Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 26 U 126/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 U 720/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung von (weiteren) Unfallfolgen.
Der 1970 geborene Kläger ist Elektroniker. Er war im Jahr 2011 als Leiharbeitnehmer beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Am 16. Dezember 2011 wurde er auf dem Weg zur Arbeit in B. als Fußgänger beim Überqueren der Straße von einem PKW erfasst und fiel danach auf die Straße. Nach Angaben des Klägers fuhr der PKW mindestens 30 km/h (Unfallanzeige Zeitkonzept GmbH Personaldienstleistung). Der Kläger wurde mit dem Rettungsdienst in die unfallchirurgische Abteilung der Rems-Murr-Kliniken gebracht. Der Chefarzt Dr. H. diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 16. Dezember 2011 eine Schädelprellung, Halswirbelsäulendistorsion Grad 1, Thoraxprellung, Hüftprellung links, Fibulaköpfchenfraktur rechts, Sprunggelenksdistorsion beidseits, Kniegelenkskontusion rechts und ein stumpfes Bauchtrauma. Übelkeit und Schwindel hätten nicht bestanden, die Pupillen seien beidseits mittelweit mit regelrechtem Pupillenspiel gewesen. Es hätte sich u.a. eine ca. 5 DM-Stück große oberflächliche Schürfwunde über der linken Augenbraue gefunden. Das Röntgen des Schädels in zwei Ebenen habe keine Fraktur ergeben. Der Kläger verblieb zur Überwachung, analgetischen/antiphlogistischen Therapie und weiteren Diagnostik bis zum 21. Dezember 2011 stationär in den Rems-Murr-Kliniken und wurde dann bei schmerzadaptierter Vollbelastung an Unterarmgehstützen mobilisiert entlassen. Die Arbeitsunfähigkeit sollte nach dem Zwischenbericht des Krankenhauses voraussichtlich noch für sechs Wochen bestehen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich nicht verbleiben.
Die weitere Behandlung des Klägers wurde durch den Chirurgen und Orthopäden Dr. R. durchgeführt. Dieser berichtete in einem Zwischenbericht vom 23. Dezember 2011, es bestünden noch Schmerzen über dem AC-Gelenk und ein Druckschmerz über dem Fibulaköpfchen. Die Funktion des rechten Knies und der linken Schulter sei frei. In dem Zwischenberichtsformular verneinte Dr. R. die Frage unter 3.2, ob die Zuziehung von Konsiliarärzten zur Klärung der Diagnose und/oder zur Mitbehandlung erforderlich sei.
Vom 27. Dezember 2011 bis zum 9. Januar 2012 hielt sich der Kläger zur Inzision und Hämatomausräumung wegen einer zunehmenden Fluktuation und Schwellung im Bereich der linken Hüfte erneut stationär in den Rems-Murr-Kliniken auf.
Am 19. Januar 2012 nahm der Kläger wieder seine Arbeitstätigkeit auf.
Der Kläger teilte am 27. Januar 2012 dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten telefonisch mit, dass es "ein sehr guter Heilungsverlauf ohne komplizierte Brüche etc." gewesen sei, weshalb er auch wieder zur Arbeit gehe.
Eine weitere Nachuntersuchung erfolgte durch Dr. R. am 23. April 2012, der ein Unterschenkelödem beidseits, Fibulaköpfchenfraktur rechts, ausgedehnte Weichteilverletzungen Tibia links, Hüftprellung links mit Hämatom, Hämatom Oberschenkel links und AC-Gelenkszerrung links diagnostizierte. Der Kläger habe noch Schmerzen in beiden Knien und endgradige Belastungsbeschwerden in der linken Schulter. Er sei weiter arbeitsfähig. Dr. R. veranlasste ausweislich des Zwischenberichtes ein MRT des rechten Knies. Eine weitere Untersuchung erfolgte am 18. Juni 2012. Nach dem dortigen Bericht seien weiterhin keine Komplikationen aufgetreten und auch die Zuziehung von Konsiliarärzten nicht erforderlich. Ausweislich des Zwischenberichtes über die Nachuntersuchung vom 12. November 2012 hielt Dr. R. nun eine Hinzuziehung des HNO-Arztes Dr. R. für erforderlich und hielt weiter in dem Bericht fest, dass die HNO-Abklärung am 6. Dezember 2012 stattfinden werde. Weitere Nachuntersuchungen durch Dr. R. erfolgten am 4. Februar 2013, 9. April 2013, 20. Juni 2013, 16. Dezember 2013, 3. Februar 2014 und am 11. August 2014.
Bereits am 15. Mai 2012 hatte der Kläger erstmals den HNO-Arzt Dr. R. aufgesucht. Dieser erstellte an diesem Termin ein Tonaudiogramm und weitere Audiogramme am 8. November 2012 und 6. Dezember 2012, die auf dem rechten Ohr eine mittelgradige und auf dem linken Ohr eine ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit zeigten. Auf Veranlassung von Dr. R. wurde zudem am 18. Juni 2012 ein MRT des Schädels angefertigt, welches einen unauffälligen kernspintomographischen Befund des Neurokraniums (Teil des Schädels, der das Gehirn umschließt) erbrachte.
Dr. R. zeigte dann im November 2013 bei der Beklagten einen Verdacht auf Berufskrankheit wegen einer Lärmschädigung des Klägers an. In der Anzeige wurde eine zunehmende Hörminderung mit Beginn vor drei Jahren beschrieben (Bl. 37 der SG-Akte). Der Kläger teilte der Beklagten diesbezüglich telefonisch mit, er sehe keinen Zusammenhang mit einer beruflich verursachten Schwerhörigkeit, sondern sehe seine Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall vom 16. Dezember 2011. Nachdem der Kläger die Vordrucke für die Feststellung einer Berufskrankheit nicht zurückgeschickt hatte, erließ die Beklagte am 21. März 2014 diesbezüglich einen bestandskräftigen Versagungsbescheid.
