L 3 U 52/14

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 291/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 52/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Rechtmäßigkeit der Veranlagung der Klägerin streitig.

Die Klägerin betreibt einen Zeitschriftenverlag ohne Auslieferung durch Zusteller und sonstigen Warenumgang. Die Beklagte nahm die Klägerin mit Aufnahmeverfügung vom 20. Februar 1974 in ihr Unternehmerverzeichnis auf und ordnete sie der damaligen Tarifstelle 21 mit einer Gefahrklasse von 2,5 zu. Der Büroteil des Unternehmens wurde der Gefahrklasse 0,7 zugeordnet. Zuletzt war die Klägerin dem bis Ende 2012 geltenden 23. Gefahrtarif 2007, Gefahrtarifstelle 5 ("Handel mit Büchern, Buchverlage, Handel mit Software einschl. Entwicklung u. dgl., Handel mit Zeitungen und Zeitschriften, Verlage ohne Auslieferung durch Zusteller u. dgl., Zeitschriftenverleihunternehmen (Lesezirkel)") mit einer Gefahrklasse von 2,0 (mit Ausnahme des Büroteils, für den weiterhin die Gefahrklasse 0,7 galt) zugeordnet. Im Rahmen der Fusion der bisherigen Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft und der bisherigen Berufsgenossenschaft für den Einzelhandel zur jetzigen Beklagten kam es in den Jahren 2007 und 2010 zu Beitragsrückerstattungen an die Mitglieder der früheren Großhandels- und Lagerei-Berufsgenossenschaft, die sich für die Klägerin auf 1.078,00 und 1.840,00 EUR beliefen.

Im Rahmen eines am 14. Dezember 2011 stattgefundenen Gesprächs zwischen Vertretern der Klägerin und der Beklagten bemängelte die Klägerin eine aus ihrer Sicht zu hohe Beitragsbelastung im Vergleich zu der verwirklichten Unfallgefahr und regte deshalb eine Prämiengewährung nach § 162 Siebtes Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Unfallversicherung – (SGB VII) an. Die Beklagte verwies in diesem Zusammenhang darauf, dass in dem neuen, ab 2013 geltenden Gefahrtarif im Rahmen des Beitragsausgleichsverfahrens neben den Zuschlägen auch Nachlässe vorgesehen seien. Auf Nachfrage der Beklagten gab die Klägerin an, keinen Warenumgang zu haben. Diesbezüglich wies der Vertreter der Beklagten darauf hin, dass dann eine Veranlagung nach der Gefahrtarifstelle 18 anstatt der bisherigen Tarifstelle 5 in Betracht käme, was sich zwar derzeit beitragsmäßig nicht auswirke, weil beiden Tarifstellen die Gefahrklasse 2,0 zugeordnet sei, jedoch nach dem neuen, ab 1. Januar 2013 geplanten Gefahrtarif zu einer Veranlagung nach der Tarifstelle mit der günstigsten Gefahrklasse und damit zu einer erheblichen Reduzierung der Beitragslast führen würde. Die Beteiligten vereinbarten, eine Prüfung der tatsächlichen Verhältnisse bei der Klägerin durchzuführen.

Nachdem diese Prüfung ergeben hatte, dass bei der Klägerin tatsächlich kein Warenumgang stattfindet, veranlagte die Beklagte sie mit Bescheid vom 19. April 2012 für die Zeit ab 1. Januar 2012 zu der Tarifstelle 18 mit der Gefahrklasse 2,0, den Büroteil der Klägerin zur Tarifstelle 19 mit der Gefahrklasse 0,7. Mit Beitragsbescheid für das Jahr 2011 forderte die Beklagte von der Klägerin einen Gesamtbeitrag in Höhe von 19.299,64 EUR bei gemeldeten Arbeitsentgelten in Gesamthöhe von 3.236.840,00 EUR (davon Büroteil: 1.166.534,00 EUR).

