Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
28
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 28 AS 982/16
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine Kostengrundentscheidung für ein Widerspruchsverfahren bezüglich eines Bescheides über Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), der einen anderen Bescheid abgeändert hatte, welcher bereits Gegenstand eines laufenden Widerspruchsverfahrens war.
Mit Bescheid vom 24.07.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren drei minderjährigen Kindern vorläufig Leistung der Grundsicherung für den Zeitraum 01.09.2012 bis 28.02.2013. Als Grund für die Vorläufigkeit wurde angegeben, dass der neue Abschlag für die Nebenkosten im Januar 2013 noch eingereicht werden musste. Dieser Bescheid wurde im Folgenden durch einen Bescheid vom 15.08.2012 in Bezug auf den gesamten oben genannten Zeitraum geändert. Am 22.08.2012 erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin und ihrer Kinder Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.2012. Das Widerspruchsverfahren erhielt bei dem Beklagten das Aktenzeichen W 1101/12. Unter dem 09.11.2012 und dem 24.11.2012 ergingen weitere Änderungsbescheide. Mit Schreiben vom 04.03.2013 begründete der Bevollmächtigte den Widerspruch näher. Unter dem 18.03.2013 erließ der Beklagte zwei weitere Änderungsbescheide bezüglich der Zeiträume Oktober bis Dezember 2012 bzw. Januar und Februar 2013. Die Bescheide enthielten jeweils die Rechtsbehelfsbelehrung, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Unter dem 03.04.2013 erging ein weiterer Änderungsbescheid bezüglich des Zeitraums Januar und Februar 2013. Am 11.04.2013 erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin und ihrer Kinder sodann Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18.03.2013 bezüglich des Zeitraums Januar und Februar 2013. Dieser Widerspruch wurde beim Beklagten mit dem Aktenzeichen W 1030/13 geführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 verwarf der Beklagte den Widerspruch W 1030/13 gegen den Änderungsbescheid vom 18.03.2013 als unzulässig. Der Bescheid vom 18.03.2013 sei nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.07.2012 gewesen. Der Widerspruchsbescheid enthielt die Kostengrundentscheidung, nach der die entstandenen notwendigen Aufwendungen nicht erstattet worden. Klage gegen diesen Widerspruchsbescheid wurde nicht erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch W 1101/12 unter Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 15.08.2012, 9. November 2012,420 November 2012 18.03.2013 und 03.04.2013 als unbegründet zurück. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden zu neun Zehntel auf Antrag erstattet. Mit Eingang am 13.11.2015 beantragte der Bevollmächtigte für das Widerspruchsverfahren W 1101/12 die Erstattung von 515,15 EUR. Der Betrag wurde vom Beklagten nachfolgend angewiesen. Eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid erfolgte ebenfalls nicht.
Mit Schreiben vom 16.11.2015 beantragte der Bevollmächtigte, im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren W 1030/13 eine Kostenentscheidung zu treffen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hinblick auf einen unzulässigen Widerspruch bei falscher Widerspruchsbelehrung sei eine Kostenentscheidung in dem "Hauptwiderspruchsverfahren" zu treffen. Mit Schreiben vom 03.02.2016 wies der Beklagte sodann darauf hin, in den Widerspruchsverfahren W 1101/12 und B 1030/13 sei jeweils eine Kostengrundentscheidung getroffen worden. Es bestehe kein Anlass, eine weitere Kostengrundentscheidung zu treffen. Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 02.03.2016, es könne zwar sein, dass der Beklagte die Sache mit der Kostenentscheidung anders sehe als er. Gleichwohl bitte er um den Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.04.2016 lehnte der Beklagte den Erlass einer "nochmaligen" Kostengrundentscheidung ab. Die notwendige Kostengrundentscheidung sei bereits mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 getroffen worden. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin am 02.05.2016 Widerspruch, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2016, dem Bevollmächtigten zugegangen am 18.05.2016, als unbegründet zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 20.06.2016 beim Sozialgericht eingegangene Klage.
