S 29 KR 477/14

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
SG München (FSB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
29
1. Instanz
SG München (FSB)
Aktenzeichen
S 29 KR 477/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.476,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.430,82 EUR seit 10. Oktober 2013 und aus 2.046,13 EUR seit 27. September 2013 zu zahlen.

II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Der Streitwert wird auf 5.476,95 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

1. Die Klägerin ist Rechtsträgerin des Klinikums A-Stadt und der Kreisklinik C-Stadt und ver-langt von der Beklagten 5476,95 EUR nebst Zinsen aus einer stationären Behandlung der Versicherten C., geboren amXX.XX.1928, vom 17 bis 21. August 2013 im Klinikum A-Stadt und vom 22. bis 26. August in der Kreisklinik C-Stadt (abgezogen wurden dabei bereits jeweils die Zuzahlungen der Patientin in Höhe von je 50 EUR).

Die Versicherte wurde am 17. August 2013 wegen einer akuten Sprachstörung in der Not-fallambulanz des Klinikums A-Stadt eingeliefert und anschließend auf der Schlaganfallstation stationär weiter behandelt. Mit Rechnung vom 18. September 2013 in Höhe von 3430,82 EUR (Blatt 15 Gerichtsakte) wurde die DRG "B69C"( Transitorische ischämische At-tacke (TIA) und extrakranielle Gefäßverschlüsse mit neurol. Komplexbehandlung des akuten Schlaganfalls, bis 72 Std., ohne äuß. schw. CC oder mit anderer neurol. Komplexbeh. des akuten Schlaganfalls oder mit äuß. schw. CC) abgerechnet. Laut Entlassungsbericht des Klinikums A-Stadt vom 20. August 2013 handelte es sich bei der Erkrankung der Versicherten um eine kardioembolische transitorisch -ischämische Attacke im Mediastromgebiet links bei insuffizienter oraler Antikoagulation. Die Versicherte wurde in neurologisch unauffälligen Zustand in die hausärztliche Weiterversorgung entlassen.

Am 22. August 2013 stellte sich die Patientin mit starken Schmerzen in der Lendenwirbelsäule, sowie immer wieder auftretenden krampfartigen Schmerzen in beiden Beinen in der Kreisklinik C-Stadt vor. Es erfolgte eine Behandlung durch die Belegärzte der Orthopädie mit analgetischer Therapie und phyiotherapeutischer Behandlung. Der stationäre Aufenthalt wurde am 26 August 2013 beendet. Laut Entlassungsbericht der Kreisklinik C-Stadt vom 25. August 2013 besserte sich während des stationären Aufenthaltes unter analgetischer Therapie kombiniert mit physiktherapeutischer Behandlung das Beschwerdebild der Versicherten; ein neurologisches Defizite bestand zu keiner Zeit. Die Patientin ist selbst-ständig mobil und bei subjektivem Wohlbefinden in die ambulante Weiterbehandlung entlassen worden. Empfohlen wird physiotherapeutische Behandlung, Reduktion der analgetischen Therapie und Marcumar nach INR. Gegebenenfalls wird die Vorstellung in einer Schmerzambulanz vorgeschlagen.

Mit Rechnung vom 5. September 2013 in Höhe von 2046,13 EUR wurde die DRG I69B (Knochenkrankheiten und spezifische Arthropathien ohne komplexe Diagnose) abgerechnet.

2. Im Folgenden stellte sich die Beklagte auf den Standpunkt, dass es sich nur um eine so genannte "Verlegung" gehandelt habe und deshalb sowohl bei der Rechnung des Klinikums A-Stadt als auch bei der Rechnung der Kreisklinik C-Stadt ein Verlegungsabschlag vorzunehmen sei. Ein Abschlagstatbestand liege nämlich immer nur dann vor, wenn die Behandlung in der verlegenden Klinik länger als 24 Stunden gedauert hat und zwischen der Entlassung aus einem Krankenhaus und der Aufnahmen in einem anderen Krankenhaus nicht mehr als 24 Stunden vergangen seien (Schriftsatz vom 16. Mai 2014, Seite 2, Blatt 32 Gerichtsakte). Andere Tatbestände dieser Art gebe es nicht. Verwiesen wird auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 6. März 2012, B1 KR 15/11 R.

Die Klägerin hält dem entgegen, dass schon dann keine Verlegung vorliege, wenn ausschlaggebend für die beiden Klinikaufenthalte jeweils völlig verschiedene Erkrankungen gewesen seien. Dies habe hier jedoch – was auch aus den abgerechneten DRGs zu er-sehen sei – eindeutig vorgelegen. Verwiesen wird auf ein Urteil des Thüringer Landessozialgerichts vom 28. August 2012, L6 KR 295/11).

