Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3569/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1029/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 75 Abs. 5 SGG (Verurteilung eines Beigeladenen) ist nur im Falle der unechten notwendigen Beiladung anwendbar, nicht im Falle der echten notwendigen Beiladung.
Eine hilfsweise beantragte Verurteilung des (echten notwendig) Beigeladenen stellt einen (hilfsweisen) Beteiligtenwechsel dar und ist nach den Kriterien der Klageänderung zu beurteilen.
Eine hilfsweise beantragte Verurteilung des (echten notwendig) Beigeladenen stellt einen (hilfsweisen) Beteiligtenwechsel dar und ist nach den Kriterien der Klageänderung zu beurteilen.
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.02.2015 wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Beigeladene als für ihr Unternehmen zuständigen Unfallversicherungsträger.
Die Klägerin wurde im Juli 2005 als Integrationsprojekt i.S. des § 132 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und ist als gemeinnützig anerkannt. Alleinige Gesellschafterin ist die S. D. , Gemeinnützige Werkstätten und Wohnheime für behinderte Menschen GmbH, die vom Landkreis F. und den Lebenshilfevereinen F. und H./S. getragen wird und die selbst behinderte Menschen in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Einrichtung, Unterhaltung und der Betrieb von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte, deren Eingliederung in eine sonstige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht möglich ist. Der Schwerpunkt der Arbeitsplätze wird im Fachbereich mechanische Fertigung angeboten, wobei verschiedene Metalle verarbeitet werden. Dabei werden die Verfahren Fräsen, Drehen, Entgraten, Sägen, Schleifen, galvanische Oberflächenbehandlung eingesetzt und teilweise wird Montage durchgeführt.
Die Klägerin war zunächst wegen der Metallverarbeitung Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen (künftig einheitlich: Beigeladene). Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 16.12.2008 stellte die Beigeladene gegenüber der Klägerin und in Absprache mit der Beklagten die Zuständigkeit der Beklagten als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und das Ende der Zugehörigkeit zu ihrer Berufsgenossenschaft fest. Hintergrund war die Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um einen Integrationsbetrieb handelt und die Beklagte auch für die alleinige Gesellschafterin der Klägerin als Einrichtung der Wohlfahrtspflege zuständig ist. Entsprechend stellte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.02.2009 ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin fest. In der Folge veranlagte die Beklagte die Klägerin nach ihrem Gefahrtarif.
Im Januar 2013 beantragte die Klägerin die Zuständigkeit zu überprüfen und begehrte in der Folge einen Wechsel zur Beigeladenen. Eine Änderung der Verhältnisse seit der Aufnahme in die Zuständigkeit der Beklagten verneinte sie ausdrücklich (Bl. 74 VA). Mit Bescheid vom 06.08.2013 lehnte die Beklagte die Überweisung der Klägerin an die Beigeladene ab. Den hiergegen am 10.09.2013 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit der Klägerin am 25.11.2013 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 zurück. Sie ging davon aus, dass der Widerspruch zu spät eingelegt war, weil - so die Ausführungen - der Bescheid vom 06.08.2013 am 09.08.2013 als bekanntgegeben gelte, weshalb die Widerspruchsfrist am 09.09.2013 abgelaufen sei. Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet.
Am 23.12.2013 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben. Sie hat ausgeführt, der Bescheid vom 06.08.2013 sei ihr erst am 12.08.2013 zugegangen und im Verlaufe des Rechtsstreits geltend gemacht, dass die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 8/04 R in SozR 4-2700 § 136 Nr. 1) nicht einschlägig sei. Anders als vom BSG angenommen, sei im vorliegenden Fall vor der Überweisung die Zuständigkeit nicht geprüft worden. Zugleich hat sie hilfsweise die Verurteilung der Beigeladenen zur Rücknahme des Überweisungsbescheides vom 16.12.2008 mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt. Die Beklagte ist diesem Hilfsantrag entgegengetreten, die Beigeladene hat sich hierzu im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert.
Mit Urteil vom 09.02.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Überweisung an einen anderen Unfallversicherungsträger hat es § 136 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) angesehen, wonach der Unfallversicherungsträger das Unternehmen dem zuständigen Unfallversicherungsträger überweist, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war oder sich geändert hat. Eine derartige Änderung hat es verneint und eine Anwendung von § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII wegen anfänglicher Unrichtigkeit bereits deswegen abgelehnt, weil die Zuständigkeit der Beklagten auf einer Überweisung durch die Beigeladene beruhe, es insoweit an einer erstmaligen Aufnahme im Sinne der gesetzlichen Regelung fehle. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.04.2005, a.a.O.) müsse es dann bei der bindend erfolgten Zuweisung bleiben. Den gestellten Hilfsantrag hat es als unzulässig abgesehen. Zwar handle es sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht um eine Klageänderung, jedoch sei die geänderte Klage unzulässig, da es an einem vorherigen Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Rücknahme nach § 44 SGB X fehle.
