Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 4 R 482/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 11 R 4192/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die im Verfahren nach § 7a SGB IV von der DRV Bund getroffene Feststellung, dass die Tätigkeit "als mitarbeitender Gesellschafter" der Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung unterliegt, ist nicht bestimmt genug iSv § 33 SGB X und daher rechtswidrig, wenn der Beteiligte sowohl als Rechtsanwalt als auch als Prokurist tätig ist und für beide Tätigkeiten eine Vergütung erhält.
Auf die Berufung des Klägers wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 01.09.2015 abgeändert und der Bescheid der Beklagten vom 11.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 05.10.2015 aufgehoben.
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob beim Kläger aufgrund einer Tätigkeit bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Der am 31.10.1977 geborene Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Er war im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 10.06.2014 an der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) (H. & S. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft - Handelsregister bei dem Amtsgericht F. - HRB ...) als Gesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von 47,5 % beteiligt. Ein weiterer Rechtsanwalt hielt ebenfalls 47,5% der Anteile, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die übrigen 5%. Der Gesellschaftsvertrag sah in § 7 vor, dass in der Gesellschafterversammlung nach Geschäftsanteilen abgestimmt werde und je 1 EUR Geschäftsanteil eine Stimme gewähre. Gesellschafter, die keine Rechtsanwälte seien, hätten kein Stimmrecht.
Der Kläger war ab 01.01.2013 bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) neben seiner anwaltlichen Tätigkeit als Prokurist tätig und erhielt hierfür monatlich pauschal 2.000 EUR. Ein schriftlicher Vertrag hierzu existiert nicht.
Im März 2013 übersandte der Kläger der Beklagten ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und wies darin darauf hin, dass er aus seiner Sicht als "Rechtsanwalt (Prokurist)" selbstständig tätig sei. In einem anschließend übersandten Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung führte der Kläger aus, dass er als Prokurist voll weisungsbefugt sei und er typische rechtsanwaltliche Tätigkeiten ausübe. Die Leistungsabteilung der Beklagten bat deren Clearingstelle um Stellungnahme zum Sozialversicherungsverhältnis. Diese war der Auffassung, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist dem Personenkreis der abhängig Beschäftigten zuzuordnen sei. Mit Schreiben vom 20.09.2013 bat die Leistungsabteilung der Beklagten den Kläger, aufgrund weiterer notwendiger Ermittlungen zunächst einen Statusantrag bei der Clearingstelle oder der Einzugsstelle zu stellen.
Mit Schreiben vom 31.10.2013 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er einen solchen Antrag stellen wolle. Am 29.01.2014 übersandte er einen ausgefüllten Formblattantrag. Darin gab er unter anderem an, dass von der Vergütung iHv 2.000 EUR Lohnsteuer entrichtet werde und die Vergütung als Betriebsausgabe verbucht werde. Er war der Auffassung, dass bezüglich seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt eine Beschäftigung nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 03.02.2014 hörte die Beklagte den Kläger zu einem beabsichtigten Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung an. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) nahm Stellung und teilte mit, dass es sich bei der Vergütung um eine Entschädigung für das mögliche Haftungsrisiko, jedoch nicht um ein Entgelt für geleistete Arbeit handle. Der Kläger sei als Rechtsanwalt tätig. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in einer weiteren Rechtsanwalts-GmbH, sei er hier zusätzlich als Prokurist bestellt. Dabei handle es sich ebenfalls um selbstständige Tätigkeiten. Es liege auch ein unternehmerisches Risiko vor, da er am Gewinn, aber auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt sei. Der Kläger unterliege gerade nicht dem Weisungsrecht des Geschäftsführers.
Mit Bescheid vom 27.03.2014 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter zu beurteilen sei.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) mit, dass Kläger nunmehr zum Geschäftsführer bestellt sei. Die diesbezügliche Eintragung ins Handelsregister ist am 11.06.2014 erfolgt.
Mit Bescheid vom 11.09.2014 nahm die Beklagte den Bescheid vom 27.03.2014 für die Zeit ab 11.06.2014 zurück und stellte fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) seit dem 11.06.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und deshalb ab diesem Tag in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden sei. Die Feststellung, dass die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter in der Zeit vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe, bleibe bestehen.
