L 32 AS 2746/16 B PKH

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
32
1. Instanz
SG Cottbus (BRB)
Aktenzeichen
S 29 AS 414/16 WA
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 32 AS 2746/16 B PKH
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsteller gegen den Beschluss des Sozialgerichts Cottbus vom 17. Oktober 2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I

Gegenstand des Verfahrens ist die Gewährung von Prozesskostenhilfe für ein Klageerfahren, in welchem die Antragsteller höhere Grundsicherungsleistungen geltend machen.

Mit ihrer Klage vom 10. September 2013 haben sich die Antragsteller zunächst gegen den vorläufigen Bescheid vom 28. Mai 2013 in der Fassung des ebenfalls vorläufigen Änderungsbescheides vom 17. Juli 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. August 2013 gewandt und Leistungen nach dem SGB II in gesetzlicher Höhe verlangt. Mit weiterem Bescheid vom 17. Juli 2013 führte die Beklagte aus: "Da nun über Ihren Leistungsanspruch endgültig entschieden werden konnte, wurde festgestellt, dass Sie einen geringeren Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes haben. Bitte entnehmen Sie dem Änderungsbescheid vom 17. Juli 2013 die Ihnen tatsächlich zustehenden Leistungen." Sodann wurde eine Erstattungsforderung von 20.00 EUR geltend gemacht.

Mit Bescheid vom 10. September 2013 setzte die Beklagte die Leistungen für die Monate September bis Dezember 2013 endgültig fest, wobei es zu Erhöhungen gegenüber den Festsetzungen im Bescheid vom 17. Juli 2013 zwischen 4,00 EUR und 34,42 EUR kam. Mit Bescheid vom 11. Februar 2014 setzte die Beklagte die Leistungshöhe für August 2013 in der bisher vorläufig bewilligten Höhe endgültig fest.

Am 1. April 2014 beantragten die Antragsteller die Gewährung von Prozesskosten-hilfe und reichten die Antragsvordrucke dafür ein.

Mit Schreiben vom 3. September 2014 begründeten die Antragsteller ihre Klage hinsichtlich des Sachverhalts unter Hinweis auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid. Der angegriffene Bescheid hätte nicht vorläufig ergehen dürfen. Eine noch ausstehende Betriebskostenabrechnung berechtige nicht zu einer vorläufigen Bewilligung. Darüber hinaus fehle es an einem nachvollziehbaren Ermessensgebrauch.

Das Sozialgericht teilte mit Schreiben vom 22. Dezember 2014 mit, dass es davon ausgehe, dass die endgültigen Bewilligungsentscheidungen gemäß § 96 SGG Verfahrensgegenstand geworden sein dürften. Die Kläger würden innerhalb von vier Wochen um Mitteilung gebeten, ob und bejahendenfalls aus welchen konkreten Gründen sie auch die endgültigen Bescheide als fehlerhaft ansehen würden. Mit der auf die voll unterschriebene Verfügung erfolgten und mit Zustellungsurkunde am 15. Mai 2015 dem Prozessbevollmächtigten der Antragsteller zugestellten Erinnerung vom 11. Mai 2015 an die Nachfrage vom 22. Dezember 2014 forderte das Sozialgericht die Kläger nach § 102 Abs 2 SGG zum Betreiben des Verfahrens auf. Die Antragsteller meinten mit Schreiben vom 12. Februar 2016, das Verfahren sei fortzuführen. Die Betreibensaufforderung sei schon aus formellen Gründen unwirksam und habe die Dreimonatsfrist nicht in Gang gesetzt.

Das Sozialgericht Cottbus hat mit Beschluss vom 17. Oktober 2016 den Antrag auf Prozesskostenhilfe abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, dass der Wirksamkeit der Betreibensaufforderung bei vorläufiger Bewertung keine Bedenken entgegenstehen würden. Auch würden sich die angefochtenen Bescheide bei summarischer Prüfung als rechtmäßig erweisen. Der Beschluss sei unanfechtbar, weil eine Überschreitung der Berufungssumme für das Hauptsacheverfahren nicht ersichtlich sei.

Die Antragsteller verfolgen ihr Begehren mit der Beschwerde vom 18. November 2016 weiter. Die Beschwerde sei statthaft, weil in der Situation, dass der Beschwerdewert nicht zu ermitteln sei, von der Statthaftigkeit der Berufung auszugehen sei.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter nach § 155 Abs 3, 4 SGG erklärt.

