L 1 KR 57/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 KR 18/13
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 57/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 12/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beigeladene zu 1.) bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin seit Juni 2003 versicherungspflichtig beschäftigt ist.

Die Klägerin bietet sog. Full-Service-Hygienelösungen u.a. in Form von Systemen für Händewaschen, Händetrocknen, Handpflege, Handtuch- und Seifenspendern, WC-Hygienesysteme, Duftspender und Toilettenartikel sowie Sensorarmaturen, Abfallbehälter und andere Waschraumaccessoires sowie Reinigung und Belieferung von Schmutzfangmatten für den Eingangsbereich.

Die am 16. März 1952 geborene Beigeladene zu 1.) hat seit 1. Juni 2003 ein Gewerbe zur Durchführung von Kleintransporten angemeldet. Die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die Fa. D. Deutschland GmbH Co. KG schloss am 1. Juni 2003 mit der Beigeladenen zu 1.) eine als "Freier-Mitarbeiter-Vertrag" überschriebene Vereinbarung. Vertragsgegenstand ist die Durchführung von "Washroom , Dustcontrol-, AirControl-, CleanSeat- und LadyCare-Services und ggf. Berufsbekleidungsservice sowie Montage und Reparatur der CWS-Systeme" im Großraum E-Stadt. Die zu erbringenden Service-Leistungen werden der Beigeladenen zu 1.) täglich übermittelt (§ 2, 2.2).

In § 3 des Vertrages sind die Rechte und Pflichten des Auftragnehmers wie folgt geregelt:

"3.1. Der Auftragnehmer unterhält einen selbstständigen Gewerbebetrieb. Er hat die daraus resultierenden Pflichten (insbesondere hinsichtlich Gewerbeanmeldung, Entrichtung von Steuern und öffentlichen Abgaben sowie Beachtung des Straßenverkehrsgesetzes, der dazu erlassenen Verordnung sowie des Güterkraftverkehrsgesetzes etc.) eigenverantwortlich zu erfüllen. Im Verhältnis zur Auftraggeberin hat er in jeder Hinsicht die Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns zu beachten. 3.2.1. Der Auftragnehmer trägt Sorge dafür, dass alle an ihn übertragenen Aufträge innerhalb eines Tages gegen Quittung beim Kunden ausgeführt werden. 3.2.2. Der Auftragnehmer darf sich bei der Erfüllung seiner Verpflichtungen Dritter (Erfüllungsgehilfen) bedienen. Er entscheidet insofern alleine über die Auswahl und Qualifikation seiner Mitarbeiter. Darüber hinaus ist er eigenverantwortlich für die Ausbildung, Einarbeitung und die Regelung der Arbeitszeit einschließlich der Anordnung eventueller Überstunden sowie die Gewährung von Urlaub und Freizeit. Der Auftragnehmer hat für seine Erfüllungsgehilfen die nach den sozialrechtlichen, arbeitsrechtlichen und steuerrechtlichen bestehenden Verpflichtungen eigenverantwortlich zu erfüllen. Eine Vergabe der an den Auftragnehmer erteilten Aufträge an einen weiteren Subunternehmer durch den Auftragnehmer bedarf der vorherigen ausdrücklichen, schriftlichen Zustimmung. 3.2.3. Ansprechpartner für den Auftragnehmer ist der bei der Auftraggeberin der regionale Serviceleiter. 3.3. Für die tägliche Durchführung der Aufträge stellt der Auftragnehmer ein Kraftfahrzeug mit ausreichender Kapazität bereit. Das Fahrzeug wird eine weiße Grundfarbe (RAL 9010) haben und vom Auftragnehmer mit Beschriftungsfolien, die zu Lasten des Auftragnehmers gehen, beschriftet werden. Bei Vertragsende ist der Auftragnehmer verpflichtet, die D.-Beschriftung von seinem Fahrzeug umgehend, d.h. innerhalb von drei Werktagen nach Vertragsende, zu entfernen.

Der Auftragnehmer wird das von ihm zu stellende Fahrzeug mit einem Fahrer besetzen, der zur Sicherstellung des einheitlichen Erscheinungsbildes des D. während des Einsatzes für die Auftraggeberin D.-Kleidung, deren Bezugsquelle die Auftraggeberin dem Auftragnehmer nachweist, tragen wird.

Der Auftragnehmer trägt die mit dem Kraftfahrzeug und seinem Betrieb einschließlich der Besetzung mit einem Fahrer zusammenhängenden Kosten.