Gegen die mit Bescheid vom 19. April 2012 vorgenommene Neuveranlagung legte die Klägerin Widerspruch ein, mit welchem sie die Festsetzung einer günstigeren Gefahrklasse für sich, hilfsweise die Gewährung eines Nachlasses oder einer Prämie geltend machte. Die von ihr zu tragende Beitragslast sei viel zu hoch. Die Beklagte habe den besonders günstigen Schadensverlauf nicht angemessen berücksichtigt und das nach § 162 SGB VII zur Verfügung stehende Instrumentarium nicht genutzt. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die Beklagte mit dem neuen Veranlagungsbescheid das Moment des Warenumganges, welches bei ihr, der Klägerin, gerade nicht vorliege, nicht angemessen berücksichtige. Auch zeige die in der Vergangenheit durchgeführte Beitragserstattung, dass durch den günstigen Unfallverlauf nicht nur bei ihr – der Klägerin – sondern bei anderen vergleichbaren Unternehmen offensichtlich Beitragsüberschüsse entstanden seien. Ohne Änderung des Gefahrtarifs würden erneut solche Überschüsse entstehen. Die Beklagte habe angemessen reagieren können und müssen, indem sie einen neuen Gefahrtarif installiere. Sie könne sich nicht auf die Laufzeit des noch gültigen Gefahrtarifs bis Ende 2012 und die daraus resultierende Unmöglichkeit eines Nachlasses, einer Herabsetzung des Beitrages oder einer Prämiengewährung berufen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und machte unter anderem geltend, dass es systemimmanent sei, dass während der laufenden Gefahrtarifperiode von höchstens sechs Kalenderjahren die Gefahrklassen und somit das Verhältnis der gezahlten Leistungen zu den Arbeitsentgelten beobachtet werde, um daraus Rückschlüsse für den nächsten Gefahrtarif zu ziehen und eventuelle Änderungen zu berücksichtigen.

Gegen diese Entscheidung hat die Klägerin am 11. Dezember 2012 Klage erhoben und geltend gemacht, dass ihr Betrieb ein reiner Bürobetrieb sei und weit überwiegend nur Bürokräfte beschäftige, wenn man vom Hauspersonal und einigen Außenkorrespondenten absehe. Danach wäre eine Einteilung der Beschäftigten zur Bürotätigkeit angemessen gewesen. Dies habe die Beklagte mit einem Kunstgriff verhindert, indem sie den Verlag ohne Warenumgang mit der Gefahrklasse des Verlages mit Warenumgang gleichgestellt habe, wofür sich eine Erklärung nicht finde. Wenn über die künftige Besserstellung im neuen Gefahrtarif bereits sichere Erkenntnisse vorlägen und eine unterdurchschnittliche Unfallbelastung hinzutrete, sei es Aufgabe der Beklagten, im Rahmen des ihr obliegenden Ermessens eine Einzelfallentscheidung zu treffen und die Beiträge für sie – die Klägerin – entsprechend zu reduzieren. Es sei auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte kein angemessenes Beitragsnachlass- und Zuschlagsystem unterhalte, weshalb atypische Abweichungen nicht aufgefangen werden könnten mit der Folge, dass das Äquivalenzprinzip verletzt werde.

Die Beklagte hat demgegenüber darauf hingewiesen, dass es bei einem nach Gewerbezweigen gegliederten Gefahrtarif nicht auf die Unfallrisiken des einzelnen Unternehmens ankomme. Die Belastungsverhältnisse einzelner Mitgliedsunternehmen gingen nur innerhalb des gesamten Gewerbezweiges in die Berechnungen ein. Dass alle gewerbezugehörigen Betriebe und Einrichtungen trotz unterschiedlicher Gefährdungslage zur selben Gefahrklasse veranlagt und deshalb einzelne von ihnen stärker mit Beiträgen belastet würden, als es ihrem tatsächlichen Gefährdungsrisiko entsprechen würde, sei als Folge der bei der Tarifbildung notwendigen Typisierung hinzunehmen und sei Ausfluss des im gesamten System der gewerblichen Berufsgenossenschaften geltenden Solidaritätsausgleichs. Innerhalb einer Gefahrtarifperiode könne der Gefahrtarif nicht verändert werden. Individuelle Veränderungen in der Betriebsstruktur einzelner Unternehmen könnten nur über eine Veranlagungsänderung unter Berücksichtigung der Vorgaben des § 160 SGB VII nachvollzogen werden. Entsprechend sei sie – die Beklagte – im Falle der Klägerin vorgegangen. Das von ihr durchgeführte Beitragsausgleichsverfahren sei in ihrer Satzung niedergelegt und entspreche den Vorgaben des § 162 Abs. 1 SGB VII. Danach hätten Unternehmen, deren Unfallbelastung um mehr als 25 % über der Durchschnittsbelastung im Beitragsjahr liege, Zuschläge zum Beitrag zu zahlen. Diese Zuschläge würden unmittelbar vom Umlagesoll abgezogen und bedeuteten daher über einen niedrigeren Beitragsfuß eine Beitragsminderung für durchschnittlich oder unterdurchschnittlich belastete Unternehmen. Diese Beitragsminderung stelle somit einen Nachlass dar, auch wenn dieser nicht unmittelbar aus dem Beitragsbescheid zu erkennen sei. Für einen Anspruch auf die Gewährung einer individuellen Prämie fehle es an einer Rechtsgrundlage.

