L 23 SO 30/17 B ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
23
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 195 SO 1850/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 23 SO 30/17 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2017 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten. Der Antragstellerin wird für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe bewilligt und Herr Rechtsanwalt M S, M , B, beigeordnet.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) ab dem 7. Dezember 2016.

Die im Jahr 1960 geborene Antragstellerin ist lettische Staatsangehörige. Sie reiste im Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und lebt seitdem hier.

Im September 2013 meldete die Antragstellerin ein Gewerbe im Bereich Gebäudereinigung an. Tatsächlich übte sie eine Tätigkeit als Reinigungskraft vom 3. November 2013 bis zum 31. August 2014 aus und bezog nebenher Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II). Ende September 2014 meldete sie das Gewerbe wieder ab.

Im Juli 2015 kam es nochmals zu einem Zahlungseingang auf dem Konto der Antragstellerin in Höhe von 422,- Euro wegen "Rech. Nr. [ ] 2015". Die Antragstellerin erklärte dem Beigeladenen auf Nachfrage, dass es sich hierbei um die letzte Einnahme aus ihrer gewerblichen Tätigkeit handle (Schreiben vom 12. Mai 2016).

Zuletzt bewilligte das beigeladene Jobcenter der Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum bis einschließlich November 2016. Nachdem die Antragstellerin einer Aufforderung des Beigeladenen zur Vorlage bestimmter Unterlagen (u. a.: Nachweis über Daueraufenthaltsrecht) nicht nachgekommen war, entzog der Beigeladene die Leistungen zum 1. Juli 2016 (Bescheid vom 13. Juli 2016).

Am 27. Oktober 2016 stellte die Antragstellerin beim Antragsgegner einen Antrag auf Sozialhilfe.

Mit Bescheid vom 7. November 2016 lehnte der Antragsgegner es ab, der Antragstellerin Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII zu gewähren. Als Erwerbsfähige sei die Antragstellerin dem Grunde nach leistungsberechtigt nach dem SGB II. Nach § 21 Satz 1 SGB XII sei damit die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII ausgeschlossen. Dies gelte auch, wenn der individuelle Leistungsanspruch nach dem SGB II aus anderen rechtlichen Gründen wie z. B. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB II ausgeschlossen sei.

Gegen diesen Bescheid legte die Antragstellerin Widerspruch ein. Das Widerspruchverfahren ist noch anhängig.

Ende November 2016 kündigte der Vermieter das Mietverhältnis über die Wohnung der Antragstellerin unter der im Rubrum genannten Anschrift fristlos wegen Zahlungsrückständen in Höhe von 1.493,10 Euro (Mietzins für Juli bis November 2016). Die Antragstellerin hat mittlerweile beim Antragsgegner die Übernahme der Mietschulden beantragt.

Am 7. Dezember 2016 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Berlin einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung eingereicht, gerichtet auf die vorläufige Verpflichtung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Le-bensunterhalt nach dem SGB XII einschließlich der Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung und der Krankenversicherungsbeiträge ab Antragseingang.

Nachdem am 29. Dezember 2016 das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (AuslPersGrSiuSHRegG) – BGBl. I S. 3155 – in Kraft getreten war, hat der Antragsgegner der Antragstellerin angeboten, ihr Überbrückungsleistungen nach § 23 Abs. 3 Satz 3 und Satz 5 SGB XII zu gewähren sowie ggf. die Kosten der Rückreise nach § 23 Abs. 3a SGB XII zu übernehmen. Die Antragstellerin hat auf dieses Ange-bot nicht reagiert.

