L 5 R 791/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 6 R 2125/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 791/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.02.2015 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt Rente wegen Erwerbsminderung über den 31.03.2014 hinaus.

Die 1958 geborene Klägerin war zuletzt als Montagearbeiterin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Dezember 2004 ist sie nicht mehr versicherungspflichtig beschäftigt. Die Schwerbehinderteneigenschaft wurde 2007 festgestellt. Vom 31.10.2006 bis 28.11.2006 befand sich die Klägerin in einer stationären medizinischen Rehabilitation in der Rehaklinik Ü ... Dort wurde ein Metabolisches Syndrom mit Adipositas per magna, ein Typ II-Diabetes, eine arterielle Hypertonie, eine Fettstoffwechselstörung und eine Erkrankungen der Wirbelsäule diagnostiziert. Das Leistungsvermögen wurde auf drei bis unter sechs Stunden täglich eingeschätzt. Die letzte berufliche Tätigkeit als Bandarbeiterin könne die Klägerin nur noch unter drei Stunden täglich zumutbar verrichten. Die Beklagte gewährte der Klägerin daraufhin eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung vom April 2007 bis März 2012.

Am 03.05.2011 beantragte die Klägerin eine unbefristete Rente wegen voller Erwerbsminderung. Zur Begründung trug sie vor, ihre Gesundheitsbeeinträchtigungen hätten sich im Verlauf der Jahre verschlimmert. Aufgrund ihres Alters und ihrer Erkrankung sei es unwahrscheinlich, dass die Erwerbsminderung wieder behoben werden könne. Mit Bescheid vom 27.05.2011 lehnte die Beklagte den Antrag auf Gewährung einer unbefristeten Rente wegen voller Erwerbsminderung ab. Hiergegen legte die Klägerin am 29.06.2011 Widerspruch ein. Mit Bescheid vom 06.12.2011 bewilligte die Beklagte der Klägerin weiterhin eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit (vom 01.04.2012) bis zum 31.03.2014. Mit Widerspruchsbescheid vom 24.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch bzgl. der Gewährung einer dauerhaften Rente zurück. Das Leistungsvermögen der Klägerin liege bei drei bis unter sechs Stunden täglich. Es liege eine volle Erwerbsminderung vor, da die Klägerin keinen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz innehabe und der Teilzeitarbeitsmarkt zur Zeit für sie als verschlossen gelte. Da der Anspruch auf Rente von der Arbeitsmarktlage abhänge, könne diese aber nur befristet auf Zeit gewährt werden. Hiergegen erhob die Klägerin am 23.02.2012 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG). Mit Gerichtsbescheid vom 28.02.2013 (S 13 R 649/12) wies das SG die Klage ab. Die Klägerin sei teilweise erwerbsgemindert. Aufgrund der Verschlossenheit des Arbeitsmarktes schlage diese in eine volle Erwerbsminderung um. Die Rente sei - wie von der Beklagten vorgenommen - jedoch nur befristet (April 2012 bis März 2014) zu leisten. Hiergegen richtete sich die am 04.04.2013 zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) erhobene Berufung. Das SG habe nicht ausreichend von Amts wegen ermittelt. Das LSG beauftragte daraufhin Dr. S. mit der internistischen Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 29.07.2013 kam dieser zu dem Ergebnis, dass die Klägerin an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus, einer Hypertonie, an einer ausgeprägten Adipositas, an einer Hypertriglyzeridämie (somit Vollbild des Metabolischen Syndroms) und einer überhöhten Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und einer Erhöhung für C-reaktives Protein leide. Aus diesen Erkrankungen resultierten nach Auffassung des Gutachters qualitative Einschränkungen, möglich seien aber leichte körperliche Arbeiten im Gehen, Stehen oder Sitzen in geschlossenen Räumen und bei Anwendung entsprechender Kleidung auch im Freien. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt könnten noch acht Stunden täglich im Rahmen einer Fünftagewoche verrichtet werden. Es bestehe weder eine Herzinsuffizienz noch eine relevante Lungenfunktionseinschränkung. Nach Erörterung des Gutachtens nahm die Prozessbevollmächtigte der Klägerin die Berufung am 29.10.2013 zurück.