Das Sozialgericht hat die nach dem im Termin zur mündlichen Verhandlung am 28. Oktober 2014 gestellten Antrag auf Aufhebung des Bescheides vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 und Verpflichtung der Beklagten zur Erstattung in der laufenden Gefahrtarifperiode seit 2007 zu viel erhobener Beiträge gerichtete Klage durch Urteil vom 28. Oktober 2014 abgewiesen. Soweit sich die Klage als reine Anfechtungsklage gegen den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 richte, erschließe sich das damit verbundene Ziel nicht. Bei Aufhebung des Veranlagungsbescheides würde die Klägerin wiederum zu der Tarifstelle 5 mit derselben Gefahrklasse 2,0 veranlagt werden. Die frühere Veranlagung zur Tarifstelle 5 sei nicht Gegenstand der Klage und auch bisher von der Klägerin nicht angegriffen worden. Sie habe auch nicht konkret beantragt, zu welcher anderen, ggf. günstigeren Tarifstelle sie veranlagt werden wolle. Darüber hinaus lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Veranlagungsbescheid vom 19. April 2012 rechtswidrig sei. Rechtsgrundlage für die grundsätzliche Veranlagung sei § 159 Abs. 1 Satz 1 SGB VII, für die Änderung der Veranlagung § 160 Abs. 1 SGB VII. Danach hebe der Unfallversicherungsträger den (bisherigen) Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats auf, der der Änderungsmitteilung durch den Unternehmer folge. Da hier die Änderungsmitteilung im Rahmen der Unterredung zwischen den Beteiligten am 14. Dezember 2011 erfolgt sei, habe die Beklagte folgerichtig mit Wirkung ab 1. Januar 2012 die Klägerin neu, hier mit ihrem gewerblichen Teil zur Tarifstelle 18, veranlagt. Soweit die Klägerin behaupte, dass ihre Beitragslast vor dem Hintergrund ihres günstigen Schadensverlaufs viel zu hoch sei, verkenne sie, dass der Gefahrtarif in den jeweiligen Tarifstellen Gewerbezweige zusammenfasse und es nicht auf die Unfallrisiken des einzelnen Unternehmens ankomme. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass sich die Beklagte im Rahmen ihres Gestaltungsspielraumes gemäß § 162 SGB VII für ein reines Zuschlagsverfahren entschieden habe und ein Nachlass- und/oder Prämienverfahren nicht stattfinde. Letztlich sei die Überprüfung des Gefahrtarifs durch das Gericht darauf beschränkt, ob er mit dem Gesetz, das die Ermächtigungsgrundlage enthalte, und mit sonstigem höherrangigen Recht vereinbar sei. Insoweit bestünden gegenüber dem Gefahrtarif 2007 der Beklagten keine Bedenken und es seien auch von der Klägerin keine konkreten Einwände vorgebracht worden. Soweit die Klägerin beanstande, dass es nach dem Gefahrtarif keine günstige Gefahrklasse als 2,0 gebe, und insoweit generell von einer Ungerechtigkeit ausgehe, sei diesem Vorbringen angesichts der durch die Prüfung der Genehmigungsbehörde gegangenen Berechnung nicht weiter nachzugehen. Auf die dem Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 1. Dezember 2014 zugestellte Entscheidung wird ergänzend Bezug genommen.