3.4. Für die Service-Leistung und für die Werbeleistung hat der Auftragnehmer Anspruch auf eine Vergütung. Diese Vergütung beträgt EUR 4,30 pro LEB-Punkt Leistung incl. Kilometeranteil. ( ...)

3.5. Die Planung und der Ablauf der Touren obliegen dem Auftragnehmer im Rahmen des erteilten Auftrages. Der Auftragnehmer hat dabei Sorge zu tragen, dass er bzw. sein Erfüllungsgehilfe die Abnahme und das Sortieren der Aufträge und deren Erfüllung gemäß Kundenwunsch leistet. ( ...)"

§ 4 des Vertrages regelt Haftungsfragen, Schadensersatzansprüche und die Verpflichtung der Beigeladenen zu 1.), eine Haftpflichtversicherung abzuschließen. Dem Vertrag sind Aufstellungen über die Ansatzwerte für die "LEB-Punkte" beigefügt. Seit 1. August 2008 erhält die Beigeladene zu 1.) 4,60 EUR pro LEB-Punkt Leistung.

Die Beigeladene zu 1.) beantragte am 25. September 2011 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Im Antrag gab sie an, dass sie nach freier Zeiteinteilung an vier Tagen pro Woche für die Klägerin tätig sei; sie sei auch für den zwischenzeitlich insolventen "F." gefahren; zeitgleich würden neue Auftraggeber gesucht. Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Klägerin am 17. Oktober 2011 u.a. mit, dass die Klägerin ihre Arbeiten stichprobenartig in unregelmäßigen Abständen überprüfe. Die Übergabe, Kontrolle und Abnahme der Arbeiten des Auftragnehmers erfolgten über den zuständigen Service- oder Team-Leiter. Die Beigeladene zu 1.) teilte am 14. November 2011 ergänzend mit, dass die Arbeiten durch sie persönlich ausgeführt würden, bei Bedarf ggf. von ihrem Ehemann. Nach Anhörung der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) mit Schreiben vom 28. November 2011 stellte die Beklagte mit Bescheiden vom 31. Januar 2012 gegenüber der Klägerin und der Beigeladenen zu 1.) fest, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) im Bereich Servicedienstleistungen im Sanitärbereich im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und seit 1. Juni 2003 Sozialversicherungspflicht bestehe. Für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis spreche, dass das Tätigkeitsgebiet vorgegeben sei, Tätigkeitsanweisungen bzw. Richtlinien der Klägerin zu beachten seien, Übergabe, Kontrolle und Abnahme der Arbeiten durch den Team- bzw. Serviceleiter erfolgten, bei Verhinderung der Teamleiter zu unterrichten sei, Werbeschriften am eigenen Fahrzeug anzubringen seien und die Beigeladene zu 1.) nach außen nicht als selbstständig Tätige zu erkennen sei. Für eine selbstständige Tätigkeit spreche lediglich der Einsatz des eigenen Fahrzeuges. Die Kriterien für eine abhängige Beschäftigung würden deutlich überwiegen. Tatbestände, welche die Versicherungspflicht ausschließen bzw. die Versicherungsfreiheit begründen würden, lägen nicht vor.