In der Folge zog die Beklagte Meldungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei den zuständigen Krankenkassen bei. Krankheitszeiten bzgl. Ohren oder Gehörgang waren darin nicht enthalten (vgl. Bl. 356 ff., 368 und 375 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte ließ den Kläger durch Prof. Dr. Z., Ärztlicher Direktor der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen, untersuchen und begutachten. Im Rahmen der ambulanten Untersuchung vom 16. Juli 2014 teilte der Kläger anamnestisch mit, dass ihm in der Rems-Murr-Klinik aufgefallen sei, dass er nicht mehr gut hören könne. Wegen anderer, im Vordergrund stehender Beschwerden habe er den Besuch des HNO-Arztes aufgeschoben. Im Mai 2012 habe er wegen eines Hörsturzes und Schwindelbeschwerden dann doch Dr. R. aufgesucht. Dieser habe ihm Infusionsbehandlungen vorgeschlagen, welche er jedoch - aus Kostengründen - abgelehnt habe. Die Schwindelbeschwerden hätten sich im Lauf der Zeit gebessert, er leide aber noch unter einer gewissen Gangunsicherheit und kurzen Schwindelbeschwerden bei schnellen Körperbewegungen, nicht jedoch unter Ohrgeräuschen. Er sei in seinen beruflichen Tätigkeiten keinem Lärm ausgesetzt gewesen. Hörgeräte seien ihm nicht verordnet worden. Der Gutachter ermittelte in seinem Gutachten vom 18. Juli 2014 tonaudiometrisch rechts einen Hörverlust von 75 % und links von 60 %. Im Sprachaudiogramm ermittelte er rechts aus dem gewichteten Gesamtwortverstehen einen Hörverlust von 80 % und links von 10 %. Beim Kläger liege eine rechts stärker als links ausgeprägte Schallempfindungsschwerhörigkeit vor. Des Weiteren bestehe eine Unter¬erregbarkeit des linken Vestibularorgans. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es prinzipiell bei einem Unfallereignis mit Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen könne. Der Kläger habe jedoch erst bei Einleitung eines BK-Feststellungsverfahrens Ende 2013/Anfang 2014, also zwei Jahre nach dem Unfallereignis angegeben, dass das Hörvermögen seit dem Unfallereignis beeinträchtigt sei. Da zwischen der Angabe der Beschwerden auf der einen und dem Unfallereignis auf der anderen Seite kein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe, scheide der Unfall als Ursache für die Hörminderung aus. Es könne auch nicht von einer beruflichen Lärmschädigung der Ohren ausgegangen werden. Vielmehr müsse angenommen werden, dass es sich bei der Hörminderung sowie der Untererregbarkeit des linken Gleichgewichtsorgans um eine eigenständige Erkrankung handele.
Mit Bescheid vom 26. August 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalles vom 16. Dezember 2011 ab. Als Folgen des Versicherungsfalles wurden von ihr anerkannt: jeweils ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Schädelprellung, Zerrung der Halswirbelsäule, Verletzung des AC-Gelenks am linken Schultergelenk (Tossy II), Thoraxprellung links, Hüftprellung links, Sprunggelenkszerrung beidseits, stumpfes Bauchtrauma, Schienbeinköpfchenbruch rechts. Nicht Folgen des Versicherungsfalles seien: degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk, Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links und Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibulaorgans.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, zwar sei in den Berichten keine Hörstörung dokumentiert, er sei jedoch bereits im Krankenhaus vom Personal gefragt worden, ob er schwerhörig sei. Auch nach einer E-Mail von ihm an den behandelnden Arzt habe es keinerlei Dokumentation zur beklagten Hörminderung gegeben. Dr. R. habe ihm am 22. Oktober 2012 eine BG-Überweisung zur HNO-ärztlichen Untersuchung ausgestellt. Der HNO-Arzt Dr. R. habe die Angelegenheit aber als Krankenkassenfall durchgehen lassen wollen. Er habe nun ein Hörgerät Probe getragen und es sei noch die Kostenfrage offen. Er habe zwar die Infusionstherapie abgelehnt, aber stattdessen Tabletten bekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die bei dem Kläger bestehende Schallempfindungsschwerhörigkeit sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Versicherungsfall vom 16. Dezember 2011 zurückzuführen. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Gutachten von Prof. Dr. Z ... Für einen ursächlichen Zusammenhang spreche die erlittene Schädelprellung, dagegen ein mangelnder zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 16. Dezember 2011 und der erstmaligen Erwähnung von Hörbeschwerden im November 2012. Auch das Tonaudiogramm vom Mai 2012 könne einen solchen zeitlichen Zusammenhang nicht herstellen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt einen Hörsturz erlitten habe und die Behandlung daher wegen dieser Gesundheitsstörung erfolgt sei. Eine prinzipielle Möglichkeit, dass es bei einem Unfall mit Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen könne, reiche nicht aus, um einen hinreichend wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zu begründen. Auch der Vortrag, der Kläger habe von Anfang an über eine Hörminderung berichtet, sei nicht schlüssig, da eine solche weder in den Berichten in irgendeiner Form erwähnt noch gegenüber der Sachbearbeitung geäußert worden sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 5. Januar 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zunächst mit dem Ziel eine Kostenübernahme/Versorgung für/mit Hörgeräten zu erreichen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 hat er die Klage dann umgestellt und nun neben der Aufhebung der Bescheide die Feststellung weiterer Unfallfolgen (Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mehr als links sowie Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularisorganes) begehrt. Die Beklagte hat gegen die Änderung des Klageantrages ausdrücklich keine Bedenken erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Dr. R. hat ausgeführt, er habe den Kläger vom 23. Dezember 2011 bis 5. Februar 2015 behandelt. Der Kläger habe ihm gegenüber am 27. September 2012 über Hörprobleme geklagt, weshalb er ihm eine Überweisung an den HNO-Arzt ausgestellt habe. Dies habe er auch der BG im Zwischenbericht vom 12. November 2012 mitgeteilt. Dr. R. hat angegeben, der Kläger sei bei ihm erstmalig am 15. Mai 2012 in Behandlung gewesen und mehrfach bis 28. November 2013 behandelt worden. Von Mai bis Dezember 2012 habe sich ein konstanter Hörkurvenverlauf gezeigt, er habe bei dem Kläger im Mai 2012 einen Vestibularisschwindel, Tinnitus kompensiert sowie eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert. Zwischen Mai 2012 und November 2013 sei keine Verschlimmerung der von ihm erhobenen Befunde eingetreten. Am 18. Juni 2012 sei auf seine Veranlassung hin ein MRT des Schädels durchgeführt worden, das einen unauffälligen Befund erbracht habe. Dr. R. hat ein Schreiben von Dr. R. an die Rechtsanwälte des Klägers vom 25. September 2013 vorgelegt, worin jener ausgeführt hat, der Kläger habe ihm am 18. Juni 2012 über Hörschwierigkeiten seit dem Unfall und erst im September 2012 von einem Hörsturz berichtet.