II

Über die Beschwerde kann der Senat gemäß § 155 Abs 3, 4 SGG allein durch seinen Berichterstatter entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis damit erklärt haben und die Sache in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft. Die rechtlichen, einschließlich der verfassungsrechtlichen Maßstäbe zur Beurteilung des Anspruchs auf Prozesskostenhilfe sind durch die Rechtsprechung des BVerfG geklärt. Der vorliegende Fall wirft, an diesen Maßstäben gemessen, keine neuen rechtlichen Fragen auf.

Die Beschwerde ist unzulässig, denn sie ist nicht statthaft.

Nach § 172 Abs 1 SGG findet gegen die Entscheidungen der Sozialgerichte mit Ausnahme der Urteile und gegen Entscheidungen der Vorsitzenden dieser Gerichte die Beschwerde an das Landessozialgericht statt, soweit nicht in diesem Gesetz anderes bestimmt ist. Nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG ist die Beschwerde ausgeschlossen gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe, wenn a) das Gericht die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Prozesskostenhilfe verneint, b) in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte oder c) das Gericht in der Sache durch Beschluss entscheidet, gegen den die Beschwerde ausgeschlossen ist.

Es liegt die Voraussetzung des § 172 Abs 3 Nr 2 b) SGG vor. Nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG bedarf die Berufung der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR nicht übersteigt. Dies gilt nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft (§ 144 Abs 1 Satz 1 SGG). Nach § 172 Abs 3 Nr 2 b) SGG kommt es auf die Abgrenzung von zulassungsfreier Berufung und Zulassungsbedürftigkeit, nicht aber darauf an, ob in der Hauptsache die Berufung zuzulassen ist. Nur in Fällen zulassungsfreier Berufung ist die Beschwerde statthaft. Leistungen für einen längeren Zeitraum als ein Jahr sind nicht im Streit, weil nur ein Zeitraum von sechs Monaten Gegenstand der angefochtenen Bescheide ist. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt den Betrag von 750,00 EUR nicht.

Den Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs 1 SGG hat das LSG zur Feststellung der Statthaftigkeit der Berufung von Amts wegen eigenständig zu ermitteln, ohne dabei an Angaben der Kläger gebunden zu sein (BSG, Beschluss vom 01.12.2016, B 14 AS 183/16 B, RdNr 10 mwN). Dabei ist nach dem Maßstab von § 123 SGG einerseits zu berücksichtigen, dass die Disposition über das Berufungsziel beim Kläger liegt. Andererseits sind Vorstellungen von Beteiligten für den Zugang zur Rechtsmittelinstanz unbeachtlich, solange sie eine vernünftige Grundlage vermissen lassen oder in Widerspruch zur Gesetzeslage stehen (st Rspr; vgl etwa BSG vom 28.02.1978, 4 RJ 73/77, SozR 1500 § 146 Nr 7; BSG vom 23.07.1998, B 1 KR 24/96 R, SozR 3-1500 § 158 Nr 3 S 11, 13; BSG vom 22.08.1990, 10 RKg 29/88, BSGE 67, 194, 195 = SozR 3-5870 § 27 Nr 1; BSG, Beschluss vom 01.12.2016, B 14 AS 183/16 B, RdNr 10 mwN). Unzureichende Klarstellung des Klagebegehrens gehen daher zu Lasten des Betroffenen, wenn nach diesen Maßstäben nicht zu erkennen ist, dass der Beschwerdewert erreicht wird (vgl BSG, Beschluss vom 01.12.2016, B 14 AS 183/16 B, RdNr 11).