Am 16.12.2013 beantragte die Klägerin die Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente. Die Beklagte beauftragte daraufhin den Internisten Dr. B. mit der Begutachtung der Klägerin. In seinem Gutachten vom 29.01.2014, das aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 29.01.2014 erstellt worden ist, diagnostizierte Dr. B. einen unter Insulin und oraler Medikation mäßig eingestellten Diabetes mellitus Typ IIb ohne Folgekrankheiten, eine unzureichend eingestellte arterielle Hypertonie und Restbeschwerden bei Zustand nach operativer Behandlung einer Spinalkanalstenose im LWS-Bereich 2007. Die Klägerin könne täglich noch sechs Stunden und mehr in ihrem zuletzt ausgeübten Beruf und auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig sein.

Mit Bescheid vom 04.02.2014 lehnte die Beklagte den Antrag auf Weiterzahlung der Erwerbsminderungsrente ab. Die Klägerin könne trotz der vorliegenden Erkrankungen mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein. Die Klägerin sei auch nicht berufsunfähig, da sie aufgrund ihres beruflichen Werdegangs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar sei.

Hiergegen legte die Klägerin am 20.02.2014 Widerspruch ein. Die Schwere ihrer Erkrankungen sei nicht ausreichend erfasst. Neben den bereits von der Beklagten im Bescheid erwähnten Einschränkungen seien insbesondere die Schmerzproblematik und die erhöhten Entzündungswerte zusätzlich zu berücksichtigen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.05.2014 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Hiergegen richtete sich die am 18.06.2014 zum SG erhobene Klage. Zur Begründung trug die Klägerin im Wesentlichen vor, sie leide unter chronischen Erkrankungen, die sich seit der erstmaligen Rentenbewilligung verschlimmert und keineswegs verbessert hätten. Sie glaube, dass ihr Weiterbewilligungsantrag negativ beschieden worden sei, da sie von der Beklagten in dem bereits erledigten Verfahren eine Dauerrente begehrt habe.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies im Wesentlichen auf ihre Ausführungen im Widerspruchsbescheid.

Mit Gerichtsbescheid vom 05.02.2015 wies das SG die Klage ab. Die Klägerin sei im streitigen Zeitraum noch in der Lage, eine leichte körperliche Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ohne Gefährdung ihrer Gesundheit mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Auf internistischem Fachgebiet leide die Klägerin an einem Diabetes, an Hypertonie, einer ausgeprägten Adipositas, einer Hypertriglyzeridämie und einer überhöhten Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit. Dies ergebe sich aus dem Gutachten von Dr. S., der überzeugend dargelegt habe, wie sich diese Erkrankungen auf mögliche Tätigkeiten auswirken würden und inwiefern die Klägerin hierdurch in ihrer Arbeitsfähigkeit eingeschränkt sei. Eine leichte Tätigkeit sei der Klägerin weiterhin möglich. Dieses Ergebnis werde auch durch das aktuelle Gutachten von Dr. B. bestätigt. Es sei auch nicht erkennbar, dass aus der orthopädischen Erkrankung der Klägerin und ihren Schmerzen quantitative Einschränkungen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt resultierten. Die Klägerin sei 2007 an der Wirbelsäule operiert worden. Dass die Klägerin heute noch unter Wirbelsäulenbeschwerden leide, werde durch das Gericht nicht bezweifelt. Glaubwürdig sei auch, dass sie unter Schmerzen leide. Diese Erkrankungen stünden aber einer leichten körperlichen Tätigkeit nicht entgegen.