Mit Beschluss vom 12. Januar 2017 hat das Sozialgericht den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seien nicht gegeben. Für den Zeitraum ab dem 29. Dezember 2016 habe die Antragstellerin einen Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Ein Anspruch gegen den Antragsgegner bzw. gegen den Beigeladenen auf Leistungen nach dem SGB XII bzw. nach dem SGB II scheitere an den in § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und in § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II geregelten Leistungsausschlüssen. Dabei könne dahingestellt bleiben, ob die Antragstellerin gar kein Aufenthaltsrecht habe oder ob sie ein Aufenthaltsrecht habe, welches sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebe, denn in beiden Fällen würden die Leistungsausschlüsse greifen. Die Voraussetzungen für ein Aufenthaltsrecht aus § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern (FreizügG/EU) seien nicht gegeben, da die Antragstellerin eine selbständige Tätigkeit als Reinigungskraft tatsächlich nicht länger als ein Jahr ausgeübt habe; auf den Zeitpunkt der An- bzw. Abmeldung des Gewerbes könne es insoweit nicht ankommen. Die Leistungsausschlüsse seien europarechtskonform und würden auch nicht gegen Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verstoßen. Für den Zeitraum ab Antragseingang (7. Dezember 2016) bis zum Inkrafttreten des AuslPersGrSiuSHRegG (29. Dezember 2016) fehle es an einem Anordnungsgrund. Die Antragstellerin hätte bis zum Inkrafttreten der Neuregelung warten können, um sodann die Gewährung von Überbrückungsgeld und ggf. die Übernahme der Kosten der Rückreise zu beantragen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die am 17. Januar 2017 eingelegte Beschwerde der Antragstellerin. Sie trägt vor, dass sie ihre selbständige Tätigkeit als Reinigungskraft habe aufgeben müssen, weil sie über September 2014 hinaus keine Aufträge mehr gehabt habe, obwohl sie sich redlich darum bemüht habe. Ihr stehe entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 3. Dezember 2015, Az.: B 4 AS 44/15 R) und des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Beschluss vom 13. April 2016, Az.: L 15 SO 53/16 B ER) ein Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 23 Abs. 1 SGB XII zu. Das zum 29. Dezember 2016 in Kraft getretene AuslPersGrSiuSHRegG sei verfassungswidrig. Es verstoße gegen das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG. Das Sozialgericht hätte dem Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz im Wege einer Folgenabwägung stattgeben müssen.

Zur Untermauerung ihrer Auffassung hat die Antragstellerin ein Kurzgutachten von Prof. Dr. D (Hochschule F) und Prof. Dr. J (S Hochschule H) sowie eine Stellungnahme der Neuen Richtervereinigung vorgelegt – betreffend jeweils den Referenten-entwurf bzw. Gesetzentwurf der Bundesregierung für das AuslPersGrSiuSHRegG.

Die Antragstellerin beantragt, den Beschluss des Sozialgerichts vom 12. Januar 2017 aufzuheben und den Antragsgegner im Wege einer einstweiligen Anordnung zu verpflichten, der Antragstellerin ab dem 7. Dezember 2016 und längstens bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid des Antragsgegners vom 7. November 2016 Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in gesetzlicher Höhe zu zahlen und die Unterkunftskosten sowie die Krankenversicherungsbeiträge zu übernehmen.

Der Antragsgegner beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, dass der Antragstellerin als erwerbsfähiger Person von vornherein allenfalls Ansprüche auf Leistungen nach dem SGB II zustehen könnten. Jedenfalls greife für Ansprüche nach dem SGB XII ein Leistungsausschluss ein. Der Leistungsausschluss ergebe sich für den Zeitraum bis einschließlich 28. Dezember 2016 aus § 23 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB XII alte Fassung (a. F.); er erfasse auch Ermessensleistungen nach § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII a. F. Seit dem Inkrafttreten des AuslPersGrSiuSHRegG am 29. Dezember 2016 folge der Leistungsausschluss aus § 23 Abs. 3 SGB XII. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden gegenüber der Neuregelung nicht. Der Antragstellerin sei es zumutbar, in ihren Heimatstaat zurückzukehren, um ggf. dort Ansprüche zu verfolgen. Die Situation sei nicht mit der eines Asylbewerbers vergleichbar.