Die Beigeladene zu 1.) widersprach dem Bescheid mit Schreiben vom 24. Februar 2012 und verwies darauf, dass sie Aufträge bei zu geringem Volumen auch ablehne. Das Tätigkeitsgebiet "Rhein-Main" sei Grundlage ihrer Kalkulation gewesen und nicht durch die Klägerin vorgegeben. Der Service-Teamleiter werde bei Erledigung des Auftrages benachrichtigt und neue Aufträge würden sodann abgefragt. Die Klägerin legte am 5. März 2012 Widerspruch ein und führte zur Begründung aus: Die Beigeladene zu 1.) arbeite weisungsfrei und könne selbst entscheiden, wie und in welcher zeitlichen Reihenfolge sie die Aufträge abarbeite. Die Beigeladene zu 1.) sei nicht fremdbestimmt und nicht in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingebunden. Sie liefere nicht nur Handtuchrollen und Fußmatten an die Kunden aus, sondern erledige auch Montage, Reparatur und den Austausch der Hygienesysteme – hierbei unterliege sie keinerlei Weisungen. Feste Touren seien gerade nicht vorgegeben. Die Beigeladene zu 1.) vereinbare Termine mit den Kunden, ohne dies mit der Klägerin abstimmen zu müssen. Die Beachtung von Qualitätsstandards sei kein Indiz für eine Weisungsgebundenheit. Jeder Möbeltischler habe sich an die Vorgaben des Kunden zu halten. Wenn überhaupt, erfolge eine stichprobenartige Kontrolle nur sporadisch und sei gleichfalls auch bei selbstständig tätigen Handwerkern der Regelfall. Mit der Benachrichtigungspflicht bei Verhinderung der Beigeladenen zu 1.) wolle die Klägerin sicherstellen, dass die Aufträge anderweitig vergeben werden könnten. Die Beigeladene zu 1.) habe mit der Anschaffung des Transporters auch Kapital mit dem Risiko des Verlustes eingesetzt. Zudem stelle sie eigene Betriebsmittel wie z.B. Werkzeug. Lediglich Ersatzteile würden von der Klägerin gestellt. Es liege weder eine festvereinbarte Entlohnung vor, noch sei die Klägerin höchstpersönlich verpflichtet, den Auftrag auszuführen. Vielmehr könne sie sich eines Erfüllungsgehilfen bedienen und sei im Verhinderungsfall (Krankheit, Urlaub) gerade nicht verpflichtet, die Leistung persönlich zu erbringen. Die Beschriftung der Fahrzeuge erfolge lediglich mit Magnetschildern und werde nur bei Bedarf angebracht. Zudem stelle die Beschriftung des Fahrzeuges und das Tragen von vorgegebenen Kleidungsstücken, die von der Beigeladenen zu 1.) vertraglich geschuldete Werbeleistung dar (§ 1.2. der Vertrages).