Die Klägerin trägt vor, aus ihrer Sicht sei das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R) nur so zu verstehen, dass der Beklagte im Rahmen des Haupt-Widerspruchsverfahrens auch im Hinblick auf das unzulässige Widerspruchsverfahren gegen den mit einer falschen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Änderungsbescheid eine separate Kostenentscheidung zu treffen habe. Weiterhin verweist sie auf das Urteil des BSGE vom 19.06.2012 (B vier AS 142/11 R).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 07.04.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2016 zu verurteilen, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vom 22.08.2012 eine Kostengrundentscheidung im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren vom 11.04.2013 gegen den Bescheid vom 18.03.2013 zu treffen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das im Rahmen des Haupt-Widerspruchsverfahrens eine separate Kostenentscheidung im Hinblick auf den unzulässigen Widerspruch zu treffen sein soll, erschließe sich dem Beklagten nicht. Der Bescheid vom 18.03.2013 sei kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.07.2012 geworden. Die mit Bescheid vom 18.03.2013 vorgenommene Änderung der Leistungsbewilligung habe vorliegend ihre Berücksichtigung bei der Kostenentscheidung in dem Widerspruchsverfahren W 1101/12 gefunden. Etwas anderes ergebe sich nach dortigem Verständnis auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundessozialgerichts.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie hat keinen Anspruch auf den Erlass einer weiteren Kostengrundentscheidung in Bezug auf das Widerspruchsverfahren W 1101/12.
Einzig infrage kommende Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat danach der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Behörde, die "die Kostenentscheidung" getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Hieraus ergibt sich mittelbar, dass das Kostenerstattungsverfahren im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zwei Stufen hat. Die in § 63 Abs. 3 S. 1 genannte "Kostenentscheidung" - gemeinhin auch als Kostengrundentscheidung bezeichnet - sowie die Kostenfestsetzungsentscheidung. Die Kostengrundentscheidung bestimmt dabei, welcher Anteil (ausgedrückt in einer Quote) der notwendigen Kosten von der Behörde zu erstatten ist, während die Kostenfestsetzungsentscheidung regelt, wie hoch (ausgedrückt in Euro und Cent) die zu erstattenden Kosten sind. Beide Entscheidungen sind Verwaltungsakte im Sinne von § 31 S. 1 SGB X. Die Kostengrundentscheidung ergeht in der Regel im Rahmen des Abhilfebescheides, sofern die Behörde dem Widerspruch vollumfänglich abhilft, bzw. im Rahmen des Widerspruchsbescheides (sofern der Widerspruch ganz oder teilweise zurückgewiesen wird). Zwingend ist dies jedoch nicht; die Kostengrundentscheidung kann auch in Form eines selbständigen Verwaltungsaktes getroffen werden.
Im Vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine (weitere) Kostengrundentscheidung in Bezug auf das Widerspruchsverfahren W 1030/13. Denn die in Bezug auf dieses Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten sind Gegenstand der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015.
Im Ausgangspunkt ist es zwar richtig, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden die Behörde über die Kosten eines unzulässigen Widerspruchs gegen einen Änderungsbescheid, der bereits Gegenstand eines laufenden Widerspruchs ist, der aber mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, zu entscheiden hat. Insofern verweist die Klägerin im Ausgangspunkt zu Recht auf das Urteil des BSG vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R), wo es in Rn. 23 heißt:
"In dieser Verfahrenssituation kommt eine gesonderte Erstattung der Kosten nach § 63 SGB X nicht (mehr) in Betracht, auch soweit der Kläger durch die (fehlerhafte) Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung des (unzulässigen) Widerspruchs veranlasst worden sein sollte. Über die Kosten des Widerspruchs gegen einen solchen Bescheid ist (ausschließlich) in der Kostenentscheidung des Gerichtsverfahrens mitzuentscheiden, in das er einbezogen worden ist (so bereits BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R - Juris RdNr 12; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.10.2000 - L 16 KR 35/98 - Juris RdNr 70; Thüringer LSG Urteil vom 13.1.2010 - L 7 AS 1042/07 - Juris RdNr 12)."
Hieraus ergibt sich zunächst, dass die Kosten, die dem Widerspruchsführer durch den unzulässigen, aber durch die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung veranlassten Widerspruch gegen den Änderungsbescheid entstanden sind, zu den notwendigen außergerichtlichen Kosten eines eventuellen Klageverfahrens gegen den Ausgangsbescheid gehören, über die das Gericht nach § 193 SGG zu entscheiden hat. Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch, dass dann die entsprechenden Kosten auch zu den Kosten des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid gehören, sofern dieser nicht Gegenstand eines nachfolgenden Klageverfahrens wird.
Dies bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin aber nicht, dass (im Widerspruchsbescheid in Bezug auf den Ausgangsbescheid oder hiervon gesondert) eine von der "Hauptkostengrundentscheidung" (die den Erfolg des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid reflektiert) gesonderte Kostengrundentscheidung in Bezug auf die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten zu treffen wäre.
