Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
3
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2019/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 3 SB 4073/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. August 2013 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei dem im Jahr 1963 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Freiburg mit Bescheid vom 04.11.2003 einen GdB von 30 seit dem 04.08.2003 fest. In der zugrunde gelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 16.09.2003 wurden als Funktionsbeeinträchtigungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden" mit einem Einzel-GdB von 20, "Seelische Störung, psychovegetative Störungen, Schwindel" mit einem Einzel-GdB von 20 sowie "Bluthochdruck" mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt. Nach einem erfolglos durchgeführten Widerspruchs- und Klageverfahren (Zurückweisung der Berufung mit Beschluss vom 10.12.2007 durch den erkennenden Senat) stellte der Kläger am 07.08.2009 einen Änderungsantrag. Auf Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 08.10.2009, wonach aufgrund einer Verschlimmerung die Funktionsbeeinträchtigungen "Seelische Störung, psychovegetative Störungen, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus)" mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten seien, stellte das Landratsamt C. mit Bescheid vom 06.11.2009 einen GdB von 40 seit 07.08.2009 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2010 zurück. Er stellte fest, dass als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung zum festgestellten Bluthochdruck "Koronare Herzkrankheit" hinzukomme, ohne dass dies zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führe.
Hiergegen hat der Kläger am 19.04.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht ausreichend berücksichtigt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen und diverse ärztliche Unterlagen beigezogen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. hat mit Schreiben vom 14.06.2010 mitgeteilt, der Kläger habe sich bisher nicht in seiner Behandlung befunden, es seien von ihm keine Befunde erhoben worden. Gestützt auf die ihm vorliegenden Befunde schätze er die Beschwerden mit einem GdB von 70 ein. Der Orthopäde Dr. E. hat mit Schreiben vom 14.06.2010 angegeben, aus seiner Sicht sei der GdB mit weniger als 20 im orthopädischen Fachbereich anzusetzen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F. hat unter dem 28.06.2010 mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein altersentsprechendes Hörvermögen. Eine berichtete Tinnitussymptomatik sei nicht objektivierbar. Der berichtete gutartige Lagerungsschwindel sei eher etwas funktionell überlagert. Die Beurteilung mit einem GdB von 30 sei sehr weitreichend. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. hat unter dem 12.07.2010 ausgeführt, der Kläger sei von ihr zweimal untersucht, jedoch nie behandelt worden. Mit Schreiben vom 21.07.2010 hat der Orthopäde Dr. H. mitgeteilt, der auf orthopädischem Gebiet angegebene GdB sei zutreffend bewertet, lediglich für das rechte Kniegelenk solle ein GdB von 10 anerkannt werden. Der Facharzt für Radiologie Dr. I. hat mit Schreiben vom 14.10.2010 angegeben, beim Kläger sei eine Kernspintomographie des linken Kniegelenks sowie eine Untersuchung der Schilddrüse durchgeführt worden. Der Chirurg und Unfallchirurg Dr. J. hat unter dem 10.12.2010 ausgeführt, die Einschätzung des Versorgungsärztlichen Dienstes sei zutreffend. Der Kardiologe Prof. Dr. K. hat mit Schreiben vom 12.01.2011 mitgeteilt, die Einschätzung auf kardiologischem Fachgebiet decke sich mit der des Versorgungsärztlichen Dienstes. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Augenarzt Prof. Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser berichtet in seinem Gutachten vom 04.01.2012 von einer leichtgradigen Sehminderung am rechten Auge. Sämtliche weiteren Funktionsstörungen seien als geringfügig zu bezeichnen. Den GdB schätze er auf 0. Auf weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG ein weiteres Gutachten beim Kardiologen Dr. M. eingeholt, der in seinem Gutachten vom 09.07.2012 angegeben hat, dass die von kardiologischer Seite bestehenden Funktionsstörungen allenfalls geringfügig bis leicht ausgeprägt und mit einem GdB von 10 einzuschätzen seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen sowie die eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte wie auch die eingeholten Gutachten der festgestellte Gesamt-GdB von 40 nicht zu beanstanden sei.
