Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1141/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 1332/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. März 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 21.08.2003 verstorbenen Ehemannes der Klägerin, Herrn I. V. (im Folgenden: Versicherter).
Bei 1948 geborenen Versicherten kroatischer Staatsangehörigkeit, der mit der am 27.12.1942 geborenen und ebenfalls aus Kroatien stammenden Klägerin bereits seit 1963 zusammenlebte, wurde im Dezember 2000 ein metastasierendes Kolonkarzinom diagnostiziert, das in den Jahren 2002 sowie 2003 mittels Chemotherapie behandelt wurde. Am 26.04.2003 fand die Eheschließung vor dem Standesamt Vukovena (Kroatien) statt.
Knapp vier Monate später starb der Versicherte während eines gemeinsamen Urlaubs in Kroatien am 21.08.2003.
Am 25.09.2003 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Witwenrente und gab an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Ehegatten sei bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Mit Bescheid vom 18.12.2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) habe nicht widerlegt werden können. Die Klägerin befinde sich seit 1966 in der Bundesrepublik Deutschland. Die Erforderlichkeit der Eheschließung zur Sicherung der Pflege sei daher nicht nachvollziehbar, da die Pflege auch ohne die Heirat möglich gewesen wäre.
Hiergegen ließ die Klägerin Widerspruch einlegen mit der Begründung, vornehmlicher Hintergrund für die Eheschließung sei die Sicherstellung der Pflege des Versicherten gewesen. Dieser sei bereits ab 25.11.1999 arbeitsunfähig erkrankt und aus zwei Rehabilitationsmaßnahmen am 25.01.2000 sowie am 22.02.2001 jeweils arbeitsunfähig entlassen worden. Zwischenzeitlich habe sich sein Gesundheitszustand zunächst in nicht unerheblichem Maße verbessert. Er habe vital und fit gewirkt, sei eine stabile Person gewesen und habe zuletzt noch ein Gewicht von ca. 80 kg aufgewiesen. Trotz dieser äußeren Anzeichen habe sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechtert, und zuletzt sei er auf ständige Pflege angewiesen gewesen. Nahe Angehörige, die diese Pflegeleistung hätten erbringen können, habe es nicht gegeben, nachdem die erste Ehe des Versicherten bereits in den 60er Jahren geschieden worden sei und sich seine Frau aus erster Ehe ebenso wenig um ihn gekümmert habe wie sein Sohn. Die einzige Möglichkeit, um eine Pflege auf Dauer sicherzustellen und insbesondere die Sicherheit zu haben, in der gewohnten häuslichen Umgebung zu verbleiben, habe die Eheschließung mit der Klägerin geboten. Der Versicherte habe vermeiden wollen, auf Dritte in immer hilfloserer Lage angewiesen zu sein und auf deren soziale Einstellung vertrauen zu müssen. Das Interesse des Pflegebedürftigen, durch die Eheschließung auch die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass aufgrund dessen eine gesetzliche, familienrechtliche Verpflichtung zur Pflege besteht, und die dadurch verbesserte Lebenssituation, insbesondere das Wissen, dass aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Beistandspflicht der Eheleute in allen Lebenslagen bestehe, sei auch im Hinblick auf die Witwenrente zu privilegieren. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSGE 60, 204 ff.) werde ergänzend Bezug genommen. Grund für die Eheschließung sei hingegen nicht die wirtschaftliche Absicherung der Widerspruchsführerin gewesen, die selber bereits seit dem 01.01.2003 Altersruhegeld beziehe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Eheleute Anfang 2000 ein gemeinsames Altersdomizil in Zagreb gekauft hätten und beabsichtigten, dorthin umzuziehen und im Vorfeld das Haus gemeinsam zu renovieren. Ein Umzug habe nach Erreichen der Altersruhegrenze der Klägerin erfolgen sollen. Grund für die späte Eheschließung sei gewesen, dass der Versicherte bereits Mitte der 1960er Jahre für zwei Jahre verheiratet gewesen sei und nach dem Scheitern dieser Ehe den Grundsatz gefasst habe, nie wieder zu heiraten. Das Fehlen einer Versorgungsehe sei auch dadurch dokumentiert, dass jegliche testamentarische Anordnung des Versicherten fehle. So sei den Eheleuten sehr wohl bekannt gewesen, dass der Sohn des Versicherten aus erster Ehe bei einem Ableben Erbansprüche auch bezüglich des Hauses in Zagreb geltend machen könne. Trotzdem sei eine testamentarische Anordnung nicht geschlossen worden. Im Übrigen stelle sich auch die Frage des Verstoßes der Vorschrift des § 46 Abs. 2 a SGB VI gegen höherrangiges Recht. So sei die Witwenrente aufgrund der vom Versicherten in Österreich errungenen Rentenanwartschaften ohne jegliche Beanstandung anerkannt worden. Es erscheine daher fraglich, ob die unterschiedliche Handhabung in den verschiedenen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zulässig sei oder gegen europäisches Recht verstoße.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2004 mit der Begründung zurück, ein Anspruch auf Witwenrente scheide aus, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Für solche besonderen Umstände, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen könnten, ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Auswahl der geeigneten Pflegeperson und der gewünschten Umgebung unterliege auch außerhalb einer ehelichen Verbindung ausschließlich der freien Entscheidung des Betroffenen selbst. Der Versicherte habe die Klägerin daher unabhängig von der Heirat jederzeit mit seiner Pflege betrauen können. Auch bereits vorhandene eigene Rentenansprüche oder die Erbteilung zwischen der Klägerin und dem Sohn des Versicherten stünden dem gesetzlich angenommenen Versorgungsgedanken nicht entgegen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 22.11.2004 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 5 RJ 3731/04) mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung.
Das Gericht befragte den damals behandelnden Arzt des Versicherten, Dr. E. R., als sachverständigen Zeugen, der in seiner Stellungnahme vom 13.11.2007 ausführte, den Versicherten ab dem 21.12.1999 bis zu dessen Tod behandelt zu haben. Nach seinen Unterlagen habe er im Mai 2003 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes festgestellt. Der Versicherte sei damals markumarisiert und zur regelmäßigen chemotherapeutischen Behandlung im Kreiskrankenhaus Reutlingen gewesen. Zumindest ab diesem Zeitpunkt sei dem Versicherten die ungünstige Prognose seiner Erkrankung bekannt gewesen. Er habe damals berichtet, dass er gerne in seine Heimat reisen würde. Inwieweit dies durchgeführt worden sei, sei ärztlicherseits nicht bekannt und ebenso wenig, ob in seiner Heimat Untersuchungen und Therapien oder sonstige Maßnahmen durchgeführt worden seien. Zum Zeitpunkt der Eheschließung, also im April 2003, sei bei dem Versicherten bereits ein metastasierendes Kolonkarzinom bekannt gewesen. Im März und April 2003 habe jedoch eine Thrombosierung der Vena Cava Superior im Vordergrund des Krankheitsverlaufes gestanden. Aus diesem Grund sei die oben angesprochene Markumarisierung notwendig gewesen. Der Versicherte sei im Januar 2002 im Kreiskrankenhaus Reutlingen vorgestellt worden mit der Frage einer adjuvanten Chemotherapie, die im Laufe des Jahres 2002 und 2003 erfolgreich durchgeführt worden sei. Die Metastasierung habe teilweise zurückgefahren werden können, teilweise sei die Progredienz deutlich verlangsamt worden. Er sei im April 2003 durchaus absehbar gewesen, dass die Krankheit "Kolonkarzinom mit Metastasen" bei dem Versicherten nicht heilbar sein würde, aber Prognosen über seine weitere Lebensdauer seien zu diesem Zeitpunkt absolut nicht gesichert möglich gewesen.
Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 vernahm das Gericht den Bruder des Versicherten, den Zeugen M. V., als Zeugen. Dieser gab an, sein Bruder habe mit der Klägerin schon seit 1973 zusammen in Reutlingen gelebt. Wenn die Rede darauf gekommen sei, ob er sie heiraten solle, habe er immer gesagt, dass er kein Papier benötige, auf dem stehe, dass sie verheiratet seien. Der Versicherte sei mit der Klägerin glücklich gewesen. Er habe gesagt, wenn er irgendwann die Möglichkeit bekommen würde, so würde er zurückgehen in seine ehemalige Heimat und diese Frau mitnehmen. Da sein Heimatdorf aber nicht mehr bewohnbar sei, habe der Versicherte gesagt, er gehe nach Zagreb. Er sei während eines Urlaubs in Zagreb verstorben. Er habe sich immer gegen eine Ehe gewehrt, weil er der Meinung gewesen sei, dass er mit einer tollen Frau zusammen lebe und sich daran nichts ändern solle. Nur auf dem Papier habe er sie nicht heiraten wollen. Der Versicherte sei auch nach der Operation noch kerngesund und bärenstark gewesen. Er habe über seine Krankheit nicht viel geredet. In Zagreb habe er dann nicht unverheiratet mit seiner Frau leben wollen. Er habe schließlich nicht das schwarze Schaf sein wollen, damit auch nicht herauskomme, dass er sie wie eine Sklavin behandele, sondern er habe dort als Ehepaar leben wollen. Da unten seien die Umstände insoweit etwas anders, da werde auf so etwas geachtet. Der Zeuge sei damals, als sein Bruder gestorben sei, völlig überrascht gewesen.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2008 wies das Gericht die Klage ab mit der Begründung, die Vermutung, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat die Schaffung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, habe nicht widerlegt werden können. Zum einen sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Versicherte die Klägerin nur zur Absicherung seiner Pflege hätte heiraten sollen. Zum anderen seien die Pläne eines Umzugs nach Zagreb, um gemeinsam dort den Ruhezustand zu genießen, noch nicht soweit gediehen gewesen, als dass von einer konkreten Absicht auszugehen gewesen wäre. Es sei unwahrscheinlich, dass die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit einer geplanten Umsiedelung stehe.
Dieses Urteil wurde den Beteiligten erst im April bzw. Mai 2014 zugestellt.
Am 06.03.2014 stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Hinterbliebenenrente, den die Beklagte mit Bescheid vom 04.06.2014 ablehnte. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin ließ sie dahingehend begründen, zum Zeitpunkt der Heirat sei nicht abzusehen gewesen, dass der Versicherte in kürzerer Zeit versterben werde. Es sei aus medizinischer Sicht klar gewesen, dass er noch längere Zeit leben werde, da er sämtliche Behandlungen gut überstanden habe und nur leicht pflegebedürftig gewesen sei. Da die Klägerin und der Versicherte schon über 30 Jahre zusammen gewesen seien und ein gemeinsames Leben geführt hätten, sei nicht davon auszugehen, dass es sich um eine reine Versorgungsehe gehandelt habe. Dies sei auch nie beabsichtigt gewesen.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung zurück. Entscheidende rechtliche oder tatsächliche Änderungen hätten sich nach Rechtskraft des Urteils vom 22.04.2008 nicht ergeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.05.2015 erneut beim SG Klage erhoben (S 9 R 1141/15) mit der Begründung, man habe schon längst vorgehabt zu heiraten und auch den Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Am 26.04.2003 habe man deswegen auch endlich geheiratet. Die Behandlung des Kolonkarzinoms sei abgeschlossen gewesen, die erfolgreichen Chemotherapien hätten ein Wachstum des Tumors unterbunden. Der Versicherte habe sich in gesundheitlich gutem Zustand befunden, so dass ein kurzfristiges und plötzliches Versterben nicht zu erwarten gewesen sei. Er habe problemlos mit dem Bus in den Urlaub reisen können. Es reiche keinesfalls aus, dass das SG im Verfahren S 5 RJ 3731/04 lediglich einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes zur Aufklärung des Sachverhalts eingeholt habe. Es hätten Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden müssen. Die Klägerin und der Versicherte hätten 30 Jahre wie Eheleute zusammen gelebt. Ob eine Umsiedelung geplant gewesen sei oder nicht, sei nebensächlich. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nur über eine sehr kleine Rente verfüge und zudem Grundsicherungsleistungen beziehe.
Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ohne mündliche Verhandlung am 10.03.2016 die Klage abgewiesen. Zusätzlich zu den Ausführungen im Urteil vom 22.04.2008 ist dargelegt worden, nach § 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) erfordere die Widerlegung einer Rechtsvermutung den vollen Beweis des Gegenteils. Die Klägerin habe aber nicht nachgewiesen, die Ehe mit dem Versicherten aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen zu haben. Wesentlicher Gesichtspunkt, der auf eine Versorgungsehe hindeute, sei die schwere Krebserkrankung des Versicherten. Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten sei als ein Umstand anzusehen, der die gesetzliche Vermutung bestätige, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung vieles dafür spreche, dass die Ehe zu Versorgungszwecken geschlossen worden sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei dem Versicherten und der Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen, dass von einer schweren Krebserkrankung auszugehen war. Der Nachweis einer hinreichend konkreten Hochzeitsabsicht vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung sei vorliegend nicht geführt worden. Auch das über 30-jährige Zusammenleben mit dem Versicherten vor der Eheschließung sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass einem langjährigen Zusammenleben ohne Trauschein die bewusste Entscheidung zugrunde liege, eben nicht zu heiraten. Auch die Voraussetzungen für eine sogenannte Pflegeehe seien nicht dargetan.
Am 06.04.2016 hat die Klägerin gegen das Urteil des SG Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingereicht mit der Begründung, das Urteil des SG sei nicht nachvollziehbar. Selbst wenn es sich um eine Überprüfung gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch handeln solle, so sei dennoch über den Rentenantrag vom 25.09.2003 zu entscheiden. Daher sei der Bescheid vom 18.12.2003 Gegenstand der Überprüfung, selbst wenn Leistungen nur für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht werden könnten. Die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe sei widerlegt worden. Aus Sicht des Versicherten und seiner Ehefrau sei nicht abzusehen gewesen, dass sich der Gesundheitszustand so plötzlich und rapide verschlechtere. Bereits lange vor der Erkrankung hätten die Eheleute heiraten wollen, seien aber schlichtweg nicht dazu gekommen. Mehrfach sei die Ehe auch vorbereitet worden. Der Tod sei dann völlig überraschend gekommen. Wenn Prognosen über die weitere Lebensdauer nicht gesichert seien und auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass man sich im Endstadium einer lebensbedrohlichen Erkrankung und somit kurz vor dem Versterben befinde, könne auch nicht angenommen werden, dass den Eheleuten bewusst gewesen sei, dass der Versicherte innerhalb eines Jahres versterben werde. Der Versicherte sei Mitglied im Sportclub Kroatia R. ca. zwei Monate nach seiner Hochzeit geworden, habe Beiträge gezahlt, sei selbst in Urlaub gefahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. März 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 aufzuheben und ihr Witwenrente aus der Rente des verstorbenen Versicherten Herrn I. V. für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der erstinstanzlichen Akten des SG sowohl aus dem Verfahren S 9 R 1141/15 als auch S 5 RJ 3731/04 sowie der Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.
Über denselben Streitgegenstand hatte die Beklagte bereits mit ablehnendem Bescheid vom 18.12.2003 (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2004) entschieden. Nachdem das SG im Verfahren S 5 RJ 3731/04 mit Urteil vom 22.04.2008 die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen hat und gegen das dem damaligen Klägerbevollmächtigten am 25.04.2014 zugestellte Urteil keine Berufung eingelegt wurde, ist der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 in Bestandskraft erwachsen. Dem steht nicht entgegen, dass das genannte Urteil erst fünf Jahre nach seiner Verkündung zugestellt worden ist, da ein Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung gefällt wird (§ 129 SGG), mit der Verkündung wirksam wird (§ 132 SGG). Eine verspätete Zustellung hat nur Auswirkungen auf den Beginn der Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil nach Ablauf der Fünfmonatsfrist abgefasst worden ist, bestehen angesichts des Vermerks in der Akte, das Urteil sei am 24.04.2008 gefertigt worden, nicht; ein solcher Verstoß hätte ohnehin nur zur Folge, dass ein absoluter Revisionsgrund vorläge (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 134 Rdnr. 4 m.w.N.). Dies bliebe vorliegend mangels eingelegter Rechtsmittel folgenlos.