Gegen das ihr am 19.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.03.2015 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass das von der Beklagten und dem Sozialgericht angeführte Urteil des Bundessozialgerichts nicht einschlägig ist und sie hält den gestellten Hilfsantrag für zulässig, weil im Rahmen des § 75 Abs. 5 SGG die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch die Beigeladene nicht erforderlich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.02.2015 und den Bescheid vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie an die Beigeladene zu überweisen.
hilfsweise, die Beigeladene zu verurteilen, den Überweisungsbescheid vom 16.12.2008 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil in Bezug auf die Hauptsache für zutreffend, sich selbst für zuständig für die Klägerin und in Bezug auf den Hilfsantrag die Voraussetzungen des § 99 Abs. 3 SGG nicht für gegeben und die damit vorliegende Klageänderung für unzulässig.
Die Beigeladene stellt keinen formellen Antrag, wendet sich inhaltlich aber gegen ihre, von der Klägerin beantragte hilfsweise Verurteilung zur Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 und sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, dass die Klägerin die Widerspruchsfrist nicht versäumte, weil ihr der Bescheid vom 06.08.2013 erst am 12.08.2013 zuging, sowie zutreffend die rechtliche Grundlage für das von der Klägerin in erster Linie geltend gemachte prozessuale Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Überweisung ihres Unternehmens an die Beigeladene dargestellt (§ 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII) und ebenso zutreffend danach differenziert, ob die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war (§ 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII) oder sich die Zuständigkeit änderte (§ 136 Abs. 1 Satz 4 zweite Alternative SGB VII) und letzteres - entsprechend den eigenen Angaben der Klägerin - zutreffend verneint. Darüber hinaus hat das Sozialgericht den Anwendungsbereich des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII in Bezug auf eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit verneint, weil diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.04.2005, a.a.O.) nur die erstmalige Aufnahme eines Unternehmens bei einer Berufsgenossenschaft (BG) betrifft und damit nicht jene Fälle, in denen die aktuelle Zuständigkeit bereits auf einer Überweisung durch eine andere BG beruht. Dann soll es - so das BSG im genannten Urteil ausdrücklich - damit sein Bewenden haben. Der Senat sieht daher in Bezug auf den Hauptantrag der Klägerin von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist diese höchstrichterliche Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Behauptung der Klägerin, vor Erlass des Überweisungsbescheides vom 16.12.2008 sei die Zuständigkeit nicht geprüft worden, entbehrt jeglicher Grundlage. So ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Akten, dass eine Prüfung der Zuständigkeit sowohl von der Beigeladenen als auch von der daraufhin angegangenen Beklagten vorgenommen wurde (vgl. Bl. 4, 7, 8, 9, 11, 12 VA). Zutreffend hat die Beklagte im Übrigen bereits im Klageverfahren insoweit darauf hingewiesen, dass das BSG im genannten Urteil gerade nicht darauf abgestellt hat, in welchem Umfang und mit welcher Dichte die beteiligten BGen die sachliche Zuständigkeit prüften. Tatsächlich hat das BSG auch nichts Näheres zu der im dortigen Fall im Jahre 1953 erfolgten Überweisung und der zuvor durchgeführten Prüfung festgestellt, sondern nur mitgeteilt, dass sich das Unternehmen und beide in Rede stehenden BGen auf die Zuständigkeit geeinigt hätten. Dementsprechend ist im weiteren Text des Urteils nur die Rede davon, dass "im Rahmen der Überweisungsentscheidung in der Regel sowohl die Überweisende als auch die die Zuständigkeit übernehmende BG die Zuständigkeitsvoraussetzungen geprüft und geklärt haben". Damit stellt das BSG erkennbar auf einen Regelfall der Prüfung der Zuständigkeit ab, ohne dies zur Voraussetzung der Auslegung des § 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII zu machen.
Im Ergebnis verbleibt es somit dabei, dass eine Rücküberweisung wegen Unrichtigkeit der früheren Überweisung nach dem Gesetz ausgeschlossen ist. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - die Beklagte für ihr Unternehmen sachlich nicht zuständig ist (diese Zuständigkeit in einem vergleichbar gelagerten Fall - andere Tochtergesellschaft, nämlich Fachbereich Landschaftsbau/-pflege der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin - mit ausführlicher Begründung aber bejahend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016, L 9 U 1028/15, in juris, rechtskräftig nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG mit Beschluss vom 21.06.2016, B 2 U 54/16 B).
Das Sozialgericht hat im Ergebnis auch zu Recht das hilfsweise Begehren der Klägerin auf Verurteilung der Beigeladenen zur Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 abgewiesen.
Die hilfsweise Verurteilung der Beigeladenen beantragt die Klägerin - dies hat sie im Berufungsverfahren hinreichend klargestellt - in erster Linie im Rahmen des § 75 Abs. 5 SGG. Sie trägt damit den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Rechnung, wonach eine Erweiterung des prozessualen Begehrens in Form einer Einbeziehung der Beigeladenen als Beklagte (anstelle der bisherigen Beklagten, sog. Beteiligtenwechsel) mangels vorangegangenen Verwaltungsverfahrens in Bezug auf § 44 SGB X unzulässig ist (hierzu noch später).
