Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
40
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 40 U 264/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 wird aufgehoben. 2. Es wird festgestellt, dass das Ereignis vom 22. Januar 2014 ein Arbeitsunfall ist. 3. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Arbeitsunfalles.
Die 1967 geborene Klägerin befand sich nach dem Durchgangsarztbericht vom 4. März 2014 seit 17. Januar 2014 aufgrund von Unterleibsbeschwerden zulasten ihrer (gesetzlichen) Krankenkasse in stationärer Krankenhausbehandlung. Zur weiterführenden Diagnostik sollte am 23. Januar 2014 eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt werden. Hierfür wurde der Klägerin – ärztlich verordnet – das Abführmittel E. als vorbereitende Maßnahme gegeben. Am 22. Januar 2014 stürzte die Klägerin noch im Krankenhauszimmer auf dem Weg zur Toilette im Rahmen der abführenden Maßnahmen und zog sich eine Tibiakopffraktur rechts zu.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22. Januar 2014 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung aus, dass vom Versicherungsschutz das Erdulden ärztlicher, krankenpflegerischer oder sonstiger medizinischer rehabilitationsdienender Handlungen am Körper des Patienten ausgeschlossen seien. Dieses umfasse auch die Reaktion auf Medikamente bzw. Behandlungen. Nach Angaben der Krankenkasse der Klägerin bzw. des Krankenhauses sei sie auf dem Weg zur Toilette im Rahmen der abführenden Maßnahmen zur geplanten Darmspiegelung gewesen, als der Sturz erfolgte. In rechtlicher Würdigung der Schilderung sei Versicherungsschutz abzulehnen, da der Unfall durch das Einweisungsleiden bzw. durch die Nachwirkungen der infolge des Einweisungsleidens vorgenommenen Behandlung verursacht worden sei. Dieser Umstand sei nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt bzw. sei nicht der erfasste Risikobereich. Auch eine besondere Krankenhausgefahr, die entweder den Unfall oder die Schwere der Verletzung wesentlich begünstigt hätte, sei vorliegend nicht gegeben.
Am 26. Mai 2014 legte die Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass für den 23. Januar 2014 eine Darmspiegelung vom Krankenhaus angeordnet worden sei. Am 22. Januar 2014 gegen 17:00 Uhr habe sie mit der Einnahme des Abführmittels begonnen, gegen 19:00 Uhr sei sie im Krankenhauszimmer, auf dem Wege zur Toilette, auf beide Kniegelenke gestürzt. Grund hierfür sei ein Kreislaufversagen infolge der abführenden, vom Arzt angeordneten, Maßnahme gewesen. Weiter wies die Klägerin darauf hin, dass die Einnahme der Abführmittel eine vom Arzt angeordnete Tätigkeit gewesen sei, die der Diagnostik dienen sollte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte zusammengefasst aus, der Gesundheitsschaden müsse infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten sein. Liege die Ursache des Ereignisses in dem Menschen selbst (innere Ursache) und habe eine besondere Gefahr zur Entstehung, Art bzw. Schwere der Verletzung nicht vorgelegen, so liege zwar ein Unfall vor, jedoch kein Versicherungsfall, weil es sich um einen Unfall aus innerer Ursache handeln würde. Der Gesundheitsschaden sei nur zufällig während der Ausübung der versicherten Tätigkeit eingetreten, nicht jedoch wesentlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen. Zur Vorbereitung auf die Darmspiegelung habe die Klägerin ein Abführmittel eingenommen. Im Widerspruchsverfahren habe sie mitgeteilt, die Ursache des Sturzes sei ein Kreislaufversagen infolge der vom Arzt angeordneten Maßnahme gewesen. Für den Sturz sei damit weder der fremde Gefahrenbereich, noch die Ausübung der versicherten Tätigkeit (Weg zur Toilette) verantwortlich gewesen, sondern vielmehr die innere Ursache in Form des Kreislaufversagens infolge des Einweisungsleidens. Ein Arbeitsunfall habe somit nicht vorgelegen.
Am 25. September 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass sie sich vom 17. Januar 2014 bis zum 12. Februar 2014 in stationärer Behandlung im Krankenhaus befunden habe. Hintergründe der stationären Krankenhausbehandlung seien über mehrere Wochen andauernde Oberbauchbeschwerden gewesen. Im Rahmen der Diagnostik sei eine Darmspiegelung gemacht worden, zu deren Vorbereitung die Klägerin ein abführendes Mittel verabreicht bekommen habe. Beim Einsetzen der Wirkung dieses Mittels wollte die Klägerin die Toilette aufsuchen. Auf dem Weg dorthin sei sie auf beide Knie gestürzt und habe sich eine Tibiakopffraktur rechts zugezogen. Aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Mitwirkung an der Behandlung sei auch der Gang zur Toilette versichert gewesen. Es liege insoweit ein Arbeitsunfall vor.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 22. Januar 2014 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und weist nochmals darauf hin, dass es sich vorliegend um einen Unfall aus innerer Ursache gehandelt habe, so dass kein Arbeitsunfall vorliege. Im Übrigen trägt die Beklagte vor, sie habe zu keinem Zeitpunkt verneint, dass der Gang zur Toilette (zum Abführen) keine versicherte Tätigkeit darstelle, sondern vielmehr, dass sich die Klägerin als versicherte Person zum Zeitpunkt des Sturzes bei einer versicherten Tätigkeit auf dem Weg zur Toilette befunden habe. Da es sich jedoch um einen Unfall aus innerer Ursache gehandelt habe, sei die Unfallkausalität nicht erfüllt. Daher könne ein Arbeitsunfall nicht anerkannt werden. Rechtlich allein wesentliche Ursache des Sturzes seien der Schwindel und das Nachgeben der Beine, und damit eine auf den Gesundheitszustand der Klägerin beruhende krankhafte Erscheinung gewesen. Daher habe nicht die versicherte Tätigkeit das Unfallereignis rechtlich wesentlich verursacht, sondern die innere Ursache. Die Klägerin stürzte anlässlich des Weges zur Toilette und nicht aufgrund des mit der Wegezurücklegung verbundenen Risikos. Nicht die versicherte Tätigkeit habe das Unfallereignis rechtlich wesentlich verursacht, sondern die innere Ursache. Spekulationen über den Hintergrund der inneren Ursache seien nicht entscheidungsrelevant. Die innere Ursache als solches sei nach Aussage der Klägerin unstreitig. Der Grund für den Schwindel sei unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt versichert, denn die Einnahme des Medikaments bzw. Abführmittels sei Teil der Behandlung und die Wirkung oder Nebenwirkung sei damit das Behandlungsrisiko.