Da somit bereits eine bestandskräftige ablehnende Entscheidung der Beklagten bzgl. der Gewährung der Witwenrente vorliegt, ist der bei der Beklagten gestellte Antrag vom 06.03.2013 als Antrag nach § 44 SGB X auszulegen, gerichtet auf die Rücknahme des Bescheids vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt und Bewilligung der Leistung. Richtige Klageart ist daher eine kom¬bi¬nierte Anfech¬tungs-, Ver¬pflich¬tungs- und Leis¬tungs¬klage (BSG, Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 9/15 R, juris).
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 ist § 44 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 der Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Vorliegend hat die Beklagte die Gewährung der Witwenrente zu Recht abgelehnt, so dass eine Rücknahme der zu überprüfenden ablehnenden Entscheidung nicht in Betracht kommt.
Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 21.08.2003 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach § 242 a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 26.04.2003 bis 21.08.2003 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Der Begriff der "besonderen Umstände" i.S.v. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5 m.w.N.; s. hierzu und zum Folgenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2016, L 11 R 2064/15).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, bei dem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 05.05.2009 m.w.N.; s. auch Ringkamp in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 2/16, § 46 Rdnr. 38). In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung).
Litt der Versicherte hingegen zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, wird der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m § 292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (BSG, Urteil vom 05.05.2009 unter Verweis auf BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; Ringkamp in Hauck/Noftz a.a.O. Rdnr. 38). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 3 S 9 und § 15 Nr. 4 S 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 128 Rdnr. 3b).
Das Vorliegen von "besonderen Umständen" i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 SGB X, § 103 SGG). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O., BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).
Vorliegend ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt.
Wie sich insbesondere aus den Ausführungen des Dr. R. ergibt, der als sachverständiger Zeuge im Rahmen des ersten sozialgerichtlichen Verfahrens befragt wurde, litt der Versicherte unter einem Kolonkarzinom, das bereits metastasiert und mittels Chemotherapie behandelt worden war. Zwar konnte die Metastasierung teilweise zurückgefahren werden bzw. war die Progredienz deutlich verlangsamt, doch war nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. R. zum Zeitpunkt der Hochzeit durchaus absehbar, dass die Krankheit nicht heilbar sein würde. Insofern ist hier eine lebensbedrohliche Krankheit festzustellen. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass diese nicht nur dem Versicherten, sondern auch der Klägerin bekannt war. So hat sie ihm Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, den Arzt mehrfach danach gefragt zu haben, wieviel Zeit der Versicherte noch zu leben habe. Eine solche Frage stellt nur, wer von der Schwere der Krankheit weiß.
Es wären daher vorliegend gewichtige Umstände zu fordern, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, von deren Vorliegen der Senat sich indes nicht überzeugen konnte.
Wie das SG bereits überzeugend ausgeführt hat, ist zunächst der Wunsch nach einer sog. Pflegeehe nicht erwiesen. Zwar ist nach der - älteren - Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03.09.1986, 9 a RV 8/84, juris) typisierend davon auszugehen, dass jedenfalls ein Beschädigter, der dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist und Pflegezulage erhält, mit der Heirat auch im Hinblick auf § 1353 BGB und die darin zum Ausdruck kommende Beistandspflicht (vgl. Grandel in juris BGB-Praxiskommentar Band 4, 8. Auflage 2017, § 1353 Rdnr. 12 m.w.N.) seine Pflege sicherstellen möchte, um dadurch seine Lebenssituation zu verbessern. Eine solche Pflegeehe setzt aber voraus, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Pflegefall schon eingetreten ist (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2010, L 11 R 3292/09, juris). Zwar hat die Klägerin bei der ersten Antragstellung im Jahr 2003 angegeben, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt, und hat ergänzend im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vortragen lassen, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich zunehmend verschlechtert. Jedoch wurde im Rahmen des zweiten. Verfahrens vor dem SG nunmehr vorgetragen, der Versicherte habe sich in gesundheitlich gutem Zustand befunden, man habe noch einen gemeinsamen Urlaub in Kroatien verbracht und der plötzliche Tod des Versicherten sei überaus überraschend gewesen. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten konnte sich der Senat schon nicht davon überzeugen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung auf ständige Pflege angewiesen und dies Motiv für die Hochzeit war, zumal der im Rahmen des ersten sozialgerichtlichen Verfahrens vernommene Bruder des Versicherten ausgesagt hat, der Versicherte sei von morgens bis abends teilweise im Garten gewesen und sei auch nach der Operation noch kerngesund und bärenstark gewesen. Überdies hat die Klägerin im Rahmen des zweiten sozialgerichtlichen Verfahrens vortragen lassen, man habe schon längst vorgehabt zu heiraten, und sich damit in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag einer Pflegeehe gesetzt. Hinzu kommt, dass der Bruder des Versicherte ausführlich die aus seiner und aus Sicht des Verstorbenen gegebenen Vorzüge der Klägerin als Ehefrau gelobt hat: Die Klägerin habe alles für den Versicherten gemacht und hätte ihm auch um Mitternacht etwas zubereitet, wenn er das gewünscht hätte; sie sei eine Frau, mit der er auch in der Wüste leben könnte, und auch, wenn sie gar nichts hätten, wäre er mit dieser Frau glücklich. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und der bereits seit 30 Jahren bestehenden Beziehung und damit einhergehenden Einstandsgemeinschaft konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Versicherte durch eine Heirat seine Pflege sicherstellen wollte - es spricht mehr dafür, dass die Klägerin den Versicherten auch ohne Trauschein versorgt hätte. Es bedurfte auch keiner Eheschließung, um als Pflegekraft für den Versicherten als zu pflegende Person anerkannt zu werden (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.12.2010, L 3 R 282/09, juris) ...
Die Annahme einer Versorgungsehe lässt sich vorliegend auch nicht durch langjährige Heiratsabsicht entkräften: Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (Hessisches LSG, Urteil vom 16.09.2014, L 2 R 140/13; Bayerisches LSG, Urteil vom 23.07.2003, L 2 U 360/01 und vom 20.02.2013, L 1 R 304/11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2010, L 11 R 1116/08; jeweils in juris). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11). Vorliegend konnte sich der Senat schon nicht von abstrakten Plänen zur Heirat überzeugen. Die Eheleute lebten vor der Hochzeit bereits seit 30 Jahren zusammen. Wie der Bruder des Versicherten ausgeführt hat, hatte sich der Versicherte bewusst gegen eine zweite Hochzeit entschieden, nachdem seine erste Ehe unglücklich geendet hatte. Haben die Partner einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft bislang keine Veranlassung gesehen, diese Form des Zusammenlebens zu ändern und die Ehe einzugehen, so ist vielmehr die Annahme gerechtfertigt, dass angesichts einer eingetretenen schweren Erkrankung des Versicherten die wirtschaftliche Sicherung des Überlebenden der bestimmende Beweggrund für die Heirat war (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.03.2007, L 8 R 112/06).
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Versicherte und die Klägerin ein Haus in Zagreb gekauft und wohl ursprünglich geplant hatten, im Alter dort zu wohnen. Zwar mag es zutreffen, dass - wie der Bruder des Versicherten ausgesagt hat - die Umstände in Zagreb sich von denen in Deutschland unterscheiden und ein Zusammenleben ohne Trauschein dort moralisch nicht in Frage kommt. Indes ergeben sich aus der Akte keinerlei Anhaltspunkte für einen geplanten Umzug. Vor dem Hintergrund der schweren Erkrankung des Klägers war auch nicht zu erwarten, dass er die Strapazen eines Umzugs auf sich nehmen und auf die in Deutschland gewährte gute ärztliche Versorgung verzichten würde. Ein geplanter Umzug wurde von der Klägerin auch zuletzt nicht mehr als Grund für die Hochzeit angeführt.