Das Vorstehende folgt nach Auffassung der Kammer gerade aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des BSG vom 19.06.2012 (B 3 AS 142/11 R). Dort hatte der Bevollmächtigte zunächst gegen einen Bescheid vom 23.07.2010 (Ausgangsbescheid) und sodann gegen einen Änderungsbescheid vom 09.09.2010 zu diesem Ausgangsbescheid Widerspruch erhoben. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid verwarf der Beklagte als unzulässig. Kosten seien nicht zu erstatten. Dem Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid half er teilweise ab und verfügte die Erstattung der Kosten in diesem Widerspruchsverfahren zu 7/10. Das BSG hielt die negative Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid in Bezug auf den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid für rechtmäßig. Am Schluss des Urteils (Rn. 20) führt das BSG sodann aus:
"Die Kostenentscheidung des Beklagten in dem Widerspruch [gegen den Änderungsbescheid] ist nicht deswegen aufzuheben, weil sie im Hinblick auf die Einbeziehung des Bescheides vom 9.9.2010 in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 23.7.2010 erst mit einer Entscheidung über diesen Widerspruch hätte getroffen werden dürfen. Die Kostenfolge des unzulässigen und damit erfolglosen Widerspruchs iS des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist die Nichterstattung der Aufwendungen des Widerspruchsführers. Hieran ändert es nichts, dass der Verwaltungsträger im Widerspruchsbescheid gegen den Ausgangsbescheid auch über die Kosten eines zum Gegenstand des Vorverfahrens nach § 86 SGG gewordenen Änderungsbescheids mitzuentscheiden hat. Dem ist der Beklagte hier im Übrigen auch nachgekommen."
Hieraus ergibt sich zwingend, dass nach Ansicht des BSG die "Hauptkostengrundentscheidung" die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten mit umfasst. Denn hier war im Widerspruchsbescheid bezüglich des Ausgangsbescheids gerade keine gesonderte Kostengrundentscheidung erfolgt.
Dass der Behörde bei Erlass dieser Kostengrundentscheidung es gegebenenfalls nicht bewusst ist, dass sie damit auch über die o.g. Kosten mitentscheidet, ist nicht relevant. Die Behörde will die Kosten des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid regeln, und diese umfassen auch die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten. Was zu den notwendigen Kosten eines Widerspruchsverfahrens gehört, ist Gegenstand der Kostenfestsetzungs- und nicht der Kostengrundentscheidung.
Der Klägerin bleibt es unbenommen, auf Grundlage der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid W 1010/12 die Erstattung der Kosten aus dem Widerspruchsverfahren W 1030/13 zu beantragen. Ob dies im Hinblick auf die bereits erfolgte Abrechnung noch Erfolg verspricht, muss hier nicht beantwortet werden. Die Kostenfestsetzung ist ein gesonderter Verwaltungsakt, der vorliegend nicht streitgegenständlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Kammer hat im Hinblick darauf, dass bereits bei dem Beklagten mehrere Widerspruchsverfahren bezüglich des gleichen rechtlichen Problems anhängig sind, sowohl die Berufung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG als auch die Sprungrevision (§ 161 Abs. 1, 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen
Kosten sind nicht zu erstatten.
Die Berufung und die Sprungrevision werden zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt von dem Beklagten eine Kostengrundentscheidung für ein Widerspruchsverfahren bezüglich eines Bescheides über Leistungen der Grundsicherung nach den Vorschriften des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch (SGB II), der einen anderen Bescheid abgeändert hatte, welcher bereits Gegenstand eines laufenden Widerspruchsverfahrens war.