Mit ihrer am 2. Dezember 2014 gegen diese Entscheidung eingelegten Berufung macht die Klägerin geltend, ihr Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Bescheides reiche aus, um die Beklagte zu veranlassen, eine Neubescheidung durchzuführen, die gegebenenfalls auch Änderungen im Gefahrtarif erfordere. Es gehe ihr nicht darum, nach einer anderen Gefahrtarifstelle veranlagt zu werden. Es gehe darum, aufgrund eines richtigen Gefahrtarifs veranlagt zu werden. Der bisherige Gefahrtarif sei falsch, weil geradezu groteske Abweichungen zwischen der tatsächlich zu tragenden Beitragslast und den praktisch nicht vorhandenen Erstattungsfällen seitens der Klägerin bestünden. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts müsse ein Gefahrtarif zwar nicht nachrechenbar, aber doch nachvollziehbar sein. Daraus folge, dass bei groben Unzuträglichkeiten der Unfallversicherungsträger darlegen müsse, weshalb es im Einzelnen zu diesen Unzuträglichkeiten komme, und worauf bzw. auf welchem statistischem Material der Gefahrtarif beruhe, der zu solchen groben Abweichungen führe. Sie, die Klägerin müsse die Unzuträglichkeiten lediglich vortragen. Wenn wie hier sich aus den vorgetragenen Tatsachen ergebe, dass die tatsächliche Unfallbelastung mit der angenommenen Belastung nicht übereinstimme, müsse in die Prüfung der Grundlagen des Gefahrtarifs eingestiegen werden, was das Sozialgericht versäumt habe. Auch habe sich das Sozialgericht nicht mit der Frage auseinandergesetzt, inwieweit ein effektives Beitragsausgleichsystem oder ggf. auch ein Prämiensystem zur Kompensierung von Ungerechtigkeiten, die sich aus dem Gefahrtarif ergeben, als gesetzeskonformer Ausgleich dienen können. Insbesondere bleibe das Sozialgericht eine Erläuterung dafür schuldig, warum das von der Beklagten eingeführte Beitragszuschlagsystem ausreichen solle, um schwerwiegende Nachteile von solchen Mitgliedern einer Gefahrtarifstelle abzuwenden, die durch besondere Maßnahmen keine oder nur so geringfügige Unfälle haben, dass die Beitragserhebung völlig unverhältnismäßig sei. Der Grund für die beantragte Rückerstattung in der Vergangenheit zu viel erhobener Beiträge bestehe darin, dass die Beklagte nach § 44 Abs. 1 Satz 2 Zehntes Sozialgesetzbuch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) von Amts wegen verpflichtet sei, in der Vergangenheit zu Unrecht erhobene Beiträge zu erstatten.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 28. Oktober 2014 sowie den Bescheid der Beklagten vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, zu viel erhobene Beiträge in der laufenden Gefahrtarifperiode seit 2007 zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, das Sozialgericht habe die Klage zu Recht und mit zutreffenden Gründen abgewiesen. Streitgegenstand sei allein die Veranlagung der Klägerin für das Jahr 2012, wie sie im Bescheid vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 geregelt sei. Die Beiträge früherer Jahre seien demgegenüber nicht Streitgegenstand.

Der Senat hat im Termin am 23. August 2016 mit den Beteiligten das Verhältnis von Beitragsbelastung zur Gesamtlohnsumme der Klägerin in den Jahren 2011 bis 2013 sowie die eingeführte Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung hinsichtlich der Aufwendungen für Entschädigungsleistungen je 100,00 EUR Entgelt in den Jahren 1985 bis 2014 erörtert.

Wegen Einzelheiten der Erörterung mit den Beteiligten wird auf die Niederschrift über die öffentliche Senatssitzung, wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf die ausweislich dieser Niederschrift zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Berufung (§§ 143, 144, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) der Klägerin ist unbegründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die nach dem sowohl im erstinstanzlichen Verfahren als auch im Berufungsverfahren gestellten Antrag allein auf Aufhebung des Veranlagungsbescheides vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 und Erstattung seit 2007 zu viel erhobener Beiträge gerichtete Klage abgewiesen.