Der Gerichtsbescheid wurde der Bevollmächtigten der Klägerin mittels Empfangsbekenntnis am 09.02.2015 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die am 03.03.2015 zum LSG eingelegte Berufung der Klägerin. Sie leide seit über sieben Jahren an chronischen Beschwerden. Sie leide an nachfolgenden Erkrankungen: Diabetes mellitus Typ II, arterieller Hypertonie, Adipositas per magna, Fettstoffwechselstörung, Fibromyalgie, degenerativer Spinalkanalstenose, Osteochondrose C5/C6 mit flachem linksmedia lateralem bis intraforaminalem Nucleus-Pulposus-Prolaps, muskulärer Dysfunktion, Lumboischialgie und Mischinkontinenz bei Zustand nach Hysterektomie. Insbesondere die Fibromyalgie und die Schmerzen im Rückenbereich würden sie neben der insulinpflichtigen Diabeteserkrankung und der unzureichend eingestellten arteriellen Hypertonie in ihrer Leistungsfähigkeit massiv einschränken. Ein vollschichtiges Leistungsvermögen sei daher nicht gegeben. Dies würde auch durch die behandelnden Ärzte bestätigt. Insoweit sind Behandlungsberichte von Dr. E. (Ärztin für spez. Schmerztherapie) vom 13.01.14 und 14.04.2014, von Dr. K. (Internist und Diabetologie) vom 20.02.2014, von Dr. K. (Radiologe) vom 24.03.2014, von Dr. H. (u.a. Allgemeinmediziner und Ernährungsmediziner) vom 28.03.2014 sowie vom Leitenden Oberarzt G. (Orthopädische Klinik M.) vom 05.06.2014 vorgelegt worden. Im Nachgang ist darüber hinaus u. a. der Behandlungsbericht der S. Kliniken Bad W. vom 25.03.2015, in Auszügen der Bericht von Dr. St. (u.a. Internist, Rheumatologe, Ernährungsmediziner) vom 26.03.2015 sowie ein weiterer Ambulanzbrief des Arztes G. vom 29.10.2015 vorgelegt worden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 05.02.2015 und den Bescheid der Beklagten vom 04.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.04.2014 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zutreffend habe das SG die Klage abgewiesen.

Der Senat hat den von der Klägerin angegebenen behandelnden Arzt für Orthopädie Dr. L. und Dr. St. als sachverständige Zeugen befragt. In seiner Auskunft vom 04.08.2015 hat Dr. L. mitgeteilt, dass sich die Klägerin seit Juli 2008 in seiner Behandlung befinde. Es sei eine progrediente Verschlechterung feststellbar. Die Klägerin sei arbeitsunfähig und nicht in der Lage einer Erwerbstätigkeit 6 Stunden werktäglich nachzugehen. Dr. St. ist in seiner sachverständigen Zeugenaussage vom 11.08.2015 ebenfalls davon ausgegangen, dass eine Leistungsfähigkeit nur zwischen 3 bis 6 Stunden bestehe. Eine deutliche Einschränkung ergebe sich durch das Fibromyalgiesyndrom.

Hinsichtlich der vorliegenden Unterlagen hat Dr. B., Facharzt für Innere Medizin und Sozialmedizin, am 28.09.2015 Stellung genommen. Dr. E. nenne in ihren Berichten vom 13.01. und 14.04.2014 zwar eine chronische Schmerzerkrankung. Weiterführende neurologische Untersuchungen bzw. deren Ergebnisse lägen jedoch nicht vor. Eine funktionelle Beeinträchtigung lasse sich auch dem Bericht von Dr. K. nicht entnehmen. Dies gelte ebenfalls für den Bericht der Gemeinschaftspraxis Dres. H ... Soweit in der Kernspintomographie vom 24.03.2014 ein Bandscheibenvorfall im Bereich der Halswirbelsäule (C5/6) sichtbar sei, werde diesbezüglich in einem Bericht der Orthopädischen Klinik M. vom 05.06.2014 ausgeführt, dass kein sensomotorisches Defizit und nur eine leichte Bewegungseinschränkung im Bereich der Halswirbelsäule feststellbar seien. Die Vorstellung in der S. Klinik in Bad W. am 24.02.2015 habe eine weit fortgeschrittene Verschleißerscheinung im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule sowie sonographisch Auffälligkeiten an beiden Schultern gezeigt. Eine quantitative Leistungseinschränkung hinsichtlich leichter Tätigkeiten lasse sich hieraus aber nicht ableiten. Der behandelnde Orthopäde Dr. L. nenne einen insgesamt recht vagen und spärlichen klinischen Untersuchungsbefund, wobei auch völlig unklar sei, zu welchem Zeitpunkt dieser Befund erhoben worden sei. Eine tatsächlich höhergradige funktionelle Beeinträchtigung lasse sich diesem Befund damit nicht entnehmen. Der Internist und Rheumatologe Dr. St. berichte über Vorstellungen im März und im April 2012. Die nächste Vorstellung sei erst wieder im Juni 2013 und am 26.03.2015 erfolgt. Klinische Untersuchungsbefunde würden weitestgehend fehlen. Lediglich im Bericht vom 26.03.2015 werde ein klinischer Untersuchungsbefund mitgeteilt, aus dem sich aber keine funktionelle Beeinträchtigung ergebe.