Mit Urteil vom 19. Januar 2016, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 28. Januar 2016, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klage zwar zulässig sei, da es sich bei der Klageantragsumstellung um eine sachdienliche Klageänderung gehandelt habe. Die Klage sei aber unbegründet, da der Unfall nicht zu der bei dem Kläger vorliegenden Schallempfindungsschwerhörigkeit und der Untererregbarkeit des Vestibularisorgans geführt habe. Es spreche nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Für einen ursächlichen Zusammenhang spreche, dass bei dem Kläger im Vorerkrankungsverzeichnis keine Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Hörstörung aufgeführt seien. Soweit Prof. Dr. Z. ausführe, grundsätzlich könne eine Schädelprellung zu einer Hörstörung führen, so sei dies nicht für den Kläger zu werten, da es sich hierbei allein um eine pauschale Möglichkeit handele. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche, dass die Hörminderung und Vestibularisstörung nicht zeitnah nach dem Unfall dokumentiert worden seien. In keiner der Behandlungsberichte seien diese Gesundheitsstörungen aufgeführt. Soweit der Kläger argumentiert habe, er habe gegenüber den Ärzten immer wieder darauf gedrungen, die Hörstörung aufzunehmen und er sei im Krankenhaus gefragt worden, ob er schwerhörig sei, so bleibe dies eine Behauptung, welche eben nicht dazu geeignet sei, eine Aussage zur Kausalität zu treffen, da sie mangels Dokumentation von objektiven Befunden keinen objektiven Rückschluss auf eine medizinisch vorliegende Hörstörung erlaube. Die Behandlung im Mai 2012 sei auf den damals stattgefunden Hörsturz zurückzuführen. Ein Tonaudiogramm sei erst im zeitlichen Zusammenhang mit diesem durchgeführt worden. Dies spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Vorher habe keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 25. Februar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, dass er seit dem Unfall nicht mehr reiten könne, weil er das Gleichgewicht nicht mehr halten könne. Durch die Schwerhörigkeit sei er nicht mehr schwindelfrei und könne seinen Beruf nicht mehr vollständig ausüben. Es sei zwar nicht unmöglich, dass er schon vor der Überweisung von Dr. R. bei Dr. R. gewesen sei, aber nicht zur Behandlung, diese habe erst nach der Überweisung stattgefunden. Sein Hörsturz tue nichts zu Sache. Seine Schwerhörigkeit sei nicht Folge des Hörsturzes. Die Schwerhörigkeit strahle von der Halswirbelsäule aus. Zuletzt hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass er zur ersten Behandlung bei Dr. R. ohne Überweisung gekommen sei. An dem Behandlungstag selbst habe er erst den Hörsturz gehabt. Die Behandlung sei über die Krankenkasse abgerechnet worden. Mit einer Überweisung von Dr. R. sei er erst später zu Dr. R. gegangen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2016 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die bei ihm vorliegende Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mehr als links sowie die Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularorgans als weitere Folgen des Unfalls vom 16. Dezember 2011 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert, dass es medizinisch nicht tragfähig sei, dass die Schwerhörigkeit von der Wirbelsäule ausstrahle. Der Kläger verkenne insgesamt, dass die generelle Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen dem von ihm erlittenen Unfall und dem Entstehen einer Schwerhörigkeit nicht ausreichend sei.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, da die Berufung unbegründet sei. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen, die SG-Akte S 26 U 126/15 und die Verwaltungsakten (2 Band) der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher R. durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden.
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klageänderung im SG-Verfahren war nach § 99 Abs. 1, 1. Alt. SGG wirksam, da sich die Beklagte in der dortigen mündlichen Verhandlung darauf eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG). Die für die geänderte Klage erforderlichen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden Prozessvoraussetzungen (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R –, juris) lagen ebenfalls vor, insbesondere ist der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 nicht bereits bestandskräftig (§ 77 SGG) gewesen, da er von Anfang an vom Kläger mit angefochten worden war (vgl. Klageschrift vom 5. Januar 2015).
Die Klage war aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als weitere Unfallfolgen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 2014 zwar das Unfallereignis vom 16. Dezember 2011 als Versicherungsfall i. S. des § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), nämlich als Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII (hier Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) inzident anerkannt, und diverse Folgen des Unfalles festgestellt. Ausdrücklich abgelehnt wurde in dem Bescheid jedoch die Anerkennung der Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links sowie die Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularorgans als Folgen des Versicherungsfalles.
Die Klage war als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtete auf eine Verurteilung der Beklagten zu einer Anerkennung der genannten Gesundheitsschäden (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG), zulässig. Für eine solche Klage besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger ist nicht auf eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG beschränkt. Feststellungsklagen sind gegenüber Leistungsklagen subsidiär. Dem entspricht es, dass ein Versicherter hinsichtlich der Anerkennung von Unfallfolgen zwischen gerichtlicher und behördlicher Feststellung wählen kann (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1). Einer solchen Verpflichtungsklage liegt auch eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R, UV-Recht Aktuell 2010, 897), weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 SGB VII (i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, a.a.O.). Und letztlich hat die Beklagte in dem hier angegriffenen Bescheid vom 26. August 2014 über die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsschäden ausdrücklich – negativ – entschieden, sodass zu diesem Punkt ein angreifbarer Verwaltungsakt vorliegt und das nach § 78 Abs. 1 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt worden ist.
Jene Gesundheitsschäden, die der Kläger in diesem Verfahren geltend macht, sind jedoch nicht "in Folge" der versicherten Tätigkeit, wie es auch § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt, entstanden. Sie können nicht nach dem hier zu fordernden Maßstab auf den Wegeunfall zurückgeführt werden.
Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R - juris; Senatsurteil vom 24. Juli 2014 - L 6 U 5183/11 -). Während der Gesundheitsschaden sicher feststehen muss (Vollbeweis), erfolgt die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und dem Unfallereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; SozR 2200 § 555a Nr. 1). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Erst wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich wesentliche Ursache ist. Dasselbe gilt für die Frage, ob eine MdE vorliegt und im Wesentlichen durch Unfallfolgen verursacht wurde (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012, a. a. O.).
Das Gericht ist nicht in dem nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass die seitens des Klägers geltend gemachten weiteren Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 16. Dezember 2011 zurückzuführen sind. Nach Auswertung aller fachärztlicher Stellungnahmen und der Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren gelangt der Senat zum Ergebnis, dass die Gründe, die gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen, deutlich überwiegen.
Der Kläger leidet an einem Gesundheitsschaden in Form einer rechts stärker als links ausgeprägten Schallempfindungsschwerhörigkeit und einer Untererregbarkeit des linken Vestibularorgans, wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. Z. vom 18. Juli 2014 ergibt. Dem entsprechen die von HNO-Arzt Dr. R. dem SG mitgeteilten Diagnosen eines Vestibularisschwindels und einer mittel- bis hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit (Auskunft vom 9. April 2015).
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Z. ist es allgemein möglich, dass es bei einer Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen kann. Die allgemeine Möglichkeit sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob im hier konkreten Einzelfall der Unfall des Klägers, bei der er u.a. eine Schädelprellung erlitten hat, ein derartiger ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und dem genannten Gesundheitsschaden hinreichend wahrscheinlich ist.
Der Kläger hat seinen Angaben gemäß erstmals nach seinem Unfall einen HNO-Arzt aufgesucht und dort über Schwerhörigkeit und Schwindel geklagt, was Bestätigung findet in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften bei den Krankenkassen über die früheren Arbeitsunfähigkeitszeiten bzw. Vorerkrankungen, die keine derartigen Erkrankungen dokumentierten. Das leere Vorerkrankungsverzeichnis belegt aber noch keinen Ursachenzusammenhang, es kann damit weder eine Schadensanlage noch ein Vorschaden ausgeschlossen werden, zumal der HNO-Arzt Dr. R. in seiner Anzeige wegen Verdachts einer Berufskrankheit vom November 2013 davon berichtet hat, dass die Hörbeschwerden beim Kläger erstmals vor drei Jahren aufgetreten seien, also somit bereits vor dem Unfall Ende 2011.