Nicht erheblich ist nach § 46 Abs. 2 a SGB VI, ob die Partner bei der Eheschließung damit rechneten, dass der unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidende Partner das erste Jahr nach der Heirat überleben werde (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.03.2007, a.a.O.). Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überstehen, ist kein besonderer Umstand i.S. d. § 46 Abs. 2 a SGB VI.
Für eine Versorgungsehe sprechen auch die finanziellen Verhältnisse der Klägerin, die nur eine geringe eigene Rente bezieht, die eine ergänzende Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erforderlich macht. Insofern ist die Argumentation im Rahmen des Widerspruchsverfahrens 2004, die Klägerin sei wirtschaftlich abgesichert durch ihre eigene Altersrente und bedürfe daher der Versorgung durch die Witwenrente nicht, nicht nachvollziehbar und wurde zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten.
Verstöße der Regelung des § 46 Abs. 2a SGB VI gegen europarechtliche Vorschriften sind nicht ersichtlich und wurden zuletzt auch nicht mehr vorgebracht.
Der Senat verkennt nicht, dass sich gerade Partner einer langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung des einen Partners naturgemäß Gedanken über die finanzielle Versorgung des Übrigbleibenden machen und eine Heirat zur Sicherung der Hinterbliebenenversorgung naheliegt. Dies mag moralisch nicht verwerflich sein, doch ist die gesetzliche Regelung eindeutig.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Gewährung einer großen Witwenrente aus der Versicherung des am 21.08.2003 verstorbenen Ehemannes der Klägerin, Herrn I. V. (im Folgenden: Versicherter).
Bei 1948 geborenen Versicherten kroatischer Staatsangehörigkeit, der mit der am 27.12.1942 geborenen und ebenfalls aus Kroatien stammenden Klägerin bereits seit 1963 zusammenlebte, wurde im Dezember 2000 ein metastasierendes Kolonkarzinom diagnostiziert, das in den Jahren 2002 sowie 2003 mittels Chemotherapie behandelt wurde. Am 26.04.2003 fand die Eheschließung vor dem Standesamt Vukovena (Kroatien) statt.
Knapp vier Monate später starb der Versicherte während eines gemeinsamen Urlaubs in Kroatien am 21.08.2003.
Am 25.09.2003 stellte die Klägerin erstmals einen Antrag auf Witwenrente und gab an, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt und der Tod des Ehegatten sei bei Eheschließung auf absehbare Zeit nicht zu erwarten gewesen. Mit Bescheid vom 18.12.2003 lehnte die Beklagte den Antrag mit der Begründung ab, die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe nach § 46 Abs. 2 a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) habe nicht widerlegt werden können. Die Klägerin befinde sich seit 1966 in der Bundesrepublik Deutschland. Die Erforderlichkeit der Eheschließung zur Sicherung der Pflege sei daher nicht nachvollziehbar, da die Pflege auch ohne die Heirat möglich gewesen wäre.
Hiergegen ließ die Klägerin Widerspruch einlegen mit der Begründung, vornehmlicher Hintergrund für die Eheschließung sei die Sicherstellung der Pflege des Versicherten gewesen. Dieser sei bereits ab 25.11.1999 arbeitsunfähig erkrankt und aus zwei Rehabilitationsmaßnahmen am 25.01.2000 sowie am 22.02.2001 jeweils arbeitsunfähig entlassen worden. Zwischenzeitlich habe sich sein Gesundheitszustand zunächst in nicht unerheblichem Maße verbessert. Er habe vital und fit gewirkt, sei eine stabile Person gewesen und habe zuletzt noch ein Gewicht von ca. 80 kg aufgewiesen. Trotz dieser äußeren Anzeichen habe sich sein Gesundheitszustand zunehmend verschlechtert, und zuletzt sei er auf ständige Pflege angewiesen gewesen. Nahe Angehörige, die diese Pflegeleistung hätten erbringen können, habe es nicht gegeben, nachdem die erste Ehe des Versicherten bereits in den 60er Jahren geschieden worden sei und sich seine Frau aus erster Ehe ebenso wenig um ihn gekümmert habe wie sein Sohn. Die einzige Möglichkeit, um eine Pflege auf Dauer sicherzustellen und insbesondere die Sicherheit zu haben, in der gewohnten häuslichen Umgebung zu verbleiben, habe die Eheschließung mit der Klägerin geboten. Der Versicherte habe vermeiden wollen, auf Dritte in immer hilfloserer Lage angewiesen zu sein und auf deren soziale Einstellung vertrauen zu müssen. Das Interesse des Pflegebedürftigen, durch die Eheschließung auch die rechtlichen Grundlagen dafür zu schaffen, dass aufgrund dessen eine gesetzliche, familienrechtliche Verpflichtung zur Pflege besteht, und die dadurch verbesserte Lebenssituation, insbesondere das Wissen, dass aufgrund der ehelichen Lebensgemeinschaft gemäß § 1353 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) die Beistandspflicht der Eheleute in allen Lebenslagen bestehe, sei auch im Hinblick auf die Witwenrente zu privilegieren. Auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSGE 60, 204 ff.) werde ergänzend Bezug genommen. Grund für die Eheschließung sei hingegen nicht die wirtschaftliche Absicherung der Widerspruchsführerin gewesen, die selber bereits seit dem 01.01.2003 Altersruhegeld beziehe. Hinzuweisen sei auch darauf, dass die Eheleute Anfang 2000 ein gemeinsames Altersdomizil in Zagreb gekauft hätten und beabsichtigten, dorthin umzuziehen und im Vorfeld das Haus gemeinsam zu renovieren. Ein Umzug habe nach Erreichen der Altersruhegrenze der Klägerin erfolgen sollen. Grund für die späte Eheschließung sei gewesen, dass der Versicherte bereits Mitte der 1960er Jahre für zwei Jahre verheiratet gewesen sei und nach dem Scheitern dieser Ehe den Grundsatz gefasst habe, nie wieder zu heiraten. Das Fehlen einer Versorgungsehe sei auch dadurch dokumentiert, dass jegliche testamentarische Anordnung des Versicherten fehle. So sei den Eheleuten sehr wohl bekannt gewesen, dass der Sohn des Versicherten aus erster Ehe bei einem Ableben Erbansprüche auch bezüglich des Hauses in Zagreb geltend machen könne. Trotzdem sei eine testamentarische Anordnung nicht geschlossen worden. Im Übrigen stelle sich auch die Frage des Verstoßes der Vorschrift des § 46 Abs. 2 a SGB VI gegen höherrangiges Recht. So sei die Witwenrente aufgrund der vom Versicherten in Österreich errungenen Rentenanwartschaften ohne jegliche Beanstandung anerkannt worden. Es erscheine daher fraglich, ob die unterschiedliche Handhabung in den verschiedenen Ländern der Europäischen Gemeinschaft zulässig sei oder gegen europäisches Recht verstoße.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25.10.2004 mit der Begründung zurück, ein Anspruch auf Witwenrente scheide aus, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert habe, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt sei, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat gewesen sei, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen. Für solche besonderen Umstände, die die gesetzliche Vermutung einer Versorgungsehe widerlegen könnten, ergäben sich keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die Auswahl der geeigneten Pflegeperson und der gewünschten Umgebung unterliege auch außerhalb einer ehelichen Verbindung ausschließlich der freien Entscheidung des Betroffenen selbst. Der Versicherte habe die Klägerin daher unabhängig von der Heirat jederzeit mit seiner Pflege betrauen können. Auch bereits vorhandene eigene Rentenansprüche oder die Erbteilung zwischen der Klägerin und dem Sohn des Versicherten stünden dem gesetzlich angenommenen Versorgungsgedanken nicht entgegen.
Hiergegen erhob die Klägerin am 22.11.2004 vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) Klage (S 5 RJ 3731/04) mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung.
