweis konnte der Kläger zur Überzeugung der Kammer nicht führen.
Der Kläger hat zwar am 18. Dezember 2012 einen Unfall erlitten, als er aus dem Bauwagen stürzte und sich hierbei den Gesundheitsschaden an der Schulter und dem Kopf zuzog. Dieses Unfallereignis zog er sich aber nicht "infolge" seiner versicherten Tätigkeit zu. Die Handlungstendenz der zum Unfallereignis führenden Verrichtung war auf eine unversicherte – eigenwirtschaftliche – Tätigkeit gerichtet. Auch eine so genannte "geringfügige Unterbrechung" begründet vorliegend keinen sachlichen Zusammenhang mit der unter Versicherungsschutz stehenden versicherten Tätigkeit. Ebenfalls ist keine Zurechnung über besondere betriebliche Verhältnisse oder der Art und Schwere der Verletzung gegeben.
Die Kammer stellt fest, dass sich der Kläger vor dem Unfallereignis im Bauwagen aufhielt und seine Mittagspause einnahm. Hierbei kann offen bleiben, ob die Mittagspause bereits beendet war, wie die Zeugen dies einhellig bestätigen, oder ob durch eine "Dienstbesprechung" die versicherte Tätigkeit ab 12.30 Uhr, nach Beendigung der Mittagspause, im Bauwagen wieder aufgenommen wurde. Mit dem Aufstehen vom Tisch hat der Kläger mit seiner subjektiven Handlungstendenz, die objektiv beobachtbar war, seine versicherte Tätigkeit (wieder) aufgenommen und wollte grundsätzlich seinen konkreten Arbeitsplatz auf der Baustelle wieder erreichen.
Die Kammer folgt nicht der Auffassung der Beklagten, dass ein Bauwagen mit einer "unversicherten Kantine bzw. Gaststätte" gleichzusetzen ist. Diese Argumentation verkennt den Zweck eines Bauwagens bzw. einer Kantine. Eine Kantine dient regelmäßig dem (unversicherten) Aufenthalt der Pausengestaltung und der Einnahme von Mahlzeiten. Ein Bauwagen wird im Wesentlichen auf einer Baustelle dazu aufgestellt, darin (witterungsgeschützt) versicherte Tätigkeiten in Bezug auf die Baustelle zu verrichten. Hierbei wird er auch (gelegentlich) als Pausenraum ("Kantine") genutzt werden. Der sachliche Zusammenhang muss jedoch immer in Bezug auf die konkrete Tätigkeit festgestellt werden.
Bei der juristischen Wertung des Versicherungsschutzes ist auf die tatsächliche vor dem Unfallereignis verrichtete Tätigkeit abzustellen, die sich aus der Handlungstendenz des Versicherten ergibt. Das Handeln muss subjektiv - zumindest auch - auf die Erfüllung des Tatbestands der jeweiligen Tätigkeit ausgerichtet sein (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 44 RdNr 31 und vom 26.6.2014 - B 2 U 4/13 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 52 RdNr 14). Darüber hinaus muss sich die subjektive Handlungstendenz als festzustellende Tatsache im äußeren Verhalten des Handelnden (Verrichtung), so wie es objektiv beobachtbar ist, widerspiegeln (vgl. BSG vom 17.2.2009 - B 2 U 26/07 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 32 RdNr 11 mwN). Eine Verrichtung in diesem Sinne ist jedes konkrete, räumlich und zeitlich bestimmte Verhalten eines Verletzten, das (objektiv) seiner Art nach von Dritten beobachtbar ist. Für die Prüfung ist dabei regelmäßig die kleinste beobachtbare Handlungssequenz maßgebend (vgl. Spellbrink "Unfallversicherungs-schutz bei Tätigkeiten im Home-Office und bei Rufbereitschaft", NZS 2016, 527, 528; ders. "Gemischte Tätigkeit und gemischte Motivationslage bei der Feststellung von Arbeitsunfällen", WzS 2011, 351, 354).