Angesichts des auf sechs Monate beschränkten Streits über die Höhe der an die Antragsteller zu zahlenden Grundsicherungsleistungen bei ungekürzten Leistungen für Kosten der Unterkunft und Heizung, der korrekten und nicht beanstandeten Einkommensanrechnung sowie der Berücksichtigung der gesetzlich vorgegebenen und mit Beschluss des BVerfG vom 23. Juli 2014 verfassungsgerichtlich bestätigten Regelbedarfe, der Erhöhung der Leistungen durch die endgültigen Bescheide für die Monate September bis Dezember 2013 sowie des Beschwerdewerts von 750,01 EUR nach § 144 Abs 1 Satz 1 Nr 1 SGG ist nicht ersichtlich, wie dieser Betrag erreicht werden sollte. Der Beschluss des BVerfG vom 23. Juli 2014 war jedenfalls bei Aufforderung zur Klarstellung vom 22. Dezember 2014 veröffentlicht. Die Vorstellungen der Antragsteller über ihr Klagebegehren und dessen Grundlagen werden nicht erkennbar. Vor dem Hintergrund der verfassungsgerichtlichen Klärung der Rechtmäßigkeit der Regelbedarfssätze und der Darstellungen der Ansprüche und deren Grundlagen im Widerspruchsbescheid werden – mangels näheren Vortrags – vernünftige Gründe der Rechtsverfolgung nicht erkennbar. Die Kläger lebten in Bedarfsgemeinschaft mit der Mutter des Antragstellers zu 2). Ausgehend von einem Gesamtbedarf von 600 EUR (Regelbedarf von 345 EUR + 255 EUR) nach § 77 Abs 4 Nr 3 SGB II plus berücksichtigten kopfteiligen Aufwendungen für die Unterkunft und Heizung von 223,76 EUR monatlich insgesamt) wäre der Beschwerdewert nur zu überschreiten, wenn eine Erhöhung des Regelbedarfs von monatlich mehr als 125 EUR ernsthaft im Streit stehen würde. Dies ist nicht zu erkennen.

Die Sache ist daher kein Fall zulassungsfreier Berufung.

Sofern man mit den Antragstellern davon ausgehen wollte, dass mangels Bestimmung des Streitgegenstandes ein Fall zulassungsfreier Berufung und damit einer statthaften Beschwerde vorliegen könnte, würde es an der erforderlichen Erfolgsaussicht fehlen, so dass die Beschwerde jedenfalls unbegründet wäre. Die Klage war im Zeitpunkt des Beschlusses des Sozialgerichts unzulässig und daran hat sich zwischenzeitlich nichts geändert.

Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG in Verbindung mit § 114 ZPO erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe ein Beteiligter, der nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Die erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist zwar statthaft, aber nicht zulässig, weil sie entgegen §§ 92 Abs 1 Satz 1, 123 SGG nicht hinreichend bestimmt war und auch auf Aufforderung des Sozialgerichts, die von Klägerseite angenommenen Fehler der Leistungsbescheide zu bezeichnen, nicht des Näheren bestimmt wurde. Weil anders als im Fall der Entscheidung des BSG vom 1. Dezember 2016, B 14 AS 183/16 B, keine isolierte Anfechtungsklage im Raum steht und das Leistungsbegehren nicht von einer Entscheidung des Gesetzgebers auf eine entsprechende Auflage des BVerfG abhängt (BSG, Beschluss vom 01.12.2016, B 14 AS 183/16 B, RdNr 6, 7), war im vorliegenden Fall eine nähere Bestimmung des Streitgegenstandes nicht entbehrlich (§ 92 Abs 1 Satz 1 SGG). Mit dem Schreiben vom 22. Dezember 2014 waren die Kläger unter Fristsetzung zu einer Klarstellung ihres Begehrens aufgefordert worden. Weil dies von den Klägern nicht umgesetzt wurde, konnte die Betreibensaufforderung wegen fehlender Mitwirkung in für den Prozess essenziellem Bereich darauf gestützt werden, dass jedenfalls der Umfang der behaupteten Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Bescheides und damit der Umfang der Anfechtung und des Leistungsbegehrens unklar blieben. Auf die unzureichende Bestimmung des Klagebegehrens berufen sich die Antragsteller mit ihrer Beschwerdebegründung sogar ausdrücklich selbst. Soweit entgegen dem Vortrag der Beklagten wohl nicht davon ausgegangen werden dürfte, dass für Juli 2013 bereits eine endgültige Bescheidung vorliegt (der Änderungsbescheid vom 17.07.2013 ist ausdrücklich auch hinsichtlich Juli 2013 vorläufig, dies vermerkt auch der Widerspruchsbescheid und der Erstattungsbescheid vom 17.07.2013 dürfte kaum als endgültige Festsetzung im Widerspruch zum Änderungsbescheid vom selben Tag gesehen werden können), bleibt das Leistungsbegehren auch für Juli 2013 unklar, während eine volle isolierte Anfechtung der vorläufigen Bewilligung nicht ernsthaft angenommen werden kann.

Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet (§ 73 a Abs 1 Satz 1 SGG i V m § 127 Abs 4 ZPO).

Dieser Beschluss kann nicht angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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