Gegen den ihm am 22.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.09.2013 Berufung eingelegt. Er begründet diese mit einem Antrag nach 109 SGG auf Begutachtung durch den Neurologen PD Dr. N ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. August 2013 sowie den Bescheid vom 6. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat PD Dr. N., Neurologe, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 11.04.2014 hat PD Dr. N. die Einschätzung vertreten, der GdB des Klägers sei zutreffend mit 40 festgestellt. Der GdB für die auf neurologischem Fachgebiet befindlichen Gesundheitsstörungen Lumboischialgie bei Zustand nach Bandscheibenvorfall, Schwindelsymptomatik mit Tinnitus, Syndrom der unruhigen Beine und Schlafstörungen sei auf 30 festzulegen. Bezüglich der koronaren Herzkrankheit könne ausgehend von der Einschätzung des Prof. Dr. K. der GdB auf maximal 10 eingeschätzt werden. Im Bereich der orthopädischen Funktionsstörungen sei bezugnehmend auf die vorliegenden Unterlagen bezogen auf die damals bestehenden Kniegelenksbeschwerden rechts gemeinsam mit der Lumboischialgie ein GdB von 20 anzusetzen. Auf weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat den Facharzt für Orthopädie Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.12.2014 angegeben, beim Kläger bestehe ein chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres Cervicalsyndrom beidseits sowie ein chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres Lumbalsyndrom beidseits, das als sehr schwer, während das Cervicalsyndrom als mittelschwer einzustufen sei. Darüber hinaus bestehe eine Varusgonarthrose beidseits, die als mittelschwere Funktionsstörung einzuschätzen sei. Zudem leide der Kläger an einem Impingementsyndrom der Supraspinatussehne beider Schultergelenke, das als leicht einzuschätzen sei, sowie depressiven Episoden. Er schätze den GdB für die Kniegelenke auf 20, für die Hals- und Lendenwirbelsäule auf 30 und gesamt - bezogen auf das orthopädische Fachgebiet - auf 40.
In der Folge hat der Senat den Augenarzt Dr. P. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat von einer Minderung der Sehschärfe des rechten Auges berichtet, die mittelgradig ausgeprägt sei, einer Herabsetzung des räumlichen Sehens durch die Sehverschlechterung des rechten Auges, die leichtgradig ausgeprägt sei, sowie von Verzerrtsehen mit dem rechten Auge, das mittelgradig ausgeprägt sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführten Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, gemäß § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG vom 14.08.2013, mit dem die auf die Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2010 und auf Verurteilung des Beklagten, den GdB mit mindestens 50 festzustellen, gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt neben der Aufhebung dieses Gerichtsbescheides des SG die Aufhebung der Bescheide des Beklagten und dessen Verpflichtung, bei ihm den GdB mit mindestens 50 festzustellen.
Rechtsgrundlage ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Nach § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Gemäß § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15), dass - soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen und die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I 2904), 14.07.2010 (BGBl. I 928), 17.12.2010 (BGBl. I 2124), 28.10.2011 (BGBl. I 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, Juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. a in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 2 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, Juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist beim Kläger gegenüber dem Bescheid vom 04.11.2003 keine über den mit Bescheid vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2010 hinausgehende wesentliche Änderung der Gesundheitsverhältnisse eingetreten, sodass er keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit 07.08.2009 hat.