Die Beklagte wies die Widersprüche mit Widerspruchsbescheiden vom 10. Dezember 2012 zurück und führte zur Begründung aus: Bei der Ausübung der Tätigkeit für die Klägerin setze die Beigeladene zu 1.) zwar ein eigenes Fahrzeug ein, dieses müsse jedoch zwingend mit dem Logo der Klägerin versehen sein. Die Farbe des Fahrzeugs sei durch den Vertrag ebenfalls zwingend vorgegeben. Die Beigeladene zu 1.) sei außerdem verpflichtet, zur Wahrung eines einheitlichen Erscheinungsbildes während der Einsätze die Kleidung der Klägerin zu tragen. Der Auffassung, es handele sich hierbei um Werbemaßnahmen, könne nicht gefolgt werden. Der Beigeladenen zu 1.) stehe es nicht frei, über die Durchführung dieser sogenannten Werbemaßnahmen losgelöst von den weiteren vertraglichen Verpflichtungen zu entscheiden. Auch würden durch diese Werbemaßnahmen keinerlei zusätzliche und höhere Gewinnchancen eröffnet. Die farbliche Vorgabe für das eingesetzte Fahrzeug, die Fahrzeugbeschriftung und die Vorgabe der zu tragenden Arbeitskleidung dienten dem Zweck, ein einheitliches Erscheinungsbild der Mitarbeiter der Klägerin für deren Kunden und außenstehende Dritte zu gewährleisten. Die Beigeladene zu 1.) sei ausschließlich im Namen und auf Rechnung der Klägerin tätig. Nach außen erscheine sie als deren Mitarbeiterin und könne nicht als selbstständig Tätige wahrgenommen werden. Darüber hinaus sei die Beigeladene zu 1.) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin eingegliedert, da die verbleibenden Varianten der Ausführung der Tätigkeit einseitig durch die Klägerin bestimmt seien. Der Geschäftsbetrieb der Klägerin sei unter anderem darauf ausgerichtet, Leistungen im Bereich Waschraumhygieneservice, Fußmatten, Fußabstreicherservice, Air-Control-Service, Lady-Care-Service sowie Desinfektionsservice, Montage und Reparatur von Hygiene-Systemen anzubieten. Durch den Einsatz der Beigeladenen zu 1.) in diesen Bereichen zeige sich in geradezu klassischer Weise die Eingliederung in die betrieblichen Arbeitsabläufe der Klägerin. Die Beigeladene zu 1.) erbringe die Leistung grundsätzlich persönlich. Allein die formale Berechtigung, die Leistungen durch Dritte erbringen zu lassen, schließe das Vorliegen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses nicht aus, wenn die persönliche Leistungserbringung die Regel ist. Die Beigeladene zu 1.) beschäftige keine Arbeitnehmer. Es sei vertraglich ein festes Servicegebiet (Gebiet Großraum E-Stadt) zugewiesen worden. Die zu erbringenden Serviceleistungen würden täglich übermittelt; die übermittelten Serviceaufträge seien innerhalb eines Tages gegen Quittung beim Kunden auszuführen. Als Ansprechpartner diene der jeweilige regionale Serviceleiter der Klägerin. Die tägliche Tourenplanung obliege zwar der Beigeladenen zu 1.). Dieser Umstand allein führe jedoch nicht zur Selbstständigkeit. Durch die täglich zu erbringenden Serviceleistungen bei den jeweiligen Kunden würden Vorgaben hinsichtlich Zeit und Ort der Tätigkeitsausübung erteilt. Des Weiteren sei ein Tätigkeitsnachweis zu führen, welcher durch die jeweiligen Kunden gegenzuzeichnen sei. Die unternehmerische Freiheit der Beigeladenen zu 1.) sei durch die vertraglichen Regelungen derart eingeschränkt, dass dem Umstand der eigenen Tourenplanung keine schwerwiegende Bedeutung beizumessen sei. Die benötigten Materialien (z. B. Handtuchrollen, Fußmatten, Austauschgeräte für Reparaturen, Befüllungs-, Reinigungs-, und Desinfektionsmittel) würden kostenfrei gestellt, so dass gerade keine eigenen Betriebsmittel eingesetzt würden. Auch wenn zu Montagezwecken eigenes Werkzeug benutzt werde, entstünden hierdurch keine zusätzlichen Gewinnchancen. Die Beigeladene zu 1.) setze die eigene Arbeitskraft nicht mit ungewissem Erfolg ein, da eine Vergütung nach Abnahme der Arbeit erfolge. Die Vergütung werde somit erfolgsabhängig in Form von LEB-Punkten gezahlt. Die Bezahlung lediglich nach dem Erfolg der Arbeit. Dies sei aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts kein zwingender Grund für den Ausschluss einer persönlichen Abhängigkeit des Beschäftigten. Es sei unerheblich, dass der finanzielle Erfolg des Auftragnehmers von dessen beruflicher Tüchtigkeit abhängig sei. Die Chance, länger oder mehr zu arbeiten, um so ein höheres Entgelt zu erzielen, sei nicht die spezielle Chance des Unternehmers, sie habe auch jeder Berufstätige. Dieses Risiko des Einkommens sei von dem bei einem selbstständigen berufstypischen Unternehmerrisiko zu unterscheiden. Ersteres treffe auch andere Arbeitnehmer, wie z. B. Stücklohn-, Akkord- oder Heimarbeiter. Letzteres bedeute Einsatz eigenen Kapitals, der auch mit der Gefahr eines Verlustes verbunden ist. Die Beigeladene zu 1.) setze überwiegend die eigene Arbeitskraft ein und sei funktionsgerecht dienend in einer fremden Arbeitsorganisation tätig. Ein unternehmerisches Risiko mit eigenen Gewinnchancen und Verlustrisiken liege nicht vor. Das Risiko, für die Arbeit (beispielsweise bei Insolvenz des Arbeitgebers) kein Entgelt zu erhalten bzw. bei nicht zufriedenstellender Arbeit nicht weiter beschäftigt bzw. beauftragt zu werden, stelle kein unternehmerisches Risiko im Sinne der Rechtsprechung dar. Dieses Einkommensrisiko und das Risiko der Nichtbeschäftigung beträfen auch beschäftigte Arbeitnehmer. Nach einer Gesamtwürdigung aller Tatsachen würden die Merkmale für das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses überwiegen.

Hiergegen hat die Klägerin am 11. Januar 2013 Klage zum Sozialgericht Darmstadt erhoben und auf ihr bisheriges Vorbringen verwiesen. Ergänzend hat sie Ablichtungen von Liefernachweisen und Serviceaufträgen vorgelegt.