Der Beigeladene hat sich zur Beschwerde nicht geäußert. Er hat erstinstanzlich vorgetragen, dass ein Anspruch der Antragstellerin auf Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen sei.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners und des Beigeladenen.

II.

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 12. Januar 2017 über die Ablehnung des Antrags auf einstweiligen Rechtsschutz ist zulässig, insbesondere ist sie nach § 173 SGG form- und fristgerecht eingelegt worden.

Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat es zu Recht abgelehnt, die begehrte einstweilige Anordnung zu erlassen.

Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis treffen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes setzt in diesem Zusammenhang einen Anordnungsanspruch, also einen materiell-rechtlichen Anspruch auf die Leistung, zu der der Antragsgegner verpflichtet werden soll, sowie einen Anordnungsgrund, nämlich einen Sachverhalt, der die Eilbedürftigkeit der Anordnung be-gründet, voraus. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) glaubhaft zu machen.

Grundsätzlich ist für das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs auf eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache abzustellen. Allerdings ist der Rechtsschutzgarantie des Artikel 19 Abs. 4 GG insofern Rechnung zu tragen, als in den Fällen, in denen es um existentiell bedeutsame Leistungen für den Antragsteller geht, den Gerichten eine lediglich summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage verwehrt ist. Die Gerichte haben unter diesen Voraussetzungen die Sach- und Rechtslage abschließend zu prüfen. Nur soweit dem Gericht in einem solchen Fall eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage nicht möglich ist, ist die Ent-scheidung über die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes anhand einer Folgenabwägung zu treffen (vgl. zum Ganzen BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 – 1 BvR 569/05 –, NVwZ 2005, 927; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 –, SGb 2015, 175; BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 1241/16 –, NZS 2016, 863; BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 –, NVwZ 2017, 149).

Die von der Antragstellerin begehrte Entscheidung im Wege der Folgenabwägung ist vorliegend ausgeschlossen. Eine solche kommt – anders als in der sozialgerichtlichen Rechtsprechung vielfach angenommen – nach der Rechtsprechung des Bun-desverfassungsgerichts (BVerfG, Beschluss vom 14. September 2016, 1 BvR 1335/13, a. a. O.) nur in Betracht, wenn eine Prüfung der Rechtslage unmöglich ist. Soweit das Bundesverfassungsgericht in vorangegangenen Entscheidungen – insbesondere in dem Beschluss vom 12. Mai 2005 (1 BvR 569/05, a. a. O.) – auch in anderen Fällen auf eine Entscheidung im Wege der Folgenabwägung verwiesen hat, hat Schoch (in Schoch/Schmidt-Aßmann/Pietzner, VwGO, § 123 Rn. 74b) zu Recht darauf hingewiesen, dass eine Folgenabwägung ohne Berücksichtigung der Erfolgsaussichten bereits zuvor nicht gesetzeskonform war. Auch die Entscheidung nach § 86b Abs. 2 SGG setzt das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs voraus, der nicht "gesetzeswidrig" (so Schoch, a. a. O.) durch eine Folgenabwägung ersetzt werden kann. Dies hat nunmehr mit dem Beschluss vom 14. September 2016 (1 BvR 1335/13, a. a. O.) auch das Bundesverfassungsgericht klargestellt.

Im vorliegenden Fall musste und durfte sich der Senat deshalb nicht auf eine Folgenabwägung zurückziehen. Nicht aufklärbare Tatsachen sind vorliegend nicht gegeben. Rechtsfragen sind demgegenüber auch im Eilverfahren durch das Gericht zu entscheiden (vgl. dazu Burkiczak, NZS 2017, 75).

Ausgehend von dem so angelegten Prüfungsmaßstab war die begehrte einstweilige Anordnung nicht zu erlassen.