Mit Bescheid vom 24.07.2012 bewilligte der Beklagte der Klägerin und ihren drei minderjährigen Kindern vorläufig Leistung der Grundsicherung für den Zeitraum 01.09.2012 bis 28.02.2013. Als Grund für die Vorläufigkeit wurde angegeben, dass der neue Abschlag für die Nebenkosten im Januar 2013 noch eingereicht werden musste. Dieser Bescheid wurde im Folgenden durch einen Bescheid vom 15.08.2012 in Bezug auf den gesamten oben genannten Zeitraum geändert. Am 22.08.2012 erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin und ihrer Kinder Widerspruch gegen den Bescheid vom 24.07.2012. Das Widerspruchsverfahren erhielt bei dem Beklagten das Aktenzeichen W 1101/12. Unter dem 09.11.2012 und dem 24.11.2012 ergingen weitere Änderungsbescheide. Mit Schreiben vom 04.03.2013 begründete der Bevollmächtigte den Widerspruch näher. Unter dem 18.03.2013 erließ der Beklagte zwei weitere Änderungsbescheide bezüglich der Zeiträume Oktober bis Dezember 2012 bzw. Januar und Februar 2013. Die Bescheide enthielten jeweils die Rechtsbehelfsbelehrung, dass innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch erhoben werden könne. Unter dem 03.04.2013 erging ein weiterer Änderungsbescheid bezüglich des Zeitraums Januar und Februar 2013. Am 11.04.2013 erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin und ihrer Kinder sodann Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 18.03.2013 bezüglich des Zeitraums Januar und Februar 2013. Dieser Widerspruch wurde beim Beklagten mit dem Aktenzeichen W 1030/13 geführt.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.09.2013 verwarf der Beklagte den Widerspruch W 1030/13 gegen den Änderungsbescheid vom 18.03.2013 als unzulässig. Der Bescheid vom 18.03.2013 sei nach § 86 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.07.2012 gewesen. Der Widerspruchsbescheid enthielt die Kostengrundentscheidung, nach der die entstandenen notwendigen Aufwendungen nicht erstattet worden. Klage gegen diesen Widerspruchsbescheid wurde nicht erhoben.
Mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 wies der Beklagte den Widerspruch W 1101/12 unter Einbeziehung der Änderungsbescheide vom 15.08.2012, 9. November 2012,420 November 2012 18.03.2013 und 03.04.2013 als unbegründet zurück. Die im Widerspruchsverfahren entstandenen notwendigen Aufwendungen würden zu neun Zehntel auf Antrag erstattet. Mit Eingang am 13.11.2015 beantragte der Bevollmächtigte für das Widerspruchsverfahren W 1101/12 die Erstattung von 515,15 EUR. Der Betrag wurde vom Beklagten nachfolgend angewiesen. Eine Klage gegen den Widerspruchsbescheid erfolgte ebenfalls nicht.
Mit Schreiben vom 16.11.2015 beantragte der Bevollmächtigte, im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren W 1030/13 eine Kostenentscheidung zu treffen. Gemäß der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hinblick auf einen unzulässigen Widerspruch bei falscher Widerspruchsbelehrung sei eine Kostenentscheidung in dem "Hauptwiderspruchsverfahren" zu treffen. Mit Schreiben vom 03.02.2016 wies der Beklagte sodann darauf hin, in den Widerspruchsverfahren W 1101/12 und B 1030/13 sei jeweils eine Kostengrundentscheidung getroffen worden. Es bestehe kein Anlass, eine weitere Kostengrundentscheidung zu treffen. Hierauf erwiderte der Bevollmächtigte mit Schreiben vom 02.03.2016, es könne zwar sein, dass der Beklagte die Sache mit der Kostenentscheidung anders sehe als er. Gleichwohl bitte er um den Erlass einer rechtsmittelfähigen Entscheidung.
Mit dem streitgegenständlichen Bescheid vom 07.04.2016 lehnte der Beklagte den Erlass einer "nochmaligen" Kostengrundentscheidung ab. Die notwendige Kostengrundentscheidung sei bereits mit Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015 getroffen worden. Hiergegen erhob der Bevollmächtigte namens der Klägerin am 02.05.2016 Widerspruch, welchen der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2016, dem Bevollmächtigten zugegangen am 18.05.2016, als unbegründet zurückwies.
Hiergegen richtet sich die am 20.06.2016 beim Sozialgericht eingegangene Klage.
Die Klägerin trägt vor, aus ihrer Sicht sei das Urteil des Bundessozialgerichts vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R) nur so zu verstehen, dass der Beklagte im Rahmen des Haupt-Widerspruchsverfahrens auch im Hinblick auf das unzulässige Widerspruchsverfahren gegen den mit einer falschen Rechtsbehelfsbelehrung versehenen Änderungsbescheid eine separate Kostenentscheidung zu treffen habe. Weiterhin verweist sie auf das Urteil des BSGE vom 19.06.2012 (B vier AS 142/11 R).