Mit Verfügung vom 01.10.2015 hat der Senat Prof. Dr. Sch. mit der Erstattung eines interdisziplinären Sachverständigengutachtens einschließlich einer nervenärztlichen Zusatzbegutachtung beauftragt. Ausweislich seines Gutachtens vom 19.01.2016, das aufgrund einer ambulanten Untersuchung der Klägerin am 19.01.2016 erstellt worden ist und unter Berücksichtigung der von der psychologischen Psychotherapeutin M.-Sch. durchgeführten psychologischen Evaluation leidet die Klägerin an:

1. Nackenschmerzen (bei Aufbrauch C5/6, bei freier Beweglichkeit, ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen). 2. Tieflumbalen Rückenschmerzen (bei freier Entfaltung, bei erheblicher körperlicher Dekonditionierung, übermäßiger Lastaufnahme durch das Körpergewicht, bei erheblichem Aufbrauch der mittleren und der unteren Lendenwirbelsäulen-Segmente, ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen). 3. Knieschmerzen beidseits (ohne weitere Funktionsstörungen, ohne Reizzeichen, bei übermäßiger Lastaufnahme durch Körpergewicht). 4. Schulterschmerzen beidseits (bei metabolisch bedingtem mäßiggradigem Aufbruch der linken Rotatorenmanschette, ohne weitere Funktionsstörungen). 5. Metabolischem Syndrom (bei Adipositas IV. Grades (BMI 49) mit Diabetes mellitus Typ II, Bluthochdruck (medikamentös eingestellt) und Stauungsdermatose im Bereich beider Unterschenkel).

Durch den erheblichen Aufbrauch der Lendenwirbelsäule wie auch durch die übermäßigen Bauchdecken sei die Belastbarkeit der Wirbelsäule eingeschränkt. Heben und Tragen von Lasten von über 10 kg hin und wieder sowie über 5 kg dauerhaft sei nicht zumutbar. Auch Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder überwiegend im Gehen sowie Tätigkeiten in Rumpf-Zwangshaltungen seien nicht möglich. Weiter würden sich Einschränkungen aufgrund der allgemeinen Dekonditionierung für Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten sowie auf unebenem Grund ergeben. Aufgrund des Diabetes mellitus sollte ein regelmäßiger Tag- und Nachtrhythmus eingehalten werden. Unter Beachtung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen sei jedoch ein vollschichtiges Leistungsvermögen von über sechs Stunden täglich in einer Fünftagewoche gegeben.

In seiner ergänzenden Stellungnahme vom 10.05.2016 hat Prof. Dr. Sch. an seiner gutachterlichen Einschätzung festgehalten.

Auf Antrag und Kostenrisiko der Klägerin hat das Gericht darüber hinaus gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. H. mit der internistisch-rheumatologischen Begutachtung der Klägerin beauftragt. In seinem Gutachten vom 31.08.2016 stellt er nachfolgende Diagnosen:

1. Schwere chronische Schmerzstörung vom Fibromyalgietyp. 2. Chronisches Wirbelsäulenleiden bei degenerativen Veränderungen v.a. an HWS und LWS verbunden mit einer sogenannten muskulären Insuffizienz bei allgemeinem Trainingsmangel. 3. Diabetes mellitus Typ IIb (mit Insulin behandelt). 4. Schlafapnoesyndrom. 5. Morbide Adipositas (BMI 52). 6. Bluthochdruck (arterielle Hypertonie).