Das Sozialgericht hat mit Beiladungsbeschlüssen vom 11. März 2013 und vom 26. September 2013 C., die Deutsche BKK, die Deutsche BKK-Pflegekasse sowie die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren notwendig gemäß § 75 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen. Das Sozialgericht hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2016 abgewiesen. Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1.) sei für die Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses tätig gewesen und unterliege der Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung. Das für eine abhängige Beschäftigung maßgebliche Kriterium "Eingliederung in den Betrieb" sei vorliegend zu bejahen. Denn die Beigeladene zu 1.) sei in einen Gesamtplan der Klägerin aufgenommen, um Aufträge zu erledigen. Insbesondere sei ein genaues Einsatzgebiet festgelegt; es erfolge eine tägliche Mitteilung der Aufträge im Rahmen von Weisungen. Die Beigeladene zu 1.) habe Kleidung mit Logo der Klägerin tragen müssen. Es bestehe eine vertragliche Verpflichtung, Werbeschilder am Kraftfahrzeug anzubringen. Damit sei die Beigeladene zu 1.) gerade nicht als Selbstständige gegenüber den Kunden aufgetreten, sondern als Mitarbeiterin der Klägerin. Allein die Nutzung des eigenen Fahrzeuges stelle noch kein unternehmerisches Risiko dar, jedenfalls dann nicht, wenn wie vorliegend - der Beigeladenen zu 1.) keine Möglichkeit verbleibe, durch mehr Einsatz höhere Einkünfte zu erzielen. Schließlich sei die Weitergabe von Aufträgen an Subunternehmer nur mit Zustimmung der Klägerin möglich.

Die Klägerin hat gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 2. Februar 2016 zugestellte Urteil am 2. März 2016 Berufung zum Hessischen Landessozialgericht erhoben und trägt zur Berufungsbegründung zusammenfassend vor: Die Beigeladene zu 1.) sei in der Verwertung ihrer Arbeitskraft völlig frei und unabhängig gewesen, habe keinen Weisungen unterlegen und sei keinesfalls fremdbestimmt in die Arbeitsorganisation der Klägerin eingegliedert.

Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 27. Januar 2016 sowie den Bescheid vom 31. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit der Beigeladenen zu 1.) im Bereich Servicedienstleistungen im Sanitärbereich für die Klägerin bzw. ihre Rechtsvorgängerin seit 1. Juni 2003 im Rahmen einer selbstständigen Tätigkeit ausgeübt wird und nicht der Versicherungspflicht zur Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung und nach dem Recht der Arbeitslosenversicherung unterliegt.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.

Der Senat hat die Beilgeladene zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. November 2016 informatorisch gehört; wegen ihrer Angaben wird auf das Sitzungsprotokoll vom 24. November 2016 (Bl. 259-261 der Gerichtsakte) verwiesen.

Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte trotz Ausbleibens des Beigeladenen zu 4.) verhandeln und entscheiden, da diese zum Termin der mündlichen Verhandlung ordnungsgemäß geladen worden sind. Die Ladung enthielt den Hinweis gemäß § 110 SGG, dass auch im Falle des Ausbleibens verhandelt und entschieden werden könne.

Die zulässige Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2016 zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 31. Januar 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Dezember 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Beigeladene zu 1.) ist seit 1. Juni 2003 für die Klägerin im Bereich Servicedienstleistungen im Sanitärbereich im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung tätig und unterliegt der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung.

Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV) können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung der nach § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV zuständigen Beklagten beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hat im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Die Beklagte entscheidet aufgrund einer Gesamtwürdigung aller Umstände, ob eine Beschäftigung vorliegt (§ 7a Abs. 2 SGB IV). Das Verwaltungsverfahren ist in Absätzen 3 bis 5 der Vorschrift geregelt. § 7a Abs. 6 SGB IV regelt in Abweichung von den einschlägigen Vorschriften der einzelnen Versicherungszweige und des SGB IV den Eintritt der Versicherungspflicht (Satz 1) und die Fälligkeit des Gesamtsozialversicherungsbeitrags (Satz 2). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegen in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung grundsätzlich der Versicherungs- bzw. Beitragspflicht (§ 5 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), § 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), § 25 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III)).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Dagegen ist die selbstständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder Selbstständigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (vgl. BSG, Urteil vom 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R - juris RdNr. 16). Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Das Gesamtbild bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen. Tatsächliche Verhältnisse in diesem Sinne sind die rechtlich relevanten Umstände, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine "Beschäftigung" vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich hieraus ergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu insgesamt BSG, Urteil vom 24. Januar 2007, B 12 KR 31/06 R). Die jeweilige Zuordnung einer Tätigkeit nach deren Gesamtbild zum rechtlichen Typus der Beschäftigung bzw. selbstständigen Tätigkeit setzt dabei voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls als Indizien in Betracht kommenden Umstände festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und nachvollziehbar, d.h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (BSG, SozR 4-2400 § 7 Nr. 15 Leitsatz und RdNr. 25 ff.). Entscheidend sind die Umstände des Einzelfalls.