Hiergegen hat der Kläger am 04.02.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.09.2015 abgewiesen und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Umstand, dass die Beklagte bei der gleich gelagerten Situation bezüglich seines Partners in der zweiten gemeinsamen Gesellschaft zu einer selbständigen Tätigkeit als Prokurist gekommen sei, führe nicht zu einem Gleichbehandlungsanspruch im Unrecht. Solange der Kläger nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei, habe er keine Rechtsmacht besessen, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen.
Die Klägerbevollmächtigte hat gegen den ihr am 07.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 05.10.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Berichterstatter hat am 27.09.2016 die Sach- und Rechtslage mit dem Vertreter der Beklagten erörtert. Auf richterliche Hinweise im Termin hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2016 Stellung genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Der Umstand, dass er zunächst nicht Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei, liege ausschließlich in haftungsrechtlichen Gründen. Intern sei jedoch abgesprochen gewesen, dass beide Partner dieselbe Stellung innehaben sollten. Es sei daher in seiner Entscheidungsbefugnis völlig frei gewesen. Auch habe sein Partner als Geschäftsführer keine Berechtigung gehabt, ihm auch nur eine Weisung zu erteilen. Es habe zudem aufgrund einer Abrede die Möglichkeit bestanden, das Festgehalt in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu kürzen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.09.2015 sowie den Bescheid vom 27.03.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.09.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015 aufzuheben und festzustellen, dass seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter bei der H. & S. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft in der Zeit vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 im Rahmen eines nicht abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie ist ua der Auffassung, dass es unerheblich sei, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter seine Tätigkeit sowohl als Prokurist als auch als Rechtsanwalt ausübe. Unabhängig von der Ausgestaltung der Mitarbeit handle es sich bei einem mitarbeitenden Gesellschafter um ein Vertragsverhältnis im Innenverhältnis der GmbH, welchem der Gesellschaftsvertrag zu Grunde liege.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig sowie bzgl. der Anfechtungsklage begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27.03.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.09.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015, mit dem festgestellt worden ist, dass der Kläger vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter für die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Der Statusfeststellungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht den Status und die sich daraus ergebende Versicherungspflicht allgemein als "mitarbeitender Gesellschafter" bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) beurteilt und festgestellt.
Soweit die Beklagte in den Bescheiden explizit die Tätigkeit eines mitarbeitenden Gesellschafters beurteilt, handelt es sich insoweit nicht um eine konkrete Tätigkeit. Vielmehr wird damit nur beschrieben, dass ein Gesellschafter in der Gesellschaft mitarbeitet.
Die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, stets notwendig zum einen die konkrete Bezeichnung des Rechtsverhältnisses und zum anderen die Kennzeichnung der zu seiner Invollzugsetzung jeweils erforderlichen Umstände. Schon allein die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung ist unter diesen Umständen nur dann hinreichend bestimmt iS von § 33 Abs 1 SGB X, wenn sich im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände erschließt, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sie sich als Anknüpfungssachverhalt beziehen soll (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17-27, SozR 4-2400 § 7a Nr 2 Rn 12).
Es obliegt demnach der Beklagten, einen Statusfeststellungsbescheid bezüglich einer konkreten Tätigkeit zu erlassen. Erfolgt dies nicht, ist der Bescheid nicht bestimmt genug iSv § 33 SGB X und daher rechtswidrig (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 104). So liegt der Fall hier.
Die Bestimmtheit lässt sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Einzelfall auch nicht über eine Auslegung des Bescheides herleiten. Aus dem Wortlaut der Bescheide und des Widerspruchsbescheides lässt sich nicht entnehmen, welche konkrete Tätigkeit beurteilt wird. Im Änderungsbescheid vom 11.09.2014 wird explizit die Tätigkeit als Geschäftsführer ab 11.06.2014 beurteilt. Dies spricht dafür, dass auch die Beklagte einen Unterschied zwischen der Verwaltungstätigkeit (Prokurist und später Geschäftsführer) und der Tätigkeit als Rechtsanwalt macht. Gleiches ergibt sich aus der Stellungnahme der Clearingabteilung an die Leistungsabteilung der Beklagten vom 19.09.2013 (Bl. 103 der Verwaltungsakte), die ebenfalls im hier maßgeblichen Verwaltungsverfahren vorlag. Denn dort wird ausgeführt, dass die Clearingabteilung grundsätzlich die Auffassung teile, wonach der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist dem Personenkreis der abhängig Beschäftigten zuzuordnen sei. Diese Abgrenzung spiegelt sich jedoch in den maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheiden nicht mehr wieder.
