L 10 LW 3083/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 9 LW 108/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 LW 3083/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.08.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist ein früherer Beginn der zuerkannten vorzeitigen Altersrente für langjährig Versicherte nach dem Gesetz über die Alterssicherung der Landwirte (ALG).

Die am.1951 geborene Klägerin ist seit dem 23.02.1973 mit einem am 17.09.1950 geborenen Landwirt verheiratet, der ein über der Mindestgröße liegendes landwirtschaftliches Unternehmen betrieb, seit 1963 Beiträge zur Beklagten entrichtete, am 30.06.2012 sein landwirtschaftliches Unternehmen abgab und seit 01.07.2012 Rente von der Beklagten bezieht. Das Versicherungskonto bei der Beklagten weist zu Gunsten der Klägerin Pflichtbeiträge im Zeitraum vom 01.01.1995 bis 31.12.2000 aus. Von Januar 2001 bis Oktober 2004 war die Klägerin von der Versicherungspflicht zur Beklagten befreit. Über die bei ihr gespeicherten Daten des Versicherungsverlaufs unterrichtete die Beklagte die Klägerin im Jahre 2006 (Zusplittungszeiten des Ehemannes vom 01.02.1973 bis 31.12.1995, Pflichtbeiträge der Klägerin vom 01.01.1995 bis 31.12.2000). Die Klägerin entrichtete auch Pflichtbeiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung, zunächst nach dem Angestellten-Versicherungsgesetz (AVG), später nach dem Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), und zwar von April 1966 bis März 1982 (mit wenigen Unterbrechungen wegen Schwangerschaft/Mutterschutz) sowie von Februar 1993 bis September 2011. Hinsichtlich der Einzelheiten dieses Versicherungsverlaufes wird auf Bl. 7/1 ff. der Verwaltungsakten (VA) Bezug genommen.

In der - so die Angaben der Klägerin - Annahme, selbst Anspruch auf Altersrente nach dem ALG zu haben, wenn ihr Ehemann das 65. Lebensjahr vollendet, sprach die Klägerin am 19.08.2015 persönlich bei der Verwaltungsstelle der Beklagten in Buchen vor. Bei dieser Vorsprache erfuhr die Beklagte erstmals von den Pflichtbeitragszeiten der Klägerin in der gesetzlichen Rentenversicherung und die Klägerin von der Möglichkeit der Inanspruchnahme einer vorzeitigen Altersrente für langjährig Versicherte, die sie - die Klägerin - bei dieser Vorsprache beantragte. Mit Bescheid vom 19.10.2015 bewilligte die Beklagte diese Rente mit Wirkung ab dem 01.08.2015 in Höhe von monatlich 309,07 EUR (brutto, Zahlbetrag 276,47 EUR). Sie führte aus, die letzte Anspruchsvoraussetzung sei am 15.09.2014 erfüllt gewesen. Angesichts des im August gestellten Antrages beginne die Rente am 01.08.2015. Der hinsichtlich des Rentenbeginns erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 15.12.2015 zurückgewiesen.