Das Gericht befragte den damals behandelnden Arzt des Versicherten, Dr. E. R., als sachverständigen Zeugen, der in seiner Stellungnahme vom 13.11.2007 ausführte, den Versicherten ab dem 21.12.1999 bis zu dessen Tod behandelt zu haben. Nach seinen Unterlagen habe er im Mai 2003 eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes festgestellt. Der Versicherte sei damals markumarisiert und zur regelmäßigen chemotherapeutischen Behandlung im Kreiskrankenhaus Reutlingen gewesen. Zumindest ab diesem Zeitpunkt sei dem Versicherten die ungünstige Prognose seiner Erkrankung bekannt gewesen. Er habe damals berichtet, dass er gerne in seine Heimat reisen würde. Inwieweit dies durchgeführt worden sei, sei ärztlicherseits nicht bekannt und ebenso wenig, ob in seiner Heimat Untersuchungen und Therapien oder sonstige Maßnahmen durchgeführt worden seien. Zum Zeitpunkt der Eheschließung, also im April 2003, sei bei dem Versicherten bereits ein metastasierendes Kolonkarzinom bekannt gewesen. Im März und April 2003 habe jedoch eine Thrombosierung der Vena Cava Superior im Vordergrund des Krankheitsverlaufes gestanden. Aus diesem Grund sei die oben angesprochene Markumarisierung notwendig gewesen. Der Versicherte sei im Januar 2002 im Kreiskrankenhaus Reutlingen vorgestellt worden mit der Frage einer adjuvanten Chemotherapie, die im Laufe des Jahres 2002 und 2003 erfolgreich durchgeführt worden sei. Die Metastasierung habe teilweise zurückgefahren werden können, teilweise sei die Progredienz deutlich verlangsamt worden. Er sei im April 2003 durchaus absehbar gewesen, dass die Krankheit "Kolonkarzinom mit Metastasen" bei dem Versicherten nicht heilbar sein würde, aber Prognosen über seine weitere Lebensdauer seien zu diesem Zeitpunkt absolut nicht gesichert möglich gewesen.
Im Rahmen einer mündlichen Verhandlung am 22.04.2008 vernahm das Gericht den Bruder des Versicherten, den Zeugen M. V., als Zeugen. Dieser gab an, sein Bruder habe mit der Klägerin schon seit 1973 zusammen in Reutlingen gelebt. Wenn die Rede darauf gekommen sei, ob er sie heiraten solle, habe er immer gesagt, dass er kein Papier benötige, auf dem stehe, dass sie verheiratet seien. Der Versicherte sei mit der Klägerin glücklich gewesen. Er habe gesagt, wenn er irgendwann die Möglichkeit bekommen würde, so würde er zurückgehen in seine ehemalige Heimat und diese Frau mitnehmen. Da sein Heimatdorf aber nicht mehr bewohnbar sei, habe der Versicherte gesagt, er gehe nach Zagreb. Er sei während eines Urlaubs in Zagreb verstorben. Er habe sich immer gegen eine Ehe gewehrt, weil er der Meinung gewesen sei, dass er mit einer tollen Frau zusammen lebe und sich daran nichts ändern solle. Nur auf dem Papier habe er sie nicht heiraten wollen. Der Versicherte sei auch nach der Operation noch kerngesund und bärenstark gewesen. Er habe über seine Krankheit nicht viel geredet. In Zagreb habe er dann nicht unverheiratet mit seiner Frau leben wollen. Er habe schließlich nicht das schwarze Schaf sein wollen, damit auch nicht herauskomme, dass er sie wie eine Sklavin behandele, sondern er habe dort als Ehepaar leben wollen. Da unten seien die Umstände insoweit etwas anders, da werde auf so etwas geachtet. Der Zeuge sei damals, als sein Bruder gestorben sei, völlig überrascht gewesen.
Aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 22.04.2008 wies das Gericht die Klage ab mit der Begründung, die Vermutung, dass der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat die Schaffung eines Anspruchs auf Hinterbliebenenversorgung gewesen sei, habe nicht widerlegt werden können. Zum einen sei nicht nachvollziehbar, weshalb der Versicherte die Klägerin nur zur Absicherung seiner Pflege hätte heiraten sollen. Zum anderen seien die Pläne eines Umzugs nach Zagreb, um gemeinsam dort den Ruhezustand zu genießen, noch nicht soweit gediehen gewesen, als dass von einer konkreten Absicht auszugehen gewesen wäre. Es sei unwahrscheinlich, dass die Ehe in unmittelbarem Zusammenhang mit einer geplanten Umsiedelung stehe.
Dieses Urteil wurde den Beteiligten erst im April bzw. Mai 2014 zugestellt.
Am 06.03.2014 stellte die Klägerin einen neuen Antrag auf Hinterbliebenenrente, den die Beklagte mit Bescheid vom 04.06.2014 ablehnte. Den hiergegen gerichteten Widerspruch der Klägerin ließ sie dahingehend begründen, zum Zeitpunkt der Heirat sei nicht abzusehen gewesen, dass der Versicherte in kürzerer Zeit versterben werde. Es sei aus medizinischer Sicht klar gewesen, dass er noch längere Zeit leben werde, da er sämtliche Behandlungen gut überstanden habe und nur leicht pflegebedürftig gewesen sei. Da die Klägerin und der Versicherte schon über 30 Jahre zusammen gewesen seien und ein gemeinsames Leben geführt hätten, sei nicht davon auszugehen, dass es sich um eine reine Versorgungsehe gehandelt habe. Dies sei auch nie beabsichtigt gewesen.
Diesen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.04.2015 mit der bereits zuvor abgegebenen Begründung zurück. Entscheidende rechtliche oder tatsächliche Änderungen hätten sich nach Rechtskraft des Urteils vom 22.04.2008 nicht ergeben.
Hiergegen hat die Klägerin am 12.05.2015 erneut beim SG Klage erhoben (S 9 R 1141/15) mit der Begründung, man habe schon längst vorgehabt zu heiraten und auch den Lebensabend gemeinsam zu verbringen. Am 26.04.2003 habe man deswegen auch endlich geheiratet. Die Behandlung des Kolonkarzinoms sei abgeschlossen gewesen, die erfolgreichen Chemotherapien hätten ein Wachstum des Tumors unterbunden. Der Versicherte habe sich in gesundheitlich gutem Zustand befunden, so dass ein kurzfristiges und plötzliches Versterben nicht zu erwarten gewesen sei. Er habe problemlos mit dem Bus in den Urlaub reisen können. Es reiche keinesfalls aus, dass das SG im Verfahren S 5 RJ 3731/04 lediglich einen Befundbericht des behandelnden Hausarztes zur Aufklärung des Sachverhalts eingeholt habe. Es hätten Sachverständigengutachten in Auftrag gegeben werden müssen. Die Klägerin und der Versicherte hätten 30 Jahre wie Eheleute zusammen gelebt. Ob eine Umsiedelung geplant gewesen sei oder nicht, sei nebensächlich. Es sei auch darauf hinzuweisen, dass die Klägerin nur über eine sehr kleine Rente verfüge und zudem Grundsicherungsleistungen beziehe.
Gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG ohne mündliche Verhandlung am 10.03.2016 die Klage abgewiesen. Zusätzlich zu den Ausführungen im Urteil vom 22.04.2008 ist dargelegt worden, nach § 202 SGG i. V. m. § 292 Zivilprozessordnung (ZPO) erfordere die Widerlegung einer Rechtsvermutung den vollen Beweis des Gegenteils. Die Klägerin habe aber nicht nachgewiesen, die Ehe mit dem Versicherten aus anderen als aus Versorgungsgründen geschlossen zu haben. Wesentlicher Gesichtspunkt, der auf eine Versorgungsehe hindeute, sei die schwere Krebserkrankung des Versicherten. Die Heirat eines offenkundig an einer lebensbedrohlichen Krankheit erkrankten Versicherten sei als ein Umstand anzusehen, der die gesetzliche Vermutung bestätige, weil nach allgemeiner Lebenserfahrung vieles dafür spreche, dass die Ehe zu Versorgungszwecken geschlossen worden sei. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens sei dem Versicherten und der Klägerin im Zeitpunkt der Eheschließung bekannt gewesen, dass von einer schweren Krebserkrankung auszugehen war. Der Nachweis einer hinreichend konkreten Hochzeitsabsicht vor Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung sei vorliegend nicht geführt worden. Auch das über 30-jährige Zusammenleben mit dem Versicherten vor der Eheschließung sei nicht geeignet, die gesetzliche Vermutung zu widerlegen. Vielmehr sei davon auszugehen, dass einem langjährigen Zusammenleben ohne Trauschein die bewusste Entscheidung zugrunde liege, eben nicht zu heiraten. Auch die Voraussetzungen für eine sogenannte Pflegeehe seien nicht dargetan.