Der Senat kann offen lassen, ob hier zur Beurteilung eine einheitliche Tätigkeit als Rechtsanwalt steht, oder der Kläger im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 tatsächlich zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten für die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) ausgeübt hat. Auf die bzgl. der ersten Variante bislang von der Beklagten nicht ermittelten und nicht in die Gesamtabwägung eingestellten Umstände der Vergütung für die gesamte anwaltliche Tätigkeit und die Weisungsfreiheit gem § 59f Abs 4 S 2 BRAO hat der Berichterstatter bereits im Erörterungstermin vom 27.09.2016 hingewiesen. Nach Ansicht des Senats gibt es jedoch auch für die zweite Variante gute Argumente. Zum einen war der Kläger als Rechtsanwalt tätig. Zum anderen war er zum Prokuristen bestellt und als solcher nahm er auch Aufgaben wahr. Ein schriftlicher Vertrag existiert nicht. Für die Tätigkeit als Prokurist erhielt der Kläger eine monatlich gleich bleibende Vergütung iHv 2.000 EUR, welche als Betriebsausgabe verbucht und für die Lohnsteuer entrichtet worden ist. Dies entnimmt der Senat sowohl den Angaben im Statusfeststellungen wie auch den Ausführungen der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) im Anhörungsverfahren. Beide Tätigkeiten könnten unabhängig voneinander zu beurteilen sein, denn es ist grundsätzlich möglich, dass ein Mitarbeiter für denselben Auftraggeber/Arbeitgeber sowohl abhängig beschäftigt als auch selbstständig tätig wird (BSG 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 16, Rn 17). Dies gilt jedenfalls nach Auffassung des Senats in den Fällen, in denen inhaltlich klar voneinander abgrenzbare Tätigkeiten vorliegen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Grundsätze für das einheitliche Beschäftigungsverhältnis (BSG 27.06.2012, B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr 5, Rn 23; Senatsurteil vom 18.10.2016, L 11 R 3254/14) greifen dann nicht.
Da der streitgegenständliche Bescheid schon mangels Bestimmtheit rechtswidrig ist, war er aufzuheben. Für eine Feststellung durch den Senat im Wege der erhobenen Feststellungsklage ist in dieser Einzelfallkonstellation kein Raum. Vielmehr bedarf es gegebenenfalls zunächst neuer Verwaltungsentscheidungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Statusbescheid vollständig aufgehoben wurde. Die Feststellungsklage tritt dabei hier in den Hintergrund.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Rechtszügen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten, ob beim Kläger aufgrund einer Tätigkeit bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Der am 31.10.1977 geborene Kläger ist als Rechtsanwalt tätig. Er war im Zeitraum vom 01.01.2012 bis 10.06.2014 an der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) (H. & S. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft - Handelsregister bei dem Amtsgericht F. - HRB ...) als Gesellschafter mit einem Gesellschaftsanteil von 47,5 % beteiligt. Ein weiterer Rechtsanwalt hielt ebenfalls 47,5% der Anteile, ein Steuerberater und Wirtschaftsprüfer die übrigen 5%. Der Gesellschaftsvertrag sah in § 7 vor, dass in der Gesellschafterversammlung nach Geschäftsanteilen abgestimmt werde und je 1 EUR Geschäftsanteil eine Stimme gewähre. Gesellschafter, die keine Rechtsanwälte seien, hätten kein Stimmrecht.
Der Kläger war ab 01.01.2013 bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) neben seiner anwaltlichen Tätigkeit als Prokurist tätig und erhielt hierfür monatlich pauschal 2.000 EUR. Ein schriftlicher Vertrag hierzu existiert nicht.