In ihrer hiergegen am 13.01.2016 beim Sozialgericht Mannheim erhobenen Klage hat die Klägerin einen sozialrechtlichen Herstellungsanspruch und damit eine Verletzung von Beratungspflichten durch die Beklagte geltend gemacht. Es hätte genügt, sie angesichts ihres Geburtsdatums rechtzeitig auf einen möglichen Anspruch auf Rente mit Vollendung des 63. Lebensjahres hinzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.08.2016 abgewiesen und ausgeführt, für den Beginn einer Rente verweise § 30 Abs. 1 Satz 1 ALG auf die entsprechenden Vorschriften des SGB VI. Aus § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI ergäbe sich, dass eine Rente nur dann mit dem Kalendermonat, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt würden, beginne, wenn der Rentenantrag bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf dieses Monats gestellt werde. Bei späterer Antragstellung beginne die Rente mit dem Kalendermonat der Antragstellung (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI). So liege es im Falle der Klägerin. Die Anspruchsvoraussetzungen seien zwar mit Vollendung des 63. Lebensjahres zum Beginn des Kalendermonates Oktober 2014 erfüllt gewesen, sie habe jedoch die Rente erst im Laufe des Monats August 2015 beantragt. Ein Beratungsfehler könne der Beklagten nicht angelastet werden. Zwar sehe § 44 Abs. 2 ALG übereinstimmend mit § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI vor, dass die Beklagte gehalten sei, Berechtigte in geeigneten Fällen darauf hinzuweisen, dass sie eine Leistung erhalten könnten, wenn sie diese beantragten. Diese Regelung betreffe allerdings nur Sachverhaltsgestaltungen, in denen es nahe liege, dass die Leistungsberechtigten die Anspruchsvoraussetzungen erfüllten und die Leistung auch in Anspruch nehmen wollten. Diese Beratungspflicht setze somit in jedem Falle voraus, dass der betreffende Personenkreis aus der Gesamtheit der Versicherten anhand bestimmter Merkmale, die sich aus dem Versicherungskonto ergeben würden (unter Einsatz der Mittel einer elektronischen Datenverarbeitung) ohne Weiteres zu identifizieren sei. Dies sei im Fall der vorgezogenen Altersrente regelmäßig nicht der Fall, da es für diese Rentenart nicht nur auf ein bestimmtes Geburtsdatum, sondern zusätzlich auch auf die Zurücklegung weiterer rentenrechtlicher Zeiten ankomme, die nicht ohne Weiteres und zwangsläufig im Datenbestand des Versicherungskontos gespeichert seien. So liege es auch im Falle der Klägerin. Die für die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente maßgebenden Beitrags- bzw. Versicherungszeiten seien nur unter zusätzlicher Berücksichtigung der Zeiten im Versicherungskonto der Deutschen Rentenversicherung erfüllt. Auf diese Daten habe die Beklagte jedoch keinen unmittelbaren Zugriff gehabt.

Hiergegen hat die Klägerin am 16.08.2016 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer Auffassung fest.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 01.08.2016 und den Bescheid vom 19.10.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.12.2015 aufzuheben, und die Beklagte zu verurteilen, ihr auch für die Zeit vom 01.10.2014 bis 31.07.2015 vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und weist nochmals darauf hin, dass es aus den ihr zur Verfügung stehenden Daten im Oktober 2014 nicht erkennbar gewesen sei, dass die Klägerin die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die Rente erfülle. Erst im Rahmen der Antragstellung im August 2015 habe sie hiervon durch Vorlage des Versicherungsverlaufes der Deutschen Rentenversicherung Kenntnis erlangt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist unbegründet.

Rechtsgrundlage für das Begehren der Klägerin auf Verurteilung der Beklagten zur Gewährung einer vorzeitigen Altersrente ist - dem Grunde nach - § 12 Abs. 2 ALG. Danach können Landwirte die Altersrente frühestens ab Vollendung des 65. Lebensjahres vorzeitig in Anspruch nehmen, wenn die Voraussetzung des § 11 Abs. 1 Nr. 3 (Abgabe des landwirtschaftlichen Unternehmens) vorliegt und die Wartezeit von 35 Jahren erfüllt ist. Ergänzend hierzu regelt der mit dem Gesetz über Leistungsverbesserungen in der gesetzlichen Rentenversicherung vom 23.06.2014 (RV-Leistungsverbesserungsgesetz, BGBl. I, 787) eingeführte § 87c ALG (vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte), dass Versicherte, die vor 1964 geboren sind und insgesamt 45 Jahre Zeiten nach § 23 Abs. 8 Satz zweiter Halbsatz zurückgelegt haben, die vorzeitige Altersrente abweichend von § 12 Abs. 2 frühestens mit Vollendung des tabellarisch in Jahren und Monaten dargestellten Lebensalters in Anspruch nehmen können, wobei für Geburtsjahrgänge vor 1953 eine Inanspruchnahme mit 63 Jahren vorgesehen ist. Diese Regelung trat am 01.07.2014 in Kraft (Art. 4 Abs. 1 des RV-Leistungsverbesserungsgesetz).

Auf Grund des insoweit bestandskräftig gewordenen Bescheides vom 19.10.2015 steht für die Beteiligten und den Senat verbindlich fest, dass die Klägerin diese Anspruchsvoraussetzungen ab dem 01.08.2015 erfüllt. Denn mit diesem Bescheid vom 19.10.2015 wurde der Klägerin gerade diese vorzeitige Altersrente für langjährig Versicherte nach § 87c i.V.m. § 12 Abs. 2 ALG ab diesem Zeitpunkt bewilligt.

