L 13 R 5165/14

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 R 1447/12
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 5165/14
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Überprüfung und Rücknahme eines eine Sperrzeit wegen der Lösung seines Beschäftigungsverhältnisses feststellenden Bescheids und die Gewährung von Arbeitslosengeld (Alg), weswegen bereits ein Klageverfahren vor dem Sozialgericht D. anhängig war, in welchem er die Klage zurückgenommen hat.

Der am 18. September 1971 geborene Kläger war bei der WHD Wachdienst H. -Sicherheit & Service - GmbH & Co. KG unbefristet beschäftigt, ab 15. Oktober 2003 als Werkschutzfachkraft (vgl. Arbeitsbescheinigung und Lohnabrechnungen, nach anderen Angaben des Klägers [Lebenslauf zu einem Antrag auf Gründungszuschuss (G)] ab 15. Mai 2000 als Sicherheitsdienstmitarbeiter). Daneben übte er (selbstständige) Tätigkeiten als Datenerfasser (Ablesung von Energiezählern) aus.

Am 14. Februar 2010 verlor er bei seiner Wachdienst-Tätigkeit in einem Bewachungsobjekt (Gebäude der BG Chemie) den Schlüsselbund mit dem Generalschlüssel. Es kam zwischen 22:00 Uhr und 22:30 Uhr zu einem Telefonat mit dem Geschäftsführer (GF) der Arbeitgeberin H., dessen Inhalt dieser und der Kläger unterschiedlich beschreiben.

In einer Wegschutzmeldung (Datum 15. Februar 2010) vermerkte der Kläger, er habe am 14. Februar 2010 gegen 20.30 Uhr festgestellt, dass der Schlüsselbund der BG Chemie verloren gegangen sei. Zwischen 20.30 Uhr und 2.00 Uhr sei der Außenbereich der BG Chemie, Bereich BT C, EG, insgesamt fünfmal erfolglos abgesucht worden. Der GF H. sei um 22:12 Uhr über den Verlust informiert worden und habe ihn, den Kläger um 23:23 Uhr nochmals auf seinem Handy angerufen, "mit der Aufforderung (bei der auch ein Treffen, falls eine Pause gemacht würde, in einem kleinen Raum angedroht wurde) durchgehend das Gebäude zu bestreifen, um einen eventuellen Fremdzutritt zu verhindern" und die Aussage getätigt worden sei, "dass erst Feierabend sei, wenn der Schlüssel wieder aufgefunden sei". Zur aktuellen Uhrzeit sei der Schlüssel weiterhin verschollen.

Mit Schreiben vom 15. Februar 2010 kündigte der Kläger "als Konsequenz des Vorfalles vom 14.02.2010" sein "Arbeitsverhältnis fristgerecht zum 30.03.2010" und bat, "den Resturlaubsanspruch von aktuell 56 Tagen, ... als Monatsgehalt für Februar, März zu verrechnen".

Der Kläger meldete sich zum 10. Mai 2010 arbeitslos und beantragte die Gewährung von Alg. Als Grund dafür, dass er sich erst zu diesem Zeitpunkt arbeitsuchend gemeldet habe, obwohl er am 15. Februar 2010 zum 31. März 2010 gekündigt habe, gab er an, er habe sich bereits im März 2010 bei mehreren Sicherheitsdiensten beworben, die auf Netzseiten Mitarbeiter gesucht hätten. Eine Firma habe nicht geantwortet, die andere habe die Unterlagen auf Abruf behalten. Als sich bei beiden abgezeichnet habe, dass eine Zusammenarbeit zu diesem Zeitpunkt nicht zustande kommen würde, habe er seinen Nebenerwerb als Datenerfasser (Ablesen von Energiezählern für die EnBW, Full Serv, 14 Stunden pro Woche, ca. 650,00 EUR monatlich netto seit 15. Mai 2007) zum Haupterwerb gemacht, doch habe der Gewinn nicht zum Leben ausgereicht. Zu den Gründen für die Kündigung gab er an, die Arbeitgeberin habe ständig gegen das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) verstoßen, bei zwölf Stunden Arbeit/Bereitschaftszeit habe es keine Minute Pause gegeben. Ferner habe es persönliche Androhungen gegeben, welche man auch im Weiteren als das Drohen mit empfindlichen Übeln gegen seine persönliche Unversehrtheit verstehen könne. Hinsichtlich der Verstöße gegen das ArbZG habe es mehrere Gespräche mit der Arbeitgeberin gegeben, jedoch alle ohne Erfolg. Die Arbeitgeberin meine, Pausen seien auch Bereitschaftszeiten und habe keine weiteren Pausen gewährt. Bezüglich der Androhung habe es keinen Grund für ein Gespräch gegeben. Der GF der Arbeitgeberin habe im Nachlauf auch behauptet, solche Äußerungen nicht getätigt zu haben. Der Grund für seine Kündigung seien Mobbing, Missachtung des ArbZG sowie die Androhung eines empfindlichen Übels gewesen. Die Arbeit habe zwölf bis 18 Stunden am Stück ohne Pause gedauert.

In einer von der Beklagten angeforderten Auskunft des GF der Arbeitgeberin zu den Behauptungen des Klägers, die am 7. September 2010 einging, war ausgeführt, die Vorwürfe seien haltlos, Gesprächsangebote habe der Kläger abgelehnt, die Pausenregelung entspreche den tariflichen Regelungen.

Mit Bescheid vom 24. August 2010 stellte die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit vom 1. April bis 7. April 2010 fest, während der Anspruch auf Arbeitslosengeld ruhe, weil der Kläger seine Pflicht zur Meldung als arbeitsuchend nicht rechtzeitig nachgekommen sei.