3. Die Klägerin beantragt, die Beklagte zu verurteilen an die Klägerin 5476,95 EUR nebst Zinsen in Höhe von 4 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 3.430,82 EUR seit 10. Oktober 2013 und aus 2.046,13 EUR seit 27. September 2013 zu bezahlen.

Die Beklagte beantragt, die Klage abzuweisen.

Im Übrigen wird gemäß § 136 Abs. 2 SGG auf den Akteninhalt verwiesen. Der Kammer haben die Beklagtenakten vorgelegen.

Entscheidungsgründe:

1. Die Klage ist zulässig, da das sachlich (§ 51 Abs. 1 Nr. 2 SGG) und örtlich (§ 57 Abs. 1 SGG) zuständige Sozialgericht München angerufen wurde und es eines Vorverfahrens zwischen den Parteien bei einer Leistungsklage (§ 54 Abs. 5 SGG) nicht bedurfte, so dass auch keine Klagefrist einzuhalten war (Meyer-Ladewig, SGG, 9. Auflage, § 54, Rn. 41).

Vorliegend konnte das Gericht einen Gerichtsbescheid erlassen, da gemäß § 105 Absatz 1 Satz 1 SGG die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufwies und der Sachverhalt geklärt war. Die Beteiligten wurden ordnungsgemäß gehört.

2. Die Klage ist auch begründet.

a) Die rechtlichen Grundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ergeben sich nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts aus § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V in Verbindung mit den Vorschriften des jeweils einschlägigen Sicherstellungsvertrages bzw. bei dessen Fehlen in Verbindung mit der Pflegesatzvereinbarung.

Die Zahlungsverpflichtung der Krankenkasse entsteht unabhängig von einer schriftlichen Kostenzusage unmittelbar mit der Inanspruchnahme der Leistung durch den Versicherten, wenn die Versorgung – wie hier – in einem zugelassenen Krankenhaus durchgeführt wird und im Sinne von § 39 Absatz ein Satz 2 SGB V erforderlich ist. Die Krankenhausvergütung bemisst sich dabei nach vertraglichen Fallpauschalen auf gesetzlicher Grundlage Diese Voraussetzungen und auch die Notwendigkeit der Krankenhausleistungen sind hier unstreitig.

Streitig ist zwischen den Parteien ein Verlegungsabschlag einmal für die stationäre Behandlung im Klinikum A-Stadt und zusätzlich in der Kreisklinik C-Stadt.

b) Im Falle einer Verlegung in ein anderes Krankenhaus ist von dem verlegenden Krankenhaus ein Abschlag auf die Rechnung vorzunehmen, wenn die im Fallpauschalenkatalog ausgewiesene mittlere Verweildauer (für die DRG "B 69 C": 5,6 Tage) unterschritten wird, was für den stationären Aufenthalt im Klinikum A-Stadt der Fall wäre (§ 3 Abs. 1 Satz 1 FPV 2013 – im folgenden: "FPV").

Auch von der Rechnung des aufnehmenden Krankenhauses ist ein entsprechender Abschlag vorzunehmen, wenn dort die mittlere Verweildauer (bei DRG "I 69 B" (Belegabteilung): 7,9 Tage) ebenfalls unterschritten wird (§ 3 Abs. 2 Satz 1 FPV), was für die Kreisklinik C-Stadt ebenfalls zuträfe.

Dauert allerdings die Behandlung im verlegenden Krankenhaus nicht länger als 24 Stunden, so ist beim aufnehmenden Krankenhaus kein Verlegungsabschlag vorzunehmen (§ 3 Abs. 1 Satz 2 FPV). Diese Ausnahmevorschrift könnte hier jedoch nicht angewendet wer-den, da die stationäre Behandlung im Klinikum A-Stadt unstreitig mehr als 24 Stunden gedauert hat.

c) Die Verlegungspauschale fällt jedoch in beiden Kliniken auch dann nicht an, wenn unterschiedliche Erkrankungen zur stationären Aufnahme in den beiden Krankenhäusern ge-führt hat. In diesem Fall liegt begrifflich gar keine Verlegung vor.