Deutlich gegen einen Ursachenzusammenhang spricht unabhängig von der Frage, ob Hörprobleme bereits vor dem Unfall bestanden, dass die HNO-ärztliche Behandlung erst Mitte Mai 2012 aufgenommen wurde, d.h. fünf Monate nach dem Wegeunfall. Anlass der HNO-ärztlichen Behandlung war auch nicht eine Überweisung durch den für die Behandlung der Unfallfolgen zuständigen Durchgangsarzt Dr. R., was der Kläger in seinem letzten Schreiben vom 11. April 2016 bestätigt. Ob eine solche Überweisung dann im November 2012, wie im Zwischenbericht vom 12. November 2012 vermerkt, erfolgte, oder bereits im Juni 2012, wie das über ein Jahr später angefertigte Schreiben von Dr. R. vom 25. September 2013 an die Rechtsanwälte des Klägers nahelegt, kann hier letztlich genauso dahinstehen, wie die Frage, ob der Kläger den HNO-Arzt wegen eines Hörsturzes aufgesucht hatte (so die Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. Z.) oder der Hörsturz erst nach Terminsvereinbarung am Behandlungstag eingetreten war (so der Kläger zuletzt). Genauso kann dahinstehen, ob die Schwerhörigkeit von der Wirbelsäule "ausstrahlt", wie der Kläger vermutet. In allen Fällen fehlt es nämlich jedenfalls an dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den erstmals dokumentierten Hör-, und Schwindelbeschwerden und dem Unfallereignis. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang ist aber für den Unfall als (wesentliche) Ursache erforderlich. Dies folgt nachvollziehbar und überzeugend aus dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. Z., das in Form und Inhalt den Anforderungen entspricht, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Derartige Gutachten, die vom Versicherungsträger im Rahmen der Amtsermittlungspflicht eingeholt werden, sind keine Parteigutachten und können im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden und – wenn sie überzeugend begründet sind wie hier –, ggf. auch alleinige medizinische Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein (vgl. LSG NRW, Urteil vom 18. Februar 2004 - L 17 U 295/02 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2/9b RU 66/87 -, Urteil vom 6. April 1989 – 2 RU 55/88 –; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 128 Rdnr. 7f). Der Kläger hatte direkt nach dem Unfall ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom Unfalltag und des Berichtes über die anschließende Krankenhausbehandlung weder über eine Hörstörung noch über Ohrgeräusche geklagt. Schwindel wird in den Berichten sogar ausdrücklich verneint. Ein Röntgen des Schädels am Unfalltag erbrachte keine Fraktur. Auch in den Zwischenberichten von Dr. R. vom 23. Dezember 2011 und 23. April 2012, sowie dem Krankenhausbericht über den stationären Aufenthalt vom 27. Dezember 2011 bis 9. Januar 2012 sind keine Schwindel- oder Hörbeschwerden vermerkt. Dem entsprechend sprach der Kläger im Telefonat vom 27. Januar 2012 gegenüber der Beklagten selbst von einem sehr guten Heilverlauf. Wenn der Kläger erstmals im Mai 2012 einen HNO-Arzt aufsucht und im Folgemonat dem Durchgangsarzt Dr. R. über Hörschwierigkeiten berichtet, fehlt es an dem notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang.
Somit spricht erheblich mehr gegen als für einen Ursachenzusammenhang zwischen der Hörstörung und Unfall. Dass der Kläger im Krankenhaus auf eine Hörminderung angesprochen worden sein will, wie er erstmals im Widerspruchsverfahren vorbringt, bleibt eine Behauptung des Klägers, welche nicht geeignet ist, eine Aussage zur Kausalität zu treffen, da sie - wie das SG zutreffend anführt - mangels Dokumentation in den Befunden keinen objektiven Rückschluss auf eine seit dem Unfall vorliegende Hörstörung erlaubt. Hätte der Kläger direkt nach dem Unfall erstmals und plötzlich eine gravierende Hörminderung mit Schwindel erlitten, wären deutlich früher Beschwerdeäußerungen mit unmittelbarer Behandlungsaufnahme zu erwarten gewesen. Ein entsprechender Leidensdruck bestand aber augenscheinlich nicht.
Nach alledem ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass der beim Kläger aufgetretene Schwindel und die Hörstörung ihre maßgebliche Ursache in dem Unfallereignis vom 16. Dezember 2011 haben. Weitere Unfallfolgen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Berufung des Klägers war somit insgesamt erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Feststellung von (weiteren) Unfallfolgen.
Der 1970 geborene Kläger ist Elektroniker. Er war im Jahr 2011 als Leiharbeitnehmer beschäftigt und in dieser Eigenschaft bei der Beklagten gesetzlich unfallversichert. Am 16. Dezember 2011 wurde er auf dem Weg zur Arbeit in B. als Fußgänger beim Überqueren der Straße von einem PKW erfasst und fiel danach auf die Straße. Nach Angaben des Klägers fuhr der PKW mindestens 30 km/h (Unfallanzeige Zeitkonzept GmbH Personaldienstleistung). Der Kläger wurde mit dem Rettungsdienst in die unfallchirurgische Abteilung der Rems-Murr-Kliniken gebracht. Der Chefarzt Dr. H. diagnostizierte in seinem Durchgangsarztbericht vom 16. Dezember 2011 eine Schädelprellung, Halswirbelsäulendistorsion Grad 1, Thoraxprellung, Hüftprellung links, Fibulaköpfchenfraktur rechts, Sprunggelenksdistorsion beidseits, Kniegelenkskontusion rechts und ein stumpfes Bauchtrauma. Übelkeit und Schwindel hätten nicht bestanden, die Pupillen seien beidseits mittelweit mit regelrechtem Pupillenspiel gewesen. Es hätte sich u.a. eine ca. 5 DM-Stück große oberflächliche Schürfwunde über der linken Augenbraue gefunden. Das Röntgen des Schädels in zwei Ebenen habe keine Fraktur ergeben. Der Kläger verblieb zur Überwachung, analgetischen/antiphlogistischen Therapie und weiteren Diagnostik bis zum 21. Dezember 2011 stationär in den Rems-Murr-Kliniken und wurde dann bei schmerzadaptierter Vollbelastung an Unterarmgehstützen mobilisiert entlassen. Die Arbeitsunfähigkeit sollte nach dem Zwischenbericht des Krankenhauses voraussichtlich noch für sechs Wochen bestehen und eine Minderung der Erwerbsfähigkeit voraussichtlich nicht verbleiben.
Die weitere Behandlung des Klägers wurde durch den Chirurgen und Orthopäden Dr. R. durchgeführt. Dieser berichtete in einem Zwischenbericht vom 23. Dezember 2011, es bestünden noch Schmerzen über dem AC-Gelenk und ein Druckschmerz über dem Fibulaköpfchen. Die Funktion des rechten Knies und der linken Schulter sei frei. In dem Zwischenberichtsformular verneinte Dr. R. die Frage unter 3.2, ob die Zuziehung von Konsiliarärzten zur Klärung der Diagnose und/oder zur Mitbehandlung erforderlich sei.
Vom 27. Dezember 2011 bis zum 9. Januar 2012 hielt sich der Kläger zur Inzision und Hämatomausräumung wegen einer zunehmenden Fluktuation und Schwellung im Bereich der linken Hüfte erneut stationär in den Rems-Murr-Kliniken auf.
Am 19. Januar 2012 nahm der Kläger wieder seine Arbeitstätigkeit auf.
Der Kläger teilte am 27. Januar 2012 dem zuständigen Sachbearbeiter der Beklagten telefonisch mit, dass es "ein sehr guter Heilungsverlauf ohne komplizierte Brüche etc." gewesen sei, weshalb er auch wieder zur Arbeit gehe.