Indessen beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 75 Abs. 5 SGG. Nach dieser Vorschrift kann ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Dabei ist - wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat - nicht erforderlich, dass der beigeladene Versicherungsträger zuvor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 75 Rdnr. 18b m.w.N., wo allerdings irreführenderweise der durch § 78 SGG anderweitig definierte Begriff des Vorverfahrens benutzt wird) und den angefochtenen Bescheid erlassen hat (BSG, Urteil vom 30.06.2006, B 2 U 19/08 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 13). In Bezug auf § 75 Abs. 5 SGG stellt sich die Problematik der Zulässigkeit einer Klageänderung von vornherein nicht. Die Regelung erlaubt aus prozessökonomischen Gründen anstelle des Beklagten den tatsächlich zuständigen Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen (BSG, Urteil vom 30.06.2006, a.a.O.), ohne insoweit auf die Regelungen zur Klageänderung in § 99 SGG zu verweisen. Indessen gilt § 75 Abs. 5 SGG nicht für jede beliebige Rechtsverfolgung.
§ 75 Abs. 5 SGG bezieht sich inhaltlich auf § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG, wonach die Beiladung zu erfolgen hat, wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt (sog. unechte notwendige Beiladung im Gegensatz zur notwendigen Beiladung nach der ersten Alternative, wenn die gerichtliche Entscheidung einem am streitigen Rechtsverhältnis beteiligten Dritten gegenüber nur einheitlich ergehen kann). § 75 Abs. 5 SGG gibt seinem Sinn und Zweck nach den Gerichten aus prozessökonomischen Gründen in Fällen der unechten notwendigen Beiladung die Befugnis, anstelle des nicht passiv legitimierten (nicht zuständigen) Beklagten den in Wahrheit leistungspflichtigen Träger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (BSG, Urteil vom 13.07.2010, B 8 SO 14/09 R in SozR 4-4200 § 16 Nr. 5). Indessen liegt ein Fall der unechten notwendigen Beiladung i.S. des § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG nicht vor. Denn es geht im vorliegenden Rechtsstreit nicht um Leistungspflichten, für die mehrere Leistungsträger in Betracht kommen, sondern um die Frage, welcher von zwei in Betracht kommenden Versicherungsträgern für die Versicherung des Unternehmens der Klägerin zuständig ist, wobei diese Entscheidung gegenüber beiden Versicherungsträgern nur einheitlich ergehen kann; entsprechend liegt ein Fall der echten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 erste Alternative SGG vor, für die § 75 Abs. 5 SGG gerade nicht gilt.
Darüber hinaus muss bei Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG der streitige Anspruch gegen den Beklagten bzw. Beigeladenen in Wechselwirkung stehen, also entweder gegen den Beklagten oder gegen den Beigeladenen bestehen (s. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 18 m.w.N.). Gerade eine solche Wechselwirkung liegt hier nicht vor. Im Verhältnis zur Beklagten macht die Klägerin einen Überweisungsanspruch nach § 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII geltend, gegenüber der Beigeladenen dagegen einen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Überweisungsbescheides nach § 44 SGB X. Es handelt sich um im Anspruchsgrund und in den Rechtsfolgen unterschiedliche Ansprüche. Selbst wenn für eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG nicht stets inhaltlich derselbe Anspruch verlangt wird (BSG, Urteil vom 15.11.1979, 11 RA 9/79 in SozR 5090 § 6 Nr. 4), müssen sich die geltend gemachten Ansprüche gegenseitig ausschließen (BSG, a.a.O.). Geht man mit der Klägerin davon aus, dass § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII keine abschließende Sondervorschrift zu den §§ 44 ff. SGB X ist, würden beide Regelungsbereiche nebeneinander bestehen: § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII würde die Änderung der Zuständigkeit für die Zukunft ermöglichen, § 44 SGB X die Durchbrechung der Bestandskraft bisheriger Bescheide, insbesondere über die Feststellung der Zuständigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) bzw. - wie vorliegend - einer früheren Überweisung, auch für die Vergangenheit. Sie würden sich dann nicht gegenseitig ausschließen. Geht man vom Charakter des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII als abschließende Sonderregelung zu den §§ 44 ff. SGB X aus, bliebe für das hilfsweise Begehren der Klägerin von vornherein kein Raum.
Darüber hinaus macht die Klägerin in Bezug auf den Hilfsantrag ausdrücklich auch eine "hilfsweise Klageerweiterung" geltend. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht dies dahingehend gewürdigt, dass damit die Beigeladene - was den Hilfsantrag insoweit anbelangt, also unabhängig von § 75 Abs. 5 SGG - zur Beklagten wird (BSG, Urteil vom 15.1.1979, 11 RA 9/79 in SozR 5090 § 6 Nr. 4). Mit dem Hilfsantrag i.S. einer Klageänderung kehrt die Klägerin somit die prozessuale Stellung der Beklagten und der Beigeladenen um: An die Stelle der Beklagten tritt die Beigeladene, nunmehr als Beklagte, und an die Stelle der Beigeladenen tritt die Beklagte, weil sie im Falle einer Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 unmittelbar betroffen wäre, da sie dann ihre Zuständigkeit für die Klägerin verlöre (Fall der echten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 erste Alternative SGG). Allerdings hat der Senat von einer entsprechenden Korrektur des Rubrums zum Erhalt der Klarheit abgesehen und er verwendet die bisherigen Beteiligtenbezeichnungen des Hauptantrages auch für die Prüfung des Hilfsantrages im Rahmen der erklärten "Klageerweiterung" (ebenso das BSG im Urteil vom 15.11.1979, a.a.O.).