Im März 2013 übersandte der Kläger der Beklagten ein Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und wies darin darauf hin, dass er aus seiner Sicht als "Rechtsanwalt (Prokurist)" selbstständig tätig sei. In einem anschließend übersandten Fragebogen zur Feststellung der Pflichtversicherung führte der Kläger aus, dass er als Prokurist voll weisungsbefugt sei und er typische rechtsanwaltliche Tätigkeiten ausübe. Die Leistungsabteilung der Beklagten bat deren Clearingstelle um Stellungnahme zum Sozialversicherungsverhältnis. Diese war der Auffassung, dass der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist dem Personenkreis der abhängig Beschäftigten zuzuordnen sei. Mit Schreiben vom 20.09.2013 bat die Leistungsabteilung der Beklagten den Kläger, aufgrund weiterer notwendiger Ermittlungen zunächst einen Statusantrag bei der Clearingstelle oder der Einzugsstelle zu stellen.
Mit Schreiben vom 31.10.2013 teilte der Kläger der Beklagten mit, dass er einen solchen Antrag stellen wolle. Am 29.01.2014 übersandte er einen ausgefüllten Formblattantrag. Darin gab er unter anderem an, dass von der Vergütung iHv 2.000 EUR Lohnsteuer entrichtet werde und die Vergütung als Betriebsausgabe verbucht werde. Er war der Auffassung, dass bezüglich seiner Tätigkeit als Rechtsanwalt eine Beschäftigung nicht vorliege.
Mit Schreiben vom 03.02.2014 hörte die Beklagte den Kläger zu einem beabsichtigten Bescheid über das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung an. Die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) nahm Stellung und teilte mit, dass es sich bei der Vergütung um eine Entschädigung für das mögliche Haftungsrisiko, jedoch nicht um ein Entgelt für geleistete Arbeit handle. Der Kläger sei als Rechtsanwalt tätig. Neben seiner Tätigkeit als Geschäftsführer in einer weiteren Rechtsanwalts-GmbH, sei er hier zusätzlich als Prokurist bestellt. Dabei handle es sich ebenfalls um selbstständige Tätigkeiten. Es liege auch ein unternehmerisches Risiko vor, da er am Gewinn, aber auch am Verlust der Gesellschaft beteiligt sei. Der Kläger unterliege gerade nicht dem Weisungsrecht des Geschäftsführers.
Mit Bescheid vom 27.03.2014 stellte die Beklagte fest, dass die Tätigkeit des Klägers als mitarbeitender Gesellschafter bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) seit dem 01.01.2013 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. In der Begründung führte die Beklagte aus, dass die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter zu beurteilen sei.
Im anschließenden Widerspruchsverfahren teilte die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) mit, dass Kläger nunmehr zum Geschäftsführer bestellt sei. Die diesbezügliche Eintragung ins Handelsregister ist am 11.06.2014 erfolgt.
Mit Bescheid vom 11.09.2014 nahm die Beklagte den Bescheid vom 27.03.2014 für die Zeit ab 11.06.2014 zurück und stellte fest, dass der Kläger die Tätigkeit als Geschäftsführer bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) seit dem 11.06.2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübe und deshalb ab diesem Tag in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht in der gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung, sozialen Pflegeversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe. Mit Widerspruchsbescheid vom 05.01.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück, soweit ihm nicht abgeholfen worden sei. Die Feststellung, dass die Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter in der Zeit vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt worden sei und Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestehe, bleibe bestehen.
Hiergegen hat der Kläger am 04.02.2015 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 01.09.2015 abgewiesen und zur Begründung auf den Widerspruchsbescheid verwiesen. Der Umstand, dass die Beklagte bei der gleich gelagerten Situation bezüglich seines Partners in der zweiten gemeinsamen Gesellschaft zu einer selbständigen Tätigkeit als Prokurist gekommen sei, führe nicht zu einem Gleichbehandlungsanspruch im Unrecht. Solange der Kläger nicht zum Geschäftsführer bestellt gewesen sei, habe er keine Rechtsmacht besessen, seine Weisungsgebundenheit als Angestellter der Gesellschaft aufzuheben oder abzuschwächen.