Eine weitere Nachuntersuchung erfolgte durch Dr. R. am 23. April 2012, der ein Unterschenkelödem beidseits, Fibulaköpfchenfraktur rechts, ausgedehnte Weichteilverletzungen Tibia links, Hüftprellung links mit Hämatom, Hämatom Oberschenkel links und AC-Gelenkszerrung links diagnostizierte. Der Kläger habe noch Schmerzen in beiden Knien und endgradige Belastungsbeschwerden in der linken Schulter. Er sei weiter arbeitsfähig. Dr. R. veranlasste ausweislich des Zwischenberichtes ein MRT des rechten Knies. Eine weitere Untersuchung erfolgte am 18. Juni 2012. Nach dem dortigen Bericht seien weiterhin keine Komplikationen aufgetreten und auch die Zuziehung von Konsiliarärzten nicht erforderlich. Ausweislich des Zwischenberichtes über die Nachuntersuchung vom 12. November 2012 hielt Dr. R. nun eine Hinzuziehung des HNO-Arztes Dr. R. für erforderlich und hielt weiter in dem Bericht fest, dass die HNO-Abklärung am 6. Dezember 2012 stattfinden werde. Weitere Nachuntersuchungen durch Dr. R. erfolgten am 4. Februar 2013, 9. April 2013, 20. Juni 2013, 16. Dezember 2013, 3. Februar 2014 und am 11. August 2014.
Bereits am 15. Mai 2012 hatte der Kläger erstmals den HNO-Arzt Dr. R. aufgesucht. Dieser erstellte an diesem Termin ein Tonaudiogramm und weitere Audiogramme am 8. November 2012 und 6. Dezember 2012, die auf dem rechten Ohr eine mittelgradige und auf dem linken Ohr eine ausgeprägte Hochtonschwerhörigkeit zeigten. Auf Veranlassung von Dr. R. wurde zudem am 18. Juni 2012 ein MRT des Schädels angefertigt, welches einen unauffälligen kernspintomographischen Befund des Neurokraniums (Teil des Schädels, der das Gehirn umschließt) erbrachte.
Dr. R. zeigte dann im November 2013 bei der Beklagten einen Verdacht auf Berufskrankheit wegen einer Lärmschädigung des Klägers an. In der Anzeige wurde eine zunehmende Hörminderung mit Beginn vor drei Jahren beschrieben (Bl. 37 der SG-Akte). Der Kläger teilte der Beklagten diesbezüglich telefonisch mit, er sehe keinen Zusammenhang mit einer beruflich verursachten Schwerhörigkeit, sondern sehe seine Beschwerden im Zusammenhang mit dem Unfall vom 16. Dezember 2011. Nachdem der Kläger die Vordrucke für die Feststellung einer Berufskrankheit nicht zurückgeschickt hatte, erließ die Beklagte am 21. März 2014 diesbezüglich einen bestandskräftigen Versagungsbescheid.
In der Folge zog die Beklagte Meldungen über Arbeitsunfähigkeitszeiten bei den zuständigen Krankenkassen bei. Krankheitszeiten bzgl. Ohren oder Gehörgang waren darin nicht enthalten (vgl. Bl. 356 ff., 368 und 375 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte ließ den Kläger durch Prof. Dr. Z., Ärztlicher Direktor der Universitäts-HNO-Klinik Tübingen, untersuchen und begutachten. Im Rahmen der ambulanten Untersuchung vom 16. Juli 2014 teilte der Kläger anamnestisch mit, dass ihm in der Rems-Murr-Klinik aufgefallen sei, dass er nicht mehr gut hören könne. Wegen anderer, im Vordergrund stehender Beschwerden habe er den Besuch des HNO-Arztes aufgeschoben. Im Mai 2012 habe er wegen eines Hörsturzes und Schwindelbeschwerden dann doch Dr. R. aufgesucht. Dieser habe ihm Infusionsbehandlungen vorgeschlagen, welche er jedoch - aus Kostengründen - abgelehnt habe. Die Schwindelbeschwerden hätten sich im Lauf der Zeit gebessert, er leide aber noch unter einer gewissen Gangunsicherheit und kurzen Schwindelbeschwerden bei schnellen Körperbewegungen, nicht jedoch unter Ohrgeräuschen. Er sei in seinen beruflichen Tätigkeiten keinem Lärm ausgesetzt gewesen. Hörgeräte seien ihm nicht verordnet worden. Der Gutachter ermittelte in seinem Gutachten vom 18. Juli 2014 tonaudiometrisch rechts einen Hörverlust von 75 % und links von 60 %. Im Sprachaudiogramm ermittelte er rechts aus dem gewichteten Gesamtwortverstehen einen Hörverlust von 80 % und links von 10 %. Beim Kläger liege eine rechts stärker als links ausgeprägte Schallempfindungsschwerhörigkeit vor. Des Weiteren bestehe eine Unter¬erregbarkeit des linken Vestibularorgans. Zusammenfassend sei festzustellen, dass es prinzipiell bei einem Unfallereignis mit Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen könne. Der Kläger habe jedoch erst bei Einleitung eines BK-Feststellungsverfahrens Ende 2013/Anfang 2014, also zwei Jahre nach dem Unfallereignis angegeben, dass das Hörvermögen seit dem Unfallereignis beeinträchtigt sei. Da zwischen der Angabe der Beschwerden auf der einen und dem Unfallereignis auf der anderen Seite kein enger zeitlicher Zusammenhang bestehe, scheide der Unfall als Ursache für die Hörminderung aus. Es könne auch nicht von einer beruflichen Lärmschädigung der Ohren ausgegangen werden. Vielmehr müsse angenommen werden, dass es sich bei der Hörminderung sowie der Untererregbarkeit des linken Gleichgewichtsorgans um eine eigenständige Erkrankung handele.
Mit Bescheid vom 26. August 2014 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Versicherungsfalles vom 16. Dezember 2011 ab. Als Folgen des Versicherungsfalles wurden von ihr anerkannt: jeweils ohne wesentliche Folgen ausgeheilte Schädelprellung, Zerrung der Halswirbelsäule, Verletzung des AC-Gelenks am linken Schultergelenk (Tossy II), Thoraxprellung links, Hüftprellung links, Sprunggelenkszerrung beidseits, stumpfes Bauchtrauma, Schienbeinköpfchenbruch rechts. Nicht Folgen des Versicherungsfalles seien: degenerative Veränderungen im linken Kniegelenk, Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links und Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibulaorgans.
Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger Widerspruch mit der Begründung, zwar sei in den Berichten keine Hörstörung dokumentiert, er sei jedoch bereits im Krankenhaus vom Personal gefragt worden, ob er schwerhörig sei. Auch nach einer E-Mail von ihm an den behandelnden Arzt habe es keinerlei Dokumentation zur beklagten Hörminderung gegeben. Dr. R. habe ihm am 22. Oktober 2012 eine BG-Überweisung zur HNO-ärztlichen Untersuchung ausgestellt. Der HNO-Arzt Dr. R. habe die Angelegenheit aber als Krankenkassenfall durchgehen lassen wollen. Er habe nun ein Hörgerät Probe getragen und es sei noch die Kostenfrage offen. Er habe zwar die Infusionstherapie abgelehnt, aber stattdessen Tabletten bekommen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2014 wurde der Widerspruch als unbegründet zurückgewiesen. Die bei dem Kläger bestehende Schallempfindungsschwerhörigkeit sei nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Versicherungsfall vom 16. Dezember 2011 zurückzuführen. Dies ergebe sich unter anderem aus dem Gutachten von Prof. Dr. Z ... Für einen ursächlichen Zusammenhang spreche die erlittene Schädelprellung, dagegen ein mangelnder zeitlicher Zusammenhang zwischen dem Unfall vom 16. Dezember 2011 und der erstmaligen Erwähnung von Hörbeschwerden im November 2012. Auch das Tonaudiogramm vom Mai 2012 könne einen solchen zeitlichen Zusammenhang nicht herstellen, da der Kläger zu diesem Zeitpunkt einen Hörsturz erlitten habe und die Behandlung daher wegen dieser Gesundheitsstörung erfolgt sei. Eine prinzipielle Möglichkeit, dass es bei einem Unfall mit Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen könne, reiche nicht aus, um einen hinreichend wahrscheinlichen Kausalzusammenhang zu begründen. Auch der Vortrag, der Kläger habe von Anfang an über eine Hörminderung berichtet, sei nicht schlüssig, da eine solche weder in den Berichten in irgendeiner Form erwähnt noch gegenüber der Sachbearbeitung geäußert worden sei.
Gegen diese Entscheidung hat der Kläger am 5. Januar 2015 Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG) erhoben, zunächst mit dem Ziel eine Kostenübernahme/Versorgung für/mit Hörgeräten zu erreichen. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19. Januar 2016 hat er die Klage dann umgestellt und nun neben der Aufhebung der Bescheide die Feststellung weiterer Unfallfolgen (Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mehr als links sowie Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularisorganes) begehrt. Die Beklagte hat gegen die Änderung des Klageantrages ausdrücklich keine Bedenken erhoben.
Das SG hat die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Dr. R. hat ausgeführt, er habe den Kläger vom 23. Dezember 2011 bis 5. Februar 2015 behandelt. Der Kläger habe ihm gegenüber am 27. September 2012 über Hörprobleme geklagt, weshalb er ihm eine Überweisung an den HNO-Arzt ausgestellt habe. Dies habe er auch der BG im Zwischenbericht vom 12. November 2012 mitgeteilt. Dr. R. hat angegeben, der Kläger sei bei ihm erstmalig am 15. Mai 2012 in Behandlung gewesen und mehrfach bis 28. November 2013 behandelt worden. Von Mai bis Dezember 2012 habe sich ein konstanter Hörkurvenverlauf gezeigt, er habe bei dem Kläger im Mai 2012 einen Vestibularisschwindel, Tinnitus kompensiert sowie eine mittel- bis hochgradige Innenohrschwerhörigkeit diagnostiziert. Zwischen Mai 2012 und November 2013 sei keine Verschlimmerung der von ihm erhobenen Befunde eingetreten. Am 18. Juni 2012 sei auf seine Veranlassung hin ein MRT des Schädels durchgeführt worden, das einen unauffälligen Befund erbracht habe. Dr. R. hat ein Schreiben von Dr. R. an die Rechtsanwälte des Klägers vom 25. September 2013 vorgelegt, worin jener ausgeführt hat, der Kläger habe ihm am 18. Juni 2012 über Hörschwierigkeiten seit dem Unfall und erst im September 2012 von einem Hörsturz berichtet.
Mit Urteil vom 19. Januar 2016, dem Kläger mit Postzustellungsurkunde zugestellt am 28. Januar 2016, hat das SG die Klage mit der Begründung abgewiesen, dass die Klage zwar zulässig sei, da es sich bei der Klageantragsumstellung um eine sachdienliche Klageänderung gehandelt habe. Die Klage sei aber unbegründet, da der Unfall nicht zu der bei dem Kläger vorliegenden Schallempfindungsschwerhörigkeit und der Untererregbarkeit des Vestibularisorgans geführt habe. Es spreche nicht mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Für einen ursächlichen Zusammenhang spreche, dass bei dem Kläger im Vorerkrankungsverzeichnis keine Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen einer Hörstörung aufgeführt seien. Soweit Prof. Dr. Z. ausführe, grundsätzlich könne eine Schädelprellung zu einer Hörstörung führen, so sei dies nicht für den Kläger zu werten, da es sich hierbei allein um eine pauschale Möglichkeit handele. Gegen einen ursächlichen Zusammenhang spreche, dass die Hörminderung und Vestibularisstörung nicht zeitnah nach dem Unfall dokumentiert worden seien. In keiner der Behandlungsberichte seien diese Gesundheitsstörungen aufgeführt. Soweit der Kläger argumentiert habe, er habe gegenüber den Ärzten immer wieder darauf gedrungen, die Hörstörung aufzunehmen und er sei im Krankenhaus gefragt worden, ob er schwerhörig sei, so bleibe dies eine Behauptung, welche eben nicht dazu geeignet sei, eine Aussage zur Kausalität zu treffen, da sie mangels Dokumentation von objektiven Befunden keinen objektiven Rückschluss auf eine medizinisch vorliegende Hörstörung erlaube. Die Behandlung im Mai 2012 sei auf den damals stattgefunden Hörsturz zurückzuführen. Ein Tonaudiogramm sei erst im zeitlichen Zusammenhang mit diesem durchgeführt worden. Dies spreche gegen einen ursächlichen Zusammenhang. Vorher habe keine Behandlungsbedürftigkeit bestanden.
Hiergegen hat der Kläger am 25. Februar 2016 Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt, zu deren Begründung er im Wesentlichen vorträgt, dass er seit dem Unfall nicht mehr reiten könne, weil er das Gleichgewicht nicht mehr halten könne. Durch die Schwerhörigkeit sei er nicht mehr schwindelfrei und könne seinen Beruf nicht mehr vollständig ausüben. Es sei zwar nicht unmöglich, dass er schon vor der Überweisung von Dr. R. bei Dr. R. gewesen sei, aber nicht zur Behandlung, diese habe erst nach der Überweisung stattgefunden. Sein Hörsturz tue nichts zu Sache. Seine Schwerhörigkeit sei nicht Folge des Hörsturzes. Die Schwerhörigkeit strahle von der Halswirbelsäule aus. Zuletzt hat der Kläger seinen Vortrag dahingehend korrigiert, dass er zur ersten Behandlung bei Dr. R. ohne Überweisung gekommen sei. An dem Behandlungstag selbst habe er erst den Hörsturz gehabt. Die Behandlung sei über die Krankenkasse abgerechnet worden. Mit einer Überweisung von Dr. R. sei er erst später zu Dr. R. gegangen.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 19. Januar 2016 aufzuheben sowie den Bescheid vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 teilweise aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die bei ihm vorliegende Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts mehr als links sowie die Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularorgans als weitere Folgen des Unfalls vom 16. Dezember 2011 anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt (sachdienlich gefasst),
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Die Beklagte erwidert, dass es medizinisch nicht tragfähig sei, dass die Schwerhörigkeit von der Wirbelsäule ausstrahle. Der Kläger verkenne insgesamt, dass die generelle Möglichkeit des Zusammenhangs zwischen dem von ihm erlittenen Unfall und dem Entstehen einer Schwerhörigkeit nicht ausreichend sei.