Mit Bescheid vom 23. August 2010 bewilligte die Beklagte dem Kläger vorläufig Alg, vom 10. Mai bis 30. Juni 2010 in Höhe von täglich 0,00 EUR, vom 1. Juli 2010 bis 28. Februar 2011 in Höhe von 9,60 EUR täglich und vom 1. bis 23. März 2011 in Höhe von 14,93 EUR täglich. Anspruchsbeginn sei der 10. Mai 2010 mit einer Anspruchsdauer von 360 Kalendertagen.

Mit Bescheid vom 26. August 2010 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alg ab 1. September 2010 wieder auf wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit. Einen Antrag auf Gewährung von Gründungszuschuss (GZ) wegen Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit ab 1. September 2010, hauptberuflich mit 40 bis 50 Wochenstunden (Interviewer bei Deutscher Bahn und Energieableser und andere Tätigkeiten mit weiteren zehn Stunden pro Woche), wozu der Kläger auch Gewerbeanmeldungen und weitere Unterlagen vorlegte, lehnte die Beklagte in der Folgezeit ab. Im Weiteren ergab sich auch, dass der Kläger als Aushilfskraft bei der Firma b. Sicherheit Karlsruhe arbeitete, nach ersten Auskünften ab Mai 2010 zwölf Stunden wöchentlich mit einem monatlichen Gehalt von 400,00 EUR. Gemäß einem Schreiben der b.-Gruppe vom 10. November 2010 wurde der Kläger ab 1. November 2010 befristet bis 31. Mai 2011 mit monatlich wenigstens 80 Stunden in Teilzeit eingestellt.

Mit Bescheid vom 2. Dezember 2010 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab 1. Juli 2010 auf, da der Kläger ab 27. Mai 2010 nicht arbeitslos sei, weil er Nebenbeschäftigungen ausübe, die zusammen eine Arbeitszeit von wöchentlich 15 Stunden überschritten. Der überzahlte Betrag von 576,00 EUR sei zu erstatten, ebenso die Beiträge zur Krankenversicherung und zur Pflegeversicherung. Wegen des Bescheids und auch der Ablehnung von GZ erhob der Kläger Widerspruch und später auch Klage beim Sozialgericht D ...

Mit weiterem Bescheid vom 2. Dezember 2010 stellte die Beklagte für die Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2010 den Eintritt einer Sperrzeit fest, während der der Anspruch auf Alg ruhe und die den Anspruch auf Alg um 90 Tage - ein Viertel der Anspruchsdauer mindere. Auch nach Ablauf der Sperrzeit würden keine Leistungen gezahlt, da der Kläger ab dem 27. Mai 2010 Nebenbeschäftigungen habe, die er zusammen wöchentlich mehr als 15 Stunden ausübe und damit nicht arbeitslos sei.

Wegen des Sperrzeitbescheids erhob der Kläger mit Schreiben vom 9. Dezember 2010 Widerspruch und machte geltend, er habe bei der Arbeitgeberin bei zwölf Stunden Diensten ganz normal keine Pause im Sinne des ArbZG erhalten, was zumindest eine Ordnungswidrigkeit darstelle. Ihm gegenüber sei auch eine Drohung mit einem empfindlichen Übel gegen die Gesundheit seiner Person durch den ehemaligen Firmeninhaber ausgesprochen worden, was Mobbing vom Feinsten bedeute. Auf Grund dieser Drohung sei eine weitere Zusammenarbeit mit dem GF nicht mehr möglich gewesen. Dieser habe ihn mehrmals genötigt, Dienstzeiten von bis zu 19 Stunden ohne Pause zu tätigen, da fehlendes Personal nicht ersetzt worden sei und man den Arbeitsplatz nicht habe verlassen dürfen. In einem Fall, der sich im Jahr 2002 zugetragen habe, habe die Arbeitszeit innerhalb von 36 Stunden 33 Stunden mit einer Pause von drei Stunden betragen. Dies rechtfertige eine Kündigung, da hier sein gesundheitliches Wohlergehen nicht geschützt werde und ein klarer Verstoß gegen das Grundgesetz, Art. 2 Abs. 2 darstelle, weswegen die Feststellung einer Sperrzeit nicht gerechtfertigt sei.