Die Klägerbevollmächtigte hat gegen den ihr am 07.09.2015 zugestellten Gerichtsbescheid am 05.10.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Der Berichterstatter hat am 27.09.2016 die Sach- und Rechtslage mit dem Vertreter der Beklagten erörtert. Auf richterliche Hinweise im Termin hat die Beklagte mit Schreiben vom 19.10.2016 Stellung genommen.
Der Kläger ist der Ansicht, dass eine selbständige Tätigkeit vorliege. Der Umstand, dass er zunächst nicht Geschäftsführer der Gesellschaft gewesen sei, liege ausschließlich in haftungsrechtlichen Gründen. Intern sei jedoch abgesprochen gewesen, dass beide Partner dieselbe Stellung innehaben sollten. Es sei daher in seiner Entscheidungsbefugnis völlig frei gewesen. Auch habe sein Partner als Geschäftsführer keine Berechtigung gehabt, ihm auch nur eine Weisung zu erteilen. Es habe zudem aufgrund einer Abrede die Möglichkeit bestanden, das Festgehalt in wirtschaftlich schlechten Zeiten zu kürzen.
Der Kläger beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 01.09.2015 sowie den Bescheid vom 27.03.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.09.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015 aufzuheben und festzustellen, dass seine Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter bei der H. & S. GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft in der Zeit vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 im Rahmen eines nicht abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und keine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Revision zuzulassen.
Sie ist ua der Auffassung, dass es unerheblich sei, dass der Kläger als mitarbeitender Gesellschafter seine Tätigkeit sowohl als Prokurist als auch als Rechtsanwalt ausübe. Unabhängig von der Ausgestaltung der Mitarbeit handle es sich bei einem mitarbeitenden Gesellschafter um ein Vertragsverhältnis im Innenverhältnis der GmbH, welchem der Gesellschaftsvertrag zu Grunde liege.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalt und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz, sowie die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die nach den §§ 143, 144, 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist statthaft und zulässig sowie bzgl. der Anfechtungsklage begründet.
Streitgegenstand des Berufungsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 27.03.2014 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.09.2014 und des Widerspruchsbescheides vom 05.01.2015, mit dem festgestellt worden ist, dass der Kläger vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 in seiner Tätigkeit als mitarbeitender Gesellschafter für die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) abhängig beschäftigt war und der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag.
Der Statusfeststellungsbescheid ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Die Beklagte hat zu Unrecht den Status und die sich daraus ergebende Versicherungspflicht allgemein als "mitarbeitender Gesellschafter" bei der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) beurteilt und festgestellt.
Soweit die Beklagte in den Bescheiden explizit die Tätigkeit eines mitarbeitenden Gesellschafters beurteilt, handelt es sich insoweit nicht um eine konkrete Tätigkeit. Vielmehr wird damit nur beschrieben, dass ein Gesellschafter in der Gesellschaft mitarbeitet.
Die Zuordnung eines Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der abhängigen Beschäftigung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG, der sich der Senat anschließt, stets notwendig zum einen die konkrete Bezeichnung des Rechtsverhältnisses und zum anderen die Kennzeichnung der zu seiner Invollzugsetzung jeweils erforderlichen Umstände. Schon allein die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung ist unter diesen Umständen nur dann hinreichend bestimmt iS von § 33 Abs 1 SGB X, wenn sich im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände erschließt, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sie sich als Anknüpfungssachverhalt beziehen soll (BSG 11.03.2009, B 12 R 11/07 R, BSGE 103, 17-27, SozR 4-2400 § 7a Nr 2 Rn 12).
Es obliegt demnach der Beklagten, einen Statusfeststellungsbescheid bezüglich einer konkreten Tätigkeit zu erlassen. Erfolgt dies nicht, ist der Bescheid nicht bestimmt genug iSv § 33 SGB X und daher rechtswidrig (Pattar in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB X, § 33 SGB X, Rn. 104). So liegt der Fall hier.
