L 11 KR 308/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 2 KR 2916/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 KR 308/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 04.01.2017 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt auch im Beschwerdeverfahren die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin begehrt im Wege der einstweiligen Anordnung die Versorgung mit dem Hilfsmittel MukoStar der Firma M. nebst Zubehör.

Die im Jahr 2000 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert (Familienversicherung). Sie leidet an schweren körperlichen und geistigen Behinderungen mit generalisierter Muskelhypotonie und muss intermittierend beatmet werden. Infolge der Behinderungen kann sie nicht selbständig Sekret aus der Lunge abhusten. Es besteht eine Pflegestufe III und die Antragstellerin wird derzeit 20h pro Tag von einem Pflegedienst betreut und überwacht.

Vom 06.03.2016 bis 21.04.2016 wurde die Antragstellerin stationär in der O.-Klinik R. Krankenhaus St. E. behandelt. Am 20.04.2016 (Bl 4 Verwaltungsakte) verordneten ihr die Krankenhausärzte "1 MukoStar (IPV-Gerät), 1 Geräteständer mit Wassergalgen und Netzteilablage, 1 Med. Drucklufterzeugung (Kompressor für den häuslichen Bereich) zur Miete!, 1 ResMed D900 zur Atemgaskonditionierung, 1 Versorgungs-Set 1, 1 Befeuchtungskammer". Die Verordnung war mit dem Zusatz "Antrag auf Kostenübernahme" überschrieben.

Die Firma M., Medizin-Technik GmbH aus W. erstellte am 26.04.2016 (Bl 5 Verwaltungsakte) einen Kostenvoranschlag über ein MukoStar Grundgerät, einen Befeuchter D900, eine HumiCare Befeuchterkammer, ein Fahrstativ MukoStar mit zwei Normschienenhalterungen, Korb für die Netzteilaufnahme, Halterung für D900 incl. Infusionshaltearm und Adapter für MukoStar, 4 Wochen Verbrauchsmaterial für MukoStar (1x Befeuchterkammer, 1x beheiztes Schlauchsystem, 1x 4 Wochenbedarf Schläuche für MukoStar, 1x Mundstück, 1x Nasenklammer, 4x FiltaGuard Filter, 3x Wasser zur Verneblung, 3x IntraFix) und die Miete über einen Kompressor pro Monat. Insgesamt ergaben sich Kosten inklusive Umsatzsteuer von 13.548,46 EUR.

Die Antragsgegnerin hat auf dem bei ihr eingegangenen Kostenvoranschlag mit ärztlicher Verordnung keinen Eingangsstempel angebracht. Auf der Verordnung bzw dem Antrag, die als 2 Seiten per Telefax bei der Antragsgegnerin eingegangen sind, ist das Datum 26.04.2016, 10:57 Uhr sowie die Faxnummer der Firma M. aufgedruckt. Auf dem Kostenvoranschlag ist das Datum nicht komplett lesbar, dieser wird jedoch als Seite 1 bezeichnet, während auf die Verordnung "S. 2" aufgedruckt ist.

Mit Schreiben vom 28.04.2016 forderte die Antragsgegnerin bei den Ärzten der O.-Klinik R. Informationen zur Frage der Notwendigkeit der Verordnung des MukoStar und zu den mit anderen Hilfsmitteln im Rahmen zugelassener Behandlungsmethoden erzielten therapeutischen Ergebnisse an. Dies teilte die Antragsgegnerin auch der Familie der Antragstellerin mit.

Mit Schreiben vom 12.05.2016 teilte die Antragsgegnerin der Familie der Antragstellerin mit, dass die Informationen der behandelnden Ärzte noch nicht vorlägen und daher eine Entscheidung innerhalb der gesetzlichen Frist von drei Wochen nicht erfolgen könne. Es heißt weiter: "Setzen Sie sich bitte mit ihrem Arzt in Verbindung, damit Sie die weitere Vorgehensweise mit ihm abstimmen können. Sobald wir die Bearbeitung abschließen können, informieren wir Sie umgehend".