Ein derartiger Beklagtenwechsel stellt eine Klageänderung i.S. des § 99 Abs. 1 SGG dar und ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht nach § 99 Abs. 3 SGG zu beurteilen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 6). Zwar ist es nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Diese Voraussetzungen liegen indessen - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht vor. Zwar wäre das Ergebnis, nämlich die Herbeiführung der Zuständigkeit der Beigeladenen, mit dem Hauptantrag im Wesentlichen identisch. Indessen wird mit dem Hilfsantrag nicht mehr eine Verurteilung der Klägerin, sondern der Beigeladenen begehrt und rechtliche Grundlage dieses Begehrens ist - anders als im Verhältnis zur Beklagten - § 44 SGB X mit dem Ziel der Durchbrechung einer Bestandskraft des Bescheides vom 16.12.2008.
Diese Klageänderung ist unzulässig. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nachdem die übrigen Beteiligten in die Änderung der Klage nicht im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG eingewilligt haben - die Beklagte hat ihr bereits in erster Instanz widersprochen -, wäre die Änderung der Klage nur zulässig, wenn sie sachdienlich wäre. Dies verneint der Senat, weil die geänderte Klage - was das Sozialgericht zutreffend erkannt hat - unzulässig wäre, da kein Verwaltungsverfahren betreffend die Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 nach § 44 SGB X durchgeführt worden ist. Damit fehlt es für die Inanspruchnahme der Beigeladenen bereits an einem anfechtbaren Verwaltungsakt über das Begehren auf Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008. Entsprechend könnte die Klägerin auch - mangels Klagebefugnis (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 2/14 R in SozR 4-2400 § 27 Nr. 7) - keine Anfechtungsklage erheben. Eine reine Verpflichtungsklage, also ohne vorherige Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts, ist unzulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 54 Rdnr. 20; zur Verpflichtungsklage und Leistungsklage s. BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris und Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; zur Feststellungsklage BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R, juris). Denn Voraussetzung für eine solche Klage ist, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren entschied (BSG, Urteil vom 17.12.2015, a.a.O.; Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 16.11.2005, a.a.O.). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller, a.a.O., Rdnrn. 21, 39b).
Soweit die Klägerin all dies bestreitet und die Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens angesichts der Einlassungen der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit für eine "bloße Förmelei" hält, verkennt sie die gesetzgeberischen Grundentscheidungen nach dem SGB X und dem SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Hier besteht Anlass, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, wie dies auch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil - allerdings ohne dies ausdrücklich auszusprechen - getan hat. Denn mit der Klageerweiterung auf die Beigeladene hat die Klägerin die Beigeladene gezwungen, sich inhaltlich gegen dieses prozessuale Begehren zu wenden, auch wenn diese von einer formellen Antragstellung abgesehen hat. Zur Klarstellung hat der Senat den Kostentenor für beide Rechtszüge entsprechend gefasst.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, einschließlich der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Beigeladene als für ihr Unternehmen zuständigen Unfallversicherungsträger.
Die Klägerin wurde im Juli 2005 als Integrationsprojekt i.S. des § 132 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegründet und ist als gemeinnützig anerkannt. Alleinige Gesellschafterin ist die S. D. , Gemeinnützige Werkstätten und Wohnheime für behinderte Menschen GmbH, die vom Landkreis F. und den Lebenshilfevereinen F. und H./S. getragen wird und die selbst behinderte Menschen in verschiedenen Bereichen beschäftigt. Gegenstand des Unternehmens der Klägerin ist die Einrichtung, Unterhaltung und der Betrieb von Arbeitsplätzen für Schwerbehinderte, deren Eingliederung in eine sonstige Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auf Grund von Art oder Schwere ihrer Behinderung nicht möglich ist. Der Schwerpunkt der Arbeitsplätze wird im Fachbereich mechanische Fertigung angeboten, wobei verschiedene Metalle verarbeitet werden. Dabei werden die Verfahren Fräsen, Drehen, Entgraten, Sägen, Schleifen, galvanische Oberflächenbehandlung eingesetzt und teilweise wird Montage durchgeführt.
Die Klägerin war zunächst wegen der Metallverarbeitung Mitglied der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen (künftig einheitlich: Beigeladene). Mit bestandskräftig gewordenem Bescheid vom 16.12.2008 stellte die Beigeladene gegenüber der Klägerin und in Absprache mit der Beklagten die Zuständigkeit der Beklagten als Träger der gesetzlichen Unfallversicherung und das Ende der Zugehörigkeit zu ihrer Berufsgenossenschaft fest. Hintergrund war die Tatsache, dass es sich bei der Klägerin um einen Integrationsbetrieb handelt und die Beklagte auch für die alleinige Gesellschafterin der Klägerin als Einrichtung der Wohlfahrtspflege zuständig ist. Entsprechend stellte die Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 10.02.2009 ihre Zuständigkeit für das Unternehmen der Klägerin fest. In der Folge veranlagte die Beklagte die Klägerin nach ihrem Gefahrtarif.