Weder das Erkrankungsrisiko noch das Behandlungsrisiko werde vom Versicherungsschutz erfasst. Eine Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung betreffe dementsprechend nicht die Krankheit im engeren Sinne oder die mit der Behandlung selbst verbundenen Risiken – zum Beispiel das Risiko von Operation, Schädigung durch Narkosefehler, unvorhergesehene Reaktion auf Medikamente oder Wundinfektion – einschließlich des mit der medizinischen Behandlung verbundenen Risikos von Behandlungsfehlern durch Ärzte (Kunstfehler) oder des ärztlichen Hilfspersonals. Die Regelung des Versicherungsschutzes biete insoweit keine gesetzliche Grundlage dafür, medizinische Behandlungsrisiken in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen und dadurch eine heimliche Ablösung der Arzthaftung, durch die gesetzliche Unfallversicherung, zu bewirken. Insoweit verweise die Beklagte auf die Gebrauchsinformation über das gegebene Abführmittel E., das als bedeutsame Nebenwirkung Kreislaufbeschwerden aufgelistet habe. Aus Sicht der Beklagten habe sich bei der Klägerin daher eine von vornherein bekannte Medikamentennebenwirkung und damit ein Behandlungsrisiko verwirklicht.
Am 8. April 2016 hat das Gericht mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert. Hierbei hat die Klägerin ausgeführt, dass sie wegen Magen- und Darmproblemen im Krankenhaus gewesen sei und eine Darmspiegelung durchgeführt werden sollte. Zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr habe sie ein Abführmittel bekommen und sei dann auf dem Weg zur Toilette gestürzt. Vorher habe sie noch nie Kreislaufprobleme gehabt. Sie hätte aufgrund der Magen- und Darmprobleme wenig gegessen. Auf halbem Wege zur Toilette sei ihr schwindelig geworden und deshalb sei sie gestürzt. Ob ihr schwarz vor Augen geworden sei, sei ihr nicht mehr genau erinnerlich. Die Beine hätten jedenfalls nachgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist begründet.
Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat am 22. Januar 2014 einen Arbeitsunfall erlitten. Das Unfallereignis ist infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zurzeit des Unfallereignisses durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann liegt kraft Gesetzes ein Versicherungstatbestand vor.
Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R – in juris).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat zurzeit des Unfallereignisses eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII begründende Tätigkeit verrichtet und "infolge" dieser einen Unfall erlitten.
Nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII sind Personen kraft Gesetzes versichert, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlungen oder Leistungen stationärer oder teilstationärer medizinischer Rehabilitation erhalten.
Zum Tatbestandsmerkmal des "Erhaltens" einer Behandlungsmaßnahme hat das BSG im Urteil vom 27. April 2010 (Az.: B 2 U 11/09 R – nach Juris Rz. 17) ausgeführt:
"Die gesetzliche Qualifikation des Erhaltens einer Behandlung oder einer Leistung als versicherte Tätigkeit dient dem Zweck, Versicherte gegen drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der mitzuwirken sie verpflichtet sind (§§ 60 ff SGB I), zu schützen. Darüber hinaus sollen sie gegen die Gefahren geschützt sein, die entstehen, weil sie sich in eine besondere Einrichtung begeben müssen und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause (vgl BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283, 285 = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 23.2.1983 - 2 RU 3/82 - BSGE 55, 10, 12 = SozR 2200 § 539 Nr 88; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 85/78 - SozR 2200 § 539 Nr 56). Die versicherte Tätigkeit umfasst danach das Entgegennehmen der Behandlung sowie die Handlungen, die Versicherte vornehmen, um die Behandlung entweder zu erhalten oder an ihrer Durchführung mitzuwirken, soweit sie sich dabei im Rahmen der ärztlichen Anordnung halten (vgl auch Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 2 Anm 541). Das Erhalten einer Leistung zur Rehabilitation erfordert nicht stets das passive Hinnehmen derselben, sondern mitunter auch die aktive Betätigung, ohne die die Ziele der Krankenbehandlung oder Rehabilitation nicht zu erreichen sind.
Anders als zu § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a Reichsversicherungsordnung angenommen wurde und in der Literatur auch zu § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII wird, gibt die Vorschrift keinen Hinweis darauf, dass aus dem Kreis der versicherten Tätigkeit - also dem Erhalten einer Behandlung - alle Betätigungen ausgeschlossen wären, die während einer ärztlichen oder therapeutischen Behandlung vorgenommen werden (vgl zur RVO: BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283, 285 f = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 30.9.1980 - 2 RU 13/80 - SozR 2200 § 539 Nr 71; zum SGB VII: Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Dezember 2008, K § 2 RdNr 230 mwN; Bieresborn in jurisPK-SGB VII, § 2 SGB VII RdNr 223 mwN). Die Frage, ob ein Gesundheitsschaden wesentlich durch eine versicherte Verrichtung iS des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII oder durch einen ärztlichen oder therapeutischen Fehler verursacht worden ist, stellt sich erst bei der Beurteilung der Unfallkausalität."
Diesen Ausführungen des BSG, zum Tatbestandsmerkmal "erhalten" einer Behandlung als versicherte Tätigkeit, schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Die Einnahme des Abführmittels (Medikament - E.) stellt eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII dar, die Teil der ärztlich angeordneten stationären Behandlung war. Nur mit dieser Medikamentengabe war es möglich, die geplante diagnostische Koloskopie, als das Erhalten der Behandlung, durchzuführen. Die Klägerin musste an dieser Krankenhausmaßnahme mitwirken, denn ohne die Einnahme des Abführmittels wäre die medizinisch notwendige diagnostische Durchführung der Koloskopie nicht möglich gewesen. Sie hielt sich hierbei auch im Rahmen der ärztlichen Anordnung.
Zum sachlichen Zusammenhang einer Mitwirkungshandlung hat das BSG im Urteil vom 27. April 2010 (Az.: B 2 U 11/09 R – nach Juris Rz. 20) weiter ausgeführt:
"An dem sachlichen Zusammenhang der Mitwirkungshandlung mit der versicherten Tätigkeit würde es auch nicht fehlen, wenn eine fehlerhafte therapeutische Behandlung durch einen Arzt oder einen von ihm eingeschalteten Therapeuten vorläge. Dies kann den sachlichen Zusammenhang der Verrichtung der Klägerin mit ihrer versicherten Tätigkeit nicht berühren. Denn soweit Versicherte eine nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII versicherte Verrichtung ausüben, entfällt die Versicherung kraft Gesetzes nicht, weil sie bei Erhalt der Behandlung auch durch den Behandelnden geschädigt werden. Soweit das BSG zu früheren Fassungen der Vorschrift und zu Vorgängernormen möglicherweise anderes bedacht hat, kann dies nach der jetzt gültigen Gesetzesfassung nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283 = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 30.9.1980 - 2 RU 13/80 – SozR 2200 § 539 Nr 71, BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 18/85 - BSGE 59, 291 = SozR 2200 § 539 Nr 115). Die eigene aktive Mitwirkung an einer angeordneten Behandlung ist stets eine Verrichtung der versicherten Tätigkeit (vgl Bieresborn in: jurisPK-SGB VII, § 2 SGB VII, RdNr 222.1). Die unfallbringende Tätigkeit hat zu den Mitwirkungshandlungen gehört, zu denen Rehabilitanden verpflichtet sind und die - unabhängig von einer Weisung im Einzelfall – der Ermöglichung der Behandlung gedient hat."