Mit Schreiben vom 31.05.2016 führte Oberarzt Dr. N. von der Kinderintensivstation der O.-Klinik R. aus, weshalb er die Versorgung der Antragstellerin mit dem beantragten Gerät für erforderlich halte.

Am 01.06.2016 beauftragte die Antragsgegnerin den MDK mit der Begutachtung des Sachverhalts und teilte der Antragstellerin mit Schreiben vom selben Tag mit (Bl 18 Verwaltungsakte), dass der MDK beauftragt worden sei. In dem Schreiben heißt es: "Ihren Antrag möchten wir so schnell wie möglich bearbeiten. Leider fehlen uns dazu noch weitere Informationen. Wir haben den Vorgang dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) zur Prüfung vorgelegt. Bitte haben Sie noch etwas Geduld. Die Vorlage beim MDK hat sich leider verzögert, da die erforderliche Stellungnahme der verordnenden Klinik erst am 31.5.2016 und zur Verfügung gestellt wurde. Sobald eine abschließende Bearbeitung möglich ist, benachrichtigen wir Sie umgehend." Eine Mitteilung einer Frist, bis zu der die abschließende Bearbeitung erfolgen werde, erfolgte nicht.

Im Gutachten vom 02.06.2016 (Bl 20 Verwaltungsakte) führte der MDK (Dr. d. V.) aus, dass es sich um eine neue, nicht vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) zugelassene Behandlungsmethode handle und die Versorgung der Antragstellerin mit dem beantragten Gerät medizinisch nicht erforderlich sei.

Hierauf lehnte die Antragsgegnerin den Antrag mit Bescheid vom 06.06.2016 (Bl 23 Verwaltungsakte) ab.

Auf den Widerspruch vom 15.06.2016 und ergänzende Ausführungen der behandelnden Ärzte vom 02.08.2016 veranlasste die Antragsgegnerin eine erneute Begutachtung durch den MDK.

Am 19.09.2016 wurde der Antragstellerin Verbrauchsmaterial für weitere 4 Wochen, 2x Sterilwasser und 2x Infrafix Primeline Classic verordnet. Am 27.09.2016 erstellte die Firma M. einen weiteren Kostenvoranschlag über Verbrauchsmaterial für 4 Wochen über 641,84 EUR. Die Antragsgegnerin teilte daraufhin mit, dass darüber erst nach eventueller Abhilfe im Widerspruchsverfahren entschieden werden könne.

Dr. H. B. vom MDK kam im Gutachten vom 21.09.2016 (Bl 45 Verwaltungsakte) nunmehr zum Ergebnis, dass aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Notwendigkeit der Versorgung mit dem beantragten Gerät für 3 bis 4 Monate nach der Pneumonie und damit bis Ende September 2016 nachvollziehbar sei. Ein dauerhafter Einsatz sei jedoch nicht begründbar.

Mit Schreiben vom 30.09.2016 (Bl 48 Verwaltungsakte) teilte dies die Antragsgegnerin der Familie der Antragstellerin mit. Wegen der weiteren Versorgung der Antragstellerin solle man sich mit Dr. N. in Verbindung setzen. Hiergegen erhob die Antragstellerin mit Schreiben vom 13.10.2016 Widerspruch.

Für die Zeit vom 21.04.2016 bis 30.09.2016 stellte die Firma M. der Antragsgegnerin am 30.09.2016 eine Rechnung über 10.862,56 EUR (Bl 50 Verwaltungsakte). Hiervon übernahm die Antragsgegnerin einen Betrag von 9.027,58 EUR (Bl 53 Verwaltungsakte).