Im Januar 2013 beantragte die Klägerin die Zuständigkeit zu überprüfen und begehrte in der Folge einen Wechsel zur Beigeladenen. Eine Änderung der Verhältnisse seit der Aufnahme in die Zuständigkeit der Beklagten verneinte sie ausdrücklich (Bl. 74 VA). Mit Bescheid vom 06.08.2013 lehnte die Beklagte die Überweisung der Klägerin an die Beigeladene ab. Den hiergegen am 10.09.2013 eingelegten Widerspruch wies die Beklagte mit der Klägerin am 25.11.2013 zugegangenem Widerspruchsbescheid vom 19.11.2013 zurück. Sie ging davon aus, dass der Widerspruch zu spät eingelegt war, weil - so die Ausführungen - der Bescheid vom 06.08.2013 am 09.08.2013 als bekanntgegeben gelte, weshalb die Widerspruchsfrist am 09.09.2013 abgelaufen sei. Im Übrigen sei der Widerspruch auch unbegründet.
Am 23.12.2013 hat die Klägerin hiergegen Klage beim Sozialgericht Reutlingen erhoben. Sie hat ausgeführt, der Bescheid vom 06.08.2013 sei ihr erst am 12.08.2013 zugegangen und im Verlaufe des Rechtsstreits geltend gemacht, dass die von der Beklagten angeführte Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes (Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 8/04 R in SozR 4-2700 § 136 Nr. 1) nicht einschlägig sei. Anders als vom BSG angenommen, sei im vorliegenden Fall vor der Überweisung die Zuständigkeit nicht geprüft worden. Zugleich hat sie hilfsweise die Verurteilung der Beigeladenen zur Rücknahme des Überweisungsbescheides vom 16.12.2008 mit Wirkung für die Vergangenheit nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) begehrt. Die Beklagte ist diesem Hilfsantrag entgegengetreten, die Beigeladene hat sich hierzu im erstinstanzlichen Verfahren nicht geäußert.
Mit Urteil vom 09.02.2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Als Rechtsgrundlage für einen Anspruch auf Überweisung an einen anderen Unfallversicherungsträger hat es § 136 Abs. 1 Satz 4 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) angesehen, wonach der Unfallversicherungsträger das Unternehmen dem zuständigen Unfallversicherungsträger überweist, wenn die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war oder sich geändert hat. Eine derartige Änderung hat es verneint und eine Anwendung von § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII wegen anfänglicher Unrichtigkeit bereits deswegen abgelehnt, weil die Zuständigkeit der Beklagten auf einer Überweisung durch die Beigeladene beruhe, es insoweit an einer erstmaligen Aufnahme im Sinne der gesetzlichen Regelung fehle. Entsprechend der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.04.2005, a.a.O.) müsse es dann bei der bindend erfolgten Zuweisung bleiben. Den gestellten Hilfsantrag hat es als unzulässig abgesehen. Zwar handle es sich nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nicht um eine Klageänderung, jedoch sei die geänderte Klage unzulässig, da es an einem vorherigen Verwaltungsverfahren in Bezug auf die Rücknahme nach § 44 SGB X fehle.
Gegen das ihr am 19.02.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 19.03.2015 Berufung eingelegt. Sie ist weiterhin der Auffassung, dass das von der Beklagten und dem Sozialgericht angeführte Urteil des Bundessozialgerichts nicht einschlägig ist und sie hält den gestellten Hilfsantrag für zulässig, weil im Rahmen des § 75 Abs. 5 SGG die Durchführung eines Verwaltungsverfahrens durch die Beigeladene nicht erforderlich sei.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 09.02.2015 und den Bescheid vom 06.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, sie an die Beigeladene zu überweisen.
hilfsweise, die Beigeladene zu verurteilen, den Überweisungsbescheid vom 16.12.2008 mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil in Bezug auf die Hauptsache für zutreffend, sich selbst für zuständig für die Klägerin und in Bezug auf den Hilfsantrag die Voraussetzungen des § 99 Abs. 3 SGG nicht für gegeben und die damit vorliegende Klageänderung für unzulässig.
Die Beigeladene stellt keinen formellen Antrag, wendet sich inhaltlich aber gegen ihre, von der Klägerin beantragte hilfsweise Verurteilung zur Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 und sie hält den angefochtenen Bescheid für rechtmäßig.
Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß den §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.