Für den Zeitraum ab dem 29. Dezember 2016 (Tag des Inkrafttretens des Ausl-PersGrSiuSHRegG) fehlt es an einem Anordnungsanspruch. Der Antragstellerin steht weder der ausdrücklich geltend gemachten Anspruch gegen den Anspruchs-gegner auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII) zu noch hat sie einen Anspruch gegen den Beigeladenen auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts (§§ 19 ff. SGB II).

Einem Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner bzw. den Beigeladenen steht jedenfalls entgegen, dass Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach § § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II (jeweils in der ab dem 29. Dezember 2016 gültigen Fassung) ausgeschlossen sind.

Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII erhalten Ausländer keine Leistungen nach Abs. 1 des § 23 SGB XII oder nach dem Vierten Kapitel, wenn sie kein Aufenthaltsrecht haben oder sich ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Leistungsausschluss bezieht sich ausweislich des eindeutigen Wortlauts der Vorschrift u. a. auf die hier begehrten Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (§ 23 Abs. 1 SGB XII i. V. m. §§ 27 ff. SGB XII). Er erfasst nach der durch das Ausl-PersGrSiuSHRegG zum 29. Dezember 2016 erfolgten Klarstellung auch die in § 23 Abs. 1 Satz 3 SGB XII geregelte Sozialhilfe als Ermessensleistung (zur alten Rechtslage vgl. BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43).

§ 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II bestimmt, dass Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben (Buchst. a) oder deren Aufenthaltsrecht sich allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Buchst. b), von Leistungen nach dem SGB II ausgenommen sind.

Die Voraussetzungen der Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII und nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II sind hier erfüllt. Es bedarf keiner Klärung, ob die Antragstellerin kein Aufenthaltsrecht hat oder ob sich ein Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Fest steht jedenfalls, dass neben einem möglichen, sich aus dem Zweck der Arbeitsuche ergebenden Recht zum Aufenthalt (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1a FreizügG/EU) kein anderes Aufenthaltsrecht besteht und dass deshalb die Leistungsausschlüsse eingreifen.

Eine Freizügigkeitsberechtigung (und damit ein Recht zum Aufenthalt) ergibt sich insbesondere nicht aus der Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit (§ 2 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU). Die Antragstellerin hat ihre Tätigkeit als Reinigungs-kraft mittlerweile aufgegeben.

Auch der Verlängerungstatbestand nach § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU greift nicht ein. Nach dieser Regelung bleiben die Freizügigkeitsberechtigung und das Recht zum Aufenthalt nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU für selbständig Erwerbstätige unberührt bei unfreiwilliger Einstellung einer selbständigen Tätigkeit infolge von Umständen, auf die der Selbständige keinen Einfluss hatte, nach mehr als einem Jahr Tätigkeit. Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben. Es fehlt jedenfalls an einer Tätigkeitsdauer von mehr als einem Jahr. Die Antragstellerin hatte zwar von Anfang September 2013 bis Ende September 2014, d. h. für einen Zeitraum von mehr als einem Jahr, ein Gewerbe im Bereich Gebäudereinigung angemeldet. Die Anmeldung eines Gewerbes allein reicht jedoch für die Annahme einer selbständigen Tätigkeit nicht aus. Vielmehr ist erforderlich, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit auch tatsächlich ausgeübt wird (BSG, Urteil vom 3. Dezember 2015 – B 4 AS 44/15 R –, SozR 4-4200 § 7 Nr. 43, Rn. 28-29). Die Antragstellerin ist ihrer Tätigkeit als selbständige Reinigungskraft tatsächlich nur vom 3. November 2013 bis zum 31. August 2014 nachgegangen, hat also lediglich zehn Monate lang am wirtschaftlichen Leben teilgenommen. Der nachgehende Schutz des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FreizügG/EU kommt ihr somit nicht zugute. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass es im Juli 2015 noch einmal zu einem Zahlungseingang auf dem Konto der Antragstellerin in Höhe von 422,- Euro gekommen ist. Es bestehen angesichts des geringen Betrags jedenfalls keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die Antragstellerin über die bereits erwähnten zehn Monate hinaus mehr als zwei weitere Monate eine selbständige Tätigkeit ausgeübt hat.