In der Zeit vom 26.09.2016 bis 24.11.2016 wurde die Antragstellerin erneut stationär im Krankenhaus St. E. in R. behandelt (Aufnahme mit respiratorischer Dekompensation auf der Kinderintensivstation, Diagnosen: Pneumonie beidseits, respiratorische Globalinsuffizienz bei muskulärer Hypotonie und Skoliose, Rechtsherzbelastung, vgl Arztbrief Bl 49 SG-Akte). Die behandelnden Ärzte verordneten erneut das Gerät MukoStar und wiesen darauf hin, dass wegen der schwer gestörten Atemmechanik der Antragstellerin die IPV-Therapie bessere Ergebnisse gegenüber dem vorhandenen Hilfsmittel "Cough Assist" zeige, welches eine normale Anatomie der Atemwege und einen einigermaßen suffizienten Hustenreiz voraus setze, was beides bei der Antragstellerin nicht gegeben sei (Bl 47 SG-Akte).

Mit Schreiben vom 22.11.2016 teilte die Firma M. der Antragsgegnerin mit, dass die Lieferung von Verbrauchsmaterial an die Antragstellerin eingestellt werde und die zur Verfügung gestellten Geräte abgeholt würden, sofern keine Kostenzusage erfolge.

Am 21.12.2016 haben die Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin beim Sozialgericht Konstanz (SG) Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt. Der Gesundheitszustand der Antragstellerin habe sich erneut verschlechtert. Sie habe wieder stationär behandelt werden müssen. Hierbei sei erneut das Gerät MukoStar verordnet worden. Durch dieses Gerät könne erfolgreich Sekret mobilisiert werden. Durch die bereits bewilligten Hilfsmittel sei dies nicht ausreichend gelungen. Es liege eine lebensbedrohliche Erkrankung vor und es könne jederzeit zu akutem, bedrohlichem Sekretverhalt kommen. Es sei von Seiten der Ärzte bereits das Verfassen einer Patientenverfügung angeregt worden. Die Wirksamkeit des Gerätes sei auch durch Studien belegt.

Die Antragsgegnerin ist dem Antrag entgegengetreten. Die IPV-Therapie sei eine neue Behandlungsmethode und werde daher privat außerhalb der vertragsärztlichen Verordnung erbracht. Der GBA habe noch keine Empfehlung für die Therapie ausgesprochen. Eine solche sei auch bei Hilfsmitteln notwendig. Der MDK habe eine Versorgung über den 30.09.2016 hinaus nicht empfohlen. Es würden keine schweren und unzumutbaren Nachteile drohen, wenn die Antragstellerin auf das Hauptsacheverfahren verwiesen werde. Die Antragstellerin sei durch andere Hilfsmittel ausreichend versorgt.

Mit Beschluss vom 04.01.2017 hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, die Antragstellerin für die Zeit ab 21.12.2016 bis zum Abschluss des Hauptsacheverfahrens mit dem Gerät MukoStar der Firma M. sowie notwendigem Zubehör für den ambulanten Betrieb zur Fortführung der intrapulmonalen Perkussions-Ventilationstherapie zu versorgen. Der Anspruch der Antragstellerin auf Versorgung mit dem gewünschten MukoStar Gerät nebst Zubehör als Sachleistung gegenüber der Antragsgegnerin bestehe mit ganz überwiegender Wahrscheinlichkeit. Ein Anordnungsanspruch liege daher vor. Bezüglich der Versorgung mit dem gewünschten Gerät sei die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) eingetreten. Im Hinblick auf die bereits seit Februar 2013 geltende Regelung des § 13 Abs 3a SGB V sei hier nicht nachvollziehbar, dass die Antragsgegnerin entsprechende Anträge nicht mit einem Eingangsstempel versehe. Dies könne nicht zu Lasten der Antragstellerin gehen. Die Antragsgegnerin habe über den Antrag erst außerhalb der Frist von 5 Wochen nach Antragseingang entschieden, ohne in der vom Bundessozialgericht (BSG) vorgegebenen Form einen Hinderungsgrund mitgeteilt zu haben. Sie habe zwar zunächst nachvollziehbar weitere Angaben der behandelnden Ärzte abgewartet, aber der Antragstellerin die Verzögerung nicht unter Angabe eines voraussichtlichen Tages der Entscheidung mitgeteilt. Sie habe lediglich mitgeteilt, dass eine Benachrichtigung erfolge, sobald eine abschließende Bearbeitung möglich sei. Die vom BSG geforderte Angabe eines genauen Datums sei aber zwingende Voraussetzung, um das Ablaufen der Fristen des § 13 Abs 3 a SGB V zu hemmen, da nur so der Versicherte in die Lage versetzt werde, den Ablauf der Frist zu erkennen. Der Antrag der Antragstellerin sei hinreichend konkret gewesen und habe sich auf eine unbegrenzte Überlassung des MukoStar Gerätes nebst Zubehör wie Befeuchter und Befeuchterkammer, Fahrstativ, Verbrauchsmaterial und einen Kompressor bezogen. Der Hilfsmittelanspruch umfasse auch einen Anspruch auf Gewährung von Zubehör, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen bzw zu erhalten.