Hinsichtlich des Funktionssystems "Nervensystem und Psyche" sehen die VG, Teil B, Nr. 3.7 für psychovegetative oder psychische Störungen einen Rahmen von 0-20 vor. Nachdem der Gutachter Dr. N. diesbezüglich lediglich von einer subdepressiven Verstimmung mit Schlafstörungen berichtet und sich auch dem von ihm erhobenen psychischen Befund entnehmen lässt, dass sich beim Kläger keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen gezeigt haben und nur eine subdepressive Verstimmung mit Neigung zur Klagbarkeit ohne Suizidalität bei in der Beschwerdeschilderung bestehender Tendenz zur Aggravation besteht, erscheint die vom Beklagten vorgenommene Bewertung mit einem Einzel GdB von 30 als zu weitreichend. Diesbezüglich ist zu beachten, dass ausweislich der vorliegenden Akten keine psychiatrische Betreuung erfolgt. Die vom Kläger als behandelnde Psychiaterin angegebene Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Wunderlich hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage angegeben, dass sie den Kläger zuletzt am 03.08.2009 untersucht hat und eine Behandlung durch sie nicht erfolgt ist. Sie berichtet lediglich von Beschwerden im Zusammenhang mit einem Bandscheibenvorfall sowie einer rezidivierenden Lumbalgie. Die vom Beklagten zusätzlich berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen Schwindel und Tinnitus lassen sich nach den vorliegenden Unterlagen nur teilweise objektivieren. Der behandelnde HNO-Arzt Dr. F. hat angegeben, dass es sich bei den Schwindelbeschwerden um einen sogenannten gutartigen Lagerungsschwindel handelt. Diesbezüglich hat der Kläger nach seinen Angaben lediglich nicht täglich auftretende, meist bewegungsabhängige Schwindelattacken. Wesentliche Gleichgewichtsstörungen konnte auch der Gutachter PD Dr. N. nicht feststellen. Dr. F. hat darüber hinaus angegeben, dass eine Tinnitussymptomatik ihm gegenüber vom Kläger nicht vorgetragen worden ist. Auch fand sich im Rahmen seiner Untersuchungen jeweils ein altersentsprechender tonaudiometrischer Befund ohne objektivierbare Ohrgeräusche. Von einem Nachweis einer Tinnitussymptomatik kann damit nicht ausgegangen werden. Selbst unter Berücksichtigung des gutartigen Lagerungsschwindels ist eine Bewertung mit einem über einen Einzel-GdB von 20 hinausgehenden Einzel-GdB nicht angemessen. Ein solcher wäre erst anzunehmen bei einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), wofür hier keine Anhaltspunkte vorliegen.
Bezüglich des Funktionssystems "Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten" ergibt sich ebenfalls keine höhere Bewertung. Im Vordergrund stehen diesbezüglich degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden sowie Nervenwurzelreizerscheinungen. Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (VG, Teil B, Nr. 18.9). Die VG, Teil B, Nr. 18.9 sehen bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Einzel-GdB von 20 vor. Bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Einzel-GdB von 30, bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein solcher von 30-40 vorgesehen. Der Gutachter Dr. O. gibt in seinem Gutachten an, dass die Beweglichkeit der Halswirbelsäule hinsichtlich der Seitneigung noch in einem Ausmaß von rechts/links 20°/0°/20°, hinsichtlich der Rotation rechts/links in einem Ausmaß von 30°/0°/30° gegeben ist. Sensibilität und Motorik waren intakt. Ausgehend von den Normwerten nach der sog. Neutral-Null-Methode von 30-40° bezüglich der Seitneigung und 60-80° bezüglich der Rotation ist damit von einer deutlichen Einschränkung der Beweglichkeit auszugehen. Hinsichtlich der Lenden- und Brustwirbelsäule gibt der Gutachter eine geringwertig eingeschränkte Beweglichkeit in sämtlichen Ebenen an. Motorische Ausfälle konnte er nicht feststellen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Einschätzung mit einem Einzel GdB von 20 für mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt angemessen. Dass mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen, ist nach den von Dr. O. erhobenen Befunden nicht erkennbar. Im Übrigen deckt sich die Einschätzung mit einem Einzel-GdB von 20 auch mit der Einschätzung der behandelnden Orthopäden Dr. E. und Dr. H. in deren sachverständigen Zeugenaussagen. Neben den Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule bestehen solche im Bereich der Kniegelenke. Die VG, Teil B, Nr. 18.14 sehen für beidseitige geringwertige Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk (z.B. Streckung/Beugung bis 0°/0°/90°) einen GdB-Rahmen von 10-20 vor. Nach den von Dr. O. erhobenen Befunden zeigte sich an den Kniegelenken eine mögliche Extension/Flexion von 0°/0°/120° beidseits. Ausgehend von den Normwerten der sog. Neutral-Null-Methode von 5-10°/0°/130° liegt damit keine übermäßige Bewegungseinschränkung vor. Zudem konnte Dr. O. keine Reizerscheinungen wie Ergüsse und lediglich erstgradig gelockerte Seitenbänder feststellen. Die Beurteilung mit einem Einzel-GdB von 10 ist damit ausreichend.