Das Sozialgericht hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend dargelegt, dass die Klägerin die Widerspruchsfrist nicht versäumte, weil ihr der Bescheid vom 06.08.2013 erst am 12.08.2013 zuging, sowie zutreffend die rechtliche Grundlage für das von der Klägerin in erster Linie geltend gemachte prozessuale Begehren auf Verurteilung der Beklagten zur Überweisung ihres Unternehmens an die Beigeladene dargestellt (§ 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII) und ebenso zutreffend danach differenziert, ob die Feststellung der Zuständigkeit für ein Unternehmen von Anfang an unrichtig war (§ 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII) oder sich die Zuständigkeit änderte (§ 136 Abs. 1 Satz 4 zweite Alternative SGB VII) und letzteres - entsprechend den eigenen Angaben der Klägerin - zutreffend verneint. Darüber hinaus hat das Sozialgericht den Anwendungsbereich des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII in Bezug auf eine von Anfang an bestehende Unrichtigkeit verneint, weil diese Vorschrift nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 12.04.2005, a.a.O.) nur die erstmalige Aufnahme eines Unternehmens bei einer Berufsgenossenschaft (BG) betrifft und damit nicht jene Fälle, in denen die aktuelle Zuständigkeit bereits auf einer Überweisung durch eine andere BG beruht. Dann soll es - so das BSG im genannten Urteil ausdrücklich - damit sein Bewenden haben. Der Senat sieht daher in Bezug auf den Hauptantrag der Klägerin von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.
Entgegen der Ansicht der Klägerin ist diese höchstrichterliche Rechtsprechung auch auf den vorliegenden Fall anzuwenden. Die Behauptung der Klägerin, vor Erlass des Überweisungsbescheides vom 16.12.2008 sei die Zuständigkeit nicht geprüft worden, entbehrt jeglicher Grundlage. So ergibt sich aus den von der Beklagten vorgelegten Akten, dass eine Prüfung der Zuständigkeit sowohl von der Beigeladenen als auch von der daraufhin angegangenen Beklagten vorgenommen wurde (vgl. Bl. 4, 7, 8, 9, 11, 12 VA). Zutreffend hat die Beklagte im Übrigen bereits im Klageverfahren insoweit darauf hingewiesen, dass das BSG im genannten Urteil gerade nicht darauf abgestellt hat, in welchem Umfang und mit welcher Dichte die beteiligten BGen die sachliche Zuständigkeit prüften. Tatsächlich hat das BSG auch nichts Näheres zu der im dortigen Fall im Jahre 1953 erfolgten Überweisung und der zuvor durchgeführten Prüfung festgestellt, sondern nur mitgeteilt, dass sich das Unternehmen und beide in Rede stehenden BGen auf die Zuständigkeit geeinigt hätten. Dementsprechend ist im weiteren Text des Urteils nur die Rede davon, dass "im Rahmen der Überweisungsentscheidung in der Regel sowohl die Überweisende als auch die die Zuständigkeit übernehmende BG die Zuständigkeitsvoraussetzungen geprüft und geklärt haben". Damit stellt das BSG erkennbar auf einen Regelfall der Prüfung der Zuständigkeit ab, ohne dies zur Voraussetzung der Auslegung des § 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII zu machen.
Im Ergebnis verbleibt es somit dabei, dass eine Rücküberweisung wegen Unrichtigkeit der früheren Überweisung nach dem Gesetz ausgeschlossen ist. Dementsprechend kommt es auch nicht darauf an, ob - wie die Klägerin behauptet - die Beklagte für ihr Unternehmen sachlich nicht zuständig ist (diese Zuständigkeit in einem vergleichbar gelagerten Fall - andere Tochtergesellschaft, nämlich Fachbereich Landschaftsbau/-pflege der alleinigen Gesellschafterin der Klägerin - mit ausführlicher Begründung aber bejahend: Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 19.01.2016, L 9 U 1028/15, in juris, rechtskräftig nach Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das BSG mit Beschluss vom 21.06.2016, B 2 U 54/16 B).
Das Sozialgericht hat im Ergebnis auch zu Recht das hilfsweise Begehren der Klägerin auf Verurteilung der Beigeladenen zur Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 abgewiesen.
Die hilfsweise Verurteilung der Beigeladenen beantragt die Klägerin - dies hat sie im Berufungsverfahren hinreichend klargestellt - in erster Linie im Rahmen des § 75 Abs. 5 SGG. Sie trägt damit den zutreffenden Ausführungen des Sozialgerichts Rechnung, wonach eine Erweiterung des prozessualen Begehrens in Form einer Einbeziehung der Beigeladenen als Beklagte (anstelle der bisherigen Beklagten, sog. Beteiligtenwechsel) mangels vorangegangenen Verwaltungsverfahrens in Bezug auf § 44 SGB X unzulässig ist (hierzu noch später).
Indessen beruft sich die Klägerin zu Unrecht auf § 75 Abs. 5 SGG. Nach dieser Vorschrift kann ein Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land nach Beiladung verurteilt werden. Dabei ist - wie die Klägerin zutreffend dargelegt hat - nicht erforderlich, dass der beigeladene Versicherungsträger zuvor ein Verwaltungsverfahren durchgeführt hat (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 75 Rdnr. 18b m.w.N., wo allerdings irreführenderweise der durch § 78 SGG anderweitig definierte Begriff des Vorverfahrens benutzt wird) und den angefochtenen Bescheid erlassen hat (BSG, Urteil vom 30.06.2006, B 2 U 19/08 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 13). In Bezug auf § 75 Abs. 5 SGG stellt sich die Problematik der Zulässigkeit einer Klageänderung von vornherein nicht. Die Regelung erlaubt aus prozessökonomischen Gründen anstelle des Beklagten den tatsächlich zuständigen Versicherungsträger nach Beiladung zu verurteilen (BSG, Urteil vom 30.06.2006, a.a.O.), ohne insoweit auf die Regelungen zur Klageänderung in § 99 SGG zu verweisen. Indessen gilt § 75 Abs. 5 SGG nicht für jede beliebige Rechtsverfolgung.