Auch diesbezüglich sind die Ausführungen des BSG zutreffend und für die Kammer maßgebend. Der sachliche Zusammenhang ist vorliegend gegeben, denn sowohl der Weg zur Toilette als auch die Medikamenteneinnahme begründen den sachlichen Zusammenhang der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII.
Die Unfallkausalität ist positiv festzustellen. Zwar hat sich eine innere Ursache realisiert, diese ist aber wesentlich der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Die Prüfung der Unfallkausalität, bzw. der Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein, wird auch nach der neuen Rechtsprechung des BSG in 2 Stufen durchgeführt (vgl. BSG Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - in UV-Recht Aktuell 2013, 291-306; BSG Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 46 = BSGE 112, 177-188 = NJW 2013, 3676-3680; BSG Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 44). Die 1. Kausalitätsstufe bildet die objektive naturwissenschaftliche Kausalitäts-beziehung und betrifft die reine Tatsachenebene, die 2. Kausalitätsstufe stellt die juristische Zurechnungsebene dar.
Entgegen den noch etwas missverständlichen Ausführungen zur Struktur der Kausalitätsprüfung im Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (Az.: B 2 U 1/05 R – Rz. 13 nach Juris = BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr.):
"Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer 2. Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen."
hat das BSG in den neuen Entscheidungen aus dem Jahre 2012 (aaO.) zutreffend dargelegt, wie die konkrete Kausalitätsprüfung der beiden Stufen erfolgen sollte. Insbesondere gilt die "Conditio-Formel" im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht uneingeschränkt, denn diese Formel verlange eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufes (vgl. BSG Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - in UV-Recht Aktuell 2013, 291-306; Rz. 54 nach Juris; BSG Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 46 = BSGE 112, 177-188 = NJW 2013, 3676-3680; Rz. 34ff nach Juris; instruktiv W. Meyer "Der "Arbeitsunfall" und die "Unfallfolge" in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)" – Sonderveröffentlichung als Beilage zu Heft 5/2014 (Die Rentenversicherung) Seiten 1 – 35 (16ff).
Daher ist "für die praktische Rechtsanwendung nicht erst in einer 2. Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird", sondern bereits auf der Tatsachenebene, der 1. Kausalitätsstufe. Denn auf dieser Ebene hat das Gericht die notwendigen Beweise, ggf. durch Sachverständige, zu erheben und als (Wirk-)Ursachen festzustellen, ggf. mit den naturwissenschaftlichen Mitwirkungsanteilen. Erst wenn diese Prüfstufe positiv festgestellt wird, folgt die rechtliche Zurechnung der "wesentlichen Bedingung" auf 2. Stufe. Insoweit sind auf der Tatsachenebene der 1. Kausalitätsstufe die Wirkursachen festzustellen, die im konkreten Fall eine rechtliche oder tatsächliche Wirkung haben.
Als solche Wirkursachen, im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (1. Kausalitäts-stufe), stellt die Kammer vorliegend fest, dass sich die Klägerin bei der Verrichtung unmittelbar vor dem Unfallereignis auf einem versicherten Weg innerhalb des Krankenhauses (Weg zur Toilette im Krankenzimmer) befand. Hierbei handelt es sich um einen Weg, der regelmäßig unter Versicherungsschutz steht. Dies ist zwischen den Beteiligten insoweit nicht streitig, wird von der Kammer aber ausdrücklich festgestellt. Als weitere Wirkursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne sind vorliegend die Kreislaufbeschwerden in Form eines Schwindels mit "Wegsacken" der Beine festzustellen. Dies stellt eine sogenannte innere Ursache dar, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Beide Wirkursachen sind auf der 1. Kausalitätsstufe positiv festzustellen.
Auf der 2. Stufe ist positiv und wertend festzustellen, ob sich die durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursachte Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellt und deshalb die versicherte Tätigkeit "wesentlich" war, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird nur begründet, wenn die durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Einwirkung auf den Versicherten eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll. Andere unversicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - aaO RdNr 36 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - aaO Juris RdNr 43).
Nach Maßgabe dieser Voraussetzung kommt die Kammer zum Ergebnis, dass die innere Ursache, die Kreislaufbeschwerden mit Schwindel und dem Wegsacken der Beine, die allein wesentliche Ursache für den Sturz der Klägerin war. Eine konkrete Wegegefahr im Krankenzimmer ist nicht dokumentiert und kann als solche nicht von der Kammer festgestellt werden. Ebenfalls ist nirgends berichtet, dass die Klägerin möglicherweise umgeknickt sei oder ausgerutscht wäre. Die Kammer stellt daher ausdrücklich fest, dass die innere Ursache die allein rechtlich wesentliche Ursache (Wirkursache) für den Sturz (Unfallereignis) der Klägerin am 22. Januar 2014 im Krankenhaus Zimmer war. Diese innere Ursache ist auch die wesentliche Folge der versicherten Tätigkeit in Form der Einnahme des Abführmittels E ...
Andere Ursachen für die Kreislaufbeschwerden sind nicht feststellbar. Es ist nicht ersichtlich oder nachgewiesen, dass die Klägerin noch an weiteren Erkrankungen litt, die zu solchen Beschwerden führen und eine eigenständige Wirkursache darstellen könnten. Dass die Klägerin "wenig" gegessen hatte, ist insoweit ebenfalls der vorgesehenen Koloskopie geschuldet, ist wäre daher ebenfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Versicherungsschutz nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der naturwissenschaftlichen Wirkursache, die als rechtlich-wesentliche Ursache festgestellt wird, um eine innere Ursache handelt. Beruht die innere Ursache ebenfalls - kausal - auf versicherte Umstände, besteht Versicherungsschutz für eine solche innere Ursache. Dies kann unter Umständen der Fall sein, wenn Arbeiten unter großer Hitze durchgeführt werden, und es durch betriebliche Umstände nicht möglich ist, dass der Versicherte genügend Flüssigkeit aufnehmen kann. In einem solchen Fall wäre Versicherungsschutz gegeben, wenn durch die versicherte Tätigkeit wesentlich eine Kreislaufstörung mit Schwindel relevant wird, die zu einem Unfallereignis führt.
Vorliegend ist die Unfallkausalität nach Auffassung der Kammer in der Weise festzustellen, dass die Klägerin ärztlich angeordnet und daher als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII zur Vorbereitung einer Koloskopie entsprechende Medikamente einnehmen musste, die zu einem Kreislaufversagen mit anschließendem Sturz auf die Kniegelenke führte. Das Einnehmen der abführenden Medikamente war die geschützte, versicherte Tätigkeit im Sinne des Erhaltens der Krankenhausbehandlung. Aus diesem Erhalten der Krankenhausbehandlung, an der die Klägerin zur Durchführung der Koloskopie mitwirken musste, kam es "infolge" zu den Kreislaufbeschwerden. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin und insbesondere aus den Gebrauchsinformationen über das Abführmittel Endofalk Classik, das als bedeutsame Nebenwirkung "Kreislaufbeschwerden" ausweist. Damit besteht ein unmittelbarer bzw. rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, sodass Versicherungsschutz bzw. die Unfallkausalität vorliegend festgestellt wird.