In der Gesamtschau ergäben sich qualitative und quantitative Einschränkungen im erwerbsbezogenen Leistungsvermögen. Qualitative Einschränkungen bestünden wie folgt: Es könnten lediglich leichte Arbeiten im Wechsel von überwiegendem Sitzen und zeitweiligem Gehen und Stehen verrichtet werden. Arbeiten in der Hocke, in Zwangshaltung sowie mit gehäuftem Besteigen von Treppen, Leitern und Gerüsten seien nicht zumutbar. Beeinträchtigt sei auch die Handfunktion sowohl hinsichtlich der Grobkraft als auch der Feinmotorik. Die gehäufte Einwirkung von Kälte, Nässe, Zugluft und Lärm sei mit den Gesundheitsstörungen nicht vereinbar. Arbeiten mit Nachtschicht oder unter Zeitdruck seien nicht ausführbar. Hinzu komme eine substantielle Einschränkung des Durchhaltevermögens, was das erwerbsbezogene Leistungsvermögen auch quantitativ wesentlich einschränke. Die Klägerin könne aus medizinischer Sicht auch Leichtarbeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen höchstens noch vier Stunden arbeitstäglich ausführen. Selbst bei unter sechsstündiger arbeitstäglicher Tätigkeit benötige die Klägerin zusätzliche Pausen von 10 bis 15 Minuten alle 60 bis 90 Minuten. Auch eine Wegstrecke von 500m zu Fuß sei ihr nicht mehr abzuverlangen.

Im Nachgang ist von der Klägerin noch der Entlassbericht aus dem R.-B.-Krankenhaus hinsichtlich der stationären Behandlung im August 2016 (polysomnographische Kontrolle) und der Entlassbericht über die stationäre Behandlung im Krankenhaus B.-B. vom September 2016 zur Durchführung einer bariatrischen Operation (konkret laparoskopische Schlauchmagenbildung) vorgelegt worden.

In ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 18.10.2016 hat Dr. H.-Z. (Internistin, Sozialmedizin) zu dem Gutachten und den ergänzend vorgelegten Entlassberichten Stellung genommen. Dr. H. betone in seinem Gutachten die Schmerzproblematik der Klägerin. Eine substantielle Einschränkung des Durchhaltevermögens werde jedoch lediglich behauptet und nicht belegt. Demgegenüber sei das Gutachten von Prof. Dr. Sch. nachvollziehbar. Dieses enthalte insbesondere auch eine psychologische Evaluation hinsichtlich der Störungen des Durchhaltevermögens. Soweit schließlich Dr. H. das übliche Maß übersteigende Pausen postuliere, würde es ebenfalls an einer entsprechenden Begründung mangeln. Gleiches gelte hinsichtlich der Wegefähigkeit. In dem Entlassbericht des R.-B.-Krankenhaus werde die Fortführung einer regelmäßige Anwendung der nächtlichen BIPAP angeraten. Diese habe zu einer wesentlichen Besserung geführt. Es bestehe ein sehr gutes Ergebnis. Die bariatrische Operation sei schließlich ohne größere Komplikation durchgeführt worden. Auch postoperativ hätten sich keine relevanten Auffälligkeiten ergeben.

Die Beteiligten haben sich mit einer Senatsentscheidung ohne mündliche Verhandlung gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf die Gerichtsakten des Senats sowie des SG und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Im Einverständnis der Beteiligten entscheidet der Senat ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG)

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG statthafte und auch sonst zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, ihr über den 31.03.2014 hinaus Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Sie hat darauf keinen Anspruch.