Die Beklagte holte auf den Widerspruch eine Auskunft der Arbeitgeberin ein. Der GF H. gab am 4. Januar 2011 an, die Kündigung des Klägers sei als Reaktion bzw. im Zusammenhang mit einem Schlüsselverlust erfolgt. Der Kläger habe im Rahmen seiner Dienstausführung einen Schlüsselbund mit Generalschlüssel verloren. Bei einem Gespräch mit dem Kunden rund zwei Wochen nach dem Verlust habe der Kläger zugegeben, dass er das Bewachungsobjekt verlassen gehabt habe, um im nahegelegenen Hauptbahnhof H. etwas einzukaufen. Aus diesem Grund habe er keine exakte Angabe darüber machen können, wo er den Schlüssel verloren haben könnte. Die Kündigung des Klägers sei unmittelbar nach dem Verlust erfolgt, wohl um einer Entlassung zuvorzukommen. Im Bewachungsgewerbe sei es üblich und zulässig, in Schichten bis zu 13 Stunden zu arbeiten, wenn über die Regelarbeitszeit von acht Stunden hinausgehende Zeit als sogenannte Bereitschaftszeit angesehen werden könne, wobei Bereitschaftszeit dabei als Zustand der wachen Aufmerksamkeit definiert sei. Diese Bereitschaftszeit sei bezahlte Arbeitszeit. Hierüber habe man mit dem Kläger mehrere Gespräche geführt, teilweise im Beisein der für die Personalangelegenheiten zuständigen Mitarbeiterin. Die tatsächliche Beanspruchung lasse sich mittels elektronischem Dokumentationssystem belegen und werde intern auch ausgewertet. Eine ausreichende Bereitschaftszeit sei somit sichergestellt. Die behaupteten Drohungen gegen seine Person müsse der Kläger belegen oder endlich sein lassen. Er habe bereits auf solche Drohungen hingewiesen, die angeblich gegen ihn ausgesprochen sein sollten. Diese Behauptung entbehre jeglicher Grundlage und sei auch durch nichts zu belegen. Hierzu legte die Arbeitgeberin ihr Einschreiben vom 15. Februar 2010 an den Kläger vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2011 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Eintritt einer Sperrzeit feststellenden Bescheid zurück. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) ruhe der Anspruch auf Alg für die Dauer einer Sperrzeit, wenn der Arbeitslose sich versicherungswidrig verhalten habe, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liege vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Sie beginne mit dem Tag nach dem Ereignis, das die Sperrzeit begründe oder, wenn dieser Tag in eine Sperrzeit falle, mit dem Ende der Sperrzeit. Die Dauer der Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe betrage zwölf Wochen und verkürze sich unter bestimmten Voraussetzungen. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis durch Kündigung gelöst und keine konkrete Aussicht auf eine unmittelbar anschließende Dauerbeschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber gehabt. Daher habe er zumindest grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt. Ein wichtiger Grund sei nicht erkennbar. Dieser sei nach objektiven Maßstäben zu beurteilen und müsse auch bereits im Zeitpunkt der Arbeitsaufgabe vorgelegen haben. Nach Abwägung der Interessen des Klägers mit den Interessen der Beitragszahler sei es ihm zumutbar gewesen, das Beschäftigungsverhältnis zumindest bis zum Beginn einer Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber fortzusetzen. Nach den vom Gesetzgeber festgelegten Grundsätzen hätten Arbeitnehmer zur Vermeidung von Arbeitslosigkeit ein zumutbares Beschäftigungsverhältnis fortzusetzen. Soweit der Kläger Drohungen gegen seine Person angegeben habe, blieben die Vorwürfe unkonkret. Der Arbeitgeber habe dieses Vorbringen zurückgewiesen. Gleiches gelte in Bezug auf Arbeitszeiten und Arbeitspausen. Im Übrigen lasse § 7 ArbZG abweichende Arbeitszeiten von über zehn Stunden werktäglich zu, ebenso könne abweichend von § 5 Abs. 1 die Ruhenszeit um bis zu zwei Stunden gekürzt werden, wenn die Art der Arbeit dies erfordere und die Kürzung innerhalb eines festgelegten Ausgleichszeitraums ausgeglichen werde. Die bloße Behauptung der Verstöße sei nicht ausreichend, zumal auch hier der Arbeitgeber die Vorwürfe zurückgewiesen habe. Der Kläger habe damit Anlass für den Eintritt einer Sperrzeit gegeben, die hier zwölf Wochen betrage. Ein Sachverhalt, der eine Verkürzung zulasse, liege nicht vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Deswegen erhob der Kläger am 18. März 2011 Klage beim Sozialgericht D. und machte geltend, er habe am 14. Februar 2010 während eines Kontrollganges in einem Objekt in H. den GHS Schlüssel dieses Objekts verloren. Auf Grund dieses Vorfalles habe der GF der Arbeitgeberin, H., ihm gegenüber telefonisch geäußert "Wenn Sie heute Nacht Pause machen, treffen wir uns morgen in einem kleinen Raum" und "Sie machen keinen Feierabend, solange der Schlüssel nicht wieder aufgefunden ist". In Anbetracht dessen, dass der Schlüssel unverändert verschwunden sei, wäre er "wohl spätestens am 23.02.2010 1,80 m tiefer gelegt worden". Zum Schutz seiner Person sei ein sofortiges Handeln notwendig gewesen. Aus welchen Gründen der GF H. seine damals getätigte Äußerung nun verneine, sollte am besten während einer Verhandlung geklärt werden. Die Beklagte vertrete die Ansicht, dass eine solche Bedrohung gegen ihn so lange hinzunehmen sei, bis ein neuer Arbeitsplatz gefunden sei. Unter Beachtung dieser Meinung habe er ihr einen freundlichen Brief geschrieben und sich dort etwas unglücklich ausgedrückt (Anm.: u.a. " ... wird es mal wieder Zeit etwas Dampf abzulassen, bevor ich vielleicht doch noch mit dem Schlachtermesser nach E. und ein paar abmetzle"), die Folge seien eine Strafanzeige, die zwischenzeitlich wegen zu geringer Schuld eingestellt worden sei, und ein Hausverbot gewesen. Ein weiterer Grund für die Kündigung seien die ständigen und vorsätzlichen Verstöße der Arbeitgeberin gegen das ArbZG gewesen. Es sei ihm während einer zwölfstündigen Arbeitsschicht eine Pause (im Sinne des Begriffes Pause) von genau 0 Minuten gewährt worden, ebenso seien Arbeitszeiten von 14 Stunden und mehr keine Seltenheit gewesen, da man fehlendes Personal einfach nicht ersetzt habe. Im Jahr 2002 habe er innerhalb von 36 Stunden 33 Stunden arbeiten müssen, die auch eine Fahrertätigkeit mit einem PKW beinhaltet hätten. Nach 13 Stunden Arbeitszeit sei nach deutscher Rechtsprechung eigentlich eine Ruhezeit von elf Stunden zu gewähren. Bei der Arbeitgeberin habe es in seinem Objekt nur Zwölfstundenschichten gegeben. Nach dem ArbZG vorgeschriebene im Voraus feststehende Ruhepausen von mindestens 45 Minuten habe es grundsätzlich nicht gegeben. Hinsichtlich der Drohung machte er weiter geltend, der GF H. habe um 23:23 Uhr bei einem Anruf auf seinem Handy mit folgenden Sätzen gedroht: "Falls eine Pause gemacht würde, gäbe es ein Treffen in einem kleinen Raum". Dem habe der GF H. dann bereits in einem Schreiben vom 15. Februar 2010 widersprochen, indem er geschrieben habe, das Gespräch unter vier Augen habe er ihm nicht angedroht, sondern angeboten. Damit solle bereits um 23:23 Uhr ein Gespräch angeboten worden sein, obgleich die genauen Informationen über die Umstände des Verlustes und das Zeitfenster noch nicht vorgelegen habe, da er die Werkschutzmeldung erst am 15. Februar 2010 gegen 06:00 Uhr erstellt habe.