Gegen den ihr am 05.01.2017 gegen Empfangsbekenntnis zugestellten Beschluss des SG hat die Antragsgegnerin am 25.01.2017 Beschwerde beim Landessozialgericht eingelegt. Es könne letztlich dahinstehen, ob die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a SGB V eingetreten sei, denn die begehrte Leistung sei nicht Bestandteil des GKV-Leistungskatalogs. Die IPV-Therapie sei eine neue Behandlungsmethode, für die eine Bewertung durch den GBA nach § 135 SGB V nicht vorliege. Das für die IPV-Therapie notwendige MukoStar-System könne daher als Hilfsmittel nicht zu Lasten der Antragsgegnerin verordnet werden. Das BSG habe zum Einsatz von Hilfsmitteln im Zusammenhang mit neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden ausgeführt, dass der Einsatz eines Hilfsmittels, wenn es untrennbarer Bestandteil einer neuen Behandlungsmethode sei, der Notwendigkeit eines Bewertungsverfahrens durch den GBA unterliege. Der Antragstellerin stünden andere Hilfsmittel zur Verfügung, zudem eine Fachpflegekraft zur Versorgung und Sicherstellung des Pflegebedarfs rund um die Uhr. Der MDK habe in seiner Stellungnahme vom 02.06.2016 ausgeführt, dass mit den zur Verfügung stehenden Hilfsmitteln im Rahmen der pflegerischen Versorgung ausreichende sekretmobilisierende Maßnahmen durchgeführt werden könnten. Lediglich für einen Übergangszeitraum von drei bis vier Monaten sei die Notwendigkeit der IPV-Therapie nachvollziehbar. Überdies sei die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a SGB V nicht eingetreten. Die Antragsgegnerin habe in den verschiedenen Schreiben an die Antragstellerin zwar kein taggenaues Datum benannt, bis zu welchem voraussichtlich eine Entscheidung getroffen werden könne, sie habe aber den Zeitpunkt der weiteren Bearbeitung gleichwohl zeitlich eindeutig qualifiziert, so dass die Antragstellerin jederzeit über den Stand der Bearbeitung informiert gewesen sei. Der Antragsgegnerin könne kein vorwerfbares Verhalten unterstellt werden. Sie habe zeitgerecht alles unternommen, um den Antrag zügig zu bescheiden. Der Antragstellerin seien auch alle Umstände bekannt gewesen, so dass sie sich ohne Weiteres darauf habe einstellen können, dass ihr Antrag nicht innerhalb der Fünf-Wochen-Frist, sehr wohl aber in einer vorliegend angemessenen Frist beschieden werde. Hierauf komme es aber letztlich nicht an, da die IPV-Therapie bzw das begehrte Hilfsmittel nicht Bestandteil des GKV-Leistungskataloges sei.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Konstanz vom 04.01.2017 aufzuheben und den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Die Antragstellerin beantragt,

die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.