Vorliegend überwiegen nach Auffassung des Senats die Merkmale, die für eine abhängige Beschäftigung sprechen. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts im Gerichtsbescheid vom 27. Januar 2016 und gemäß §§ 153 Abs. 1, 136 Abs. 3 SGG auf die Ausführungen der Beklagten im Widerspruchsbescheid vom 10. Dezember 2012 (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Auflage, § 153, RdNr. 5 mit Verweis auf BSG, Beschluss vom 20. Januar 2000, B 7 AL 116/99 B); sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.

Ergänzend ist anzumerken: Weiteres Indiz für die Eingebundenheit der Beigeladenen zu 1.) in die betrieblichen Abläufe der Klägerin und damit für eine abhängige Beschäftigung ist, dass die Beigeladene zu 1.) in der Regel weder Terminsabsprachen mit den Kunden der Klägerin vornahm noch den Lieferumfang besprach. Dies erfolgte nahezu ausschließlich über die Klägerin. Die Beigeladene zu 1.) schilderte hierzu im Rahmen der mündlichen Verhandlung am 24. November 2016, dass ihre Arbeit in der Regel darin bestand, Schmutzmatten einzusammeln und auszuliefern. Per Telefon, Mail oder bei Ablieferung der schmutzigen Matten bzw. Aufnahme sauberer Matten am Firmensitz der Klägerin erhielt sie die Kundenadressen für den nächsten Tag. Sie war somit in die Organisationstruktur der Klägerin eingegliedert.

Der Annahme einer abhängigen Beschäftigung steht aus Sicht des Senats auch nicht entgegen, dass bei Verhinderung der Beigeladenen zu 1.) ihr Ehemann die Aufträge tatsächlich ausgeführt hat bzw. seit der Erkrankung der Beigeladenen zu 1.) ausführt. Zwar haben nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts Arbeitnehmer ihre Arbeitsleistung in der Regel höchstpersönlich zu erbringen und dürfen sich hierbei nicht Dritter als Erfüllungsgehilfen bedienen (vgl. BSG, Urteil vom 18. Dezember 2001, B 12 KR 8/01 R), so dass daraus grundsätzlich ein Indiz für ein Arbeitsverhältnis folgt. Da nach § 613 Satz 1 BGB der zur Dienstleistung Verpflichtete die Dienste demgegenüber nur "im Zweifel" in Person zu leisten hat, kann der zur Leistung Verpflichtete dagegen berechtigt sein, die Leistung durch Dritte erbringen zu lassen (BAG, Urteil vom 19. November 1997, 5 AZR 653/96, BAGE 87, 129). Die Möglichkeit, Dritte zur Leistungserbringung einsetzen zu dürfen, stellt aber nur eines von mehreren im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigenden Anzeichen dar, das gegen die Annahme eines Arbeitsverhältnisses sprechen kann (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 2014, B 12 R 13/13 R und Urteil vom 31. März 2015, B 12 KR 17/13 R). Entscheidend ist, ob Art und Umfang der Einschaltung Dritter die Beurteilung rechtfertigen, dass die Delegation der geschuldeten Leistung auf Dritte im Einzelfall als prägend für eine selbstständige Tätigkeit angesehen werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 11. März 2009 B 12 KR 21/07 R). Der durch den Einsatz des Ehemannes als Erfüllungsgehilfen geschaffene Gestaltungsspielraum der Beigeladenen zu 1.) hat vorliegend das Gesamtbild der Tätigkeit aus Sicht des Senats jedenfalls nicht entscheidend geprägt. Denn das Recht, Dritte einzusetzen ist durch die Klägerin insofern deutlich eingeschränkt worden, als einerseits der Einsatz eines "echten" Subunternehmers vertraglich von der vorherigen Zustimmung der Klägerin abhängig war. Andererseits erfolgte die "Vertretung" durch ihren Ehemann tatsächlich erst nach entsprechender Unterrichtung der Klägerin, wie die Beigeladene zu 1.) im Rahmen der mündlichen Verhandlung mitteilte. Die Beigeladene zu 1.) hat ihren Ehemann auch nicht als Arbeitnehmer angemeldet; es ist vielmehr so, dass der Ehepartner im Rahmen "familienhafter" Mitarbeit die Beigeladene zu 1.) unterstützt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Außergerichtliche Kosten der Beigeladenen waren nicht zu erstatten, da diese keine Anträge gestellt haben, § 154 Abs. 3 VwGO.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 5.000 EUR festgesetzt. Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf § 52 Abs. 2 GKG. Danach ist ein Streitwert von 5.000,- EUR anzunehmen, wenn der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwertes keine genügenden Anhaltspunkte bietet.
Rechtskraft
Aus
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