Am 06.04.2016 hat die Klägerin gegen das Urteil des SG Berufung vor dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingereicht mit der Begründung, das Urteil des SG sei nicht nachvollziehbar. Selbst wenn es sich um eine Überprüfung gem. § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch handeln solle, so sei dennoch über den Rentenantrag vom 25.09.2003 zu entscheiden. Daher sei der Bescheid vom 18.12.2003 Gegenstand der Überprüfung, selbst wenn Leistungen nur für einen Zeitraum bis zu vier Jahren rückwirkend erbracht werden könnten. Die gesetzliche Vermutung für das Vorliegen einer Versorgungsehe sei widerlegt worden. Aus Sicht des Versicherten und seiner Ehefrau sei nicht abzusehen gewesen, dass sich der Gesundheitszustand so plötzlich und rapide verschlechtere. Bereits lange vor der Erkrankung hätten die Eheleute heiraten wollen, seien aber schlichtweg nicht dazu gekommen. Mehrfach sei die Ehe auch vorbereitet worden. Der Tod sei dann völlig überraschend gekommen. Wenn Prognosen über die weitere Lebensdauer nicht gesichert seien und auch nicht davon ausgegangen werden könne, dass man sich im Endstadium einer lebensbedrohlichen Erkrankung und somit kurz vor dem Versterben befinde, könne auch nicht angenommen werden, dass den Eheleuten bewusst gewesen sei, dass der Versicherte innerhalb eines Jahres versterben werde. Der Versicherte sei Mitglied im Sportclub Kroatia R. ca. zwei Monate nach seiner Hochzeit geworden, habe Beiträge gezahlt, sei selbst in Urlaub gefahren.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 10. März 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 4. Juni 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. April 2015 zu verurteilen, den Bescheid vom 18. Dezember 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2004 aufzuheben und ihr Witwenrente aus der Rente des verstorbenen Versicherten Herrn I. V. für die Zeit ab dem 1. Januar 2010 in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Eine Begründung ist nicht erfolgt.
Wegen der weiteren Einzelheiten sowie des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten, der erstinstanzlichen Akten des SG sowohl aus dem Verfahren S 9 R 1141/15 als auch S 5 RJ 3731/04 sowie der Akten des Senats Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.
Die Berufung ist jedoch nicht begründet, da das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten nicht zu beanstanden sind.
Über denselben Streitgegenstand hatte die Beklagte bereits mit ablehnendem Bescheid vom 18.12.2003 (Widerspruchsbescheid vom 25.10.2004) entschieden. Nachdem das SG im Verfahren S 5 RJ 3731/04 mit Urteil vom 22.04.2008 die hiergegen gerichtete Klage abgewiesen hat und gegen das dem damaligen Klägerbevollmächtigten am 25.04.2014 zugestellte Urteil keine Berufung eingelegt wurde, ist der ablehnende Bescheid der Beklagten vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 in Bestandskraft erwachsen. Dem steht nicht entgegen, dass das genannte Urteil erst fünf Jahre nach seiner Verkündung zugestellt worden ist, da ein Urteil, das aufgrund mündlicher Verhandlung gefällt wird (§ 129 SGG), mit der Verkündung wirksam wird (§ 132 SGG). Eine verspätete Zustellung hat nur Auswirkungen auf den Beginn der Berufungsfrist (§ 151 Abs. 1 SGG). Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil nach Ablauf der Fünfmonatsfrist abgefasst worden ist, bestehen angesichts des Vermerks in der Akte, das Urteil sei am 24.04.2008 gefertigt worden, nicht; ein solcher Verstoß hätte ohnehin nur zur Folge, dass ein absoluter Revisionsgrund vorläge (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 134 Rdnr. 4 m.w.N.). Dies bliebe vorliegend mangels eingelegter Rechtsmittel folgenlos.
Da somit bereits eine bestandskräftige ablehnende Entscheidung der Beklagten bzgl. der Gewährung der Witwenrente vorliegt, ist der bei der Beklagten gestellte Antrag vom 06.03.2013 als Antrag nach § 44 SGB X auszulegen, gerichtet auf die Rücknahme des Bescheids vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 als rechtswidriger nicht begünstigender Verwaltungsakt und Bewilligung der Leistung. Richtige Klageart ist daher eine kom¬bi¬nierte Anfech¬tungs-, Ver¬pflich¬tungs- und Leis¬tungs¬klage (BSG, Urteil vom 05.08.2015, B 4 AS 9/15 R, juris).
Rechtsgrundlage des klägerischen Begehrens auf Rücknahme des Bescheides vom 18.12.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.10.2004 ist § 44 SGB X. Nach Abs. 1 Satz 1 der Regelung ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind.
Vorliegend hat die Beklagte die Gewährung der Witwenrente zu Recht abgelehnt, so dass eine Rücknahme der zu überprüfenden ablehnenden Entscheidung nicht in Betracht kommt.
Nach § 46 Abs. 2 Satz 1 SGB VI haben Witwen, die nicht wieder geheiratet haben, nach dem Tode des versicherten Ehegatten, der die allgemeine Wartezeit erfüllt hat, unter anderem dann Anspruch auf große Witwenrente, wenn sie das 45. Lebensjahr vollendet haben. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Klägerin ist die Witwe des am 21.08.2003 verstorbenen Versicherten, der die allgemeine Wartezeit von fünf Jahren gemäß § 50 Abs. 1 SGB VI erfüllt hatte. Sie hatte im Zeitpunkt des Todes des Versicherten auch das 45. Lebensjahr vollendet und nach dessen Tod nicht wieder geheiratet.
Gemäß § 46 Abs. 2a SGB VI (eingeführt mit Wirkung vom 01.01.2002 durch das Altersvermögensergänzungsgesetz vom 21.03.2001, BGBl I 403), der nach § 242 a Abs. 3 SGB VI für alle seit dem 01.01.2002 geschlossenen Ehen gilt, ist der Anspruch auf Witwenrente ausgeschlossen, wenn die Ehe nicht mindestens ein Jahr gedauert hat, es sei denn, dass nach den besonderen Umständen des Falles die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Die Ehe zwischen der Klägerin und dem Versicherten hat vom 26.04.2003 bis 21.08.2003 und damit weniger als ein Jahr gedauert. Entscheidend ist daher, ob "besondere Umstände" vorliegen, aufgrund derer trotz der kurzen Ehedauer die Annahme nicht gerechtfertigt ist, dass es der alleinige oder überwiegende Zweck der Heirat war, einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung zu begründen.