Hierzu legte der Kläger das Einschreiben des GF H. vom 15. Februar 2010 auf die Kündigung vor (wesentlicher Inhalt: Zu der "Werkschutzmeldung" liege keine schriftliche Stellungnahme des Klägers und auch kein Wachbericht vor. Die Ausführungen in der Meldung seien dürftig und würden bei der Auffindung des Schlüssels nicht helfen, man sei auf Vermutungen angewiesen und der Kläger sei zu klärenden Aussagen nicht bereit. Soweit sich die "Meldung" auf angebliche Aussagen des GF H. beziehe, könne dieser dies nicht stehenlassen. Er habe angeordnet, das BG-Gebäude durch den Kläger als eingeteilten BG-Wachmann und durch den Revierfahrer H. vermehrt zu bestreifen, was er dem Kläger mündlich und per Mail auch schriftlich an die Leitstelle gegeben habe. Das Gespräch unter vier Augen habe er dem Kläger nicht angedroht, sondern angeboten, weil er aus den Umständen des Schlüsselverlustes schließe, dass der Kläger nicht die Wahrheit über den Aufenthalt im Zeitfenster des Schlüsselverlustes sage. Er habe ihm eine Hilfestellung geben wollen, die dieser nicht verstehen wolle. Er habe weiterhin darauf hingewiesen, dass er Kläger erst Feierabend machen könne, wenn der Schlüssel gefunden sei oder die Tagschicht/ablösenden Mitarbeiter mit den notwendigen Informationen versorgt seien, um nach Tagesanbruch nach dem vermissten Schlüssel zu suchen. Beides sei nicht geschehen. Der Kläger habe gegen 6:30 Uhr Feierabend gemacht, ohne die Kollegen ausreichend zu informieren und stattdessen die "Werkschutzmeldung" geschrieben und diese ihm, dem GF H. unter seiner Bürotür hindurchgeschoben. Der Kläger werde daher aufgefordert, sich umgehend mit ihm in Verbindung zu setzen und zur Aufklärung beizutragen, die bisher gemachten Angaben reichten nicht aus). Außerdem legte er den Ausdruck eines Schreibens auf das Schreiben der Arbeitgeberin vor, in dem er die Auffassung vertrat, die Werkschutzmeldung sei zum gegebenen Zeitpunkt ausreichend gewesen. Die Äußerungen zum Gespräch unter vier Augen sei sehr wohl als Drohung zu verstehen gewesen sowohl inhaltlich als auch in der Tonwahl und zu einem Zeitpunkt, bei der die Werkschutzmeldung noch gar nicht geschrieben gewesen sei. Es habe sich mit Sicherheit nicht um ein Angebot zu einem Gespräch gehandelt. Warum der GF H. "das Ganze jetzt üblicherweise wieder verniedliche", entziehe sich seiner Kenntnis. Ein Gesprächsangebot werde er wohl im Beisein seines Rechtsanwalts zum gegebenen Zeitpunkt wahrnehmen. Im Übrigen habe der GF H. auch nur geäußert, Feierabend sei erst, wenn der Schlüssel gefunden sei, von dem Wort oder sei bei dem Gespräch keine Rede gewesen. Weiter legte er eine E-Mail des GF H. vom 16. Februar 2010 vor (wesentlicher Inhalt: Er weiche einem Gespräch mit dem Kläger und seinem Anwalt zum Thema Kündigung nicht aus. Die Antwort sei allerdings wenig zielführend. Wichtiger zur inhaltlichen Klärung des Sachverhalts sei die Angabe zum Ablauf der Nachtschicht vom 14. auf den 15. Februar 2010. Den bisherigen Angaben des Klägers könne nicht entnommen werden bzw. nicht sicher nachvollzogen werden, wann dieser den Schlüssel wo das letzte Mal nachweislich und sicher verwendet habe. Darüber hinaus wäre es vorteilhaft zu wissen, wo sich der Kläger zwischen Dienstbeginn um 18:00 Uhr und dem vermuteten Zeitpunkt des Schlüsselverlustes aufgehalten habe. Man bitte daher dringend um Informationen zu den oben genannten Punkten, ob schriftlich, fernmündlich oder über einen Rechtsanwalt sei nicht entscheidend. Im Übrigen verbitte er, GF H., sich haltlose und zweideutige Bemerkungen zu seiner Person und/oder zu angeblich von ihm getätigten Aussagen). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Unterlagen verwiesen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung (in dem zugleich über zwei weitere Klagen des Kläger verhandelt wurde) vor dem Sozialgericht D. vom 28. November 2014 gab der Kläger ausweislich der Niederschrift u.a. an, Grund für seine Kündigung sei das Telefonat vom 15. Februar 2010 (auf Vorhalt: 14. Februar 2010) gegen 22:00 Uhr bzw. 23:00 Uhr gewesen, bei dem ihm sein Chef gedroht habe. Er habe damals abends mit seinem Chef telefoniert, der gesagt habe, "wenn Sie eine Pause machen, dann treffen wir uns in einem Raum" und geäußert habe, Feierabend sei erst, wenn der Schlüssel gefunden sei. Er habe diese Aussagen als Drohung empfunden und dann am nächsten Tag das Arbeitsverhältnis gekündigt. Auf Nachfrage, warum er nicht fristlos gekündigt habe, erklärte der Kläger "Das ist eine gute Frage". Außerdem räumte er ein, er habe nach der Kündigung noch an zwei Tagen für die Firma gearbeitet, zu seinem Chef allerdings keinen Kontakt mehr gehabt. Es habe auch kein aufklärendes Gespräch mit dem Chef, wie von diesem gegenüber der Beklagten angegeben, gegeben. Mit dem Sicherheitschef der Wachfirma habe er noch einmal Kontakt gehabt und seine Unterlagen und sonstigen Gegenstände, die der Firma gehört hätten, habe er bei einer Mitarbeiterin aus der Buchhaltung abgegeben. Auf Hinweis des Sozialgerichts D. nach Zwischenberatung erklärte der Kläger im Weiteren, "Ich nehme die Klagen in allen drei Verfahren zurück" (Protokoll: "Laut diktiert und genehmigt: Auf nochmaliges Abspielen wir verzichtet.").