Allerdings hat das Sozialgericht verkannt, dass Streitgegenstand des Verfahrens nur die durch den Bescheid vom 19. April 2012 erfolgte Neuveranlagung für den Zeitraum vom 1. Januar bis 31. Dezember 2012 sein kann, und deshalb die auf Erstattung zu viel erhobener Beiträge gerichtete Klage unzulässig war. Zur Höhe der Beiträge, insbesondere derjenigen, die auf der Grundlage des seit 2007 geltenden 23. Gefahrtarifs der Beklagten und der darauf beruhenden bisherigen Veranlagung in Tarifstelle 5 mit der Gefahrklasse 2,0 seither in jährlich ergangenen Beitragsbescheiden erhoben wurden, verhält sich der Bescheid vom 19. April 2012 ebenso in keiner Weise wie der Widerspruchsbescheid vom 5. Dezember 2012. Die frühere Veranlagung ist genauso wie die auf ihr beruhende Beitragserhebung zu keiner Zeit angefochten worden. Die entsprechenden Veranlagungs- und Beitragsbescheide sind vielmehr bestandskräftig geworden.

Soweit sich die Klägerin während des Berufungsverfahrens für ihren Erstattungsanspruch auf die Regelung des § 44 SGB X beruft, verkennt sie, dass darüber die angefochten Bescheide ebenfalls keinerlei Entscheidung treffen. Den vorliegenden Verwaltungsakten kann darüber hinaus weder ein entsprechender Überprüfungsantrag der Klägerin noch die Einleitung einer Überprüfung von Amts wegen durch die Beklagte entnommen werden. Grundvoraussetzung für die Zulässigkeit einer Klage ist aber das Vorliegen einer mit ihr angreifbaren Verwaltungsentscheidung. Eine solche liegt bezüglich einer eventuellen Rückerstattung von in der Vergangenheit erhobenen Beiträgen aber bislang nicht vor.

Hinsichtlich der gegen den Neuveranlagungsbescheid vom 19. April 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 5. Dezember 2012 gerichteten reinen Anfechtungsklage hat das Sozialgericht zutreffend darauf hingewiesen, dass sich das damit verbundene Ziel nicht erschließe. Zu Recht ist es insoweit davon ausgegangen, dass eine Beseitigung dieser Neuveranlagung durch Aufhebung der angefochtenen Bescheide die bisherige Veranlagung zur Tarifstelle 5 mit einer Gefahrklasse von ebenfalls 2,0 wieder aufleben lassen würde. Allerdings hat das Sozialgericht auch insoweit verkannt, dass auch die Anfechtungsklage wegen des deshalb fehlenden Rechtsschutzbedürfnisses unzulässig ist. Die mit den angefochtenen Bescheiden vorgenommene Neuveranlagung mit Wirkung ab 1. Januar 2012 beruht auf der Regelung des § 160 Abs. 1 SGB VII, nach welcher bei Eintritt von Änderungen im Unternehmen der Unfallversicherungsträger den bisherigen Veranlagungsbescheid mit Beginn des Monats aufhebt, der der Änderungsmitteilung durch den Unternehmer folgt. Insofern handelt es sich bei § 160 SGB VII um eine spezielle Regelung zu den allgemeinen Aufhebungsvorschriften der §§ 44 ff SGB X (vgl. Brandenburg/K. Palsherm in juris Praxiskommentar SGB VII, § 160, Anm. 7), wobei § 160 Abs. 1 SGB VII der Regelung des § 48 Abs. 1, Satz 1 SGB X entspricht. Anders als die Klägerin meint, bewirkt die Aufhebung eines derartigen Änderungsbescheides hier in Form des ab 1. Januar 2012 geltenden (Neu-)Veranlagungsbescheides nicht, dass es gar keine Regelung mehr gibt, sondern dass der durch den Änderungsbescheid aufgehobene bzw. abgeänderte bisherige Bescheid hier in Form der Veranlagung zur Tarifstelle 5 weiter gilt. Da sowohl die Neuveranlagung nach Tarifstelle 18 als auch die bisherige, nach Aufhebung des Neuveranlagungsbescheides wieder geltende Veranlagung nach Gefahrtarifstelle 5 jeweils mit der Einstufung in Gefahrklasse 2,0 und damit mit einer identischen Beitragsbelastung verbunden ist, fehlt es an dem Rechtsschutzbedürfnis für die Anfechtungsklage.