Der Begriff der "besonderen Umstände" i.S.v. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist ein unbestimmter Rechtsbegriff, welcher der vollen richterlichen Kontrolle unterliegt (BSG, Urteil vom 03.09.1986, 9a RV 8/84, BSGE 60, 204 = SozR 3100 § 38 Nr. 5 m.w.N.; s. hierzu und zum Folgenden auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 19.04.2016, L 11 R 2064/15).Was unter den besonderen Umständen des Falles zu verstehen ist, ist gesetzlich nicht näher definiert. Da § 46 Abs. 2a SGB VI jedoch vom Gesetzgeber bewusst den entsprechenden Vorschriften in der gesetzlichen Unfallversicherung (§ 65 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch) und der Kriegsopferversorgung (§ 38 Abs. 2 Bundesversorgungsgesetz) nachgebildet ist, kann an die bisherige Rechtsprechung des BSG zum Begriff der "besonderen Umstände" in diesen Bestimmungen angeknüpft werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, B 13 R 55/08 R, BSGE 103, 99 = SozR 4-2600 § 46 Nr. 6 unter Hinweis auf BT-Drucks 14, 4595 S 44). Danach sind als besondere Umstände i.S.v. § 46 Abs. 2a SGB VI alle äußeren und inneren Umstände des Einzelfalls anzusehen, die auf einen von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggrund für die Heirat schließen lassen. Dabei kommt es auf die (gegebenenfalls auch voneinander abweichenden) Beweggründe (Motive, Zielvorstellungen) beider Ehegatten an. Die Annahme des anspruchsausschließenden Vorliegens einer Versorgungsehe bei einer Ehedauer von nicht mindestens einem Jahr ist nach dem Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur dann nicht gerechtfertigt, wenn die Gesamtbetrachtung und Abwägung der Beweggründe beider Ehegatten für die Heirat ergibt, dass die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe insgesamt gesehen den Versorgungszweck überwiegen oder - da der Wortlaut auf den "alleinigen oder überwiegenden Zweck der Heirat" abhebt - zumindest gleichwertig sind. Es ist daher auch nicht zwingend, dass bei beiden Ehegatten andere Beweggründe als Versorgungsgesichtspunkte für die Eheschließung ausschlaggebend waren. Vielmehr sind die von der Versorgungsabsicht verschiedenen Beweggründe in ihrer Gesamtbetrachtung auch dann noch als zumindest gleichwertig anzusehen, wenn nachweislich für einen der Ehegatten der Versorgungsgedanke bei der Eheschließung keine Rolle gespielt hat (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O). Lediglich wenn der Hinterbliebene keine - glaubhaften - Angaben über die inneren Umstände macht, darf sich die Ermittlung, welche Gründe für die Eheschließung ausschlaggebend waren, und die Prüfung, ob es sich dabei um (anspruchsbegründende) besondere Umstände i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI handelt, auf nach außen tretende objektive Tatsachen beschränken. Ansonsten sind auch die vom hinterbliebenen Ehegatten behaupteten inneren Umstände für die Heirat zu betrachten und vor dem Hintergrund der im Zeitpunkt der jeweiligen Eheschließung bestehenden äußeren Umstände in die Gesamtwürdigung, ob die Ehe mit dem Ziel der Erlangung einer Hinterbliebenenversorgung geschlossen worden ist, mit einzubeziehen (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).
Eine gewichtige Bedeutung kommt hierbei stets dem Gesundheits- bzw. Krankheitszustand des Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung zu. Ein gegen die gesetzliche Annahme einer Versorgungsehe sprechender besonderer (äußerer) Umstand i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Tod des Versicherten, bei dem bisher kein gesundheitliches Risiko eines bevorstehenden Ablebens bekannt war, unvermittelt ("plötzlich" und "unerwartet") eingetreten ist (vgl. nur BSG, Urteil vom 05.05.2009 m.w.N.; s. auch Ringkamp in Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 2/16, § 46 Rdnr. 38). In diesem Fall kann nicht davon ausgegangen werden, dass es alleiniger oder überwiegender Zweck der Heirat war, dem Ehegatten eine Hinterbliebenenversorgung zu verschaffen. In der Gesetzesbegründung wird als ein Beispiel hierfür der "Unfalltod" genannt (BT-Drucks 14/4595 S 44). Unvermittelt eingetreten in diesem Sinne ist der Tod aber auch bei einem Verbrechen oder bei einer Erkrankung, die plötzlich aufgetreten ist und schnell zum Tode geführt hat (z.B. Infektionskrankheit oder Herzinfarkt bei unbekannter Herzerkrankung).
Litt der Versicherte hingegen zum Zeitpunkt der Eheschließung offenkundig bereits an einer lebensbedrohlichen Krankheit, ist in der Regel der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nicht erfüllt (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11, juris). Auch bei einer nach objektiven Maßstäben schweren Erkrankung mit einer ungünstigen Verlaufsprognose und entsprechender Kenntnis der Ehegatten ist indes der Nachweis nicht ausgeschlossen, dass dessen ungeachtet (überwiegend oder zumindest gleichwertig) aus anderen als aus Versorgungsgründen geheiratet wurde. Allerdings müssen dann bei der abschließenden Gesamtbewertung diejenigen besonderen (inneren und äußeren) Umstände, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, umso gewichtiger sein, je offenkundiger und je lebensbedrohlicher die Krankheit eines Versicherten zum Zeitpunkt der Eheschließung gewesen war. Dementsprechend steigt mit dem Grad der Lebensbedrohlichkeit einer Krankheit und dem Grad der Offenkundigkeit zugleich der Grad des Zweifels an dem Vorliegen solcher vom hinterbliebenen Ehegatten zu beweisenden besonderen Umstände, die von diesem für die Widerlegung der gesetzlichen Vermutung einer Versorgungsehe bei einem Versterben des versicherten Ehegatten innerhalb eines Jahres nach Eheschließung angeführt werden (BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O.).
Wie das SG zutreffend ausgeführt hat, wird der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI nur erfüllt, wenn insoweit nach § 202 SGG i.V.m § 292 ZPO der volle Beweis erbracht wird (BSG, Urteil vom 05.05.2009 unter Verweis auf BSGE 60, 204, 206 = SozR 3100 § 38 Nr. 5; Ringkamp in Hauck/Noftz a.a.O. Rdnr. 38). Dieser erfordert zumindest einen der Gewissheit nahekommenden Grad der Wahrscheinlichkeit. Die nur denkbare Möglichkeit reicht nicht aus. Eine Tatsache ist danach bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falls nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl BSG SozR 3-3900 § 15 Nr. 3 S 9 und § 15 Nr. 4 S 13; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, a.a.O. § 128 Rdnr. 3b).
Das Vorliegen von "besonderen Umständen" i.S.d. § 46 Abs. 2a Halbsatz 2 SGB VI ist von den Rentenversicherungsträgern und den Sozialgerichten von Amts wegen zu prüfen; es gilt der Untersuchungsgrundsatz (§ 20 SGB X, § 103 SGG). Die Darlegungs- und Beweislast für ihr Vorliegen als ein den Anspruch begründender Umstand und damit auch die Folgen eines nicht ausreichenden Beweises trägt nach dem Grundsatz der objektiven Beweislast derjenige, der den Witwen-/Witwerrentenanspruch geltend macht (vgl. BSG, Urteil vom 05.05.2009, a.a.O., BSGE 60, 204, 208 = SozR 3100 § 38 Nr. 5).
Vorliegend ist der Ausnahmetatbestand des § 46 Abs. 2a SGB VI nicht erfüllt.
Wie sich insbesondere aus den Ausführungen des Dr. R. ergibt, der als sachverständiger Zeuge im Rahmen des ersten sozialgerichtlichen Verfahrens befragt wurde, litt der Versicherte unter einem Kolonkarzinom, das bereits metastasiert und mittels Chemotherapie behandelt worden war. Zwar konnte die Metastasierung teilweise zurückgefahren werden bzw. war die Progredienz deutlich verlangsamt, doch war nach den überzeugenden Ausführungen des Dr. R. zum Zeitpunkt der Hochzeit durchaus absehbar, dass die Krankheit nicht heilbar sein würde. Insofern ist hier eine lebensbedrohliche Krankheit festzustellen. Der Senat ist auch davon überzeugt, dass diese nicht nur dem Versicherten, sondern auch der Klägerin bekannt war. So hat sie ihm Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen, den Arzt mehrfach danach gefragt zu haben, wieviel Zeit der Versicherte noch zu leben habe. Eine solche Frage stellt nur, wer von der Schwere der Krankheit weiß.
Es wären daher vorliegend gewichtige Umstände zu fordern, die gegen eine Versorgungsehe sprechen, von deren Vorliegen der Senat sich indes nicht überzeugen konnte.