Der Berichterstatter hat die Beteiligten darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, über die Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zu entscheiden, da die Berufung unbegründet sei. Den Beteiligten wurde Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Prozessakten beider Instanzen, die SG-Akte S 26 U 126/15 und die Verwaltungsakten (2 Band) der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet über die Berufung nach § 153 Abs. 4 SGG ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher R. durch Beschluss, weil die Berufsrichter des Senats die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halten. Den Beteiligten ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu dieser Verfahrensweise gegeben worden.
Die nach § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere statthafte Berufung (§§ 143, 144 Abs. 1 SGG) ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Klageänderung im SG-Verfahren war nach § 99 Abs. 1, 1. Alt. SGG wirksam, da sich die Beklagte in der dortigen mündlichen Verhandlung darauf eingelassen hat (§ 99 Abs. 2 SGG). Die für die geänderte Klage erforderlichen und in jeder Lage des Verfahrens zu prüfenden Prozessvoraussetzungen (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 18. März 2015 – B 2 U 8/13 R –, juris) lagen ebenfalls vor, insbesondere ist der Bescheid der Beklagten vom 26. August 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2014 nicht bereits bestandskräftig (§ 77 SGG) gewesen, da er von Anfang an vom Kläger mit angefochten worden war (vgl. Klageschrift vom 5. Januar 2015).
Die Klage war aber unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Anerkennung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als weitere Unfallfolgen. Die Beklagte hat in dem angefochtenen Bescheid vom 26. August 2014 zwar das Unfallereignis vom 16. Dezember 2011 als Versicherungsfall i. S. des § 7 Abs. 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII), nämlich als Arbeitsunfall nach § 8 SGB VII (hier Wegeunfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII) inzident anerkannt, und diverse Folgen des Unfalles festgestellt. Ausdrücklich abgelehnt wurde in dem Bescheid jedoch die Anerkennung der Schallempfindungsschwerhörigkeit rechts stärker als links sowie die Untererregbarkeit des linken peripheren Vestibularorgans als Folgen des Versicherungsfalles.
Die Klage war als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage, gerichtete auf eine Verurteilung der Beklagten zu einer Anerkennung der genannten Gesundheitsschäden (§ 131 Abs. 2 Satz 1 SGG), zulässig. Für eine solche Klage besteht ein ausreichendes Rechtsschutzbedürfnis. Der Kläger ist nicht auf eine Feststellungsklage nach § 55 Abs. 1 Halbsatz 1 Nr. 3 SGG beschränkt. Feststellungsklagen sind gegenüber Leistungsklagen subsidiär. Dem entspricht es, dass ein Versicherter hinsichtlich der Anerkennung von Unfallfolgen zwischen gerichtlicher und behördlicher Feststellung wählen kann (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011 - B 2 U 17/10 R, SozR 4-2700 § 11 Nr. 1). Einer solchen Verpflichtungsklage liegt auch eine ausreichende Klagebefugnis im Sinne von § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG zu Grunde (vgl. BSG, Urteil vom 27. April 2010 - B 2 U 23/09 R, UV-Recht Aktuell 2010, 897), weil das Unfallversicherungsrecht mit § 102 SGB VII (i.V.m. § 36a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch [SGB IV]) eine Anspruchsgrundlage für derartige Feststellungen der Versicherungsträger bereithält (BSG, Urteil vom 5. Juli 2011, a.a.O.). Und letztlich hat die Beklagte in dem hier angegriffenen Bescheid vom 26. August 2014 über die Anerkennung der geltend gemachten Gesundheitsschäden ausdrücklich – negativ – entschieden, sodass zu diesem Punkt ein angreifbarer Verwaltungsakt vorliegt und das nach § 78 Abs. 1 SGG notwendige Vorverfahren durchgeführt worden ist.
Jene Gesundheitsschäden, die der Kläger in diesem Verfahren geltend macht, sind jedoch nicht "in Folge" der versicherten Tätigkeit, wie es auch § 8 Abs. 2 Nr. 1 SGB VII verlangt, entstanden. Sie können nicht nach dem hier zu fordernden Maßstab auf den Wegeunfall zurückgeführt werden.
Nach § 102 SGB VII haben die Versicherten gegen den zuständigen Unfallversicherungsträger einen Anspruch auf Feststellung einer Unfallfolge, wenn ein Gesundheitsschaden durch den Versicherungsfall rechtlich wesentlich verursacht wird (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012 - B 2 U 31/11 R - juris; Senatsurteil vom 24. Juli 2014 - L 6 U 5183/11 -). Während der Gesundheitsschaden sicher feststehen muss (Vollbeweis), erfolgt die Prüfung des Ursachenzusammenhangs zwischen einer Gesundheitsstörung und dem Unfallereignis nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Dabei ist auf einer ersten Prüfungsstufe zu fragen, ob der Versicherungsfall eine naturwissenschaftlich-philosophische Bedingung für den Eintritt der Gesundheitsstörung ist, wobei insoweit jedes Ereignis Ursache eines Erfolges ist, das nach den einschlägigen Erfahrungssätzen nicht hinweg gedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele. Wenn festzustellen ist, dass der Versicherungsfall in diesem Sinne eine Bedingung für den Erfolg ist, ist auf der ersten Prüfungsstufe weiter zu fragen, ob es für den Eintritt des Erfolgs noch andere Ursachen i. S. der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie gibt; das können Bedingungen aus dem nicht versicherten Lebensbereich wie z. B. Vorerkrankungen, Anlagen, nicht versicherte Betätigungen oder Verhaltensweisen sein (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Hinsichtlich des Überzeugungsmaßstabs genügt für die Feststellung des naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachenzusammenhangs der Beweisgrad der hinreichenden Wahrscheinlichkeit (st. Rspr, z. B. BSG SozR 2200 § 548 Nr. 38; SozR 2200 § 555a Nr. 1). Dieser ist erfüllt, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht; allein die Möglichkeit eines Ursachenzusammenhangs genügt dagegen nicht (BSG SozR 4-2700 § 8 Nr. 17; SozR 4-2700 § 200 Nr. 3). Erst wenn sowohl der Versicherungsfall als auch andere Umstände als Ursachen des Gesundheitsschadens feststehen, ist auf einer zweiten Prüfungsstufe rechtlich wertend zu entscheiden, welche der positiv festzustellenden adäquaten Ursachen für die Gesundheitsstörung die rechtlich wesentliche Ursache ist. Dasselbe gilt für die Frage, ob eine MdE vorliegt und im Wesentlichen durch Unfallfolgen verursacht wurde (BSG, Urteil vom 15. Mai 2012, a. a. O.).
Das Gericht ist nicht in dem nach § 128 Abs. 1 S. 1 SGG erforderlichen Maße überzeugt, dass die seitens des Klägers geltend gemachten weiteren Gesundheitsstörungen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf den Unfall vom 16. Dezember 2011 zurückzuführen sind. Nach Auswertung aller fachärztlicher Stellungnahmen und der Unterlagen aus dem Verwaltungsverfahren gelangt der Senat zum Ergebnis, dass die Gründe, die gegen einen Ursachenzusammenhang sprechen, deutlich überwiegen.