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 07.04.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2016 zu verurteilen, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens vom 22.08.2012 eine Kostengrundentscheidung im Hinblick auf das Widerspruchsverfahren vom 11.04.2013 gegen den Bescheid vom 18.03.2013 zu treffen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das im Rahmen des Haupt-Widerspruchsverfahrens eine separate Kostenentscheidung im Hinblick auf den unzulässigen Widerspruch zu treffen sein soll, erschließe sich dem Beklagten nicht. Der Bescheid vom 18.03.2013 sei kraft Gesetzes Gegenstand des Widerspruchsverfahrens gegen den Bescheid vom 24.07.2012 geworden. Die mit Bescheid vom 18.03.2013 vorgenommene Änderung der Leistungsbewilligung habe vorliegend ihre Berücksichtigung bei der Kostenentscheidung in dem Widerspruchsverfahren W 1101/12 gefunden. Etwas anderes ergebe sich nach dortigem Verständnis auch nicht aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des Bundessozialgerichts.
Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 S. 1 SGG. Sie hat keinen Anspruch auf den Erlass einer weiteren Kostengrundentscheidung in Bezug auf das Widerspruchsverfahren W 1101/12.
Einzig infrage kommende Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 63 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Soweit der Widerspruch erfolgreich ist, hat danach der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen zu erstatten. Die Behörde, die "die Kostenentscheidung" getroffen hat, setzt auf Antrag den Betrag der zu erstattenden Aufwendungen fest. Hieraus ergibt sich mittelbar, dass das Kostenerstattungsverfahren im Rahmen eines Widerspruchsverfahrens zwei Stufen hat. Die in § 63 Abs. 3 S. 1 genannte "Kostenentscheidung" - gemeinhin auch als Kostengrundentscheidung bezeichnet - sowie die Kostenfestsetzungsentscheidung. Die Kostengrundentscheidung bestimmt dabei, welcher Anteil (ausgedrückt in einer Quote) der notwendigen Kosten von der Behörde zu erstatten ist, während die Kostenfestsetzungsentscheidung regelt, wie hoch (ausgedrückt in Euro und Cent) die zu erstattenden Kosten sind. Beide Entscheidungen sind Verwaltungsakte im Sinne von § 31 S. 1 SGB X. Die Kostengrundentscheidung ergeht in der Regel im Rahmen des Abhilfebescheides, sofern die Behörde dem Widerspruch vollumfänglich abhilft, bzw. im Rahmen des Widerspruchsbescheides (sofern der Widerspruch ganz oder teilweise zurückgewiesen wird). Zwingend ist dies jedoch nicht; die Kostengrundentscheidung kann auch in Form eines selbständigen Verwaltungsaktes getroffen werden.
Im Vorliegenden Fall hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine (weitere) Kostengrundentscheidung in Bezug auf das Widerspruchsverfahren W 1030/13. Denn die in Bezug auf dieses Widerspruchsverfahren zu erstattenden Kosten sind Gegenstand der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid vom 05.10.2015.
Im Ausgangspunkt ist es zwar richtig, dass in einer Konstellation wie der vorliegenden die Behörde über die Kosten eines unzulässigen Widerspruchs gegen einen Änderungsbescheid, der bereits Gegenstand eines laufenden Widerspruchs ist, der aber mit einer unrichtigen Rechtsbehelfsbelehrung versehen ist, zu entscheiden hat. Insofern verweist die Klägerin im Ausgangspunkt zu Recht auf das Urteil des BSG vom 20.10.2010 (B 13 R 15/10 R), wo es in Rn. 23 heißt:
"In dieser Verfahrenssituation kommt eine gesonderte Erstattung der Kosten nach § 63 SGB X nicht (mehr) in Betracht, auch soweit der Kläger durch die (fehlerhafte) Rechtsbehelfsbelehrung zur Einlegung des (unzulässigen) Widerspruchs veranlasst worden sein sollte. Über die Kosten des Widerspruchs gegen einen solchen Bescheid ist (ausschließlich) in der Kostenentscheidung des Gerichtsverfahrens mitzuentscheiden, in das er einbezogen worden ist (so bereits BSG Urteil vom 18.12.2001 - B 12 KR 42/00 R - Juris RdNr 12; ebenso LSG Nordrhein-Westfalen Urteil vom 19.10.2000 - L 16 KR 35/98 - Juris RdNr 70; Thüringer LSG Urteil vom 13.1.2010 - L 7 AS 1042/07 - Juris RdNr 12)."