Nur zur Ergänzung weist der erkennende Senat darauf hin, dass auch bei unterstellter Zulässigkeit der gegen den Neuveranlagungsbescheid gerichteten Anfechtungsklage und damit verbundener inzidenter Überprüfung des Gefahrtarifs die Berufung aus den zutreffenden Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung, denen sich der Senat anschließt und auf die er zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug nimmt (§ 153 Abs. 2 SGG), keinen Erfolg haben könnte. Soweit die Klägerin im Berufungsverfahren weiterhin geltend macht, es bestehe ein krasses Missverhältnis zwischen Beitragslast einerseits und Schadensfällen (Erstattungsfällen) andererseits und sich auf das Äquivalenzprinzip beruft, verkennt sie, dass dieses Prinzip nicht auf das Verhältnis von erbrachter Leistung zur Höhe der Umlage (des Beitrages), sondern auf das Verhältnis von versichertem Risiko zur Beitragshöhe anzuwenden ist. Unter Berücksichtigung einer Gesamtlohnsumme vom mehr als 3 Millionen Euro einerseits und einer Beitragshöhe von etwa 20.000,00 EUR andererseits lässt sich ein krasses Missverhältnis aber gerade nicht feststellen. Insoweit ist zu berücksichtigen, dass z.B. ein einziger Wegeunfall mit schweren Folgen ein Vielfaches der jährlichen Beitragslast kostet. Die vom Senat mit den Beteiligten im Verhandlungstermin besprochene Statistik der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung weist nämlich für das Jahr 2012 Aufwendungen für Entschädigungsleistungen je 100,00 EUR Entgelt in Höhe von genau 1,00 EUR aus, was dann bei einer Gesamtlohnsumme von über 3 Millionen Euro auch noch einen Jahresbeitrag von mehr als 30.000,00 EUR rechtfertigen könnte.

Hinsichtlich des Vorbringens der Klägerin zu einem Beitragsausgleichs- bzw. Prämiensystem verkennt sie zum einen, dass dieses unabhängig vom Gefahrtarif ist, und zum anderen, dass die Beklagte für den streitigen Zeitraum sich für ein Beitragsausgleichsystem in Form eines reinen Zuschlagsverfahrens entschieden hat, nach welchem Unternehmen, deren Unfallbelastung um mehr als 25 % über der Durchschnittsbelastung im Beitragsjahr liegt, Zuschläge zum Beitrag zu zahlen haben. Da diese Zuschläge unmittelbar vom Umlagesoll abgezogen werden, errechnet sich über einen insoweit erniedrigten Beitragsfuß eine Beitragsverminderung für alle Unternehmen mit nicht überdurchschnittlicher Unfallbelastung. Wieso dieses Beitragsausgleichsverfahren nicht angemessen sein soll, ist nicht erkennbar und wird von klägerischer Seite auch in keiner Weise dargelegt.

Wenn die Klägerin meinen sollte, sie sei mit sämtlichen Beschäftigten der Gefahrtarifstelle 19 (Büroteil der Unternehmen) mit der Gefahrklasse 0,7 zuzuordnen, hätte sie – unabhängig davon, ob die Voraussetzungen tatsächlich vorliegen – nicht nur zwischen 31 und 37 % aller Entgelte, sondern einfach 100 % der Entgelte zu dieser Tarifstelle zur Beitragsberechnung melden können. Dazu hätte es keiner Änderung des Gefahrtarifs und insbesondere keines gerichtlichen Verfahrens bedurft.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung. Als unterlegene Berufungsführerin hat die Klägerin die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, weil die gesetzlichen Vorausset-zungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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