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein, den Versicherungsschutz ausschließender Behandlungsfehler vor. Die Unfallkausalität wäre mangels Kausalzusammenhangs zu verneinen, wenn der Unfall allein wesentlich durch einen Behandlungsfehler verursacht worden wäre. Unfälle, die allein wesentlich durch eine fehlerhafte Behandlung eines Arztes oder eines Therapeuten, wie zB Physiotherapeuten, Schwestern und Pfleger, bei dem Erhalt ärztlich angeordneter Behandlungen verursacht werden, sind mangels Wesentlichkeit der Verrichtung des Versicherten für den Unfall keine Arbeitsunfälle (vgl BSG vom 15.12.1981 - 2 RU 79/80; BSG vom 27.11.1986 - 2 RU 10/86).
Bei der Klägerin hat sich kein "unversichertes" Behandlungsrisiko, ein Behandlungsfehler, realisiert. Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass das Risiko von Operationen oder die Schädigung durch Narkosefehler, eine unvorhergesehene Reaktion auf Medikamente oder Wundinfektionen, einschließlich des Risikos von Behandlungsfehlern durch Ärzte oder ärztliches Hilfspersonal (ärztliche Kunstfehler) nicht unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII fallen. Ein "Behandlungsfehler" hat sich vorliegend gerade nicht realisiert und kann daher von der Kammer nicht festgestellt werden. Ein solcher Behandlungsfehler würde ggf. vorliegen, wenn bei der konkreten ärztlichen Behandlung, vorliegend bei der Koloskopie, eine Verletzung des Darmes "ärztlich" verursacht worden wäre, oder wenn diese ärztliche Maßnahme in Vollnarkose durchgeführt, und zum Beispiel der Patient während dieser Operations-maßnahme vom Operationstisch oder in der Aufwachphase aus seinem Bett fallen würde, weil die Narkose immer noch Wirkung zeigte. Dann wäre ein unmittelbarer Zusammenhang mit der ärztlichen Leistung begründet, der einen ärztlichen "Kunstfehler" darstellen und zu einer Arzthaftung führen könnte. Dies ist vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung originär ausgeschlossen.
Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Vorliegend handelt es sich um eine "Vorbereitungs-maßnahme", die mit einer medizinischen Maßnahme nach einem medizinischen Eingriff zu vergleichen ist. Wird nach einer Operation durch den Arzt eine medizinische bzw. therapeutische Bewegungsmaßnahme (Therapiesport, Waldspaziergang etc.) angeordnet, und tritt hierbei ein Unfallereignis auf, so begründet dies regelmäßig den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt auch, wenn sich eine Gefahr realisiert, die zur Vorbereitung der konkreten ärztlichen Maßnahme in stationärer Umgebung bzw. beim stationären Aufenthalt, ärztlich angeordnet, erforderlich wird. Um eine solche entsprechende Maßnahme hat es sich bei der versicherten Tätigkeit in Bezug auf die Gabe des Abführmittels und deren tatsächliche Folgen gehandelt. Eine besondere Beobachtungspflicht/Aufsichtspflicht nach der Gabe des Abführmittels "auf dem Wege zur Toilette" war nicht erforderlich, denn die Klägerin litt vorher nicht unter Kreislaufbeschwerden, so dass kein besonderer Anlass bestand. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Krankenhaus eine Begleitung durch eine Krankenschwester bei Bedarf hätte "anfordern" können, welches insoweit nicht erfolgt ist. Hieraus ist aber keine Notwendigkeit zur ständigen Beaufsichtigung einen Patienten, der Abführmittel bekommt, abzuleiten. Da regelmäßig Koloskopieuntersuchungen ambulant durchgeführt werden, ist auch kein erhöhtes Sturzrisiko feststellbar.
Selbst wenn ein gewisser Ursachenbeitrag im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Unfall gesetzt wurde, weil die Klägerin nicht permanent beobachtet wurde, so wäre dieser Ursachenbeitrag für den Eintritt des Unfalls nicht wesentlich, so dass die Unfallkausalität gegeben wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Feststellung eines Arbeitsunfalles.
Die 1967 geborene Klägerin befand sich nach dem Durchgangsarztbericht vom 4. März 2014 seit 17. Januar 2014 aufgrund von Unterleibsbeschwerden zulasten ihrer (gesetzlichen) Krankenkasse in stationärer Krankenhausbehandlung. Zur weiterführenden Diagnostik sollte am 23. Januar 2014 eine Darmspiegelung (Koloskopie) durchgeführt werden. Hierfür wurde der Klägerin – ärztlich verordnet – das Abführmittel E. als vorbereitende Maßnahme gegeben. Am 22. Januar 2014 stürzte die Klägerin noch im Krankenhauszimmer auf dem Weg zur Toilette im Rahmen der abführenden Maßnahmen und zog sich eine Tibiakopffraktur rechts zu.
Mit Bescheid vom 26. Mai 2014 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 22. Januar 2014 als Arbeitsunfall ab und führte zur Begründung aus, dass vom Versicherungsschutz das Erdulden ärztlicher, krankenpflegerischer oder sonstiger medizinischer rehabilitationsdienender Handlungen am Körper des Patienten ausgeschlossen seien. Dieses umfasse auch die Reaktion auf Medikamente bzw. Behandlungen. Nach Angaben der Krankenkasse der Klägerin bzw. des Krankenhauses sei sie auf dem Weg zur Toilette im Rahmen der abführenden Maßnahmen zur geplanten Darmspiegelung gewesen, als der Sturz erfolgte. In rechtlicher Würdigung der Schilderung sei Versicherungsschutz abzulehnen, da der Unfall durch das Einweisungsleiden bzw. durch die Nachwirkungen der infolge des Einweisungsleidens vorgenommenen Behandlung verursacht worden sei. Dieser Umstand sei nicht durch die gesetzliche Unfallversicherung abgedeckt bzw. sei nicht der erfasste Risikobereich. Auch eine besondere Krankenhausgefahr, die entweder den Unfall oder die Schwere der Verletzung wesentlich begünstigt hätte, sei vorliegend nicht gegeben.
