L 5 KA 5014/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 20 KA 231/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KA 5014/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.10.2014 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 870,18 EUR endgültig festgesetzt.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über eine im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung verfügte Honorarrückforderung für die Quartale 1/2009 bis 1/2010 i.H.v. 870,18 EUR.

Der Kläger ist Facharzt für Chirurgie; er ist mit Sitz in W. zur Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Der Kläger war während der streitigen Zeit außerdem Belegarzt an der C.l Klinik W. (einer Privatklinik) und hat dort (ambulante bzw. belegärztliche) Operationen unter Mitwirkung des Anästhesisten Dr. B.-J. durchgeführt.

Mit Honorarbescheiden vom 07.10.2009/24.06.2010, 14.12.2009, 15.01.2010/01.07.2010, 16.04.2010 und 15.07.2010 setzte die Beklagte das Honorar des Klägers für die Quartale 1/2009 bis 1/2010 fest. Festgesetzt wurde u.a. Honorar für im Rahmen der belegärztlichen Tätigkeit erbrachte Leistungen der Abschnitte 31.3 bzw. 36.3 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für vertragsärztliche Leistungen (EBM). Diese Abschnitte des EBM haben Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes nach ambulanten bzw. belegärztlichen Operationen (Abschnitte 31.2 bzw. 36.2 EBM) zum Gegenstand. Hierzu enthalten die Präambeln 31.3.1 bzw. 36.3.1 EBM folgende Abrechnungsbestimmungen:

1. Haben an der Erbringung der Leistungen des Abschnitts 31.2 bzw. 36.2, die nachfolgend eine Überwachung entsprechend Gebührenordnungspositionen des Abschnitts 31.3 bzw. 36.3 erforderlich machen oder an der Überwachung selbst mehrere Ärzte mitgewirkt, hat der die Gebührenordnungspositionen dieses Abschnitts abrechnende Arzt in einer der Quartalsabrechnung beizufügenden und von ihm unterzeichneten Erklärung zu bestätigen, dass er mit den anderen Ärzten eine Vereinbarung darüber getroffen hat, wonach nur er allein in den jeweiligen Fällen diese Gebührenordnungspositionen berechnet ... 3. Die Gebührenordnungspositionen dieses Abschnitts sind nur einmalig im unmittelbaren Anschluss an die Erbringung einer Leistung des Abschnitts 31.2 bzw. 36.2 abrechenbar ...

Die vom Kläger zur Honorarabrechnung der Quartale 1/2009 bis 1/2010 abgegebenen und unterzeichneten Abrechnungssammelerklärungen enthalten (unter Nr. 9) folgenden Aufdruck:

Erklärung zur Erbringung und Abrechnung von Leistungen, die entsprechend EBM eine Erklärung oder Vereinbarung mit ggf. an diesen Leistungen beteiligten Ärzten vorsehen

Ich erkläre, dass an der Erbringung von Leistungen, die beim Zusammenwirken mehrerer Ärzte eine Erklärung oder Vereinbarung über die alleinige Abrechnung vorsehen, nur ich alleine in den jeweiligen Fällen die Leistungen mit der Kassenärztlichen Vereinigung Baden-Württemberg abrechne.

Mit an den Kläger gerichtetem Bescheid vom 06.05.2013 verfügte die Beklagte Honorarrückforderungen im Wege der sachlich-rechnerischen Berichtigung für die Quartale 1/2009 bis 1/2010 wie folgt:

Quartal Kürzungsbetrag/EUR 1/2009 408,48 2/2009 130,28 3/2009 140,82 4/2009 82,68 1/2010 107,92 Summe 870,18

Wie in den Vorquartalen seien auch in den Quartalen 1/2009 bis 1/2010 Leistungen der postoperativen Überwachung doppelt (vom Kläger und von dem Anästhesisten Dr. B.-J.) abgerechnet worden. Dem Bescheid ist als dessen Bestandteil eine Aufstellung der von der Honorarrückforderung betroffenen Behandlungsfälle, der doppelt abgerechneten Leistungen und der Rückforderungsbeträge beigefügt.

Für die Quartale 1/2006 bis 4/2008 wurden entsprechende Honorarrückforderungen verfügt; die Honorarrückforderungen für die Quartale 1/2007 bis 4/2008 sind Gegenstand des Berufungsverfahrens L 5 KA 5013/14, über das der Senat mit Urteil vom gleichen Tag entschieden hat.