Die Bestimmtheit lässt sich nach Ansicht des Senats im vorliegenden Einzelfall auch nicht über eine Auslegung des Bescheides herleiten. Aus dem Wortlaut der Bescheide und des Widerspruchsbescheides lässt sich nicht entnehmen, welche konkrete Tätigkeit beurteilt wird. Im Änderungsbescheid vom 11.09.2014 wird explizit die Tätigkeit als Geschäftsführer ab 11.06.2014 beurteilt. Dies spricht dafür, dass auch die Beklagte einen Unterschied zwischen der Verwaltungstätigkeit (Prokurist und später Geschäftsführer) und der Tätigkeit als Rechtsanwalt macht. Gleiches ergibt sich aus der Stellungnahme der Clearingabteilung an die Leistungsabteilung der Beklagten vom 19.09.2013 (Bl. 103 der Verwaltungsakte), die ebenfalls im hier maßgeblichen Verwaltungsverfahren vorlag. Denn dort wird ausgeführt, dass die Clearingabteilung grundsätzlich die Auffassung teile, wonach der Kläger in seiner Tätigkeit als Prokurist dem Personenkreis der abhängig Beschäftigten zuzuordnen sei. Diese Abgrenzung spiegelt sich jedoch in den maßgeblichen streitgegenständlichen Bescheiden nicht mehr wieder.
Der Senat kann offen lassen, ob hier zur Beurteilung eine einheitliche Tätigkeit als Rechtsanwalt steht, oder der Kläger im hier streitgegenständlichen Zeitraum vom 01.01.2013 bis 10.06.2014 tatsächlich zwei voneinander unabhängige Tätigkeiten für die Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) ausgeübt hat. Auf die bzgl. der ersten Variante bislang von der Beklagten nicht ermittelten und nicht in die Gesamtabwägung eingestellten Umstände der Vergütung für die gesamte anwaltliche Tätigkeit und die Weisungsfreiheit gem § 59f Abs 4 S 2 BRAO hat der Berichterstatter bereits im Erörterungstermin vom 27.09.2016 hingewiesen. Nach Ansicht des Senats gibt es jedoch auch für die zweite Variante gute Argumente. Zum einen war der Kläger als Rechtsanwalt tätig. Zum anderen war er zum Prokuristen bestellt und als solcher nahm er auch Aufgaben wahr. Ein schriftlicher Vertrag existiert nicht. Für die Tätigkeit als Prokurist erhielt der Kläger eine monatlich gleich bleibende Vergütung iHv 2.000 EUR, welche als Betriebsausgabe verbucht und für die Lohnsteuer entrichtet worden ist. Dies entnimmt der Senat sowohl den Angaben im Statusfeststellungen wie auch den Ausführungen der Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) im Anhörungsverfahren. Beide Tätigkeiten könnten unabhängig voneinander zu beurteilen sein, denn es ist grundsätzlich möglich, dass ein Mitarbeiter für denselben Auftraggeber/Arbeitgeber sowohl abhängig beschäftigt als auch selbstständig tätig wird (BSG 31.10.2012, B 12 R 1/11 R, SozR 4-2400 § 14 Nr 16, Rn 17). Dies gilt jedenfalls nach Auffassung des Senats in den Fällen, in denen inhaltlich klar voneinander abgrenzbare Tätigkeiten vorliegen. Die vom Bundessozialgericht (BSG) entwickelten Grundsätze für das einheitliche Beschäftigungsverhältnis (BSG 27.06.2012, B 12 KR 28/10 R, SozR 4-2400 § 8 Nr 5, Rn 23; Senatsurteil vom 18.10.2016, L 11 R 3254/14) greifen dann nicht.
Da der streitgegenständliche Bescheid schon mangels Bestimmtheit rechtswidrig ist, war er aufzuheben. Für eine Feststellung durch den Senat im Wege der erhobenen Feststellungsklage ist in dieser Einzelfallkonstellation kein Raum. Vielmehr bedarf es gegebenenfalls zunächst neuer Verwaltungsentscheidungen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt, dass der Statusbescheid vollständig aufgehoben wurde. Die Feststellungsklage tritt dabei hier in den Hintergrund.
Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Nr 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
BWB
Saved