Der Kläger leidet an einem Gesundheitsschaden in Form einer rechts stärker als links ausgeprägten Schallempfindungsschwerhörigkeit und einer Untererregbarkeit des linken Vestibularorgans, wie sich aus dem Gutachten von Prof. Dr. Z. vom 18. Juli 2014 ergibt. Dem entsprechen die von HNO-Arzt Dr. R. dem SG mitgeteilten Diagnosen eines Vestibularisschwindels und einer mittel- bis hochgradigen Innenohrschwerhörigkeit (Auskunft vom 9. April 2015).
Nach dem Gutachten von Prof. Dr. Z. ist es allgemein möglich, dass es bei einer Schädelprellung zu einer Beeinträchtigung des Hörvermögens kommen kann. Die allgemeine Möglichkeit sagt jedoch noch nichts darüber aus, ob im hier konkreten Einzelfall der Unfall des Klägers, bei der er u.a. eine Schädelprellung erlitten hat, ein derartiger ursächlicher Zusammenhang zwischen Unfallereignis und dem genannten Gesundheitsschaden hinreichend wahrscheinlich ist.
Der Kläger hat seinen Angaben gemäß erstmals nach seinem Unfall einen HNO-Arzt aufgesucht und dort über Schwerhörigkeit und Schwindel geklagt, was Bestätigung findet in den im Verwaltungsverfahren eingeholten Auskünften bei den Krankenkassen über die früheren Arbeitsunfähigkeitszeiten bzw. Vorerkrankungen, die keine derartigen Erkrankungen dokumentierten. Das leere Vorerkrankungsverzeichnis belegt aber noch keinen Ursachenzusammenhang, es kann damit weder eine Schadensanlage noch ein Vorschaden ausgeschlossen werden, zumal der HNO-Arzt Dr. R. in seiner Anzeige wegen Verdachts einer Berufskrankheit vom November 2013 davon berichtet hat, dass die Hörbeschwerden beim Kläger erstmals vor drei Jahren aufgetreten seien, also somit bereits vor dem Unfall Ende 2011.
Deutlich gegen einen Ursachenzusammenhang spricht unabhängig von der Frage, ob Hörprobleme bereits vor dem Unfall bestanden, dass die HNO-ärztliche Behandlung erst Mitte Mai 2012 aufgenommen wurde, d.h. fünf Monate nach dem Wegeunfall. Anlass der HNO-ärztlichen Behandlung war auch nicht eine Überweisung durch den für die Behandlung der Unfallfolgen zuständigen Durchgangsarzt Dr. R., was der Kläger in seinem letzten Schreiben vom 11. April 2016 bestätigt. Ob eine solche Überweisung dann im November 2012, wie im Zwischenbericht vom 12. November 2012 vermerkt, erfolgte, oder bereits im Juni 2012, wie das über ein Jahr später angefertigte Schreiben von Dr. R. vom 25. September 2013 an die Rechtsanwälte des Klägers nahelegt, kann hier letztlich genauso dahinstehen, wie die Frage, ob der Kläger den HNO-Arzt wegen eines Hörsturzes aufgesucht hatte (so die Angaben des Klägers gegenüber dem Gutachter Prof. Dr. Z.) oder der Hörsturz erst nach Terminsvereinbarung am Behandlungstag eingetreten war (so der Kläger zuletzt). Genauso kann dahinstehen, ob die Schwerhörigkeit von der Wirbelsäule "ausstrahlt", wie der Kläger vermutet. In allen Fällen fehlt es nämlich jedenfalls an dem engen zeitlichen Zusammenhang zwischen den erstmals dokumentierten Hör-, und Schwindelbeschwerden und dem Unfallereignis. Ein solcher zeitlicher Zusammenhang ist aber für den Unfall als (wesentliche) Ursache erforderlich. Dies folgt nachvollziehbar und überzeugend aus dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten des HNO-Arztes Prof. Dr. Z., das in Form und Inhalt den Anforderungen entspricht, die an ein wissenschaftlich begründetes Sachverständigengutachten zu stellen sind. Derartige Gutachten, die vom Versicherungsträger im Rahmen der Amtsermittlungspflicht eingeholt werden, sind keine Parteigutachten und können im Wege des Urkundsbeweises verwertet werden und – wenn sie überzeugend begründet sind wie hier –, ggf. auch alleinige medizinische Grundlage der gerichtlichen Entscheidung sein (vgl. LSG NRW, Urteil vom 18. Februar 2004 - L 17 U 295/02 - unter Hinweis auf BSG, Urteil vom 8. Dezember 1988 – 2/9b RU 66/87 -, Urteil vom 6. April 1989 – 2 RU 55/88 –; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl., § 128 Rdnr. 7f). Der Kläger hatte direkt nach dem Unfall ausweislich des Durchgangsarztberichtes vom Unfalltag und des Berichtes über die anschließende Krankenhausbehandlung weder über eine Hörstörung noch über Ohrgeräusche geklagt. Schwindel wird in den Berichten sogar ausdrücklich verneint. Ein Röntgen des Schädels am Unfalltag erbrachte keine Fraktur. Auch in den Zwischenberichten von Dr. R. vom 23. Dezember 2011 und 23. April 2012, sowie dem Krankenhausbericht über den stationären Aufenthalt vom 27. Dezember 2011 bis 9. Januar 2012 sind keine Schwindel- oder Hörbeschwerden vermerkt. Dem entsprechend sprach der Kläger im Telefonat vom 27. Januar 2012 gegenüber der Beklagten selbst von einem sehr guten Heilverlauf. Wenn der Kläger erstmals im Mai 2012 einen HNO-Arzt aufsucht und im Folgemonat dem Durchgangsarzt Dr. R. über Hörschwierigkeiten berichtet, fehlt es an dem notwendigen engen zeitlichen Zusammenhang.
Somit spricht erheblich mehr gegen als für einen Ursachenzusammenhang zwischen der Hörstörung und Unfall. Dass der Kläger im Krankenhaus auf eine Hörminderung angesprochen worden sein will, wie er erstmals im Widerspruchsverfahren vorbringt, bleibt eine Behauptung des Klägers, welche nicht geeignet ist, eine Aussage zur Kausalität zu treffen, da sie - wie das SG zutreffend anführt - mangels Dokumentation in den Befunden keinen objektiven Rückschluss auf eine seit dem Unfall vorliegende Hörstörung erlaubt. Hätte der Kläger direkt nach dem Unfall erstmals und plötzlich eine gravierende Hörminderung mit Schwindel erlitten, wären deutlich früher Beschwerdeäußerungen mit unmittelbarer Behandlungsaufnahme zu erwarten gewesen. Ein entsprechender Leidensdruck bestand aber augenscheinlich nicht.
Nach alledem ist nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit feststellbar, dass der beim Kläger aufgetretene Schwindel und die Hörstörung ihre maßgebliche Ursache in dem Unfallereignis vom 16. Dezember 2011 haben. Weitere Unfallfolgen sind zwischen den Beteiligten nicht streitig.
Die Berufung des Klägers war somit insgesamt erfolglos.
Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) sind nicht vorgetragen oder ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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