Der von der rechtskundig vertretenen Klägerin allein geltend gemachte Anspruch auf volle Erwerbsminderung richtet sich nach § 43 Sozialgesetzbuch (SGB) VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin kann zur Überzeugung des Senats leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts (unter qualitativen Einschränkungen) mindestens sechs Stunden täglich verrichten, weshalb eine Erwerbsminderung nicht vorliegt (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Die Klägerin leidet auf orthopädischem Fachgebiet an Nackenschmerzen (bei Aufbrauch C5/6, bei freier Beweglichkeit, ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen), an einem tieflumbalen Rückenschmerz (bei freier Entfaltung, bei erheblicher körperlicher Dekonditionierung, übermäßiger Lastaufnahme durch das Körpergewicht, bei erheblichem Aufbrauch der mittleren und der unteren Lendenwirbelsäulensegmente, ohne neurologische Ausfalls- oder Reizzeichen), an Knieschmerzen beidseits (ohne weitere Funktionsstörungen, ohne Reizzeichen, bei übermäßiger Lastaufnahme durch Körpergewicht) sowie Schulterschmerzen beidseits (bei metabolisch bedingtem mäßiggradigen Aufbrauch der linken Rotatorenmanschette, ohne weitere Funktionsstörungen). Durch den erheblichen Aufbrauch der Lendenwirbelsäule wie auch durch die übermäßigen Bauchdecken - wobei sich letztere nach der mittlerweile erfolgten Bypass-Operation und bereits erfolgter Gewichtsabnahme (27 kg zwischen 15.09. und 11.11.2016 (Entlassungsbericht Krankenhaus B.-V. vom 18.11.2016)) vermindern dürften - ist die Belastbarkeit der Wirbelsäule eingeschränkt. Heben und Tragen von Lasten von über 10 kg sind gelegentlich sowie über 5 kg dauerhaft nicht zumutbar, ebenso Tätigkeiten überwiegend im Stehen oder überwiegend im Gehen, wie auch Tätigkeiten in Rumpfzwangshaltungen. Weiterhin ergeben sich Einschränkungen für Tätigkeiten auf Leitern und Gerüsten. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist die Klägerin jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden täglich und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Der Senat folgt insoweit der nachvollziehbaren und schlüssigen Leistungseinschätzung im Gutachten von Prof. Dr. Sch ... Dieser hat nicht nur die orthopädischen Leiden sondern gleichzeitig auch die bei der Klägerin bestehende Schmerzsituation in seinem Gutachten berücksichtigt und die genannten qualitativen Leistungseinschätzungen dem Senat nachvollziehbar und schlüssig dargelegt. Eine Verschlechterung lässt sich auch nicht auf den MR-Befund der LWS vom 02.02.2017 stützen. Danach liegt keine wesentliche Befundänderung im Vergleich zu 2015 vor.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aufgrund der bei der Klägerin vorliegenden Erkrankungen auf internistischem Fachgebiet. Der Senat stützt sich insoweit auf das Gutachten von Dr. S. aus dem Verfahren L 11 R 1490/13 sowie das Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren von Dr. B ... Hiernach leidet die Klägerin an einem insulinpflichtigen Diabetes melitus, einer Hyperthermie, einer Adipositas mit Hypertryglyzeridämie sowie einer überhöhten Blutkörperchensenkungsgeschwindigkeit und einer Erhöhung des C-reaktiven Proteins. Bezüglich des Diabetes mellitus ist nach der erfolgten Magenverkleinerungsoperation bereits eine Besserung eingetreten. Die Klägerin benötigt ausweislich des Entlassungsberichts des Krankenhauses B.-V. vom 18.11.2016 kein Insulin mehr. Hieraus resultieren qualitative Einschränkungen dahingehend, dass die Verrichtung schwerer körperlichen Arbeiten nicht zumutbar ist. Auch eine berufliche Personenbeförderung oder der Transport gefährlicher Güter kommt nicht in Betracht. Ausgeschlossen sind darüber hinaus Arbeiten mit Waffengebrauch, Überwachungsfunktion mit alleiniger Verantwortung für das Leben anderer sowie Arbeiten mit Absturzgefahr oder an anderen gefährlichen Arbeitsplätzen, an gefährlichen Maschinen, häufig wechselnden Arbeitszeiten sowie Arbeiten unter Zeitdruck. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist die Klägerin zur Überzeugung des Senats und in Übereinstimmung mit den Gutachten von Dr. S. und Dr. B. jedoch weiterhin in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig, d. h. sechs Stunden täglich und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten.