Nach Zugang des Protokolls, versandt am 3. Dezember 2014, wandte sich der Kläger mit am 23. Dezember 2014 eingegangenem Schreiben an den Direktor des Sozialgerichts D. mit Ausführungen zu den Verfahren und Beschwerden, u.a. über den Kammervorsitzenden, und erklärte, er habe zu keiner Zeit gesagt, dass er die Klagen in allen drei Verfahren zurücknehme. Dies verfolgte er auf ein Hinweisschreiben des Direktors des Sozialgerichts D. vom 8. Januar 2015, der auch auf die Möglichkeit eines Überprüfungsantrags nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) hinwies, nicht weiter.

Mit Schreiben vom 19. Januar 2015, Poststempel des Umschlags 20. Januar 2015, beantragte der Kläger unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens die Überprüfung des Bescheids betreffend die Feststellung einer Sperrzeit.

Die Beklagte lehnte eine Rücknahme ihrer Entscheidung mit Bescheid vom 1. April 2015 und Widerspruchsbescheid vom 3. August 2015 ab, da die Überprüfung des Bescheids vom 2. Dezember 2010 ergeben habe, dass weder von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei, noch das Recht falsch angewandt worden sei. Der Bescheid vom 2. Dezember 2010 sei durch Rücknahme der Klage bindend geworden.

Deswegen hat der Kläger am 2. September 2015 Klage beim nun örtlich zuständigen Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Dort hat er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und bereits vorgelegte Schriftstücke erneut eingereicht. Ergänzend hat er vertiefend vorgetragen, die Arbeitgeberin habe vorsätzlich gegen das ArbZG verstoßen und er sei bedroht worden. Er habe nicht fristlos gekündigt, weil er aus dem Jahr 2009 noch 30 restliche Urlaubstage gehabt habe und zehn Tage Anspruch auf neuen Urlaub aus dem Jahr 2010. Nach dem 15. Februar 2010 habe es noch zwei "konstruktionslose" Gespräche mit dem GF der Arbeitgeberin im Beisein des Sicherheitsbeauftragten des betreffenden Objekts gegeben. Die Verhandlung vor dem Sozialgericht D. habe eher den "Charakter einer Ausgabe der Muppets Show" gehabt.

Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten, die Klagebegründung enthalte nichts Neues.

Das SG hat die Akten des Sozialgerichts D. beigezogen.

Mit Urteil vom 18. Januar 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Verpflichtung der Beklagten zur Rücknahme des Bescheids vom 2. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2011 und auf deren Verurteilung zur Bewilligung von Alg für die Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2010. Die Beklagte habe zu Recht die Rücknahme des bindend gewordenen Bescheids und des Widerspruchsbescheids abgelehnt, da der Bescheid rechtmäßig sei. Sie habe weder das Recht unrichtig angewandt, noch sei sie von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich als unrichtig erwiesen habe. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für den Eintritt einer Sperrzeit seien erfüllt. Der Kläger habe das Beschäftigungsverhältnis durch seine Kündigung vom 15. Februar 2010 zum 30. März 2010 gelöst und zu diesem Zeitpunkt keine Aussicht auf eine unmittelbare Anschlussbeschäftigung gehabt, weshalb er zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt habe. Einen wichtigen Grund, das Beschäftigungsverhältnis zu diesem Zeitpunkt zu beenden, habe er nicht dargelegt und ein solcher sei für das Gericht auch nach eigener Prüfung nicht ersichtlich. Zwar seien die von dem Kläger für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses vorgebrachten Gründe - fortlaufende Verstöße des Arbeitgebers gegen das ArbZG und dessen Drohung ihm gegenüber - nicht ungeeignet, einen wichtigen Grund darzustellen, doch spreche das Verhalten des Klägers im Rahmen seiner Eigenkündigung gegen die Unzumutbarkeit der Fortsetzung bis zur Aufnahme einer Anschlussbeschäftigung. Er habe zum einen nicht fristlos gekündigt. Wäre die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses tatsächlich unzumutbar gewesen, wäre eine fristlose Kündigung zu erwarten gewesen. Gegenüber dem Sozialgericht D. habe der Kläger diese Vorgehensweise nicht erklären können. Wenn er nun vorbringe, er habe zum Zeitpunkt der Kündigung noch über einen Urlaubsanspruch von 40 Tagen verfügt und sei deshalb nach der Kündigung tatsächlich nicht mehr verpflichtet gewesen, seine Arbeitsleistung erbringen zu müssen, spreche gegen solche Erwägungen im Zeitpunkt der Kündigung, da sie der Kläger gegenüber dem Sozialgericht D. nicht vorgetragen habe. Zum anderen habe er vor dem Sozialgericht D. geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe bereits seit 2002 fortlaufend gegen das ArbZG verstoßen. Insofern sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen nunmehr gerade zum 30. März 2010 die Fortsetzung des Beschäftigungsverhältnisses bis zum Beginn einer Anschlussbeschäftigung nicht mehr zumutbar gewesen sein sollte. Denn nach seinen Angaben habe der Kläger bereits über einen Zeitraum von acht Jahren die Verstöße hingenommen. Schließlich spreche auch gegen das Vorliegen eines wichtigen Grundes, dass der Kläger - wie er gegenüber dem Sozialgericht D. und auch im vorliegenden Klageverfahren angegeben habe - für seinen ehemaligen Arbeitgeber auch nach der Kündigung noch zweimal tätig gewesen sei. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Urteil verwiesen.