§ 75 Abs. 5 SGG bezieht sich inhaltlich auf § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG, wonach die Beiladung zu erfolgen hat, wenn sich im Verfahren ergibt, dass bei der Ablehnung des Anspruchs ein anderer Versicherungsträger, ein Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende, ein Träger der Sozialhilfe oder in Angelegenheiten des sozialen Entschädigungsrechts ein Land als leistungspflichtig in Betracht kommt (sog. unechte notwendige Beiladung im Gegensatz zur notwendigen Beiladung nach der ersten Alternative, wenn die gerichtliche Entscheidung einem am streitigen Rechtsverhältnis beteiligten Dritten gegenüber nur einheitlich ergehen kann). § 75 Abs. 5 SGG gibt seinem Sinn und Zweck nach den Gerichten aus prozessökonomischen Gründen in Fällen der unechten notwendigen Beiladung die Befugnis, anstelle des nicht passiv legitimierten (nicht zuständigen) Beklagten den in Wahrheit leistungspflichtigen Träger nach Beiladung zu verurteilen, um einen neuen Rechtsstreit und die Gefahr sich widersprechender Entscheidungen zu vermeiden (BSG, Urteil vom 13.07.2010, B 8 SO 14/09 R in SozR 4-4200 § 16 Nr. 5). Indessen liegt ein Fall der unechten notwendigen Beiladung i.S. des § 75 Abs. 2 zweite Alternative SGG nicht vor. Denn es geht im vorliegenden Rechtsstreit nicht um Leistungspflichten, für die mehrere Leistungsträger in Betracht kommen, sondern um die Frage, welcher von zwei in Betracht kommenden Versicherungsträgern für die Versicherung des Unternehmens der Klägerin zuständig ist, wobei diese Entscheidung gegenüber beiden Versicherungsträgern nur einheitlich ergehen kann; entsprechend liegt ein Fall der echten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 erste Alternative SGG vor, für die § 75 Abs. 5 SGG gerade nicht gilt.
Darüber hinaus muss bei Anwendung des § 75 Abs. 5 SGG der streitige Anspruch gegen den Beklagten bzw. Beigeladenen in Wechselwirkung stehen, also entweder gegen den Beklagten oder gegen den Beigeladenen bestehen (s. Leitherer, a.a.O., Rdnr. 18 m.w.N.). Gerade eine solche Wechselwirkung liegt hier nicht vor. Im Verhältnis zur Beklagten macht die Klägerin einen Überweisungsanspruch nach § 136 Abs. 1 Satz 4 erste Alternative SGB VII geltend, gegenüber der Beigeladenen dagegen einen Anspruch auf Rücknahme des bestandskräftigen Überweisungsbescheides nach § 44 SGB X. Es handelt sich um im Anspruchsgrund und in den Rechtsfolgen unterschiedliche Ansprüche. Selbst wenn für eine Verurteilung nach § 75 Abs. 5 SGG nicht stets inhaltlich derselbe Anspruch verlangt wird (BSG, Urteil vom 15.11.1979, 11 RA 9/79 in SozR 5090 § 6 Nr. 4), müssen sich die geltend gemachten Ansprüche gegenseitig ausschließen (BSG, a.a.O.). Geht man mit der Klägerin davon aus, dass § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII keine abschließende Sondervorschrift zu den §§ 44 ff. SGB X ist, würden beide Regelungsbereiche nebeneinander bestehen: § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII würde die Änderung der Zuständigkeit für die Zukunft ermöglichen, § 44 SGB X die Durchbrechung der Bestandskraft bisheriger Bescheide, insbesondere über die Feststellung der Zuständigkeit (vgl. § 136 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) bzw. - wie vorliegend - einer früheren Überweisung, auch für die Vergangenheit. Sie würden sich dann nicht gegenseitig ausschließen. Geht man vom Charakter des § 136 Abs. 1 Satz 4 SGB VII als abschließende Sonderregelung zu den §§ 44 ff. SGB X aus, bliebe für das hilfsweise Begehren der Klägerin von vornherein kein Raum.