Am 26. Mai 2014 legte die Kläger Widerspruch ein und erklärte, dass für den 23. Januar 2014 eine Darmspiegelung vom Krankenhaus angeordnet worden sei. Am 22. Januar 2014 gegen 17:00 Uhr habe sie mit der Einnahme des Abführmittels begonnen, gegen 19:00 Uhr sei sie im Krankenhauszimmer, auf dem Wege zur Toilette, auf beide Kniegelenke gestürzt. Grund hierfür sei ein Kreislaufversagen infolge der abführenden, vom Arzt angeordneten, Maßnahme gewesen. Weiter wies die Klägerin darauf hin, dass die Einnahme der Abführmittel eine vom Arzt angeordnete Tätigkeit gewesen sei, die der Diagnostik dienen sollte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 11. September 2014 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück und führte zusammengefasst aus, der Gesundheitsschaden müsse infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten sein. Liege die Ursache des Ereignisses in dem Menschen selbst (innere Ursache) und habe eine besondere Gefahr zur Entstehung, Art bzw. Schwere der Verletzung nicht vorgelegen, so liege zwar ein Unfall vor, jedoch kein Versicherungsfall, weil es sich um einen Unfall aus innerer Ursache handeln würde. Der Gesundheitsschaden sei nur zufällig während der Ausübung der versicherten Tätigkeit eingetreten, nicht jedoch wesentlich auf die versicherte Tätigkeit zurückzuführen. Zur Vorbereitung auf die Darmspiegelung habe die Klägerin ein Abführmittel eingenommen. Im Widerspruchsverfahren habe sie mitgeteilt, die Ursache des Sturzes sei ein Kreislaufversagen infolge der vom Arzt angeordneten Maßnahme gewesen. Für den Sturz sei damit weder der fremde Gefahrenbereich, noch die Ausübung der versicherten Tätigkeit (Weg zur Toilette) verantwortlich gewesen, sondern vielmehr die innere Ursache in Form des Kreislaufversagens infolge des Einweisungsleidens. Ein Arbeitsunfall habe somit nicht vorgelegen.
Am 25. September 2014 hat die Klägerin Klage erhoben. Zur Begründung weist sie darauf hin, dass sie sich vom 17. Januar 2014 bis zum 12. Februar 2014 in stationärer Behandlung im Krankenhaus befunden habe. Hintergründe der stationären Krankenhausbehandlung seien über mehrere Wochen andauernde Oberbauchbeschwerden gewesen. Im Rahmen der Diagnostik sei eine Darmspiegelung gemacht worden, zu deren Vorbereitung die Klägerin ein abführendes Mittel verabreicht bekommen habe. Beim Einsetzen der Wirkung dieses Mittels wollte die Klägerin die Toilette aufsuchen. Auf dem Weg dorthin sei sie auf beide Knie gestürzt und habe sich eine Tibiakopffraktur rechts zugezogen. Aufgrund ihrer gesetzlichen Verpflichtung zur Mitwirkung an der Behandlung sei auch der Gang zur Toilette versichert gewesen. Es liege insoweit ein Arbeitsunfall vor.
Die Klägerin beantragt nach ihrem schriftsätzlichen Vorbringen (sinngemäß gefasst),
den Bescheid der Beklagten vom 26. Mai 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. September 2014 aufzuheben und festzustellen, dass das Ereignis vom 22. Januar 2014 ein Arbeitsunfall ist.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Klage abzuweisen.
Sie bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und weist nochmals darauf hin, dass es sich vorliegend um einen Unfall aus innerer Ursache gehandelt habe, so dass kein Arbeitsunfall vorliege. Im Übrigen trägt die Beklagte vor, sie habe zu keinem Zeitpunkt verneint, dass der Gang zur Toilette (zum Abführen) keine versicherte Tätigkeit darstelle, sondern vielmehr, dass sich die Klägerin als versicherte Person zum Zeitpunkt des Sturzes bei einer versicherten Tätigkeit auf dem Weg zur Toilette befunden habe. Da es sich jedoch um einen Unfall aus innerer Ursache gehandelt habe, sei die Unfallkausalität nicht erfüllt. Daher könne ein Arbeitsunfall nicht anerkannt werden. Rechtlich allein wesentliche Ursache des Sturzes seien der Schwindel und das Nachgeben der Beine, und damit eine auf den Gesundheitszustand der Klägerin beruhende krankhafte Erscheinung gewesen. Daher habe nicht die versicherte Tätigkeit das Unfallereignis rechtlich wesentlich verursacht, sondern die innere Ursache. Die Klägerin stürzte anlässlich des Weges zur Toilette und nicht aufgrund des mit der Wegezurücklegung verbundenen Risikos. Nicht die versicherte Tätigkeit habe das Unfallereignis rechtlich wesentlich verursacht, sondern die innere Ursache. Spekulationen über den Hintergrund der inneren Ursache seien nicht entscheidungsrelevant. Die innere Ursache als solches sei nach Aussage der Klägerin unstreitig. Der Grund für den Schwindel sei unter keinem in Betracht kommenden Gesichtspunkt versichert, denn die Einnahme des Medikaments bzw. Abführmittels sei Teil der Behandlung und die Wirkung oder Nebenwirkung sei damit das Behandlungsrisiko.
Weder das Erkrankungsrisiko noch das Behandlungsrisiko werde vom Versicherungsschutz erfasst. Eine Einbeziehung in die gesetzliche Unfallversicherung betreffe dementsprechend nicht die Krankheit im engeren Sinne oder die mit der Behandlung selbst verbundenen Risiken – zum Beispiel das Risiko von Operation, Schädigung durch Narkosefehler, unvorhergesehene Reaktion auf Medikamente oder Wundinfektion – einschließlich des mit der medizinischen Behandlung verbundenen Risikos von Behandlungsfehlern durch Ärzte (Kunstfehler) oder des ärztlichen Hilfspersonals. Die Regelung des Versicherungsschutzes biete insoweit keine gesetzliche Grundlage dafür, medizinische Behandlungsrisiken in den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung einzubeziehen und dadurch eine heimliche Ablösung der Arzthaftung, durch die gesetzliche Unfallversicherung, zu bewirken. Insoweit verweise die Beklagte auf die Gebrauchsinformation über das gegebene Abführmittel E., das als bedeutsame Nebenwirkung Kreislaufbeschwerden aufgelistet habe. Aus Sicht der Beklagten habe sich bei der Klägerin daher eine von vornherein bekannte Medikamentennebenwirkung und damit ein Behandlungsrisiko verwirklicht.
Am 8. April 2016 hat das Gericht mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage ausführlich erörtert. Hierbei hat die Klägerin ausgeführt, dass sie wegen Magen- und Darmproblemen im Krankenhaus gewesen sei und eine Darmspiegelung durchgeführt werden sollte. Zwischen 17:00 Uhr und 18:00 Uhr habe sie ein Abführmittel bekommen und sei dann auf dem Weg zur Toilette gestürzt. Vorher habe sie noch nie Kreislaufprobleme gehabt. Sie hätte aufgrund der Magen- und Darmprobleme wenig gegessen. Auf halbem Wege zur Toilette sei ihr schwindelig geworden und deshalb sei sie gestürzt. Ob ihr schwarz vor Augen geworden sei, sei ihr nicht mehr genau erinnerlich. Die Beine hätten jedenfalls nachgegeben.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des weitergehenden Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen. Diese Akten waren Gegenstand der Erörterung und Entscheidungsfindung der Kammer.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil die Beteiligten ihr Einverständnis hierzu erklärt haben (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG-).