Soweit demgegenüber Dr. H. in seinem Gutachten gem. § 109 SGG eine abweichende Leistungseinschätzung vertritt, ist dies für den Senat weder nachvollziehbar noch schlüssig. So stellt dieser im Wesentlichen vergleichbare Diagnosen, wobei er darüber hinaus eine schwere chronische Schmerzstörung vom Fibromyalgie-Typ annimmt. Die von ihm angenommene quantitative Leistungsminderung begründet Dr. H. mit einer substantiellen Einschränkung des Durchhaltevermögens. Woraus sich diese ergibt, geht aus dem Gutachten jedoch nicht hervor. Gleiches gilt für das von ihm statuierte Erfordernis von über das betriebsübliche Maß hinaus gehenden Pausen und die von ihm angenommene eingeschränkte Wegefähigkeit. Demgegenüber wird im Gutachten von Prof. Dr. Sch. inkl. psychologischer Evaluation eine Störung des Durchhaltevermögens explizit an der Dauer der dortigen Befragung und Untersuchung über mehrere Stunden sowie der erforderlichen Anreisezeit nachvollziehbar ausgeschlossen. Hierauf verweist auch Dr. H.-Z. in ihrer sozialmedizinischen Stellungnahme vom 18.10.2016.

Dr. H.-Z. weist im Übrigen zutreffend auch darauf hin, dass nach dem nachträglich eingegangenen Bericht aus dem R.-B.-Krankenhaus, Klinik Sch., wonach eine stationäre Behandlung im August 2016 bei bekanntem hochgradigem obstruktivem Schlafapnoesyndrom zur Modifikation der nächtlichen Druckatmung mit sehr gutem Ergebnis erfolgt sei, bei konsequenter Anwendung der nächtlichen BIPAP-Therapie von einer Verbesserung des Gesundheitszustands der Klägerin auszugehen ist.

Soweit sich die Klägerin im September 2016 einer bariatrischen Operation (konkret laparoskopische Schlauchmagenbildung) unterzog, begründet auch dies für sich zur Überzeugung des Senats und in Übereinstimmung mit Dr. H.-Z. keine quantitative Leistungseinschränkung. Die Operation erfolgte ohne größere Komplikationen. Auch postoperativ ergaben sich keine relevanten Auffälligkeiten. Soweit im November 2016 eine stationäre Aufnahme (vom 11.11.2016 bis 19.11.2016) erfolgte, zum Ausschluss einer Passagestörung, erfolgte keine Feststellung eines spezifischen pathologischen Befundes.

Der Einschätzung der behandelnden Ärzte, die ein zeitlich eingeschränktes Leistungsvermögen der Klägerin angenommen haben, kann der Senat ebenfalls nicht folgen. Die genannten Ärzte haben keine Befunde mitgeteilt, die eine derartige Einschränkung stützen. Insbesondere ist durch die gerichtlichen Sachverständigengutachten geklärt, dass die Erkrankungen der Klägerin keine derart gravierenden Auswirkungen haben. Die Leistungseinschätzung der behandelnden Ärzte ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10). Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Die quantitative Leistungsminderung ergibt sich zur Überzeugung des Senats auch nicht aus einer Gesamtschau der bei der Klägerin bestehenden Leiden. Der Senat folgt auch insoweit den Gutachten von Prof. Dr. Sch., Dr. S. und Dr. B ... Anhaltspunkte dafür, dass vorliegend in der Person der Klägerin eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben wäre, bestehen ebenfalls nicht. Ein Großteil der qualitativen Einschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Dementsprechend ist auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983 - 5a RKn 28/82; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996 - GS 2/95; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005 - B 5 RJ 6/05 R -, alle in juris). Es war im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen für mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, in wie weit welche konkrete Tätigkeit der Klägerin noch leidensgerecht und zumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich und mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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