Gegen das am 26. Januar 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. Februar 2016 Berufung eingelegt. Er wiederholt im Wesentlichen sein früheres Vorbringen und trägt in Ergänzung dessen und im Hinblick auf die Gründe des angefochtenen Urteils u.a. vor, er habe nicht fristlos gekündigt, weil er dann mindestens 30 Urlaubstage verschenkt hätte und dann im Übrigen auch von der Beklagten nach deren Rechtsauffassung mit einer Sperrzeit belegt worden wäre. Deshalb sei es irrelevant, ob die Kündigung fristlos erfolgt sei (die Rechtsauffassung der Beklagten war dem Kläger zum Zeitpunkt der Kündigung nicht bekannt). Wegen seines Anspruchs auf Resturlaub hätte er ohnehin nicht mehr arbeiten müssen. Er habe auch fristgerecht gekündigt, um den Sozialstaat nicht zu belasten. Den Grund, dass er noch 40 Resturlaubstage gehabt habe, habe er beim Sozialgericht D. nicht erwähnt, da es sich um einen "reinen Schauprozess" gehandelt habe (dort hat er aber angegeben: "Das ist eine gute Frage"). Das SG habe zwar nun erstmals die Drohung und die Arbeitszeitverstöße als wichtigen Grund angesehen, sie dann aber wieder legalisiert. Eine tatsächliche Beschäftigung sei ihm ab 15. Februar 2010 nicht mehr zuzumuten gewesen, insbesondere wegen der Drohung. Schließlich habe er doch noch zwei Nächte gearbeitet, weil er den Schlüssel auf frei zugänglichem Gelände verloren habe und das Objekt deshalb durchgehend habe bewacht werden müssen. Aus dem Grund und um sich nicht feige aus der Verantwortung zu ziehen, habe er nochmals zwei Nächte gearbeitet, die seinem ehemaligen Arbeitgeber auch vergütet worden seien. Er habe jedoch nicht aus Loyalität gegenüber dem Arbeitgeber nochmals gearbeitet.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 18. Januar 2016 aufzuheben, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 1. April 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 3. August 2015 zu verpflichten, den Bescheid vom 2. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2011 zurückzunehmen und die Beklagte weiter zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis zum 23. Juni 2010 Arbeitslosengeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Aus dem Vorbringen des Klägers im Berufungsverfahren ergäbe sich nichts wesentlich Neues.

Der Senat hat die Akten des Sozialgerichts D. beigezogen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten war, verhandeln und entscheiden, da er auf diese Möglichkeit in der Terminmitteilung hingewiesen worden ist und auch ein Verlegungsantrag nicht gestellt worden ist. Seine Anwesenheit im Termin hat sich zur Überzeugung des Senats auch nicht als erforderlich erwiesen.

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige und statthafte Berufung ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rücknahme des bindend gewordenen Bescheids vom 2. Dezember 2010 und Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2011 sowie auf Gewährung von Alg für die Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2010.

Der Bescheid vom 2. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2011, mit dem die Beklagte das Ruhen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld in dem Zeitraum vom 1. April bis zum 23. Juni 2010 wegen Eintritts einer Sperrzeit festgestellt und die Gewährung von Leistungen für diesen Zeitraum abgelehnt hat, ist durch die Rücknahme der Klage vor dem Sozialgericht D. in der mündlichen Verhandlung vom 28. November 2014 gemäß § 77 SGG bindend geworden. Ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 28. November 2014 hat der Kläger nach Zwischenberatung der Kammer und richterlichem Hinweis erklärt, er nehme die Klagen in allen drei Verfahren und damit auch im Verfahren wegen des vorgenannten Bescheids, zurück und die Protokollierung dieser Erklärung nach lautem Diktat genehmigt. Dies ist durch die Niederschrift bewiesen (§ 202 Satz 1 SGG i.V.m. § 165 Zivilprozessordnung [ZPO]).

Nach § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) durchbricht diese Regelung des Verfahrensrechts nicht nur die Bindungswirkung eines Bescheids, sondern auch gegebenenfalls die Rechtskraft einer diesen bestätigenden gerichtlichen Entscheidung.

Ist ein Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen worden, werden gemäß § 44 Abs. 4 Satz 1 SGB X Sozialleistungen nach den Vorschriften der besonderen Teile des Gesetzbuches längstens für einen Zeitraum bis zu vier Jahren vor der Rücknahme erbracht. Dabei wird der Zeitpunkt der Rücknahme vom Beginn des Jahres angerechnet, in dem der Verwaltungsakt zurückgenommen wird (§ 44 Abs. 4 Satz 2 SGB X). Erfolgt die Rücknahme auf Antrag, tritt bei der Berechnung des Zeitraumes, für den rückwirkend Leistungen zu erbringen sind, anstelle der Rücknahme der Antrag (§ 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X).