Die zulässige Anfechtungs- und Feststellungsklage ist begründet.
Die Bescheide der Beklagten sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat am 22. Januar 2014 einen Arbeitsunfall erlitten. Das Unfallereignis ist infolge der versicherten Tätigkeit eingetreten.
Nach § 8 Abs. 1 S. 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII). Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte zurzeit des Unfallereignisses durch eine Verrichtung den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt; nur dann liegt kraft Gesetzes ein Versicherungstatbestand vor.
Sodann muss diese Verrichtung ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dieses einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten wesentlich verursacht haben (vgl. Bundessozialgericht - BSG - Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 16/11 R – in juris).
Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Klägerin hat zurzeit des Unfallereignisses eine den Versicherungsschutz nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII begründende Tätigkeit verrichtet und "infolge" dieser einen Unfall erlitten.
Nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII sind Personen kraft Gesetzes versichert, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder einer landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlungen oder Leistungen stationärer oder teilstationärer medizinischer Rehabilitation erhalten.
Zum Tatbestandsmerkmal des "Erhaltens" einer Behandlungsmaßnahme hat das BSG im Urteil vom 27. April 2010 (Az.: B 2 U 11/09 R – nach Juris Rz. 17) ausgeführt:
"Die gesetzliche Qualifikation des Erhaltens einer Behandlung oder einer Leistung als versicherte Tätigkeit dient dem Zweck, Versicherte gegen drohende Gesundheitsgefahren aus der Behandlung, an der mitzuwirken sie verpflichtet sind (§§ 60 ff SGB I), zu schützen. Darüber hinaus sollen sie gegen die Gefahren geschützt sein, die entstehen, weil sie sich in eine besondere Einrichtung begeben müssen und dort überwiegend anderen Risiken ausgesetzt sind als zu Hause (vgl BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283, 285 = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 23.2.1983 - 2 RU 3/82 - BSGE 55, 10, 12 = SozR 2200 § 539 Nr 88; BSG vom 1.2.1979 - 2 RU 85/78 - SozR 2200 § 539 Nr 56). Die versicherte Tätigkeit umfasst danach das Entgegennehmen der Behandlung sowie die Handlungen, die Versicherte vornehmen, um die Behandlung entweder zu erhalten oder an ihrer Durchführung mitzuwirken, soweit sie sich dabei im Rahmen der ärztlichen Anordnung halten (vgl auch Schwerdtfeger in: Lauterbach, Gesetzliche Unfallversicherung, SGB VII, § 2 Anm 541). Das Erhalten einer Leistung zur Rehabilitation erfordert nicht stets das passive Hinnehmen derselben, sondern mitunter auch die aktive Betätigung, ohne die die Ziele der Krankenbehandlung oder Rehabilitation nicht zu erreichen sind.
Anders als zu § 539 Abs 1 Nr 17 Buchst a Reichsversicherungsordnung angenommen wurde und in der Literatur auch zu § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII wird, gibt die Vorschrift keinen Hinweis darauf, dass aus dem Kreis der versicherten Tätigkeit - also dem Erhalten einer Behandlung - alle Betätigungen ausgeschlossen wären, die während einer ärztlichen oder therapeutischen Behandlung vorgenommen werden (vgl zur RVO: BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283, 285 f = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 30.9.1980 - 2 RU 13/80 - SozR 2200 § 539 Nr 71; zum SGB VII: Riebel in Hauck/Noftz, SGB VII, Stand Dezember 2008, K § 2 RdNr 230 mwN; Bieresborn in jurisPK-SGB VII, § 2 SGB VII RdNr 223 mwN). Die Frage, ob ein Gesundheitsschaden wesentlich durch eine versicherte Verrichtung iS des § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII oder durch einen ärztlichen oder therapeutischen Fehler verursacht worden ist, stellt sich erst bei der Beurteilung der Unfallkausalität."
Diesen Ausführungen des BSG, zum Tatbestandsmerkmal "erhalten" einer Behandlung als versicherte Tätigkeit, schließt sich die Kammer ausdrücklich an. Die Einnahme des Abführmittels (Medikament - E.) stellt eine versicherte Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII dar, die Teil der ärztlich angeordneten stationären Behandlung war. Nur mit dieser Medikamentengabe war es möglich, die geplante diagnostische Koloskopie, als das Erhalten der Behandlung, durchzuführen. Die Klägerin musste an dieser Krankenhausmaßnahme mitwirken, denn ohne die Einnahme des Abführmittels wäre die medizinisch notwendige diagnostische Durchführung der Koloskopie nicht möglich gewesen. Sie hielt sich hierbei auch im Rahmen der ärztlichen Anordnung.
Zum sachlichen Zusammenhang einer Mitwirkungshandlung hat das BSG im Urteil vom 27. April 2010 (Az.: B 2 U 11/09 R – nach Juris Rz. 20) weiter ausgeführt:
"An dem sachlichen Zusammenhang der Mitwirkungshandlung mit der versicherten Tätigkeit würde es auch nicht fehlen, wenn eine fehlerhafte therapeutische Behandlung durch einen Arzt oder einen von ihm eingeschalteten Therapeuten vorläge. Dies kann den sachlichen Zusammenhang der Verrichtung der Klägerin mit ihrer versicherten Tätigkeit nicht berühren. Denn soweit Versicherte eine nach § 2 Abs 1 Nr 15 Buchst a SGB VII versicherte Verrichtung ausüben, entfällt die Versicherung kraft Gesetzes nicht, weil sie bei Erhalt der Behandlung auch durch den Behandelnden geschädigt werden. Soweit das BSG zu früheren Fassungen der Vorschrift und zu Vorgängernormen möglicherweise anderes bedacht hat, kann dies nach der jetzt gültigen Gesetzesfassung nicht mehr aufrechterhalten werden (vgl BSG vom 27.6.1978 - 2 RU 20/78 - BSGE 46, 283 = SozR 2200 § 539 Nr 47; BSG vom 30.9.1980 - 2 RU 13/80 – SozR 2200 § 539 Nr 71, BSG vom 29.1.1986 - 9b RU 18/85 - BSGE 59, 291 = SozR 2200 § 539 Nr 115). Die eigene aktive Mitwirkung an einer angeordneten Behandlung ist stets eine Verrichtung der versicherten Tätigkeit (vgl Bieresborn in: jurisPK-SGB VII, § 2 SGB VII, RdNr 222.1). Die unfallbringende Tätigkeit hat zu den Mitwirkungshandlungen gehört, zu denen Rehabilitanden verpflichtet sind und die - unabhängig von einer Weisung im Einzelfall – der Ermöglichung der Behandlung gedient hat."