Am 29.05.2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 06.05.2013 ein. Er habe die abgerechneten Leistungen alleine erbracht. Die unberechtigte (Doppel-)Abrechnungen der Leistungen durch einen anderen Arzt berechtige die Beklagte nicht zur Honorarrückforderung.

Mit Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, sowohl der Kläger wie Dr. B.-J. hätten Erklärungen nach Maßgabe der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) abgegeben. Aus den vom Kläger zur Mit-/Weiterbehandlung der Patienten ausgestellten Überweisungsscheinen sei nicht ersichtlich, dass die Tätigkeit des Anästhesisten Dr. B.-J. auf bestimmte Leistungen beschränkt worden sei; die postoperativen Überwachungskomplexe könnten aber sowohl vom Operateur wie vom Anästhesisten erbracht werden. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 10.12.2013 zugestellt.

Am 10.01.2014 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Dass er die postoperative Überwachung seiner Patienten selbst durchgeführt habe, könne das Klinikpersonal bezeugen. Er habe auch kein Interesse daran gehabt, diese Leistungen einem anderen Arzt zu überlassen. Die Beklagte habe den Sachverhalt nicht hinreichend aufgeklärt. Es sei nicht zulässig, das ihm zustehende Honorar zurückzufordern weil Dr. B.-J. die von ihm, dem Kläger, erbrachte Leistung (ebenfalls) zu Unrecht abgerechnet habe. Als Operateur stelle er dem Anästhesisten einen Überweisungsschein aus, auf dem dieser die von ihm erbrachten Leistungen eintrage; diese Eintragungen könne er nicht überprüfen. Auf dem Überweisungsschein für Dr. B.-J. habe er (auf der Vorderseite) nur die Anästhesie vermerkt, nicht aber die postoperative Überwachung des Patienten. Die Beklagte hätte die Abrechnung des Dr. B.-J. anzweifeln müssen, weil die von ihm auf dem Überweisungsschein eingetragenen GOPen mit dem Überweisungsauftrag nicht übereingestimmt hätten. Die Beklagte überspanne die Garantiefunktion der Abrechnungssammelerklärung. Eine Haftungsübernahme für rechtswidrige Doppelabrechnungen durch andere Ärzte begründe sie nicht. Die Operation und die postoperative Überwachung des Patienten stellten unterschiedliche Behandlungskomplexe dar.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung der angefochtenen Bescheide entgegen. Die postoperativen Überwachungsleistungen hätten sowohl der Kläger wie Dr. B.-J. abgerechnet, weshalb eine unzulässige Doppelabrechnung vorliege. Für sie stelle sich der Sachverhalt daher so dar, dass jeweils mehrere (leistungsberechtigte) Ärzte an der Leistungserbringung des postoperativen Behandlungskomplexes beteiligt gewesen seien, weshalb Erklärungen nach Maßgabe der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) hätten abgegeben werden müssen. Auf den Abschluss der in den genannten EBM-Bestimmungen vorgesehenen Abrechnungsvereinbarung der an der Leistungserbringung beteiligten Ärzte habe sie keinen Einfluss. Der Kläger habe mit seinen Abrechnungssammelerklärungen bestätigt, dass nur er die in Rede stehenden Leistungen abrechnen werde, was jedoch unrichtig gewesen sei. Er wäre verpflichtet gewesen, die Doppelabrechnung im Vorfeld (durch Abschluss einer Abrechnungsvereinbarung mit Dr. B.-J.) auszuschließen und er habe daher jedenfalls grob fahrlässig unrichtige Angaben in der Abrechnungssammelerklärung gemacht und die Doppelabrechnung mit verursacht und zu verantworten. Mangels Einigung der beteiligten Ärzte habe sie die Doppelabrechnung bei beiden Ärzten berichtigen müssen.