Diese Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X steht für die länger als vier Jahre zurückliegende Zeit, für die keine Leistungen, hier Alg, dessen Nachgewährung der Kläger erstrebt hat, mehr erbracht werden dürfen, einem Rücknahme- und einem Ersetzungsakt entgegen (BSG, Urteil vom 6. März 1991, Az.: 9b RAr 7/90, BSGE 68, 180 ff). Die diesbezügliche Regelung des § 44 Abs. 4 SGB X ist auf die Rücknahmeregelung des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X bezogen, die voraussetzt, dass infolge der unrichtigen Entscheidung Sozialleistungen nicht erbracht wurden. "Erbringen" bedeutet tatsächliches Leisten (BSG a.a.O., m.w.N.). Eine Aufhebungsentscheidung nach § 44 Abs. 1 SGB X ist demnach nicht mehr zu erlassen, wenn sie nicht materiell ausgeführt werden darf. Sie wäre wirkungslos. Von der Verwaltung darf keine unnötige, überflüssige Tätigkeit verlangt werden. Ein Antragsteller, der über § 44 SGB X keine Leistungen mehr für die Vergangenheit erhalten darf, hat kein rechtliches Interesse an der Rücknahme und der zusprechenden Entscheidung, die nach Abs. 4 der Vorschrift nicht vollzogen werden dürfen. Maßgeblich für die Vier-Jahres-Frist ist gemäß § 44 Abs. 4 Satz 3 SGB X vorliegend der entsprechende Überprüfungsantrag des Klägers vom 19. Januar 2015 (Poststempel 20. Januar 2015), sodass der Kläger selbst bei (unterstellter) Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 2. Dezember 2010 und des Widerspruchsbescheids vom 22. Februar 2011, Leistungen für das Jahr 2010 (1. April bis 23. Juni 2010) nicht mehr beanspruchen kann. Die Beklagte kann daher schon nicht zur Rücknahme der Entscheidungen vom 2. Dezember 2010 und 22. Februar 2011 verpflichtet werden, da sie in den letzten vier Jahren vor dem Überprüfungsantrag keine Wirkungen mehr hatten, die durch ihre Aufhebung und Ersetzung hätten beseitigt werden können.

Im Übrigen könnte nach § 147 Abs. 2 SGB III a.F. ein Anspruch auf Alg nicht mehr geltend gemacht werden, wenn - wie hier - nach seiner Entstehung im Jahr 2010 vier Jahre verstrichen sind.

Ungeachtet dessen liegen auch die Voraussetzungen des § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht vor, da nicht feststellbar ist, dass die Beklagte bei Erlass des Verwaltungsaktes vom 2. Dezember 2010 das Recht unrichtig angewandt hat oder von einem Sachverhalt ausgegangen ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb die begehrten Leistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

Insofern vermag der Senat nicht festzustellen, dass der Bescheid vom 2. Dezember 2010 und der Widerspruchsbescheid vom 22. Februar 2011 rechtswidrig waren, als die Beklagte den Eintritt einer Sperrzeit und das Ruhen des Anspruchs auf Alg festgestellt und für die Zeit vom 1. April bis 23. Juni 2010 die Gewährung von Alg abgelehnt hat.

Rechtsgrundlage für die Feststellung eines Sperrzeiteintritts ist hier § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III in der Fassung vom 21. Dezember 2008 (a.F.). Danach ruht der Anspruch auf Leistungen für die Dauer einer Sperrzeit, wenn sich der Arbeitnehmer versicherungswidrig verhalten hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Versicherungswidriges Verhalten liegt u.a. vor, wenn der Arbeitslose das Beschäftigungsverhältnis gelöst und dadurch vorsätzlich oder grob fahrlässig die Arbeitslosigkeit herbeigeführt hat - Sperrzeit bei Arbeitsaufgabe - (§ 144 Abs. 1 Satz 1, 2 Nr. 1 SGB III a.F.). Dabei hat der Arbeitnehmer die für die Beurteilung eines wichtigen Grundes maßgebenden Tatsachen darzulegen und nachzuweisen, wenn diese in seiner Sphäre oder in seinem Verantwortungsbereich liegen (§ 144 Abs. 1 Satz 3 SGB III a.F.). Das SG hat in dem vorliegend mit der Berufung angefochtenen Urteil die rechtlichen und tatsächlichen Grundlagen des Eintritts einer Sperrzeit in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend und ausführlich dargestellt, weswegen hierauf im Übrigen zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen wird.

Der Kläger hat sein Beschäftigungsverhältnis durch seine Kündigung vom 15. Februar 2010 zum 30. März 2010 gelöst. Da er zu diesem Zeitpunkt keine Aussicht auf eine unmittelbare Anschlussbeschäftigung hatte, hat er zumindest grob fahrlässig seine Arbeitslosigkeit herbeigeführt.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes für die Kündigung des Beschäftigungsverhältnisses zum 30. März 2010 im Sinne des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGB III a.F. ist vorliegend nicht feststellbar. Ein solcher wichtiger Grund liegt nur dann vor, wenn Umstände vorliegen, die die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses als nicht mehr zumutbar erscheinen lassen. Der wichtige Grund muss auch den Zeitpunkt der Auflösung des Beschäftigungsverhältnisses decken.

Der Kläger hat als Grund für seine Eigenkündigung zum 30. März 2010 eine von ihm behauptete Drohung des GF der Arbeitgeberin, H., die bei einem Anruf über das Mobiltelefon am 14. Februar 2010 ausgesprochen worden sei, Mobbing sowie ständige Verstöße der Arbeitgeberin gegen das Arbeitszeitgesetz angegeben.