Dabei gehen die Beteiligten zu Recht davon aus, dass die Klägerin bereits im Zeitpunkt des Inkrafttreten dieses Gesetzes zum 01.07.2014 die entsprechenden versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diese Rente erfüllte. Ihr eigenes Versicherungskonto bei der Beklagten wies zwar lediglich sechs Jahre Pflichtbeiträge aus (72 Monate vom 01.01.1995 bis 31.12.2000). Indessen waren nach § 92 Abs. 1 ALG die Beitragszeiten ihres Ehemannes, nämlich die vom 01.02.1973 bis 31.12.1994 entrichteten Pflichtbeiträge (= 263 Monate = 21 Jahre und 11 Monate) zu berücksichtigen. Allerdings summierten sich diese Beiträge zum 01.07.2014 lediglich auf 335 Monate und damit auf 27 Jahre und 11 Monate. Damit waren die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für die in Rede stehende vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte mit den Beiträgen nach dem ALG alleine nicht erfüllt.

§ 12 Abs. 2 ALG verlangt eine Wartezeit von 35 Jahren. Auf diese Wartezeit werden nach § 17 Abs. 1 Satz 1 ALG Beitragszeiten und damit hier die oben dargelegten 27 Jahre und elf Monate angerechnet. Nach Satz 2 der Regelung werden darüber hinaus Zeiten, für die Pflichtbeiträge nach den Vorschriften des SGB VI gezahlt sind, ebenfalls angerechnet, nicht jedoch, wenn diese Zeiten bereits mit Beiträgen belegt sind oder nur deshalb nicht mit Beiträgen belegt sind, weil der Versicherte von der nach § 1 Abs. 2 ALG bestehenden Versicherungspflicht befreit worden ist. Dementsprechend sind - wovon die Beklagte und die Klägerin ebenfalls zu Recht und übereinstimmend ausgehen - die nach dem SGB VI entrichteten Pflichtbeiträge auf die Wartezeit anzurechnen, mit Ausnahme jenes Zeitraumes, der mit Pflichtbeiträgen nach dem ALG belegt ist oder für den die Klägerin von der Versicherungspflicht befreit war (hier von Januar 2001 bis Oktober 2004). Dementsprechend rechnete die Beklagte (vgl. Bl. 9/7 VA) von den Pflichtbeiträgen nach dem AVG bzw. SGB VI 82 Kalendermonate (betreffend den Zeitraum vom 01.04.1966 bis 31.01.1973) und weitere 83 Kalendermonate (betreffend den Zeitraum vom 01.11.2004 bis 30.09.2011), insgesamt also 165 Kalendermonate (= 13 Jahre und 9 Monate) an. Damit hatte die Klägerin am 01.07.2014, dem Inkrafttreten des den hier in Rede stehenden Anspruch begründenden Gesetzes, insgesamt 500 Kalendermonate mit Beitragszeiten (= 41 Jahre und 8 Monate) aufzuweisen. Die Wartezeit von 35 Jahren war somit erfüllt.

Indessen verlangt § 87c darüber hinaus die Zurücklegung von 45 Jahren Zeiten nach § 23 Abs. 8 Satz 2 zweiter Halbsatz ALG. Diese Regelung erfasst unter anderem Pflichtbeiträge als Landwirt (Nr. 1) und (Nr. 2) Zeiten nach § 51 Abs. 3a und 4 SGB VI, soweit diese Zeiten nicht bereits mit Beiträgen nach Nr. 1 belegt sind. § 51 Abs. 3a Nr. 1 SGB VI sieht insoweit die Berücksichtigung von Pflichtbeiträgen für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit vor. Auf Grund dieser Regelung kommen somit auch jene Pflichtbeiträge nach dem SGB VI zur Anrechnung, die während der Zeit der Befreiung von der Versicherungspflicht nach dem ALG gezahlt wurden, also die im Zeitraum vom 01.01.2001 bis 31.10.2004 entrichteten Pflichtbeiträge (= 46 Monate). Auf die Wartezeit von 45 Jahren waren somit zum 01.07.2014 546 Kalendermonate (= 45 Jahre und 6 Monate) anrechenbar. Somit erfüllte die Klägerin am 01.07.2014 auch die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 87c ALG.