Mit Urteil vom 29.10.2014 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) verlangten unmissverständlich den Abschluss einer Abrechnungsvereinbarung, wenn an der Erbringung von Leistungen nach Abschnitt 31.2 EBM mehrere Ärzte mitgewirkt hätten. Das sei hier der Fall gewesen; an den belegärztlich erbrachten Operationsleistungen des Klägers nach Abschnitt 31.2 EBM habe Dr. B.-J. als Anästhesist mitgewirkt. Die deswegen notwendige Abrechnungsvereinbarung sei nicht abgeschlossen worden. Der Kläger habe in den Abrechnungssammelerklärungen der Quartale 1/2009 bis 1/2010 jeweils erklärt, dass nur er allein diejenigen Leistungen abrechne, für die beim Zusammenwirken mehrerer Ärzte eine Erklärung oder Vereinbarung über die alleinige Abrechnung (durch einen Arzt) vorgesehen sei. Da es an einer Abrechnungsvereinbarung mit Dr. B.-J. gefehlt habe, seien die Abrechnungssammelerklärungen insoweit unrichtig gewesen. Die Beklagte sei daher unabhängig davon, wer die Leistungen der postoperativen Überwachung erbracht habe, zur sachlich-rechnerischen Honorarberichtigung befugt gewesen. Sollte Dr. B.-J. den Abschluss einer Abrechnungsvereinbarung verweigert haben, hätte der Kläger zur Wahrung der Richtigkeit seiner Abrechnungssammelerklärungen hierauf hinweisen müssen. Die Voraussetzungen für die Zubilligung von Vertrauensschutz (dazu Bundesozialgericht (BSG) Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 17/13 R -, in juris) seien nicht erfüllt.

Gegen das ihm am 20.11.2014 zugestellte Urteil hat der Kläger am 04.12.2014 Berufung eingelegt. Er trägt vor, er habe gegen die Bestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) nicht verstoßen. Eine Abrechnungsvereinbarung mit Dr. B.-J. habe er nicht abgeschlossen; dieser sei zum (rückwirkenden) Abschluss einer solchen Vereinbarung auch nicht bereit. Die genannten EBM-Bestimmungen sähen aber keine konkrete Verhaltenspflicht des die Leistung korrekt erbringenden Arztes vor. Er habe daher auch nicht darauf hinweisen müssen, dass eine Abrechnungsvereinbarung nicht vorliege. Den Abschluss einer solchen Vereinbarung (mit dem rechtswidrig abrechnenden Dr. B.-J.) könne er nicht erzwingen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 29.10.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 06.05.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 09.12.2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft. Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist die mit den angefochtenen Bescheiden verfügte Honorarrückforderung für die Quartale 1/2009 bis 1/2010. Der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei einem streitigen Kürzungsbetrag von 870,18 EUR überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen zulässig (§ 151 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der Senat teilt insoweit die Rechtsauffassung des SG und nimmt auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist anzumerken:

Rechtsgrundlage für die sachlich-rechnerische Berichtigung von Vertragsarztabrechnungen bzw. die Aufhebung bereits ergangener Honorarbescheide und die Rückforderung von Vertragsarzthonorar ist § 106a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) i.V.m. § 50 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X); ergänzende Regelungen enthalten bzw. enthielten (bis zum 30.09.2013) zu dem für die Rückforderung maßgeblichen Zeitpunkt § 45 Bundesmantelvertrag-Ärzte (BMV-Ä) und § 34 Bundesmantelvertrag Ärzte/Ersatzkassen (EKV-Ä).

Gem. § 106a Abs. 1 SGB V prüfen die Kassenärztlichen Vereinigungen und die Krankenkassen die Rechtmäßigkeit und Plausibilität der Abrechnungen in der vertragsärztlichen Versorgung. Die Kassenärztliche Vereinigung stellt die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte fest; dazu gehört auch die arztbezogene Prüfung der Abrechnungen auf Plausibilität und die Prüfung der abgerechneten Sachkosten (§ 106a Abs. 2 Satz 1 SGB V). Nach den für den hier maßgeblichen Zeitraum im Wesentlichen gleichlautenden Vorschriften in § 45 Abs. 1 und 2 BMV-Ä und § 34 EKV-Ä (bis 30.09.2013) obliegt der Kassenärztlichen Vereinigung die Prüfung der von den Vertragsärzten vorgelegten Abrechnungen ihrer vertragsärztlichen Leistungen hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit. Das gilt insbesondere für die Anwendung des Regelwerks. Die Kassenärztliche Vereinigung berichtigt die Honorarforderung des Vertragsarztes bei Fehlern hinsichtlich der sachlich-rechnerischen Richtigkeit (§ 45 Abs. 1 und 2 Satz 1 BMV-Ä bzw. § 34 Abs. 4 EKV-Ä).