Ein Daueraufenthaltsrecht gemäß § 4a FreizügG/EU, das einen fünfjähren Aufenthalt im Bundesgebiet voraussetzt, scheitert daran, dass die Antragstellerin erst im Juni 2013 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist ist.

Hieraus folgt zugleich, dass die in § 23 Abs. 3 Satz 7 SGB XII geregelte Ausnahme von dem Leistungsausschluss des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht eingreift; die Vorschrift verlangt einen Aufenthalt im Bundesgebiet seit mindestens fünf Jahren, der hier gerade nicht gegeben ist.

Nach allem sind Ansprüche auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII sowie Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII bzw. § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen.

Der Anwendbarkeit der Vorschriften über den Leistungsausschluss stehen auch keine europarechtlichen Bestimmungen entgegen. Nach der Rechtsprechung des EuGH sind Regelungen eines Mitgliedstaats, nach denen Staatsangehörige anderer Mitgliedstaaten vom Zugang zu beitragsunabhängigen Sozialleistungen ausgeschlossen werden, wenn ihnen gar kein Aufenthaltsrecht zusteht (Rechtssache "Dano", Urteil vom 11. November 2014 – C-333/13) oder wenn ihr Aufenthaltsrecht sich nur aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt (Rechtssache "Alimanovic", Urteil vom 15. September 2015 – C-67/14), mit Unionsrecht vereinbar. Vor diesem Hintergrund besteht kein Zweifel daran, dass sowohl der Leistungsausschluss nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII als auch derjenige nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II europa-rechtskonform ist.

Der Senat hält die Leistungsausschlüsse nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 SGB XII bzw. nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II auch für verfassungsgemäß, insbesondere verletzen sie nicht das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG.

Das Grundrecht aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG verpflichtet den Staat, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Es steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134). Bei der Bestimmung der Höhe der derart gebotenen Leistungen verfügt der Gesetzgeber über einen Gestaltungsspielraum; er hat die zu erbringenden Leistungen an dem jeweiligen Entwicklungsstand des Gemeinwesens und den bestehenden Leistungsbedingungen im Hinblick auf die konkreten Bedarfe der Betroffenen auszurichten (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134). Er kann bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen (BVerfG, Urteil vom 18. Juli 2012 – 1 BvL 10/10, 1 BvL 2/11 –, BVerfGE 132, 134).

Der Gesetzgeber hat mit dem Ausschluss von laufenden Leistungen für Ausländer, die kein Aufenthaltsrecht haben oder die ihr Aufenthaltsrecht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ableiten, die Nachrangigkeit des deutschen Sozialleistungssystems gegenüber dem des Herkunftslandes normiert. Dies ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (so im Ergebnis bereits zur vor dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage: LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2015 – L 20 AS 2161/15 B ER –, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B –, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –, juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, juris; zur ab dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage: SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 – S 62 SO 628/16 ER –, juris; Ulmer, ZRP 2016, 224). Leistungsansprüche sind für diese Personengruppe nach der seit dem 29. Dezember 2016 geltenden Rechtslage nicht gänzlich ausgeschlossen, sondern lediglich auf solche Hilfen beschränkt, die erforderlich sind, um die Betroffenen in die Lage zu versetzen, existenzsichernde Leistungen ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen. So räumt § 23 SGB XII nunmehr einen Anspruch auf eingeschränkte Hilfen bis zur Ausreise – Überbrückungsleistungen – ein (Abs. 3 Satz 3) und verpflichtet die Behörde darüber hinaus zur Übernahme der Kosten der Rückreise (Abs. 3a). Durch eine Härtefallregelung (Abs. 3 Satz 6) wird zudem jetzt sichergestellt, dass im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte Leistungen erbracht werden, die nach Art, Umfang und/oder Dauer noch über die "normalen" Überbrückungsleistungen hinausgehen. Der Gesetzgeber bewegt sich mit dieser Regelung innerhalb des Spielraums, welcher ihm bei der Ausgestaltung des Anspruchs auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG eingeräumt ist.