Die Ausführungen des SG seien ausführlich und zutreffend. Wegen der Rechtsfolgen des § 13 Abs 3a SGB V bestehe der Anordnungsanspruch. Die Antragsgegnerin habe außerdem die aktuellen medizinischen Befunde nicht ausreichend gewürdigt. Unter Berücksichtigung des MDK-Gutachtens vom 21.09.2016 sei es in jedem Fall medizinisch notwendig, dass auch nach der erneuten Entlassung aus der Klinik Ende November 2016 wiederum eine Versorgung mit dem MukoStar zumindest für vier Monate zu erfolgen habe. Den Entlassungsbericht nach dem erneuten Klinikaufenthalt habe die Antragsgegnerin dem MDK bislang noch gar nicht vorgelegt. Die O.-Klinik habe im November 2016 den MukoStar erneut verordnet. Der Anordnungsanspruch ergebe sich auch aus § 2 Abs 1a SGB V, wegen der beidseitigen Pneumonie und der fortschreitenden schwerwiegenden Ateminsuffizienz. Die Antragstellerin hat eine Stellungnahme des Leiters des Pflegedienstes, der die Antragstellerin betreut, vorgelegt (Blatt 29 Senatsakte).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Antragsgegnerin ist statthaft (§ 172 Abs 1, Abs 3 Nr 1 SGG) und damit zulässig, in der Sache aber nicht begründet. Zu Recht hat das SG die Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin ab dem 21.12.2016 das Gerät MukoStar nebst notwendigem Zubehör als Sachleistung zur Verfügung zu stellen.

Nach § 86b Abs 2 Satz 1 SGG kann das Gericht der Hauptsache, soweit nicht ein Fall des Abs 1 vorliegt, eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Vorliegend kommt nur eine Regelungsanordnung nach § 86b Abs 2 Satz 2 SGG in Betracht. Der Erlass einer einstweiligen Anordnung verlangt grundsätzlich eine wenigstens summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache sowie die Erforderlichkeit einer vorläufigen gerichtlichen Entscheidung. Die Erfolgsaussicht des Hauptsacherechtsbehelfs (Anordnungsanspruch) und die Eilbedürftigkeit der angestrebten einstweiligen Regelung (Anordnungsgrund) sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs 2 Satz 4 SGG iVm. § 920 Abs 2 der Zivilprozessordnung (ZPO)); dabei sind die insoweit zu stellenden Anforderungen umso niedriger, je schwerer die mit der Versagung vorläufigen Rechtsschutzes verbundenen Belastungen - insbesondere mit Blick auf ihre Grundrechtsrelevanz - wiegen (vgl BVerfG 25.07.1996, 1 BvR 638/96, NVwZ 1997, 479; BVerfG 12.05.2005, 1 BvR 569/05, NVwZ 2005, 927 = Breithaupt 2005, 803). Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens offen, weil etwa eine vollständige Klärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich ist, ist im Wege einer Folgenabwägung zu entscheiden unter Berücksichtigung insbesondere der grundrechtlichen Belange des Antragstellers. Maßgebend für die Beurteilung der Anordnungsvoraussetzungen sind regelmäßig die Verhältnisse im Zeitpunkt der gerichtlichen Eilentscheidung.

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund liegen vor, wie das SG eingehend und mit zutreffenden Erwägungen ausgeführt hat. Das Vorbringen der Antragsgegnerin im Beschwerdeverfahren vermag eine andere Entscheidung nicht zu rechtfertigen. Auch der Senat geht davon aus, dass die Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs 3a S 6 SGB V eingetreten ist und daher die Antragstellerin im Hauptsacheverfahren mit überwiegender Wahrscheinlichkeit obsiegen wird.

Nach § 13 Abs 3a SGB V hat die Krankenkasse über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (Medizinischer Dienst), eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Kann die Krankenkasse diese Fristen nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich mit. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet.