Die sachlich-rechnerische Berichtigung kann sowohl vor wie nach Erlass des Honorarbescheids erfolgen. Die Berichtigung bereits erlassener Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung) stellt im Umfang der vorgenommenen Korrekturen zugleich eine teilweise Rücknahme des Honorarbescheids dar und bewirkt, dass überzahltes Honorar gem. § 50 Abs. 1 Satz 1 SGB X zurückzuzahlen ist. Das Recht (und die Pflicht) der Kassenärztlichen Vereinigung zur Berichtigung bereits erlassener Honorarbescheide (nachgehende Richtigstellung) unterliegt nicht der Verjährung. Allerdings gilt für die nachgehende Richtigstellung eine (an das Verjährungsrecht angelehnte) Ausschlussfrist von 4 Jahren (vgl. etwa BSG, Urteil vom 05.05.2010, - B 6 KA 5/09 R - m. w. N., in juris). Vertrauensschutz kann der Vertragsarzt gegen die nachgehende Richtigstellung von Honorarbescheiden regelmäßig nicht einwenden. Besonderer Vertrauensschutz gem. § 45 SGB X ist für den Anwendungsbereich der §§ 106a SGB V, 45 BMV-Ä, 34 Abs. 4 EKV-Ä ausgeschlossen, da diese Bestimmungen als Sonderregelungen i.S.d. § 37 Satz 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I) das allgemeine Sozialverwaltungsrecht verdrängen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 14.12.2005, - B 6 KA 17/05 R -; auch Urteil vom 23.06.2010, - B 6 KA 12/09 R -, alle in juris). Nur außerhalb des Anwendungsbereichs der Berichtigungsvorschriften kommt Vertrauensschutz gem. § 45 SGB X in Betracht. Das ist nach der Rechtsprechung des BSG der Fall, wenn die Ausschlussfrist für nachgehende Richtigstellungen von 4 Jahren abgelaufen oder die Befugnis zur nachgehenden Richtigstellung "verbraucht" ist, etwa, indem die Kassenärztliche Vereinigung die Honorarforderung in einem der Honorarverteilung nachfolgenden Verfahren auf ihre sachlich-rechnerische Richtigkeit überprüft und vorbehaltlos bestätigt hat. Dann wird die jedem Honorarbescheid innewohnende Vorläufigkeit im Verhältnis zum Vertragsarzt aufgehoben, und die Kassenärztliche Vereinigung kann einen Honorarbescheid wegen anfänglicher Fehlerhaftigkeit nur noch unter den Voraussetzungen des § 45 SGB X zurücknehmen (vgl. BSG, Beschluss vom 03.02.2010, - B 6 KA 22/09 B -; auch Urteil vom 14.12.2005, - B 6 KA 17/05 R -; Urteil vom 08.12.2006, - B 6 KA 12/05 R -, alle in juris). Allgemeiner (rechtsstaatlicher) Vertrauensschutz ist sowohl innerhalb wie außerhalb des Anwendungsbereichs der Berichtigungsvorschriften in (seltenen) Ausnahmefällen möglich. Ein solcher Ausnahmefall kann etwa angenommen werden wenn die Kassenärztliche Vereinigung bei Erlass des Honorarbescheids auf ihr bekannte Ungewissheiten hinsichtlich der Grundlagen der Honorarverteilung nicht hingewiesen und dadurch schützenswertes Vertrauen bei den Vertragsärzten hervorgerufen hat, oder wenn die Fehlerhaftigkeit des Honorarbescheids aus Umständen herrührt, die die besonderen Funktionsbedingungen des Systems vertragsärztlicher Honorierung nicht konkret berühren (dazu BSG, Urteil vom 28.08.2013, - B 6 KA 43/12 R -, in juris).

Die (nachgehende) sachlich-rechnerische Berichtung von Honorarabrechnungen setzt ein Verschulden des Vertragsarztes grundsätzlich nicht voraus. Etwas anderes gilt nur dann, wenn die Kassenärztliche Vereinigung den gesamten Honorarbescheid für ein Quartal allein wegen der Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärung aufhebt. Diese Rechtsfolge setzt voraus, dass unrichtige Angaben in den Behandlungsausweisen zumindest grob fahrlässig erfolgt sind (BSG, Urteil vom 22.03.2006, - B 6 KA 76/04 R -, in juris).