Auch diesbezüglich sind die Ausführungen des BSG zutreffend und für die Kammer maßgebend. Der sachliche Zusammenhang ist vorliegend gegeben, denn sowohl der Weg zur Toilette als auch die Medikamenteneinnahme begründen den sachlichen Zusammenhang der versicherten Tätigkeit nach § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII.
Die Unfallkausalität ist positiv festzustellen. Zwar hat sich eine innere Ursache realisiert, diese ist aber wesentlich der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Die Prüfung der Unfallkausalität, bzw. der Kausalität in der gesetzlichen Unfallversicherung allgemein, wird auch nach der neuen Rechtsprechung des BSG in 2 Stufen durchgeführt (vgl. BSG Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - in UV-Recht Aktuell 2013, 291-306; BSG Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 46 = BSGE 112, 177-188 = NJW 2013, 3676-3680; BSG Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R – SozR 4-2700 § 8 Nr 44). Die 1. Kausalitätsstufe bildet die objektive naturwissenschaftliche Kausalitäts-beziehung und betrifft die reine Tatsachenebene, die 2. Kausalitätsstufe stellt die juristische Zurechnungsebene dar.
Entgegen den noch etwas missverständlichen Ausführungen zur Struktur der Kausalitätsprüfung im Urteil des BSG vom 9. Mai 2006 (Az.: B 2 U 1/05 R – Rz. 13 nach Juris = BSGE 96, 196 = SozR 4-2700 § 8 Nr.):
"Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer 2. Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen."
hat das BSG in den neuen Entscheidungen aus dem Jahre 2012 (aaO.) zutreffend dargelegt, wie die konkrete Kausalitätsprüfung der beiden Stufen erfolgen sollte. Insbesondere gilt die "Conditio-Formel" im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung nicht uneingeschränkt, denn diese Formel verlange eine hypothetische, dem Recht der gesetzlichen Unfallversicherung grundsätzlich fremde, alternative Zusammenhangserwägung ohne Berücksichtigung eines in Wirklichkeit vorhandenen Umstandes und mit Unterstellung eines in Wirklichkeit nicht erfolgten Geschehensablaufes (vgl. BSG Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 23/11 R - in UV-Recht Aktuell 2013, 291-306; Rz. 54 nach Juris; BSG Urteil vom 13. November 2012 – B 2 U 19/11 R - SozR 4-2700 § 8 Nr 46 = BSGE 112, 177-188 = NJW 2013, 3676-3680; Rz. 34ff nach Juris; instruktiv W. Meyer "Der "Arbeitsunfall" und die "Unfallfolge" in der gesetzlichen Unfallversicherung (GUV) des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII)" – Sonderveröffentlichung als Beilage zu Heft 5/2014 (Die Rentenversicherung) Seiten 1 – 35 (16ff).
Daher ist "für die praktische Rechtsanwendung nicht erst in einer 2. Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw denen der Erfolg zugerechnet wird", sondern bereits auf der Tatsachenebene, der 1. Kausalitätsstufe. Denn auf dieser Ebene hat das Gericht die notwendigen Beweise, ggf. durch Sachverständige, zu erheben und als (Wirk-)Ursachen festzustellen, ggf. mit den naturwissenschaftlichen Mitwirkungsanteilen. Erst wenn diese Prüfstufe positiv festgestellt wird, folgt die rechtliche Zurechnung der "wesentlichen Bedingung" auf 2. Stufe. Insoweit sind auf der Tatsachenebene der 1. Kausalitätsstufe die Wirkursachen festzustellen, die im konkreten Fall eine rechtliche oder tatsächliche Wirkung haben.
Als solche Wirkursachen, im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne (1. Kausalitäts-stufe), stellt die Kammer vorliegend fest, dass sich die Klägerin bei der Verrichtung unmittelbar vor dem Unfallereignis auf einem versicherten Weg innerhalb des Krankenhauses (Weg zur Toilette im Krankenzimmer) befand. Hierbei handelt es sich um einen Weg, der regelmäßig unter Versicherungsschutz steht. Dies ist zwischen den Beteiligten insoweit nicht streitig, wird von der Kammer aber ausdrücklich festgestellt. Als weitere Wirkursache im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne sind vorliegend die Kreislaufbeschwerden in Form eines Schwindels mit "Wegsacken" der Beine festzustellen. Dies stellt eine sogenannte innere Ursache dar, wie die Beklagte zutreffend ausgeführt hat. Beide Wirkursachen sind auf der 1. Kausalitätsstufe positiv festzustellen.
Auf der 2. Stufe ist positiv und wertend festzustellen, ob sich die durch die versicherte Tätigkeit objektiv verursachte Einwirkung rechtlich unter Würdigung auch aller auf der ersten Stufe festgestellten mitwirkenden unversicherten Ursachen als Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestandes fallenden Gefahr darstellt und deshalb die versicherte Tätigkeit "wesentlich" war, ob sich durch das versicherte Handeln ein Risiko verwirklicht hat, gegen das der jeweils erfüllte Versicherungstatbestand gerade Schutz gewähren soll. Die Einstandspflicht des Unfallversicherungsträgers wird nur begründet, wenn die durch die versicherte Verrichtung objektiv mitverursachte Einwirkung auf den Versicherten eine Gefahr mitverwirklicht hat, gegen die die begründete Versicherung schützen soll. Andere unversicherte Mitursachen können die rechtliche Zurechnung ausschließen. Das ist der Fall, wenn die unversicherten Wirkursachen das Unfallgeschehen derart geprägt haben, dass sie die versicherte Wirkursache verdrängen, so dass der Schaden "im Wesentlichen" rechtlich nicht mehr dem Schutzbereich des jeweiligen Versicherungstatbestandes unterfällt. Die versicherten und die auf der ersten Zurechnungsstufe festgestellten unversicherten Wirkursachen und ihre Mitwirkungsanteile sind in einer rechtlichen Gesamtbeurteilung anhand des zuvor festgestellten Schutzzwecks des Versicherungstatbestandes zu bewerten (vgl. BSG vom 24.7.2012 - B 2 U 9/11 R - aaO RdNr 36 und vom 13.11.2012 - B 2 U 19/11 R - aaO Juris RdNr 43).
Nach Maßgabe dieser Voraussetzung kommt die Kammer zum Ergebnis, dass die innere Ursache, die Kreislaufbeschwerden mit Schwindel und dem Wegsacken der Beine, die allein wesentliche Ursache für den Sturz der Klägerin war. Eine konkrete Wegegefahr im Krankenzimmer ist nicht dokumentiert und kann als solche nicht von der Kammer festgestellt werden. Ebenfalls ist nirgends berichtet, dass die Klägerin möglicherweise umgeknickt sei oder ausgerutscht wäre. Die Kammer stellt daher ausdrücklich fest, dass die innere Ursache die allein rechtlich wesentliche Ursache (Wirkursache) für den Sturz (Unfallereignis) der Klägerin am 22. Januar 2014 im Krankenhaus Zimmer war. Diese innere Ursache ist auch die wesentliche Folge der versicherten Tätigkeit in Form der Einnahme des Abführmittels E ...