Der Antrag der Antragstellerin vom 26.04.2016 ist hinreichend konkret gewesen und hat sich auf eine unbegrenzte Überlassung der MukoStar Gerätes nebst Zubehör wie Befeuchter und Befeuchterkammer, Fahrstativ, Verbrauchsmaterial und einen Kompressor bezogen. Der Hilfsmittelanspruch aus § 33 SGB V umfasst auch einen Anspruch auf Gewährung von Zubehör, um den bestimmungsgemäßen Gebrauch des Hilfsmittels zu ermöglichen bzw zu erhalten (BSG 18.05.1978, 3 RK 47/77, BSGE 46, 183, SozR 2200 § 182b Nr 7; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand 06/2016, § 33 Rn 87). Auch der Senat geht davon aus, dass eine laufende Lieferung von Verbrauchsmaterial begehrt gewesen und auch im Hinblick auf den fingierten Sachleistungsanspruch zu gewähren ist. Auf die Ausführungen des SG wird Bezug genommen.

Wie das SG geht auch der Senat davon aus, dass der Antrag nicht am 28.04.2016, wie von der Beklagten vorgetragen, sondern am 26.04.2016 eingegangen ist. Es wäre im Übrigen Obliegenheit der Antragsgegnerin gewesen, den Eingang mittels Eingangsstempel zu dokumentieren, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat. Die – wegen Einholung der MDK-Stellungnahme - fünfwöchige Frist endete mit Ablauf des 31.05.2016 (§ 13 Abs 3a S 1 Hs 2 SGB V). Eine Entscheidung der Antragsgegnerin über den Antrag bis zu diesem Datum ist nicht erfolgt.

Eine Hemmung/Unterbrechung des Fristablaufs ist nicht eingetreten. Die Antragsgegnerin hat keinen hinreichenden Grund iSv § 13 Abs 3a S 4 und 5 SGB V mitgeteilt. Die Mitteilung mindestens eines hinreichenden Grundes bewirkt für die von der Krankenkasse prognostizierte, taggenau anzugebende Dauer des Bestehens zumindest eines solchen Grundes, dass die Leistung trotz Ablaufs der Frist noch nicht als genehmigt gilt (BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R, NZS 2016, 464, für BSGE vorgesehen). Die Mitteilung muss also nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt (1.) die Aussage enthalten, dass die im Gesetz vorgesehene Entscheidungsfrist von drei bzw. fünf Wochen nicht eingehalten werden kann, sie muss (2.) einen hinreichenden Grund für die Verzögerung und (3.) die voraussichtliche Dauer der Verzögerung taggenau benennen. An Letzterem fehlt es. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin die Verzögerung nicht unter Angabe eines voraussichtlichen Tages der Entscheidung mitgeteilt. Sie hat lediglich um Geduld gebeten und mitgeteilt, dass eine Benachrichtigung erfolge, sobald eine abschließende Bearbeitung möglich ist.

Die Genehmigungsfiktion des § 13 Abs 3a S 6 SGB V führt zu einem Sachleistungsanspruch des Versicherten (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB V, Stand 11/2016, § 13 Rn. 58q mwN). Durch die Genehmigungsfiktion wird keine behördliche Entscheidung ersetzt, sondern eine Rechtsposition sui generis geschaffen (vgl BT-Drs 18/9522, 238 zu § 18 SGB IX nF). Der Senat teilt nicht die Auffassung der Antragsgegnerin, dass die Genehmigungsfiktion nur dann greift, wenn die beantragte Leistung im einzelnen Fall als Sachleistung nach § 27 SGB V (iVm § 33 SGB V) zu erbringen gewesen wäre (so aber LSG Baden-Württemberg 13.09.2016, L 4 KR 320/16, KrV 2016, 256; offen gelassen in den Urteilen des Senats vom 15.11.2016, L 11 KR 5297/15 und 13.12.2016, L 11 KR 51/16). Das BSG hat diesbezüglich ausgeführt: "Beantragt ein Versicherter, ihm eine bestimmte Kranken-, nicht Rehabilitationsbehandlung zu gewähren, die er für erforderlich halten darf, und entscheidet die Krankenkasse hierüber nicht fristgerecht, ohne ihm hinreichende Gründe hierfür mitzuteilen, gilt die Leistung als genehmigt, wenn sie nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der gesetzlichen Krankenversicherung liegt." (BSG 08.03.2016, B 1 KR 25/15 R aaO). Eine Prüfung des Leistungsanspruchs nach den §§ 27 ff. SGB V hat nach diesem Maßstab nicht mehr zu erfolgen, sondern es kommt darauf an, ob die beantragte Leistung offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs lag und der Antragsteller diese Leistung für erforderlich halten durfte. Erst diese Rechtsposition sui generis entfaltet die vom Gesetzgeber beabsichtigte Sanktionswirkung der Norm (vgl BT-Drs 17/10488, 32: "Sanktionsmöglichkeit gegen die Krankenkasse , die nicht einem angemessenen Zeitraum entscheidet").