Die angefochtenen Bescheide (Kürzungsbescheid vom 06.05.2013; Widerspruchsbescheid vom 09.12.2013) haben die nachgehende sachlich-rechnerische Berichtigung des vom Kläger in den Quartalen 1/2009 bis 1/2010 abgerechneten Vertragsarzthonorars zum Gegenstand. Die - als K. V. hierfür zuständige - Beklagte hat die Abrechnung von Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes (GOPen 31502 ff.; 36502 ff. EBM) wegen fehlerhafter Anwendung des Regelwerks (des EBM) berichtigt, die für die genannten Quartale ergangenen Honorarbescheide in Höhe des Berichtigungs- bzw. Kürzungsbetrags teilweise aufgehoben und das zuviel gezahlte Honorar zurückgefordert. Sie hat die für nachgehende Berichtigungen geltende Vierjahresfrist beachtet und in der Sache zu Recht angenommen, dass der Kläger die in den genannten Quartalen erbrachten Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes fehlerhaft - unter Verstoß gegen die Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) - abgerechnet hat. Ob dem Kläger deswegen Verschulden zur Last fällt, ist unerheblich, da die Honorarbescheide nicht allein wegen Unrichtigkeit der Abrechnungssammelerklärungen insgesamt, sondern wegen Verstoßes gegen die genannten Abrechnungsbestimmungen - unter Belassung des Vertragsarzthonorars im Übrigen - nur teilweise aufgehoben worden sind; es kann deshalb offen bleiben, ob der Kläger grob fahrlässig gehandelt hat, weil ihm das Fehlen der zur EBM-konformen Abrechnung hier notwendigen Abrechnungsvereinbarung (dazu sogleich) hat bewusst sein müssen. Auch für besonderen Vertrauensschutz ist nichts ersichtlich. Fehler hinsichtlich der Berechnung des Kürzungsbetrags im Einzelnen sind nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht. Die Beteiligten streiten vielmehr (allein) über die Auslegung und Anwendung des Regelwerks des EBM, hier der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (zur Auslegung vertragsärztlicher Vergütungsbestimmungen nur etwa Senatsurteil vom 24.02.2016, - L 5 KA 5799/11 -, in juris, m.N. zur Rechtsprechung des BSG; vgl. auch BSG, Urteil vom 16.12.2015, - B 6 KA 39/15 R -, in juris).