Das Vorliegen eines wichtigen Grundes, der zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 30. März 2010 berechtigt hätte, vermag der Senat nicht mit der erforderlichen Gewissheit festzustellen.

Die vom Kläger geltend gemachte Drohung des GF der Arbeitgeberin H., ist schon nicht bewiesen und feststellbar. Insofern hat der Kläger zwar behauptet, der GF H. habe ihn am 14. Februar 2010 um 23.23 Uhr auf seinem Mobiltelefon angerufen und dabei Drohungen ihm gegenüber ausgesprochen. In unterschiedlichen Formulierungen hat er hierzu angegeben, der GF H. habe "auch ein Treffen, falls eine Pause gemacht würde, in einem kleinem Raum angedroht" (Werkschutzmeldung des Klägers vom 15. Februar 2010), "persönliche Androhungen, welche man auch im Weiteren das Drohen mit empfindlichen Übeln gegen meine körperliche Unversehrtheit verstehen kann, durch den Arbeitgeber" ausgesprochen (Angaben im Fragebogen der Beklagten vom 12. Mai 2011), "eine Drohung mit einem empfindlichen Übel gegen die Gesundheit meiner Person durch den ehemaligen Firmeninhaber der Firma WHD gegen meine Person ist Mobbing vom Feinsten" (Begründung vom 9. Dezember 2010 zum Widerspruch)", telefonisch folgende Bedrohungen "gegen die Gesundheit und das Leben meiner Person ... 1. Wenn Sie heute Nacht Pause machen, treffen wir uns morgen in einem kleinen Raum" und "2. Sie machen keinen Feierabend, solange der Schlüssel nicht aufgefunden ist" (Klageschriftsatz vom 26. Februar 2011 an das Sozialgericht D.) und Anruf, bei dem "mit folgenden Sätzen gedroht worden sei: Falls eine Pause gemacht würde, gäbe es ein Treffen in einem kleinen Raum" (Schreiben des Klägers an das Sozialgericht D. vom 21. Januar 2013). Allerdings ist schon nicht feststellbar, dass derartige Äußerungen des GF H., der dies auch ausdrücklich mehrfach in Abrede gestellt hat (Schreiben vom 15. Februar 2010 an den Kläger auf dessen Werkschutzmeldung, Auskunft vom 4. Januar 2011 gegenüber der Beklagten, E-Mail vom 16. Februar 2010 an den Kläger) getätigt worden sind. Damit ist eine entsprechende "Drohung" weder nachgewiesen noch feststellbar. Im Übrigen - und ohne dass es darauf ankäme - ist es auch nicht nachvollziehbar, dass sich der Kläger von solchen "Drohungen" beeindrucken ließe, nachdem er seinerseits an die Beklagte geschrieben hat, es werde "mal wieder Zeit, etwas Dampf abzulassen, bevor ich vielleicht doch noch mit dem Schlachtermesser nach Erbach und paar abmetzle".

Soweit der Kläger geltend macht, es habe ihm gegenüber Mobbing stattgefunden, ist nicht ansatzweise dargetan, inwiefern ein Mobbing (ständiges Schikanieren von Arbeitskollegen, vgl. Duden) stattgefunden haben soll.

Soweit der Kläger geltend macht, die Arbeitgeberin habe "ständig" gegen das ArbZG verstoßen und Arbeitszeiten ohne Pausen gefordert, ist dies zum einen nicht bewiesen. Zum anderen würde dies keine Kündigung zum 30. März 2010 rechtfertigen, bevor der Kläger einen Anschlussarbeitsplatz hatte, nachdem er dieses behauptete und insoweit nicht vollständig bewiesene Verhalten der Arbeitgeberin angeblich über Jahre hingenommen hat.

Im Übrigen hat das SG zutreffend darauf hingewiesen, dass bei unzumutbarer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses eine fristlose Kündigung zu erwarten gewesen wäre. Warum der Kläger nicht fristlos gekündigt hat, konnte er gegenüber dem Sozialgericht D. nicht erklären. Soweit er gegenüber dem SG vorgebracht hat, maßgeblich sei gewesen, dass er noch 40 Tage Urlaub gehabt habe, erscheint dies im Hinblick auf die behauptete Motivation unglaubhaft und schlicht als angepasstes Vorbringen im Hinblick auf den Vorhalt. Zutreffend hat das SG auch festgestellt, dass der Kläger tatsächlich noch, wie von ihm eingeräumt, zwei weitere Male für seinen ehemaligen Arbeitgeber tätig gewesen ist. Dass er dies nicht für diesen getan haben will, sondern aus "Verantwortung" gegenüber der Auftraggeberin seiner Arbeitgeberin, ist ebenfalls nicht glaubhaft. Jedenfalls spricht dies nicht dagegen, dass es ihm zumutbar gewesen wäre, das Arbeitsverhältnis erst zu kündigen, wenn er einen neuen Arbeitsplatz gehabt hätte.

Schließlich ist auch keine besondere Härte im Sinne des § 144 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 Buchst. b SGB III a.F. festzustellen. Der Kläger hat bewusst in Kauf genommen, arbeitslos zu werden.

Des Weiteren hat die Beklagte auch entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen Beginn und Ende der Sperrzeit festgestellt.

Der Bescheid vom 2. Dezember 2010 ist somit hinsichtlich der Festsetzung der Sperrzeit, des Ruhens des Anspruchs auf Gewährung von Alg und der Ablehnung der Gewährung von Alg sowie der Feststellung der Minderung der Anspruchsdauer nicht zu beanstanden und nicht zurückzunehmen.

Da das SG somit zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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