Anders als dem Personenkreis, für den das Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) einen Anspruch auf laufende existenzsichernde Leistungen vermittelt, ist es Personen aus Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Regel ohne weiteres möglich, kurzfristig in ihren Heimatstaat zurück zu reisen, um dort anderweitige Hilfemöglichkeiten zu aktivieren. Daher kann die Gewährleistungsverpflichtung aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG für Anspruchsberechtigte nach dem AsylbLG, die ge-rade nicht in jedem Fall zeitnah in ihre Heimat zurückkehren können, um dort ihren Lebensunterhalt zu sichern, auch umfangreichere und länger andauernde Leistungen zur Existenzsicherung erfordern. Bei Unionsbürgern kann sich die Gewährleistungsverpflichtung demgegenüber darin erschöpfen, sie bei den Bemühungen der Selbsthilfe durch eingeschränkte Leistungen (z. B. Überbrückungsleistungen, Übernahme der Kosten der Rückreise) zu unterstützen (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 28. September 2015 – L 20 AS 2161/15 B ER –, juris; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Juni 2015 – L 1 AS 2338/15 ER-B, L 1 AS 2358/15 B –, juris; LSG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 5. November 2015 – L 3 AS 479/15 B ER –, juris; LSG für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 7. März 2016 – L 12 SO 79/16 B ER –, juris; SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 – S 62 SO 628/16 ER –, juris; Ulmer, ZRP 2016, 224).

Leistungsausschlüsse werden im Übrigen auch für andere Personengruppen geregelt, ohne dass dies zur Verfassungswidrigkeit der entsprechenden Regelungen führen würde. So hat das Bundesverfassungsgericht den in § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II (in der bis zum 31. März 2011 geltenden Fassung) geregelten Ausschluss von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für Auszubildende auch unter dem Gesichtspunkt des Grundrechts auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Exis-tenzminimums aus Art. 1 Abs. 1 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 1 GG ausdrücklich gebilligt (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 8. Oktober 2014 – 1 BvR 886/11 –, juris).

Über weitergehende Ansprüche war im vorliegenden Fall in Bezug auf den Zeitraum ab dem 29. Dezember 2016 nicht zu befinden.

Es war insbesondere nicht darüber zu entscheiden, ob ein Anspruch der Antragstellerin gegen den Antragsgegner auf Überbrückungsleistungen (§ 23 Abs. 3 Satz 3 SGB XII) besteht. Nach dieser Vorschrift werden hilfebedürftigen Ausländern, die dem Leistungsausschluss nach Abs. 3 Satz 1 des § 23 SGB XII unterfallen, bis zur Ausreise, längstens jedoch für einen Zeitraum von einem Monat, einmalig innerhalb von zwei Jahren eingeschränkte Hilfen gewährt, um den Zeitraum bis zur Ausreise zu überbrücken. Der Anspruch stellt im Verhältnis zu dem Anspruch auf laufende Leistungen nach dem SGB XII einen eigenständigen Streitgegenstand dar (so zutreffend SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 – S 62 SO 628/16 ER –, juris, Rn. 42). Das Begehren der Antragstellerin erstreckt sich erkennbar nicht auf diesen Anspruch; sie beabsichtigt keine Ausreise. Der Antragsgegner hat der Antragstellerin im Übrigen sogar ausdrücklich angeboten, ihr Überbrückungsleistungen zu gewähren. Hierauf ist die Antragstellerin nicht eingegangen.

Auch ein Anspruch auf Übernahme der Kosten der Rückreise (§ 23 Abs. 3a SGB XII) war nicht zu prüfen. Ein dahingehendes Begehren der Antragstellerin besteht nicht.