Diese Voraussetzungen liegen vor, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Neben der Verwendung des Hilfsmittels in der O.-Klinik und der ärztlichen Verordnung ist auch auf das MDK-Gutachten vom 21.09.2016 hinzuweisen, das aufgrund der Umstände des Einzelfalls die Notwendigkeit der Versorgung mit dem beantragten Gerät für 3 bis 4 Monate gesehen hat, obgleich über die IPV-Therapie als neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode iS des § 135 SGB V keine Empfehlung des GBA vorliegt.

Diese Auslegung des § 13 Abs 3a S 6 SGB V wird bestätigt durch die Neuregelung des § 18 SGB IX durch das Bundesteilhabegesetz (BGBl I, 2016, 3234), in die der Gesetzgeber eine an § 13 Abs 3a SGB V anknüpfende Regelung aufgenommen und in der Gesetzesbegründung ausdrücklich auf die Rechtsprechung zu § 13 Abs 3a SGB V Bezug genommen und weitere Hinweise zur Auslegung der Normen gegeben hat. Der Gesetzgeber hat ausgeführt: "Ausgenommen von der Kostenerstattung sind damit nur Evidenzfälle, die von der sozialgerichtlichen Rechtsprechung bereits zur Konkretisierung der Genehmigungsfiktion nach § 13 Absatz 3a des Fünften Buches Sozialgesetzbuch (SGB V) herausgearbeitet wurden [ ] Durch den Eintritt der Genehmigungsfiktion gilt die beantragte Leistung als bewilligt. Durch die Genehmigungsfiktion wird keine behördliche Entscheidung ersetzt, sondern eine Rechtsposition sui generis geschaffen [ ] Wäre die Erstattung selbstbeschaffter Leistungen von vornherein begrenzt auf die Leistungen, die nach dem jeweiligen Leistungsgesetz hätten erbracht werden dürfen, so wäre das Ergebnis eine faktische Besserstellung des säumigen Rehabilitationsträgers, da er in diesem Fall später erstatten dürfte, als er eigentlich zu leisten verpflichtet gewesen wäre. Die in § 18 geregelte Möglichkeit der Selbstbeschaffung der Leistungen soll jedoch gegenüber den säumigen Rehabilitationsträgern eine wirksame Sanktionswirkung entfalten. Maßgeblich für einen etwaigen Ausschluss der Kostenerstattung ist lediglich der auch nach dem allgemeinen Sozialverfahrensrecht bestehende Verschuldensmaßstab für die Rücknahme rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakte, ohne hierbei den Leistungsberechtigten eine besondere Kenntnispflicht des Rehabilitationsrechts aufzubürden. Im Ergebnis wird hierdurch eine Erstattung offensichtlich rechtswidriger Leistungen, die rechtsmissbräuchlich beschafft wurden, ausgeschlossen" (BT-Drs 18/9522, 238 f).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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