Darüber hinaus macht die Klägerin in Bezug auf den Hilfsantrag ausdrücklich auch eine "hilfsweise Klageerweiterung" geltend. Zutreffend hat bereits das Sozialgericht dies dahingehend gewürdigt, dass damit die Beigeladene - was den Hilfsantrag insoweit anbelangt, also unabhängig von § 75 Abs. 5 SGG - zur Beklagten wird (BSG, Urteil vom 15.1.1979, 11 RA 9/79 in SozR 5090 § 6 Nr. 4). Mit dem Hilfsantrag i.S. einer Klageänderung kehrt die Klägerin somit die prozessuale Stellung der Beklagten und der Beigeladenen um: An die Stelle der Beklagten tritt die Beigeladene, nunmehr als Beklagte, und an die Stelle der Beigeladenen tritt die Beklagte, weil sie im Falle einer Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 unmittelbar betroffen wäre, da sie dann ihre Zuständigkeit für die Klägerin verlöre (Fall der echten notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 erste Alternative SGG). Allerdings hat der Senat von einer entsprechenden Korrektur des Rubrums zum Erhalt der Klarheit abgesehen und er verwendet die bisherigen Beteiligtenbezeichnungen des Hauptantrages auch für die Prüfung des Hilfsantrages im Rahmen der erklärten "Klageerweiterung" (ebenso das BSG im Urteil vom 15.11.1979, a.a.O.).
Ein derartiger Beklagtenwechsel stellt eine Klageänderung i.S. des § 99 Abs. 1 SGG dar und ist - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht nach § 99 Abs. 3 SGG zu beurteilen (Leitherer, a.a.O., § 99 Rdnr. 6). Zwar ist es nach § 99 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht als eine Änderung der Klage anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird. Diese Voraussetzungen liegen indessen - entgegen der Auffassung des Sozialgerichts - nicht vor. Zwar wäre das Ergebnis, nämlich die Herbeiführung der Zuständigkeit der Beigeladenen, mit dem Hauptantrag im Wesentlichen identisch. Indessen wird mit dem Hilfsantrag nicht mehr eine Verurteilung der Klägerin, sondern der Beigeladenen begehrt und rechtliche Grundlage dieses Begehrens ist - anders als im Verhältnis zur Beklagten - § 44 SGB X mit dem Ziel der Durchbrechung einer Bestandskraft des Bescheides vom 16.12.2008.
Diese Klageänderung ist unzulässig. Nach § 99 Abs. 1 SGG ist eine Änderung der Klage nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Nachdem die übrigen Beteiligten in die Änderung der Klage nicht im Sinne des § 99 Abs. 2 SGG eingewilligt haben - die Beklagte hat ihr bereits in erster Instanz widersprochen -, wäre die Änderung der Klage nur zulässig, wenn sie sachdienlich wäre. Dies verneint der Senat, weil die geänderte Klage - was das Sozialgericht zutreffend erkannt hat - unzulässig wäre, da kein Verwaltungsverfahren betreffend die Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008 nach § 44 SGB X durchgeführt worden ist. Damit fehlt es für die Inanspruchnahme der Beigeladenen bereits an einem anfechtbaren Verwaltungsakt über das Begehren auf Rücknahme des Bescheides vom 16.12.2008. Entsprechend könnte die Klägerin auch - mangels Klagebefugnis (vgl. BSG, Urteil vom 17.12.2015, B 2 U 2/14 R in SozR 4-2400 § 27 Nr. 7) - keine Anfechtungsklage erheben. Eine reine Verpflichtungsklage, also ohne vorherige Ablehnung des begehrten Verwaltungsakts, ist unzulässig (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage, § 54 Rdnr. 20; zur Verpflichtungsklage und Leistungsklage s. BSG, Urteil vom 16.11.2005, B 2 U 28/04 R, juris und Urteil vom 30.10.2007, B 2 U 4/06 R in SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 5; zur Feststellungsklage BSG, Urteil vom 22.06.2004, B 2 U 22/03 R, juris). Denn Voraussetzung für eine solche Klage ist, dass zunächst die Verwaltung mit der Sache befasst war und über das Begehren entschied (BSG, Urteil vom 17.12.2015, a.a.O.; Urteil vom 21.09.2010, B 2 U 25/09 R; Urteil vom 30.10.2007, a.a.O.; Urteil vom 16.11.2005, a.a.O.). Andernfalls fehlt das Rechtsschutzbedürfnis für die Inanspruchnahme gerichtlichen Rechtsschutzes in Form eines derartigen Leistungsbegehrens (Keller, a.a.O., Rdnrn. 21, 39b).
Soweit die Klägerin all dies bestreitet und die Durchführung dieses Verwaltungsverfahrens angesichts der Einlassungen der Beigeladenen im vorliegenden Rechtsstreit für eine "bloße Förmelei" hält, verkennt sie die gesetzgeberischen Grundentscheidungen nach dem SGB X und dem SGG.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) sowie § 162 Abs. 3 VwGO. Nach der letztgenannten Vorschrift sind die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt. Hier besteht Anlass, der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen aufzuerlegen, wie dies auch das Sozialgericht im angefochtenen Urteil - allerdings ohne dies ausdrücklich auszusprechen - getan hat. Denn mit der Klageerweiterung auf die Beigeladene hat die Klägerin die Beigeladene gezwungen, sich inhaltlich gegen dieses prozessuale Begehren zu wenden, auch wenn diese von einer formellen Antragstellung abgesehen hat. Zur Klarstellung hat der Senat den Kostentenor für beide Rechtszüge entsprechend gefasst.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
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Aus
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