Wie das SG bereits überzeugend ausgeführt hat, ist zunächst der Wunsch nach einer sog. Pflegeehe nicht erwiesen. Zwar ist nach der - älteren - Rechtsprechung des BSG (vgl. Urteil vom 03.09.1986, 9 a RV 8/84, juris) typisierend davon auszugehen, dass jedenfalls ein Beschädigter, der dauernd auf fremde Hilfe angewiesen ist und Pflegezulage erhält, mit der Heirat auch im Hinblick auf § 1353 BGB und die darin zum Ausdruck kommende Beistandspflicht (vgl. Grandel in juris BGB-Praxiskommentar Band 4, 8. Auflage 2017, § 1353 Rdnr. 12 m.w.N.) seine Pflege sicherstellen möchte, um dadurch seine Lebenssituation zu verbessern. Eine solche Pflegeehe setzt aber voraus, dass zum Zeitpunkt der Eheschließung der Pflegefall schon eingetreten ist (vgl. hierzu LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.11.2010, L 11 R 3292/09, juris). Zwar hat die Klägerin bei der ersten Antragstellung im Jahr 2003 angegeben, die Heirat sei zur Sicherung der erforderlichen Betreuung/Pflege des ständig auf Pflege angewiesenen Ehegatten erfolgt, und hat ergänzend im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vortragen lassen, der Gesundheitszustand des Versicherten habe sich zunehmend verschlechtert. Jedoch wurde im Rahmen des zweiten. Verfahrens vor dem SG nunmehr vorgetragen, der Versicherte habe sich in gesundheitlich gutem Zustand befunden, man habe noch einen gemeinsamen Urlaub in Kroatien verbracht und der plötzliche Tod des Versicherten sei überaus überraschend gewesen. Angesichts dieser Widersprüchlichkeiten konnte sich der Senat schon nicht davon überzeugen, dass der Versicherte zum Zeitpunkt der Eheschließung auf ständige Pflege angewiesen und dies Motiv für die Hochzeit war, zumal der im Rahmen des ersten sozialgerichtlichen Verfahrens vernommene Bruder des Versicherten ausgesagt hat, der Versicherte sei von morgens bis abends teilweise im Garten gewesen und sei auch nach der Operation noch kerngesund und bärenstark gewesen. Überdies hat die Klägerin im Rahmen des zweiten sozialgerichtlichen Verfahrens vortragen lassen, man habe schon längst vorgehabt zu heiraten, und sich damit in Widerspruch zu ihrem bisherigen Vortrag einer Pflegeehe gesetzt. Hinzu kommt, dass der Bruder des Versicherte ausführlich die aus seiner und aus Sicht des Verstorbenen gegebenen Vorzüge der Klägerin als Ehefrau gelobt hat: Die Klägerin habe alles für den Versicherten gemacht und hätte ihm auch um Mitternacht etwas zubereitet, wenn er das gewünscht hätte; sie sei eine Frau, mit der er auch in der Wüste leben könnte, und auch, wenn sie gar nichts hätten, wäre er mit dieser Frau glücklich. Vor dem Hintergrund dieser Ausführungen und der bereits seit 30 Jahren bestehenden Beziehung und damit einhergehenden Einstandsgemeinschaft konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass der Versicherte durch eine Heirat seine Pflege sicherstellen wollte - es spricht mehr dafür, dass die Klägerin den Versicherten auch ohne Trauschein versorgt hätte. Es bedurfte auch keiner Eheschließung, um als Pflegekraft für den Versicherten als zu pflegende Person anerkannt zu werden (so auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 09.12.2010, L 3 R 282/09, juris) ...
Die Annahme einer Versorgungsehe lässt sich vorliegend auch nicht durch langjährige Heiratsabsicht entkräften: Langjährige Heiratsabsichten können nur dann die Vermutung der Versorgungsehe widerlegen, wenn sie hinreichend konkret sind und sich als die konsequente Verwirklichung einer schon vor Bekanntwerden der Erkrankung gefassten Heiratsabsicht darstellen (Hessisches LSG, Urteil vom 16.09.2014, L 2 R 140/13; Bayerisches LSG, Urteil vom 23.07.2003, L 2 U 360/01 und vom 20.02.2013, L 1 R 304/11; LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 22.06.2010, L 11 R 1116/08; jeweils in juris). Lediglich abstrakte Pläne zur Heirat ohne entsprechende Vorbereitungen und ohne definitiv ins Auge gefassten Termin reichen nicht aus, um einen bereits vor dem Bekanntwerden der lebensbedrohlichen Erkrankung gefassten Heiratsentschluss annehmen zu können (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 16.10.2012, L 11 R 392/11). Vorliegend konnte sich der Senat schon nicht von abstrakten Plänen zur Heirat überzeugen. Die Eheleute lebten vor der Hochzeit bereits seit 30 Jahren zusammen. Wie der Bruder des Versicherten ausgeführt hat, hatte sich der Versicherte bewusst gegen eine zweite Hochzeit entschieden, nachdem seine erste Ehe unglücklich geendet hatte. Haben die Partner einer langjährig bestehenden nichtehelichen Lebensgemeinschaft bislang keine Veranlassung gesehen, diese Form des Zusammenlebens zu ändern und die Ehe einzugehen, so ist vielmehr die Annahme gerechtfertigt, dass angesichts einer eingetretenen schweren Erkrankung des Versicherten die wirtschaftliche Sicherung des Überlebenden der bestimmende Beweggrund für die Heirat war (Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.03.2007, L 8 R 112/06).
Etwas anderes folgt auch nicht aus dem Umstand, dass der Versicherte und die Klägerin ein Haus in Zagreb gekauft und wohl ursprünglich geplant hatten, im Alter dort zu wohnen. Zwar mag es zutreffen, dass - wie der Bruder des Versicherten ausgesagt hat - die Umstände in Zagreb sich von denen in Deutschland unterscheiden und ein Zusammenleben ohne Trauschein dort moralisch nicht in Frage kommt. Indes ergeben sich aus der Akte keinerlei Anhaltspunkte für einen geplanten Umzug. Vor dem Hintergrund der schweren Erkrankung des Klägers war auch nicht zu erwarten, dass er die Strapazen eines Umzugs auf sich nehmen und auf die in Deutschland gewährte gute ärztliche Versorgung verzichten würde. Ein geplanter Umzug wurde von der Klägerin auch zuletzt nicht mehr als Grund für die Hochzeit angeführt.
Nicht erheblich ist nach § 46 Abs. 2 a SGB VI, ob die Partner bei der Eheschließung damit rechneten, dass der unter einer lebensbedrohlichen Erkrankung leidende Partner das erste Jahr nach der Heirat überleben werde (vgl. hierzu Schleswig-Holsteinisches LSG, Urteil vom 21.03.2007, a.a.O.). Die Hoffnung oder Erwartung, eine lebensbedrohliche Erkrankung zu überstehen, ist kein besonderer Umstand i.S. d. § 46 Abs. 2 a SGB VI.
Für eine Versorgungsehe sprechen auch die finanziellen Verhältnisse der Klägerin, die nur eine geringe eigene Rente bezieht, die eine ergänzende Gewährung von Leistungen nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch erforderlich macht. Insofern ist die Argumentation im Rahmen des Widerspruchsverfahrens 2004, die Klägerin sei wirtschaftlich abgesichert durch ihre eigene Altersrente und bedürfe daher der Versorgung durch die Witwenrente nicht, nicht nachvollziehbar und wurde zuletzt auch nicht mehr aufrechterhalten.
Verstöße der Regelung des § 46 Abs. 2a SGB VI gegen europarechtliche Vorschriften sind nicht ersichtlich und wurden zuletzt auch nicht mehr vorgebracht.
Der Senat verkennt nicht, dass sich gerade Partner einer langjährigen nichtehelichen Lebensgemeinschaft im Falle einer lebensbedrohlichen Erkrankung des einen Partners naturgemäß Gedanken über die finanzielle Versorgung des Übrigbleibenden machen und eine Heirat zur Sicherung der Hinterbliebenenversorgung naheliegt. Dies mag moralisch nicht verwerflich sein, doch ist die gesetzliche Regelung eindeutig.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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