L 18 R 952/16

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
18
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 14 R 733/15
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 952/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Klägerin wird wegen der Versäumung der Berufungsfrist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.

Gründe:

I.

Das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 21.9.2016 wurde der Klägerin ausweislich der bei den Akten befindlichen Zustellungsurkunde am 27.9.2016 durch Einlegung in ihren Briefkasten zugestellt.

Ihre unter dem 24.10.2016 gefertigte, per Einschreiben versandte Berufungsschrift ist ausweislich des aufgebrachten Posteingangsstempels am Montag, dem 31.10.2016 beim erkennenden Berufungsgericht eingegangen. Auf dem bei den Akten befindlichen Briefumschlag ist (wohl, da nicht sicher lesbar) der Poststempel des 25.10.2016 aufgebracht. Aus dem von der Klägerin nachträglich in Kopie vorgelegten Einlieferungsschein ergibt sich, dass sie das Einschreiben am 25.10.2016 um 11.16 Uhr bei der Deutschen Post AG in Datteln eingeliefert hat.

II.

Der Klägerin ist von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 67 Abs 1, Abs 2 Satz 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG).

Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Verfahrensfrist einzuhalten, so ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren. Ist die versäumte Rechtshandlung bereits nachgeholt, kann die Wiedereinsetzung von Amts wegen ("auch ohne Antrag") gewährt werden.

Das Urteil des SG Gelsenkirchen wurde der Klägerin rechtswirksam am Dienstag, dem 27.9.2016 zugestellt, §§ 63 Abs 2 Satz 1 SGG, 180 Zivilprozessordnung. Die einmonatige Berufungsfrist lief somit am Donnerstag, dem 27.10.2016 um 24 Uhr ab, §§ 151 Abs 1, 64 Abs 2 Satz 1 SGG. Diese Frist hat die Klägerin (objektiv) nicht eingehalten, da ihre Berufungsschrift nachweislich erst am 31.10.2016 einging. Sie hat die Frist jedoch ohne Verschulden versäumt, weil sie die Berufungsschrift rechtzeitig am Dienstag, dem 25.10.2016 um 11.16 Uhr zur Post gegeben hatte.

Die Klägerin konnte und durfte darauf vertrauen, dass die Berufungsschrift am folgenden Werktag, dem 26.10.2016, und mithin rechtzeitig an den Adressaten, das Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, ausgeliefert wird. Die verspätete Auslieferung beruht ausschließlich auf dem Verschulden des ausliefernden Unternehmens, der Deutsche Post AG, und ist der Klägerin weder anzulasten noch sonst zuzurechnen.

Gemäß § 2 Nr 3 der seit dem 1.1.1998 geltenden Post - Universaldienstleistungsverordnung (PUDLV) vom 15.12.1999 müssen von den an einem Werktag eingelieferten inländischen Briefsendungen (zu denen auch Einschreibsendungen gehören, § 1 Abs 2 Nr 1 PUDLV) mindestens 80 % an dem ersten auf den Einlieferungstag folgenden Werktag [ ] ausgeliefert werden. Auch nach Inkrafttreten dieser (auf der europäischen Richtlinie 97/67/EG beruhenden) Vorschrift darf der Einlieferer einer Briefsendung darauf vertrauen, dass eine rechtzeitig am Vortag eingelieferte Einschreibsendung am folgenden Werktag ausgeliefert/zugestellt wird (BFH, Beschluss vom 08. Mai 2006 - VII B 219/05 -; BGH, Beschluss vom 20. Mai 2009 - IV ZB 2/08 -, in: MDR 2009, 1128f). Jedenfalls eine am Vortag um 11.16 Uhr eingelieferte Einschreibsendung ist in diesem Sinne rechtzeitig eingeliefert. Der Einlieferer darf sich darauf verlassen, dass sie am folgenden Werktag ausgeliefert wird, ohne Rechtsnachteile nur deshalb befürchten zu müssen, weil er eine ihm eingeräumte Frist weitgehend ausgeschöpft hat. Kommt es wider Erwarten nicht zur Auslieferung am folgenden Werktag, beruht dies auf einem Verschulden des Postunternehmens, mit dem der Einlieferer nicht rechnen konnte bzw. musste und das ihm deshalb nicht zuzurechnen ist (vgl dazu grundsätzlich: BVerfG, Kammerbeschluss vom 29. Dezember 1994 - 2 BvR 106/93 - Rdnrn 15-19 in: NJW 1995, 1210ff; BGH, aaO, mwN).

Rechtsfolge der Wiedereinsetzung ist, dass die rechtzeitige Einlegung der Berufung fingiert wird.

Diese Entscheidung, die mit Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter als Einzelrichter erfolgt (§ 153 Abs 4 iVm Abs 3 SGG), ist unanfechtbar, § 67 Abs 4 Satz 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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