Die EBM-konforme Abrechnung von Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes (Abschnitte 31.3 bzw. 36.3 EBM) setzt neben der Erfüllung des (konkreten) Leistungsinhaltes der jeweiligen GOP außerdem die Einhaltung der (allgemeinen) Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM voraus. Nach Nr. 1 der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM muss der Arzt bei der Abrechnung von Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes nach einer ambulanten oder belegärztlichen Operation, an der (wie regelmäßig) mehrere Ärzte (typischerweise Operateur und Anästhesist) mitgewirkt haben, in einer der Quartalsabrechnung beizufügenden und von ihm unterzeichneten Erklärung bestätigen, dass er mit den anderen Ärzten (als Operateur etwa mit dem Anästhesisten) eine Vereinbarung darüber getroffen hat, wonach nur er allein die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes abrechnet. Entsprechendes gilt, wenn an der postoperativen Überwachung selbst mehrere Ärzte mitgewirkt haben. Diese Regelung enthält eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung. Im Außenverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung wird erlaubt, dass ein an der ambulanten oder belegärztlichen Operation bzw. der postoperativen Überwachung mitwirkender Arzt Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes abrechnet, die ein anderer Arzt erbracht hat. Im Innenverhältnis der Ärzte zueinander wird - mit dem explizit vorgeschriebenen Inhalt der Erklärung implizit - verlangt, dass die Ärzte eine Abrechnungsvereinbarung abschließen, nach der nur der abrechnende Arzt allein die jeweilige Leistung des operativen Überwachungskomplexes abrechnet (obligatorischer Inhalt der Abrechnungsvereinbarung); außerdem können die Ärzte in der Abrechnungsvereinbarung einen Ausgleich, etwa eine Ausgleichszahlung, verabreden (fakultativer Inhalt der Abrechnungsvereinbarung). Mit dem Erfordernis der ärztlichen Abrechnungsvereinbarung will der EBM sicherstellen, dass die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes, die nach Nr. 3 der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM nur einmalig (im unmittelbaren Anschluss an ambulant bzw. belegärztlich erbrachte Operationsleistungen) abrechenbar sind, im Außenverhältnis gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung nicht von jedem an der Operation bzw. der postoperativen Überwachung teilnehmenden und (dem Grunde nach) abrechnungsbefugten Arzt und damit mehrfach abgerechnet werden. Hierfür nimmt der EBM die Ärzte in die Pflicht und erlegt ihnen die Verantwortung für die Vermeidung von Doppelabrechnungen auf; dagegen ist aus Rechtsgründen nichts einzuwenden. Der EBM geht von dem Regelfall aus, dass die Abrechnungsvereinbarung zustande kommt. Der Arzt, der die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes vereinbarungskonform abrechnet und die in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) vorgeschriebene Erklärung in der Abrechnungssammelerklärung - inhaltlich zutreffend - abgibt, rechnet EBM-konform ab und hat gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung Anspruch auf Festsetzung des Honorars für die (von ihm oder dem anderen Arzt) erbrachte Leistung des postoperativen Überwachungskomplexes. Dabei bleibt es auch dann, wenn sich der andere Arzt nicht an die Abrechnungsvereinbarung hält und die gleiche Leistung gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung abredewidrig ebenfalls abrechnet und die in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) vorgeschriebene Erklärung - inhaltlich unzutreffend - abgibt. Kommt eine Abrechnungsvereinbarung mit dem vorstehend als obligatorisch bezeichneten Inhalt (aus welchen Gründen auch immer) nicht zustande, könnten die Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes bei strikt wortlautbezogener Anwendung der unter Nr. 1 der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM festgelegten Abrechnungsbestimmung an sich (gar) nicht abgerechnet werden. Damit wäre der Regelungsgehalt der Vorschrift jedoch überspannt, zumal die Abrechnungsvereinbarung lediglich implizit vorgeschrieben ist und nur Doppelabrechnungen verhindert werden sollen. Tatsächlich erbrachte Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes können daher auch bei im Innenverhältnis der Ärzte fehlender Abrechnungsvereinbarung im Außenverhältnis gegenüber der KV abgerechnet werden, dann aber nur von dem Arzt, der die Leistung erbracht hat; die Voraussetzungen für eine Ausnahme vom Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung sind bei fehlender Abrechnungsvereinbarung nicht erfüllt. Der abrechnende Arzt darf freilich nicht (wahrheitswidrig) erklären, eine Abrechnungsvereinbarung mit dem nach Maßgabe der Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) obligatorischen Inhalt abgeschlossen zu haben. Er muss, will er EBM-konform abrechnen, einen entsprechenden Erklärungstext des Formulars der Abrechnungssammelerklärung streichen und/oder erklären, dass eine Abrechnungsvereinbarung nicht abgeschlossen worden ist. Es ist dann Sache der Kassenärztlichen Vereinigung, in (Sonder-)Fällen dieser Art Vorsorge gegen Doppelabrechnungen zu treffen.

Davon ausgehend hat der Kläger die in den Quartalen 1/2009 bis 1/2010 erbrachten Leistungen des postoperativen Überwachungskomplexes nicht EBM-konform abgerechnet, vielmehr gegen die Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) verstoßen. Er hat mit Dr. B.-J. gemeinsam operiert, eine Abrechnungsvereinbarung mit dem in den genannten Abrechnungsbestimmungen vorgesehenen (obligatorischen) Inhalt jedoch unstreitig nicht abgeschlossen und insoweit unter Nr. 9 der Abrechnungssammelerklärungen eine der Sache nach unrichtige Erklärung abgegeben. Damit hat der Kläger das für die Vergütung der in Rede stehenden Leistungen geltende Regelwerk (des EBM) verletzt, weshalb die Beklagte die Honorarfestsetzung insoweit zu Recht im Wege sachlich-rechnerischer Berichtigung aufgehoben hat. Dass offenbar auch Dr. B.-J. in gleicher Weise fehlerhaft abgerechnet hat, ist unerheblich. Als Folge der den Ärzten durch die Abrechnungsbestimmungen in den Präambeln 31.3.1 und 36.3.1 EBM (Nr. 1) auferlegten Verantwortung für die Vermeidung von Doppelabrechnungen kann es in Sonderfällen der vorliegenden Art dazu kommen, dass eine tatsächlich (ordnungsgemäß) erbrachte Leistung, die von keinem Arzt EBM-konform abgerechnet wird, unvergütet bleibt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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