Hieraus ergibt sich zunächst, dass die Kosten, die dem Widerspruchsführer durch den unzulässigen, aber durch die unrichtige Rechtsbehelfsbelehrung veranlassten Widerspruch gegen den Änderungsbescheid entstanden sind, zu den notwendigen außergerichtlichen Kosten eines eventuellen Klageverfahrens gegen den Ausgangsbescheid gehören, über die das Gericht nach § 193 SGG zu entscheiden hat. Hieraus ergibt sich nach Auffassung der Kammer auch, dass dann die entsprechenden Kosten auch zu den Kosten des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid gehören, sofern dieser nicht Gegenstand eines nachfolgenden Klageverfahrens wird.
Dies bedeutet entgegen der Ansicht der Klägerin aber nicht, dass (im Widerspruchsbescheid in Bezug auf den Ausgangsbescheid oder hiervon gesondert) eine von der "Hauptkostengrundentscheidung" (die den Erfolg des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid reflektiert) gesonderte Kostengrundentscheidung in Bezug auf die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten zu treffen wäre.
Das Vorstehende folgt nach Auffassung der Kammer gerade aus dem von der Klägerin zitierten Urteil des BSG vom 19.06.2012 (B 3 AS 142/11 R). Dort hatte der Bevollmächtigte zunächst gegen einen Bescheid vom 23.07.2010 (Ausgangsbescheid) und sodann gegen einen Änderungsbescheid vom 09.09.2010 zu diesem Ausgangsbescheid Widerspruch erhoben. Den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid verwarf der Beklagte als unzulässig. Kosten seien nicht zu erstatten. Dem Widerspruch gegen den Ausgangsbescheid half er teilweise ab und verfügte die Erstattung der Kosten in diesem Widerspruchsverfahren zu 7/10. Das BSG hielt die negative Kostenentscheidung im Widerspruchsbescheid in Bezug auf den Widerspruch gegen den Änderungsbescheid für rechtmäßig. Am Schluss des Urteils (Rn. 20) führt das BSG sodann aus:
"Die Kostenentscheidung des Beklagten in dem Widerspruch [gegen den Änderungsbescheid] ist nicht deswegen aufzuheben, weil sie im Hinblick auf die Einbeziehung des Bescheides vom 9.9.2010 in das Vorverfahren gegen den Bescheid vom 23.7.2010 erst mit einer Entscheidung über diesen Widerspruch hätte getroffen werden dürfen. Die Kostenfolge des unzulässigen und damit erfolglosen Widerspruchs iS des § 63 Abs. 1 S. 1 SGB X ist die Nichterstattung der Aufwendungen des Widerspruchsführers. Hieran ändert es nichts, dass der Verwaltungsträger im Widerspruchsbescheid gegen den Ausgangsbescheid auch über die Kosten eines zum Gegenstand des Vorverfahrens nach § 86 SGG gewordenen Änderungsbescheids mitzuentscheiden hat. Dem ist der Beklagte hier im Übrigen auch nachgekommen."
Hieraus ergibt sich zwingend, dass nach Ansicht des BSG die "Hauptkostengrundentscheidung" die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten mit umfasst. Denn hier war im Widerspruchsbescheid bezüglich des Ausgangsbescheids gerade keine gesonderte Kostengrundentscheidung erfolgt.
Dass der Behörde bei Erlass dieser Kostengrundentscheidung es gegebenenfalls nicht bewusst ist, dass sie damit auch über die o.g. Kosten mitentscheidet, ist nicht relevant. Die Behörde will die Kosten des Widerspruchs gegen den Ausgangsbescheid regeln, und diese umfassen auch die durch den unzulässigen Widerspruch entstandenen Kosten. Was zu den notwendigen Kosten eines Widerspruchsverfahrens gehört, ist Gegenstand der Kostenfestsetzungs- und nicht der Kostengrundentscheidung.
Der Klägerin bleibt es unbenommen, auf Grundlage der Kostengrundentscheidung im Widerspruchsbescheid W 1010/12 die Erstattung der Kosten aus dem Widerspruchsverfahren W 1030/13 zu beantragen. Ob dies im Hinblick auf die bereits erfolgte Abrechnung noch Erfolg verspricht, muss hier nicht beantwortet werden. Die Kostenfestsetzung ist ein gesonderter Verwaltungsakt, der vorliegend nicht streitgegenständlich ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.
Die Kammer hat im Hinblick darauf, dass bereits bei dem Beklagten mehrere Widerspruchsverfahren bezüglich des gleichen rechtlichen Problems anhängig sind, sowohl die Berufung (§ 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG als auch die Sprungrevision (§ 161 Abs. 1, 2 i.V.m. § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG) zugelassen
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