Schließlich war nicht über eine Leistungsgewährung aufgrund der Härtefallregelung des § 23 Abs. 3 Satz 6 SGB XII zu entscheiden. Nach dieser Vorschrift werden, soweit dies im Einzelfall besondere Umstände erfordern, Leistungsberechtigten nach Satz 3 des § 23 Abs. 3 SGB XII zur Überwindung einer besonderen Härte andere Leistungen im Sinne von Absatz 1 des § 23 SGB XII gewährt (§ 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 1 SGB XII); ebenso sind Leistungen über einen Zeitraum von einem Monat hinaus zu erbringen, soweit dies im Einzelfall auf Grund besonderer Umstände zur Überwindung einer besonderen Härte und zur Deckung einer zeitlich befristeten Be-darfslage geboten ist (§ 23 Abs. 3 Satz 6 Halbsatz 2 SGB XII). Die Härtefallregelung knüpft nach Wortlaut und Systematik an die Gewährung von Überbrückungsleistungen an und erlaubt im Einzelfall ihre Modifizierung im Hinblick auf Art, Umfang und Dauer der Leistungsgewährung (so zutreffend SG Dortmund, Beschluss vom 31. Januar 2017 – S 62 SO 628/16 ER –, juris, Rn. 44; vgl. auch die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 13. Oktober 2016, Drucks. 587/16, S. 11). Sie stellt sicher, dass innerhalb der Leistungsfrist von einem Monat – des Zeitraums der Gewährung von Überbrückungsleistungen – auch über das gewährte Niveau der vorgesehenen Überbrückungsleistungen hinausgehende Bedarfe wie zum Beispiel für Kleidung gedeckt werden können, soweit dies im Einzelfall zur Überwindung einer besonderen Härte erforderlich ist (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Ebenso können bei Vorliegen besonderer Umstände Bedarfe, die entstehen, soweit im Einzelfall eine Ausreise binnen eines Monats nicht möglich oder zumutbar ist (z. B. krankheitsbedingte Reiseunfähigkeit), gedeckt werden (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Es handelt sich bei der Härtefallregelung mithin um eine Bestimmung, die lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände eingreift, um im Einzelfall für einen begrenzten Zeitraum unzumutbare Härten zu vermeiden, nicht um eine Regelung, mit der ein dauerhafter Leistungsbezug ermöglich wird (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, a. a. O., S. 11). Wie bereits dargelegt, erstrebt die Antragstellerin im vorliegenden Fall nicht die Gewährung von Überbrückungsleistungen; sie beabsichtigt nicht die Ausreise. Dementsprechend ist auch kein auf die Gewährung von – die Überbrückungsleistungen modifizierenden bzw. verlängernden – Leistungen nach der Härtefallregelung gerichtetes Begehren zu erkennen.

Für den Zeitraum vom 7. Dezember 2016 (Antragseingang) bis einschließlich 28. Dezember 2016 (Tag vor Inkrafttreten des AuslPersGrSiuSHRegG) fehlt es jedenfalls an einem Anordnungsgrund. Anhaltspunkte dafür, dass gerade die Verpflich-tung des Antragsgegners zur Gewährung von Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt für einen derart kurzen und in der Vergangenheit liegenden Zeitraum zur Abwendung wesentlicher Nachteilen nötig bzw. überhaupt nur geeignet wäre, sind nicht ersichtlich.

Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Der Antragstellerin war für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu gewähren, weil sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht aufbringen kann und die Rechtsverfolgung im Hinblick darauf, dass es sich um schwierige, höchstrichterlich nicht geklärte Rechtsfragen nach einer aktuellen Gesetzesänderung gehandelt hat, hinreichende Aussicht auf Erfolg bot und nicht mutwillig erschien (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 114 Abs. 1 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde zum Bundessozialgericht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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