Die Systematik des FPV geht bei einer Verlegung grundsätzlich von der eigenständigen Fallpauschalenabrechnung der beiden beteiligten Krankenhäuser aus (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Buchstabe FPV). § 3 FPV ergänzt dann nur die allgemeinen Bestimmung in §§ 1 und 2 FPV 2013 (BSG, Urteil vom 6. März 2012, B1 KR 15/11 R, Juris, Rn. 19). Wann eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten tatbestandlich gegeben ist, regelt dies-bezüglich § 2 FPV 2013 im Rahmen der Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus. Er bestimmt dazu, unter welchen Voraussetzungen eine Mehrheit von Behandlungsabschnitten "zu einem Fall" (also einer abrechnungtechnischen Behandlung) zusammenzufassen ist bzw. wann andernfalls eine Mehrheit selbstständiger Behandlungen zur Abrechnung kommt. Hieran knüpfen § 3 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 FPV an (BSG, a.a.O., Rn. 20). Die gesetzlichen Grundlagen für das Fallpauschalensystem im Krankenhausentgeltgesetz und dem Krankenhausfinanzierungsgesetz gehen im Grundsatz ebenfalls davon aus, dass das Krankenhaus für einen Behandlungsfall vergütet wird. Unter einem Behandlungsfall ist bei einer stationären Behandlung im Fallpauschalensystem die gesamte Behandlung derselben Erkrankung zu verstehen, die ein Patient von der stationären Aufnahme bis zur Entlassung aus der stationären Behandlung erhält. (Thüringer LSG, Urteil vom 28. August 2012, L6 KR 295/11, Juris, Rn. 25). Diese Systematik wird bei Verlegungstatbeständen durch Abschläge bei beiden Kliniken dem Grunde nach aufrechterhalten. Die Regelungen über die Berechnung des Verlegungsabschlag und seinen Ausschluss betreffen unterschiedslos alle Varianten einer selbstständigen Behandlung, eben "die Behandlung" (BSG, a.a.O., Rn. 20). §§ 2 und 3 FPV stellen damit nur die grundlegenden gesetzgeberischen Zielvorstellungen der einen Behandlung wieder her und wirken daneben ökonomischen Fehlanreizen – etwa der rein wirtschaftlich motivierten Verlegung von Versicherten – entgegen (Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 27).

Dieser systematische Zweck von § 2 bzw. § 3 FPV entfällt aber, wenn es sich tatsächlich um zwei Behandlungsfälle handelt. Dies zeigt u.a. auch § 2 FPV, weil dort für die (beispielgebende) Fallzusammenführung bei Wiederaufnahme in dasselbe Krankenhaus u.a. die "Einstufung in dieselbe Basis-DRG" (Abs. 1 Satz 1 Nr. 2) bzw. innerhalb von 30 Kalendertagen innerhalb der gleichen Hauptdiagnosegruppe in bezeichnete Partitionseinteilungen (Abs. 2) vorgenommen worden sein muss.

d) Diese Überlegungen gelten aber zweifellos nicht nur, wenn der 2. Krankenhausaufenthalt auf einem unerwarteten Geschehensablauf (Unfall) beruht (Thüringer LSG, a.a.O., Rn. 28) sondern auch dann, wenn der 2. Krankenhausaufenthalt auf unterschiedliche Erkrankungen zurück geht. Diese ergeben sich regelmäßig aus den unterschiedlich abgerechneten DRG. Vorliegend sind unterschiedliche DRG abgerechnet worden, die in der korrespondierenden Unterschiedlichkeit der Erkrankungsbilder für sich gesehen zwischen den Parteien unstreitig sind. Es ist auch ohne weiteres einsichtig, dass eine "Transitorische ischämische Attacke" einerseits und eine "Knochenkrankheit und spezifische Arthropathien" andererseits zwei unterschiedliche Behandlungsfälle darstellen, die zufällig in engem zeitlichen Zusammenhang zu Krankenhausaufenthalten geführt haben. Es handelt sich jedoch nicht um einen Behandlungsfall, sondern um zwei. Aus der oben dargestellten Systematik der Krankenhausvergütung im Rahmen der FPV ergeben sich somit keine Hinderungsgründe, die Behandlungsfälle jeweils getrennt und ohne Verlegungsabschlag abzurechnen.

3. Der Klage war daher in vollem Umfang stattzugeben. Die Kostenentscheidung ergibt Sie aus § 197 ab Abs. 1 SGG § 155 Abs. 1 VwGO. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs.1 SGG, § 52 Abs. 1 GKG. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 69 Abs. 3 Satz 3 SGB V, § 288 Absatz ein Satz 2 BGB.
Rechtskraft
Aus
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