Die letzte Voraussetzung für den Anspruch nach § 87c i.V.m. § 12 Abs. 2 ALG erfüllte die Klägerin somit - auch hiervon gehen die Beteiligten übereinstimmend und zu Recht aus - mit Vollendung ihres 63. Lebensjahres, also im September 2014. Der frühestmögliche Rentenbeginn war somit der 01.10.2014 (§ 30 Abs. 1 ALG i.V.m. § 99 Abs. 1 SGB VI).

Indessen stellte die Klägerin den entsprechenden Rentenantrag erst im August 2015 mit der Folge, dass ihr - ausgehend von diesem Rentenantrag - die Rente auch erst ab 01.08.2015 zustand. Dies hat das Sozialgericht ausführlich und zutreffend in den Gründen des angefochtenen Gerichtsbescheides dargestellt. Der Senat sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung gemäß § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück.

Ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch steht der Klägerin nicht zu.

Das von der Rechtsprechung entwickelte Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches greift im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs ein, wenn ein Leistungsträger durch die Verletzung einer ihm aus dem Sozialleistungsverhältnis obliegenden Haupt- oder Nebenpflicht, insbesondere zur Auskunft und Beratung, nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Rechtsfolgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können. Zwischen der Pflichtverletzung und dem Nachteil für den Betroffenen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen; auf ein Verschulden des Trägers kommt es dagegen nicht an (vgl. BSG, Urteil vom 17.08.2000, B 13 RJ 87/98 R).

Rechtsgrundlage für die Beratungspflicht in Form einer Hinweispflicht sind die in den §§ 14, 15 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) genannten allgemeinen Hinweis- und Auskunftspflichten der Sozialleistungsträger. Dabei besteht eine umfassende Beratungspflicht des Sozialversicherungsträgers zunächst regelmäßig bei einem entsprechenden Beratungs- und Auskunftsbegehren des Versicherten. Ausnahmsweise besteht jedoch auch dann eine Hinweis- und Beratungspflicht des Versicherungsträgers, wenn anlässlich einer konkreten Sachbearbeitung dem jeweiligen Mitarbeiter eine naheliegende Gestaltungsmöglichkeit ersichtlich ist, die ein verständiger Versicherter wahrnehmen würde, wenn sie ihm bekannt wäre (sog. Spontanberatung). Die Frage, ob eine Gestaltungsmöglichkeit klar zutage tritt, ist dabei alleine nach objektiven Merkmalen zu beurteilen (vgl. BSG, Urteil vom 08.02.2007, B 7a AL 22/06 R in SozR 4-4300 § 324 Nr. 3).

Die Klägerin hätte nach diesen Kriterien nur dann einen Anspruch, so gestellt zu werden, als hätte sie die Drei-Monats-Frist des über § 30 Abs. 1 Satz 1 ALG anwendbaren § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI nicht versäumt, wenn die Beklagte konkret verpflichtet war, sie sowohl über die Möglichkeit der Inanspruchnahme der Altersrente für langjährig Versicherte i.S. von § 87c i.V.m. § 12 Abs. 2 ALG, als auch über die Ausschlussfrist des § 99 Abs. 1 SGB VI zu beraten, und wenn sie diese Pflicht verletzte (BSG, Urteil vom 22.10.1998, B 5 RJ 62/97 R in SozR 3-2600 § 115 Nr. 4). Allerdings hatte die Klägerin vor August 2015 an die Beklagte kein Auskunfts- und Beratungsbegehren herangetragen und eine Pflicht zur Spontanberatung setzt im allgemeinen voraus, dass zumindest tatsächlich eine Sachbearbeitung durch einen Mitarbeiter der Beklagten stattfand (BSG, a.a.O.). Auch dies war vorliegend bis zur Antragstellung im August 2015 nicht der Fall.

Grundsätzlich kommt der sozialrechtliche Herstellungsanspruch aber auch nach einer Verletzung der aus § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI resultierenden Hinweispflicht auf einen Rentenantrag in Betracht (BSG, a.a.O.), was für § 44 Abs. 2 ALG - da inhaltsgleich - und die Beklagte ebenfalls gilt.