Der Aufenthalt des Klägers im Bauwagen ist daher nicht als eine versicherungsrechtliche Einheit zu bewerten, sondern die konkret zum Unfallereignis führende Tätigkeit - als kleinste beobachtbare Handlungssequenz - ist maßgebend. Hierbei stellt die Kammer als tatsächliches Unfallgeschehen (Wirkursache) fest, dass der Kläger die versicherte Tätigkeit des Verlassens des Bauwagens mit der eigenwirtschaftlichen Handlungstendenz unterbrach, in dem er stehen blieb, seinen dort abgelegten Rucksack öffnete und einen Schluck aus seiner Flasche trank. Hierbei verschluckte er sich und wollte das Verschluckte draußen vor dem Bauwagen ausspucken, als er über die Schwelle an der Bauwagentür stolperte und aus dem Bauwagen auf den Asphalt stürzte. Die Verrichtung (unmittelbar) vor dem Zeitpunkt des Unfallereignisses als rechtlich relevante Wirkursache, stand nicht in einem sachlichen Zusammenhang mit seiner versicherten Tätigkeit, sie war vielmehr wesentlich durch die eigenwirtschaftliche und unversicherte Verrichtung des Trinkens geprägt.
Der Kläger hat durch diese eigenwirtschaftliche Verrichtung seine versicherte Tätigkeit – das Verlassen des Bauwagens zum Erreichen seiner Arbeitsstelle, objektiv und mit der Handlungstendenz unterbrochen, die eigenwirtschaftliche Tätigkeit des Trinkens zu verrichten. Aus dieser eigenwirtschaftlichen Tätigkeit folgte die Kausalkette, die unmittelbar zum Unfallereignis führte.
Der Versicherungsschutz wird vorliegend auch nicht nach den (ehemaligen) Grundsätzen einer "geringfügigen Unterbrechung" begründet. Nach Auffassung der Kammer kann es dieses Rechtsinstitut, das den Versicherungsschutz begründete, im Lichte der aktuellen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (insbesondere im Bereich des Wegeunfalles bzw. Home-Office), in dieser Form nicht mehr geben. Das Bundessozialgericht stellt nach der neuen Rechtsprechung zur Begründung des sachlichen Zusammenhanges konsequent auf die Handlungstendenz eines Versicherten vor bzw. zum Zeitpunkt des Unfallereignisses ab (vgl. BSG Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 12/12 R (Tankstelle); Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R (Erdbeerkauf); Urteil vom 17. Dezember 2015 - B 2 U 8/14 R (Bahnsteig) und insbesondere W. Spellbrink aaO.). Diese klare und in sich schlüssige Rechtsprechung führt dazu, dass der Versicherungsschutz transparent und vorhersehbar ist. Es bleibt insoweit kaum mehr Raum für die sachliche Zurechnung bei einer – nicht genau (zeitlich) definierten – "geringfügigen" Unterbrechung. Eine solche Unterbrechung ist wesentlich eigenwirtschaftliche Wirkursache, die die Haftung des Unfallversicherungsträgers nicht begründen kann.
Die in der Rechtsprechung und Literatur genannten Beispiele einer "versicherten geringfügigen Unterbrechung", dass etwas "im Vorbeigehen" oder "ganz nebenher" erledigt werde (vgl. hierzu beispielsweise G. Wagner in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VII, 2. Aufl. 2014, § 8 SGB VII, Rn. 57), sodass Versicherungsschutz trotz eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründet werde, ist nicht mehr zu folgen. Dies gilt umso mehr, wenn sich das Unfallereignis konkret aus der eigenwirtschaftlichen Tätigkeit ergibt bzw. kausal entwickelt. Insoweit ist nach Auffassung der Kammer kein sachlicher Grund dafür gegeben, die Zurechnung eines wesentlich durch eigenwirtschaftliches Handeln geprägtes Unfallgeschehen zum Unfallversicherungsträger zu begründen. Einen "Betriebsbann", der Versicherungsschutz bei einer Tätigkeit mit eigenwirtschaftlicher Handlungstendenz begründen kann, existiert nur in der Schifffahrt nach der Spezialnorm des § 10 SGB VII.