Andere Ursachen für die Kreislaufbeschwerden sind nicht feststellbar. Es ist nicht ersichtlich oder nachgewiesen, dass die Klägerin noch an weiteren Erkrankungen litt, die zu solchen Beschwerden führen und eine eigenständige Wirkursache darstellen könnten. Dass die Klägerin "wenig" gegessen hatte, ist insoweit ebenfalls der vorgesehenen Koloskopie geschuldet, ist wäre daher ebenfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen.
Entgegen der Auffassung der Beklagten ist der Versicherungsschutz nicht deshalb ausgeschlossen, weil es sich bei der naturwissenschaftlichen Wirkursache, die als rechtlich-wesentliche Ursache festgestellt wird, um eine innere Ursache handelt. Beruht die innere Ursache ebenfalls - kausal - auf versicherte Umstände, besteht Versicherungsschutz für eine solche innere Ursache. Dies kann unter Umständen der Fall sein, wenn Arbeiten unter großer Hitze durchgeführt werden, und es durch betriebliche Umstände nicht möglich ist, dass der Versicherte genügend Flüssigkeit aufnehmen kann. In einem solchen Fall wäre Versicherungsschutz gegeben, wenn durch die versicherte Tätigkeit wesentlich eine Kreislaufstörung mit Schwindel relevant wird, die zu einem Unfallereignis führt.
Vorliegend ist die Unfallkausalität nach Auffassung der Kammer in der Weise festzustellen, dass die Klägerin ärztlich angeordnet und daher als versicherte Tätigkeit im Sinne des § 2 Abs 1 Nr 15 a SGB VII zur Vorbereitung einer Koloskopie entsprechende Medikamente einnehmen musste, die zu einem Kreislaufversagen mit anschließendem Sturz auf die Kniegelenke führte. Das Einnehmen der abführenden Medikamente war die geschützte, versicherte Tätigkeit im Sinne des Erhaltens der Krankenhausbehandlung. Aus diesem Erhalten der Krankenhausbehandlung, an der die Klägerin zur Durchführung der Koloskopie mitwirken musste, kam es "infolge" zu den Kreislaufbeschwerden. Dies ergibt sich aus dem Vortrag der Klägerin und insbesondere aus den Gebrauchsinformationen über das Abführmittel Endofalk Classik, das als bedeutsame Nebenwirkung "Kreislaufbeschwerden" ausweist. Damit besteht ein unmittelbarer bzw. rechtlich wesentlicher Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit, sodass Versicherungsschutz bzw. die Unfallkausalität vorliegend festgestellt wird.
Entgegen der Auffassung der Beklagten liegt kein, den Versicherungsschutz ausschließender Behandlungsfehler vor. Die Unfallkausalität wäre mangels Kausalzusammenhangs zu verneinen, wenn der Unfall allein wesentlich durch einen Behandlungsfehler verursacht worden wäre. Unfälle, die allein wesentlich durch eine fehlerhafte Behandlung eines Arztes oder eines Therapeuten, wie zB Physiotherapeuten, Schwestern und Pfleger, bei dem Erhalt ärztlich angeordneter Behandlungen verursacht werden, sind mangels Wesentlichkeit der Verrichtung des Versicherten für den Unfall keine Arbeitsunfälle (vgl BSG vom 15.12.1981 - 2 RU 79/80; BSG vom 27.11.1986 - 2 RU 10/86).
Bei der Klägerin hat sich kein "unversichertes" Behandlungsrisiko, ein Behandlungsfehler, realisiert. Zutreffend weist die Beklagte zwar darauf hin, dass das Risiko von Operationen oder die Schädigung durch Narkosefehler, eine unvorhergesehene Reaktion auf Medikamente oder Wundinfektionen, einschließlich des Risikos von Behandlungsfehlern durch Ärzte oder ärztliches Hilfspersonal (ärztliche Kunstfehler) nicht unter den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII fallen. Ein "Behandlungsfehler" hat sich vorliegend gerade nicht realisiert und kann daher von der Kammer nicht festgestellt werden. Ein solcher Behandlungsfehler würde ggf. vorliegen, wenn bei der konkreten ärztlichen Behandlung, vorliegend bei der Koloskopie, eine Verletzung des Darmes "ärztlich" verursacht worden wäre, oder wenn diese ärztliche Maßnahme in Vollnarkose durchgeführt, und zum Beispiel der Patient während dieser Operations-maßnahme vom Operationstisch oder in der Aufwachphase aus seinem Bett fallen würde, weil die Narkose immer noch Wirkung zeigte. Dann wäre ein unmittelbarer Zusammenhang mit der ärztlichen Leistung begründet, der einen ärztlichen "Kunstfehler" darstellen und zu einer Arzthaftung führen könnte. Dies ist vom Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung originär ausgeschlossen.
Ein solcher Sachverhalt liegt nicht vor. Vorliegend handelt es sich um eine "Vorbereitungs-maßnahme", die mit einer medizinischen Maßnahme nach einem medizinischen Eingriff zu vergleichen ist. Wird nach einer Operation durch den Arzt eine medizinische bzw. therapeutische Bewegungsmaßnahme (Therapiesport, Waldspaziergang etc.) angeordnet, und tritt hierbei ein Unfallereignis auf, so begründet dies regelmäßig den Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung. Dies gilt auch, wenn sich eine Gefahr realisiert, die zur Vorbereitung der konkreten ärztlichen Maßnahme in stationärer Umgebung bzw. beim stationären Aufenthalt, ärztlich angeordnet, erforderlich wird. Um eine solche entsprechende Maßnahme hat es sich bei der versicherten Tätigkeit in Bezug auf die Gabe des Abführmittels und deren tatsächliche Folgen gehandelt. Eine besondere Beobachtungspflicht/Aufsichtspflicht nach der Gabe des Abführmittels "auf dem Wege zur Toilette" war nicht erforderlich, denn die Klägerin litt vorher nicht unter Kreislaufbeschwerden, so dass kein besonderer Anlass bestand. Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass die Klägerin im Krankenhaus eine Begleitung durch eine Krankenschwester bei Bedarf hätte "anfordern" können, welches insoweit nicht erfolgt ist. Hieraus ist aber keine Notwendigkeit zur ständigen Beaufsichtigung einen Patienten, der Abführmittel bekommt, abzuleiten. Da regelmäßig Koloskopieuntersuchungen ambulant durchgeführt werden, ist auch kein erhöhtes Sturzrisiko feststellbar.
Selbst wenn ein gewisser Ursachenbeitrag im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne für den Unfall gesetzt wurde, weil die Klägerin nicht permanent beobachtet wurde, so wäre dieser Ursachenbeitrag für den Eintritt des Unfalls nicht wesentlich, so dass die Unfallkausalität gegeben wäre.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
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