Das Sozialgericht hat in den Gründen der angefochtenen Entscheidung aber auch insoweit zutreffend ausgeführt, dass aus § 44 Abs. 2 ALG, wonach die Landwirtschaftliche Alterskasse die Berechtigten in geeigneten Fällen darauf hinweisen soll, dass sie eine Leistung erhalten können, wenn sie diese beantragen, im Falle der Klägerin kein Herstellungsanspruch folgt, weil die Beklagte diese Pflicht nicht verletzte. Es hat hierzu zutreffend darauf abgestellt, dass der betreffende Personenkreis aus der Gesamtheit der Versicherten anhand bestimmter Merkmale, die sich aus dem Versicherungskonto ergeben, identifiziert werden kann. Es hat weiter zutreffend darauf hingewiesen, dass anhand des der Beklagten zur Verfügung stehenden Datenbestandes bzw. dementsprechend aus dem Versicherungskonto der Klägerin nicht erkennbar war, dass die Klägerin die besonderen Anspruchsvoraussetzungen für die in Rede stehende Rente bereits im Oktober 2014 erfüllte, weil die Beitragszeiten zur gesetzlichen Rentenversicherung in diesem Versicherungskonto nicht erfasst und folglich der Beklagten nicht bekannt waren. Der Senat sieht auch insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und weist die Berufung § 153 Abs. 2 SGG aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung zurück. Ergänzend merkt der Senat an, dass der Klägerin aus dem ihr im Jahre 2006 übersandten Versicherungsverlauf bekannt war, dass die Beklagte allein Beitragszeiten nach dem ALG speicherte.

Im Hinblick auf das Vorbringen der Klägerin, der Beklagten wäre es ohne Weiteres möglich gewesen, sie angesichts des bekannten Geburtsdatums auf die grundsätzlich bestehende Möglichkeit eines Anspruches nach § 87c i.V.m. § 12 Abs. 2 ALG hinzuweisen, trifft dies zwar zu, führt indessen nicht weiter. Denn § 44 Abs. 2 ALG verpflichtet (ebenso wie der inhaltsgleiche § 115 Abs. 6 Satz 1 SGB VI) den Rentenversicherungsträger gerade nicht, die Versicherten mit dem Erreichen des jeweils möglichen Renteneintrittsalters über mögliche Ansprüche zu informieren. Hätte der Gesetzgeber eine solche Verpflichtung der Rentenversicherungsträger begründen wollen, hätte er die Informationspflicht allein an das mögliche Renteneintrittsalter gekoppelt. Stattdessen stellt § 44 Abs. 2 ALG auf geeignete Fälle ab, die nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes angesichts der Gesetzesmaterialien dadurch gekennzeichnet sind, dass sich die Anspruchsvoraussetzungen auf Grund der gespeicherten Daten als gegeben beurteilen lassen (vgl. u.a. BSG, Urteil vom 07.07.1998, B 5 RJ 18/98 R in SozR 3-2600 § 115 Nr. 3; Urteil vom 22.10.1998, B 5 RJ 62/97 R in SozR 3-2600 § 115 Nr. 4). Ein geeigneter Fall i.S. des § 44 Abs. 2 ALG liegt mithin nicht vor. Die Beklagte konnte das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen nicht generell auf Grund des Versichertenkontos ohne Befragung der Klägerin feststellen (so ausdrücklich auch das BSG im Urteil vom 07.07.1998, a.a.O. im dort entschiedenen Fall).

Soweit die Klägerin auf eine Veröffentlichung von Furtmayr (Die Hinweispflicht des Rentenversicherungsträgers nach § 115 Abs. 6 SGB VI in NZS 2000, 498 ff.) Bezug nimmt, ergibt sich hieraus kein für sie günstigeres Ergebnis. Denn auch dieser Verfasser stellt darauf ab, dass es dem Versicherungsträger anhand des Versicherungskontos möglich ist, eine entsprechende Gruppe herauszufiltern (vgl. a.a.O., S. 500).

Wie das Sozialgericht vermag der Senat den Ausführungen der Klägerin, wonach die Beklagte noch im August 2015 ein veraltetes Formular eingesetzt habe, keine für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits relevante Bedeutung zuerkennen. Soweit die Klägerin damit darlegen möchte, der Beklagten sei die Rechtsänderung zum 01.07.2014 zeitnah nicht bekannt gewesen, würde dies alleine einen sozialgerichtlichen Herstellungsanspruch nicht begründen. Denn maßgebend wäre auch insoweit eine Verletzung einer Hinweis- oder Beratungspflicht durch die Beklagte. Dies hat der Senat aber bereits verneint.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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