Nach Auffassung der Kammer sind Ausnahmen nur bei so genannten gemischten Tätigkeiten bzw. gemischter Motivationslage möglich (hierzu instruktiv Spellbrink "Gemischte Tätigkeit und gemischte Motivationslage bei der Feststellung von Arbeitsunfällen", WzS 2011, 351, 354). Handelt es sich bei Unfallereignissen um Handlungen, die den Bereichen der gemischten Motivationslage/Tätigkeiten zuzurechnen sind – zum Beispiel bei Arbeiten am Bildschirm, bei dem der Versicherte gleichzeitig ein Frühstücksbrot isst – ist auf der rechtlichen Wertungsebene (2. Kausalitätsstufe) zu entscheiden, ob die eigenwirtschaftliche "Verrichtung" als Wirkursache allein rechtlich-wesentlich das Unfallgeschehen geprägt hat, oder ob die versicherte Tätigkeit (das Blicken auf den Bildschirm) einen erheblichen Anteil hatte (ggf. an einem Verschlucken des Brotstückes), sodass die eigenwirtschaftliche Tätigkeit nicht allein rechtlich-wesentlich ursächlich war. Dies ist vorliegend jedoch nicht der Fall gewesen, denn der Kläger verrichtete keine gemischte Tätigkeit oder eine Tätigkeit mit gemischter Motivationslage, sondern unterbrach seine versicherte Tätigkeit, das Verlassen des Bauwagens, um sich einer (neuen) eigenwirtschaftlichen Tätigkeit zu widmen. Damit lag nur eine (unversicherte) Wirkursache vor (ähnlich BSG Urteil vom 4. Juli 2013 - B 2 U 3/13 R – Erdbeerkauf-).
Das Ausspucken der getrunkenen Flüssigkeit stellt nicht eine erneute Wiederaufnahme der versicherten Tätigkeit, des Verlassens des Bauwagens zur Erreichung des Arbeitsplatzes, dar, sondern nach der Feststellung der Kammer handelt es sich, als tatsächliches Geschehen, um die Folgen des eigenwirt-schaftlichen Verschluckens. Dies war die festzustellende Handlungstendenz, die zum Unfallereignis führte und objektiv beobachtbar war.
Eine Zurechnung zum Versicherungsschutz wegen besonderer betrieblicher Umstände oder Betriebsgefahren bzw. der Art und Schwere der Verletzung, ist nach den Feststellungen der Kammer nicht gegeben. Zum einen können keine Umstände festgestellt werden, die eine besondere betriebliche Eile beim Trinken rechtfertigen würden. Auch eine (größere) Hitze am Arbeitsplatz des Klägers oder sonstige Umstände, die einen erhöhten Flüssigkeitsbedarf rechtfertigen würde, waren nicht feststellbar. Allein der Umstand, dass der Kläger auch körperlich schwere Arbeiten verrichtet, begründet nicht den sachlichen Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit, auch wenn "viel Trinken" empfohlen wird. Ein Sturz aus ca. 1 Meter Höhe von einer (Bauwagen-)Treppe stellt keine besondere Betriebsgefahr dar. Eine solche kann vorliegen, wenn ein Kranführer aufgrund einer inneren Ursache (epileptischer Anfall) aus seinem Führerhaus beispielsweise 10 Meter tief fällt, und sich dadurch erheblich schwerere Verletzungen zuzieht, als hätte er den epileptischen Anfall "in normaler Umgebung" erlitten und wäre ggf. eine Treppe heruntergestürzt. Einen solchen Sachverhalt kann die Kammer vorliegend nicht feststellen. Der Sturz aus dem Bauwagen (ca. 1 Meter Höhe) begründet keine besondere Betriebsgefahr. Ein entsprechender Sturz von einer normalen Treppe wäre ebenfalls geeignet gewesen, die Verletzungen beim Kläger zu verursachen.
Abschließend weist die Kammer noch darauf hin, dass es vorliegend offenbleiben kann, ob der Kläger vor dem konkreten Unfallereignis einen "Black Out", d.h. einen Bewusstseinsverlust, erlitten hatte, wie es sich aus den Unterlagen ergeben könnte. Nach Auffassung der Kammer ist eine solche (konkurrierende) Wirkursache weder vollbewiesen, noch wäre sie zur Begründung des Versicherungsschutzes geeignet.
Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 183, 193 SGG.
Nach § 161 Abs. 1 Satz 1 SGG steht den Beteiligten gegen das Urteil eines Sozialgerichts die Revision unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht im Urteil oder auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Das Sozialgericht kann die Sprungrevision schon im Urteil zulassen; insoweit ist ein Antrag nicht erforderlich, auch die Zustimmung des Gegners muss noch nicht vorliegen; das Sozialgericht entscheidet vielmehr nach pflichtgemäßem Ermessen von Amts wegen (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 161 Rn. 6). Die Revision ist durch die Kammer zugelassen worden, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG vorliegen. Die Rechtssache hat im Hinblick auf den Versicherungsschutz nach § 8 Abs. 1 SGB VII bei einer "geringfügigen Unterbrechung" grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
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