Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SO 4930/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 575/17 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Freiburg vom 21. Dezember 2016 (Ablehnung von Prozesskostenhilfe) aufgehoben. Dem Antragsteller wird für das einstweilige Rechtsschutzverfahren vor dem Sozialgericht Freiburg S 7 SO 4930/16 ER ab 19. Dezember 2016 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwalt F., F., beigeordnet.
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil Beschwerdeausschlussgründe im Sinne des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht gegeben sind. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) anhängig gewesene einstweilige Rechtsschutzverfahren S 7 SO 4930/16 ER ab 19. Dezember 2016 (Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse).
1. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Verfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; NVwZ 2006, 1156; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. September 2007 - L 7 AS 191/07 PKH-B und vom 27. Dezember 2007 - L 7 AS 4785/07 PKH). Allerdings kommt eine rückwirkende Bewilligung von PKH ausnahmsweise auch nach Abschluss der Instanz, für die PKH begehrt wird, in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. April 2010 - 1 BvR 362/10 - juris Rdnr. 14 m.w.N.). Ein solcher Anspruch auf rückwirkende Bewilligung von PKH nach Abschluss der Instanz setzt voraus, dass der PKH-Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif war.
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Rechtsverfolgung des Antragstellers im oben bezeichneten einstweiligen Rechtsschutzverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.
a. Der Antragsteller hat mit seinem am 12. Dezember 2016 beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzgesuch die vorläufige Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) ab Antragseingang (12. Dezember 2016) bis zur Bestandskraft des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 24. November 2016 geltend gemacht. Mit diesem Begehren ist der Antragsteller vor dem SG erfolglos geblieben (Beschluss vom 21. Dezember 2016).
b. Zwar hat das SG dieses einstweilige Rechtsschutzbegehren im Ergebnis zutreffend abgelehnt, weil der Antragsteller, der mittlerweile - Ende Januar 2017 - zu seinen Eltern nach I. gereist ist, um dort seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Beschwerdeverfahren den erforderlichen Anordnungsgrund nicht (mehr) glaubhaft gemacht hat. Jedoch hatte das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragsteller nach der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens vor dem SG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnr. 33 ff.; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2016 - L 7 SO 4193/16 ER-B - (n.v.); vom 12. Oktober 2016 - L 7 SO 3374/16 ER-B - (n.v.); vom 13. September 2016 - L 7 SO 2914/16 ER-B (n.v.); vom 8. September 2016 - L 7 SO 3051/16 ER-B - (n.v.); vom 24. August 2016 - L 7 AS 2113/16 ER-B - (n.v.); vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 1512/16 ER-B -; vom 12. Mai 2016 - L 7 SO 1150/16 ER-B - jeweils juris) hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar hat der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagiert und durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, 3155) mit Wirkung zum 29. Dezember 2016 in § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII Regelungen getroffen, die dem Begehren des Antragstellers möglicherweise die Grundlage entzogen haben. Diese Rechtsänderung ist jedoch erst nach der Entscheidung des SG eingetreten. Weiterhin hat das SG übersehen, dass der Antragsteller als i. Staatsangehöriger gem. Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII haben könnte (vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Verfahren L 7 SO 267/17 ER-B).
Im Zeitpunkt der Entscheidung des SG ist der PKH-Antrag des Antragstellers im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif gewesen. Mithin hat ausnahmsweise eine nachträgliche Bewilligung von PKH für das abgeschlossene Verfahren vor dem SG zu erfolgen.
3. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
Gründe:
Die gemäß § 173 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde ist nach § 172 Abs. 1 SGG statthaft, weil Beschwerdeausschlussgründe im Sinne des § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG nicht gegeben sind. Die Beschwerde ist auch begründet. Der Antragsteller hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) anhängig gewesene einstweilige Rechtsschutzverfahren S 7 SO 4930/16 ER ab 19. Dezember 2016 (Eingang der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse).
1. Nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) erhält PKH, wer nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Hinreichende Erfolgsaussicht im Sinne des § 114 ZPO verlangt eine gewisse Erfolgswahrscheinlichkeit; dabei sind freilich keine überspannten Anforderungen zu stellen (ständige Rechtsprechung des Senats unter Hinweis auf Bundesverfassungsgericht (BVerfG) BVerfGE 81, 347, 357). Eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung ist regelmäßig zu bejahen, wenn der Ausgang des Verfahrens als offen zu bezeichnen ist. Dies gilt namentlich dann, wenn die Entscheidung in der Hauptsache von einer schwierigen, bislang höchstrichterlich nicht geklärten Rechtsfrage abhängt (vgl. BVerfG NJW 1997, 2102; NJW 2004, 1789; NVwZ 2006, 1156; Bundessozialgericht (BSG) SozR 4-1500 § 62 Nr. 9) oder eine weitere Sachaufklärung, insbesondere durch Beweisaufnahme, ernsthaft in Betracht kommt (vgl. BVerfG NZS 2002, 420; info also 2006, 279). Keinesfalls darf die Prüfung der Erfolgsaussichten dazu führen, die Rechtsverfolgung in das summarische Verfahren der PKH zu verlagern und dieses an die Stelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Erfolgsaussicht sind grundsätzlich die Verhältnisse und der Kenntnisstand im Zeitpunkt der Beschlussfassung über die Beschwerde (ständige Senatsrechtsprechung; vgl. z.B. Beschlüsse vom 26. September 2007 - L 7 AS 191/07 PKH-B und vom 27. Dezember 2007 - L 7 AS 4785/07 PKH). Allerdings kommt eine rückwirkende Bewilligung von PKH ausnahmsweise auch nach Abschluss der Instanz, für die PKH begehrt wird, in Betracht, wenn das Gericht sie bereits vor Beendigung des Verfahrens hätte bewilligen müssen (vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 14. April 2010 - 1 BvR 362/10 - juris Rdnr. 14 m.w.N.). Ein solcher Anspruch auf rückwirkende Bewilligung von PKH nach Abschluss der Instanz setzt voraus, dass der PKH-Antrag zum Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif war.
2. Unter Beachtung dieser Grundsätze hat die Rechtsverfolgung des Antragstellers im oben bezeichneten einstweiligen Rechtsschutzverfahren hinreichende Aussicht auf Erfolg geboten.
a. Der Antragsteller hat mit seinem am 12. Dezember 2016 beim SG anhängig gemachten einstweiligen Rechtsschutzgesuch die vorläufige Gewährung von laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (SGB XII) ab Antragseingang (12. Dezember 2016) bis zur Bestandskraft des mit Widerspruch angefochtenen Bescheides des Antragsgegners vom 24. November 2016 geltend gemacht. Mit diesem Begehren ist der Antragsteller vor dem SG erfolglos geblieben (Beschluss vom 21. Dezember 2016).
b. Zwar hat das SG dieses einstweilige Rechtsschutzbegehren im Ergebnis zutreffend abgelehnt, weil der Antragsteller, der mittlerweile - Ende Januar 2017 - zu seinen Eltern nach I. gereist ist, um dort seinen Lebensunterhalt zu sichern, im Beschwerdeverfahren den erforderlichen Anordnungsgrund nicht (mehr) glaubhaft gemacht hat. Jedoch hatte das einstweilige Rechtsschutzgesuch des Antragsteller nach der im PKH-Verfahren vorzunehmenden summarischen Prüfung im Zeitpunkt der Erledigung des Verfahrens vor dem SG im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 3. Dezember 2015 - B 4 AS 44/15 - juris Rdnrn. 40 ff.; Urteil vom 20. Januar 2016 - B 14 AS 35/15 R - juris Rdnr. 33 ff.; vgl. ferner Senatsbeschlüsse vom 6. Dezember 2016 - L 7 SO 4193/16 ER-B - (n.v.); vom 12. Oktober 2016 - L 7 SO 3374/16 ER-B - (n.v.); vom 13. September 2016 - L 7 SO 2914/16 ER-B (n.v.); vom 8. September 2016 - L 7 SO 3051/16 ER-B - (n.v.); vom 24. August 2016 - L 7 AS 2113/16 ER-B - (n.v.); vom 9. Juni 2016 - L 7 SO 1512/16 ER-B -; vom 12. Mai 2016 - L 7 SO 1150/16 ER-B - jeweils juris) hinreichende Aussicht auf Erfolg. Zwar hat der Gesetzgeber auf diese Rechtsprechung reagiert und durch das Gesetz zur Regelung von Ansprüchen ausländischer Personen in der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch und in der Sozialhilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch vom 22. Dezember 2016 (BGBl. I, 3155) mit Wirkung zum 29. Dezember 2016 in § 23 Abs. 3 und 3a SGB XII Regelungen getroffen, die dem Begehren des Antragstellers möglicherweise die Grundlage entzogen haben. Diese Rechtsänderung ist jedoch erst nach der Entscheidung des SG eingetreten. Weiterhin hat das SG übersehen, dass der Antragsteller als i. Staatsangehöriger gem. Art 1 des Europäischen Fürsorgeabkommens einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt nach §§ 19 Abs. 1, 27 ff. SGB XII haben könnte (vgl. dazu im Einzelnen Senatsbeschluss vom heutigen Tag im Verfahren L 7 SO 267/17 ER-B).
Im Zeitpunkt der Entscheidung des SG ist der PKH-Antrag des Antragstellers im Sinne der Bewilligung entscheidungsreif gewesen. Mithin hat ausnahmsweise eine nachträgliche Bewilligung von PKH für das abgeschlossene Verfahren vor dem SG zu erfolgen.
3. Kosten des Beschwerdeverfahrens werden gem. § 73a SGG i.V.m. § 127 Abs. 4 ZPO nicht erstattet.
4. Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
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