Betreffend das Funktionssystem "Herz und Kreislauf" ist nach dem kardiologischen Gutachten von Dr. M. vom Bestehen einer koronaren Herzkrankheit Stadium II sowie arterieller Hypertonie auszugehen. Hierfür sehen die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 bei Einschränkungen der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnten starken Belastungen (z.B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h]), schwere körperliche Arbeit) und ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung einen GdB-Rahmen von 0-10 vor. Dr. M. berichtet davon, dass der Blutdruck aktuell gut eingestellt ist und sich im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen eine gute Belastbarkeit gezeigt hat. Insbesondere im durchgeführten Belastungs-EKG hat sich keine körperliche Einschränkung gezeigt. So war der Kläger bis 175 Watt belastbar. Im Herz-Ultraschall hat sich eine normale Herzkraft gefunden, außerdem kein relevanter Klappenfehler. Vorstellbar sind nach seinen Angaben bei beispielsweise schwankenden Blutdruckwerten allenfalls leichte Atemnot oder Schwindel. Vor diesem Hintergrund ist - der Einschätzung von Dr. M. folgend - aufgrund der nicht ausschließbaren leichten Atemnot und Schwindel bei Blutdruckschwankungen - eine Bewertung mit einen Einzel-GdB von 10 grenzwertig angemessen.
Zum Funktionssystem "Sehorgan" liegen nach dem Gutachten von Prof. Dr. L. bezüglich des linken Auges altersentsprechende unauffällige Befunde vor. Er geht von einer korrigierten Sehschärfe nach DIN-Norm 58220 - wie von den VG, Teil B, Nr. 4 verlangt - von 0,8 am linken Auge aus. Am rechten Auge besteht eine abgelaufene entzündliche Netzhaut-Aderhauterkrankung, eine Minderung der Sehschärfe mit gleichzeitiger Beeinträchtigung des Farben- und Kontrastsehens sowie sekundär der räumlichen Wahrnehmung. Hinsichtlich des rechten Auges geht der Gutachter von einer korrigierten Sehschärfe von 0,3 aus. Dies deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben des behandelnden Augenarztes Dr. P ... Dieser hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage gegenüber dem Senat angegeben, dass am linken Auge eine korrigierte Sehschärfe von 0,8, am rechten Auge eine solche von 0,4 besteht. Ausgehend von der sich in den VG, Teil B, Nr. 4.3 befindlichen Tabelle entspricht dies einem Einzel-GdB von 10.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 für "Seelische Störung, Psychovegetative Störung", Einzel-GdB 20 für "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen", Einzel-GdB 10 für "Funktionsstörung beider Kniegelenke", Einzel-GdB 10 für "Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit" und Einzel-GdB 10 für "Sehminderung") hat der Beklagte und ihm folgend das SG im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass sich kein höherer Gesamt-GdB als der bereits festgestellte Gesamt-GdB von 40 begründen lässt. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Bei der Bemessung des Gesamt-GdB ist auch ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen insgesamt nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen einen Gesamt-GdB von 50 oder höher begründen.
Soweit der Senat eine teilweise abweichende Einschätzung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen vorgenommen hat, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbescheids über das Vorliegen und den GdB nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, bildet, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben (§ 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 und Abs. 3 SGB IX). Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R, juris). So genannte Einzel-GdB, die den GdB separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung. Eine Auswirkung auf die Bildung des Gesamt-GdB ergibt sich im Übrigen hieraus durch das Verbot einer reformatio in peius nicht.
Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf einen höheren GdB als den festgestellten GdB von 40, so dass sich der Bescheid des Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2010 als rechtmäßig erweist. Der Gerichtsbescheid des SG, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, ist folglich rechtmäßig.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Höhe des beim Kläger festzustellenden Grades der Behinderung (GdB) streitig.
Bei dem im Jahr 1963 geborenen Kläger stellte das Versorgungsamt Freiburg mit Bescheid vom 04.11.2003 einen GdB von 30 seit dem 04.08.2003 fest. In der zugrunde gelegten versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. A. vom 16.09.2003 wurden als Funktionsbeeinträchtigungen "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden" mit einem Einzel-GdB von 20, "Seelische Störung, psychovegetative Störungen, Schwindel" mit einem Einzel-GdB von 20 sowie "Bluthochdruck" mit einem Einzel-GdB von 10 berücksichtigt. Nach einem erfolglos durchgeführten Widerspruchs- und Klageverfahren (Zurückweisung der Berufung mit Beschluss vom 10.12.2007 durch den erkennenden Senat) stellte der Kläger am 07.08.2009 einen Änderungsantrag. Auf Grundlage der versorgungsärztlichen Stellungnahme von Dr. B. vom 08.10.2009, wonach aufgrund einer Verschlimmerung die Funktionsbeeinträchtigungen "Seelische Störung, psychovegetative Störungen, Schwindel, Ohrgeräusche (Tinnitus)" mit einem Einzel-GdB von 30 zu bewerten seien, stellte das Landratsamt C. mit Bescheid vom 06.11.2009 einen GdB von 40 seit 07.08.2009 fest. Den hiergegen eingelegten Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.04.2010 zurück. Er stellte fest, dass als zusätzliche Funktionsbeeinträchtigung zum festgestellten Bluthochdruck "Koronare Herzkrankheit" hinzukomme, ohne dass dies zu einer Erhöhung des Gesamt-GdB führe.
Hiergegen hat der Kläger am 19.04.2010 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Zur Begründung hat er vorgetragen, die vorliegenden Gesundheitsstörungen seien nicht ausreichend berücksichtigt.
Das SG hat die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen einvernommen und diverse ärztliche Unterlagen beigezogen. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. D. hat mit Schreiben vom 14.06.2010 mitgeteilt, der Kläger habe sich bisher nicht in seiner Behandlung befunden, es seien von ihm keine Befunde erhoben worden. Gestützt auf die ihm vorliegenden Befunde schätze er die Beschwerden mit einem GdB von 70 ein. Der Orthopäde Dr. E. hat mit Schreiben vom 14.06.2010 angegeben, aus seiner Sicht sei der GdB mit weniger als 20 im orthopädischen Fachbereich anzusetzen. Der Hals-Nasen-Ohrenarzt Dr. F. hat unter dem 28.06.2010 mitgeteilt, beim Kläger bestehe ein altersentsprechendes Hörvermögen. Eine berichtete Tinnitussymptomatik sei nicht objektivierbar. Der berichtete gutartige Lagerungsschwindel sei eher etwas funktionell überlagert. Die Beurteilung mit einem GdB von 30 sei sehr weitreichend. Die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. G. hat unter dem 12.07.2010 ausgeführt, der Kläger sei von ihr zweimal untersucht, jedoch nie behandelt worden. Mit Schreiben vom 21.07.2010 hat der Orthopäde Dr. H. mitgeteilt, der auf orthopädischem Gebiet angegebene GdB sei zutreffend bewertet, lediglich für das rechte Kniegelenk solle ein GdB von 10 anerkannt werden. Der Facharzt für Radiologie Dr. I. hat mit Schreiben vom 14.10.2010 angegeben, beim Kläger sei eine Kernspintomographie des linken Kniegelenks sowie eine Untersuchung der Schilddrüse durchgeführt worden. Der Chirurg und Unfallchirurg Dr. J. hat unter dem 10.12.2010 ausgeführt, die Einschätzung des Versorgungsärztlichen Dienstes sei zutreffend. Der Kardiologe Prof. Dr. K. hat mit Schreiben vom 12.01.2011 mitgeteilt, die Einschätzung auf kardiologischem Fachgebiet decke sich mit der des Versorgungsärztlichen Dienstes. Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG den Augenarzt Prof. Dr. L. mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser berichtet in seinem Gutachten vom 04.01.2012 von einer leichtgradigen Sehminderung am rechten Auge. Sämtliche weiteren Funktionsstörungen seien als geringfügig zu bezeichnen. Den GdB schätze er auf 0. Auf weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat das SG ein weiteres Gutachten beim Kardiologen Dr. M. eingeholt, der in seinem Gutachten vom 09.07.2012 angegeben hat, dass die von kardiologischer Seite bestehenden Funktionsstörungen allenfalls geringfügig bis leicht ausgeprägt und mit einem GdB von 10 einzuschätzen seien.
Mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2013 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass gestützt auf die versorgungsärztlichen Stellungnahmen sowie die eingeholten sachverständigen Zeugenauskünfte wie auch die eingeholten Gutachten der festgestellte Gesamt-GdB von 40 nicht zu beanstanden sei.
Gegen den ihm am 22.08.2013 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 18.09.2013 Berufung eingelegt. Er begründet diese mit einem Antrag nach 109 SGG auf Begutachtung durch den Neurologen PD Dr. N ...
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 14. August 2013 sowie den Bescheid vom 6. November 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. April 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verweist zur Begründung seines Antrages auf die aus seiner Sicht zutreffenden Gründe des angefochtenen Gerichtsbescheids.
Auf Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat PD Dr. N., Neurologe, zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 11.04.2014 hat PD Dr. N. die Einschätzung vertreten, der GdB des Klägers sei zutreffend mit 40 festgestellt. Der GdB für die auf neurologischem Fachgebiet befindlichen Gesundheitsstörungen Lumboischialgie bei Zustand nach Bandscheibenvorfall, Schwindelsymptomatik mit Tinnitus, Syndrom der unruhigen Beine und Schlafstörungen sei auf 30 festzulegen. Bezüglich der koronaren Herzkrankheit könne ausgehend von der Einschätzung des Prof. Dr. K. der GdB auf maximal 10 eingeschätzt werden. Im Bereich der orthopädischen Funktionsstörungen sei bezugnehmend auf die vorliegenden Unterlagen bezogen auf die damals bestehenden Kniegelenksbeschwerden rechts gemeinsam mit der Lumboischialgie ein GdB von 20 anzusetzen. Auf weiteren Antrag des Klägers gemäß § 109 SGG hat der Senat den Facharzt für Orthopädie Dr. O. zum gerichtlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 27.12.2014 angegeben, beim Kläger bestehe ein chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres Cervicalsyndrom beidseits sowie ein chronisch rezidivierendes pseudoradikuläres Lumbalsyndrom beidseits, das als sehr schwer, während das Cervicalsyndrom als mittelschwer einzustufen sei. Darüber hinaus bestehe eine Varusgonarthrose beidseits, die als mittelschwere Funktionsstörung einzuschätzen sei. Zudem leide der Kläger an einem Impingementsyndrom der Supraspinatussehne beider Schultergelenke, das als leicht einzuschätzen sei, sowie depressiven Episoden. Er schätze den GdB für die Kniegelenke auf 20, für die Hals- und Lendenwirbelsäule auf 30 und gesamt - bezogen auf das orthopädische Fachgebiet - auf 40.
In der Folge hat der Senat den Augenarzt Dr. P. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat von einer Minderung der Sehschärfe des rechten Auges berichtet, die mittelgradig ausgeprägt sei, einer Herabsetzung des räumlichen Sehens durch die Sehverschlechterung des rechten Auges, die leichtgradig ausgeprägt sei, sowie von Verzerrtsehen mit dem rechten Auge, das mittelgradig ausgeprägt sei.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten beider Rechtszüge sowie auf die beim Beklagten für den Kläger geführten Schwerbehindertenakte, die Gegenstand der Entscheidungsfindung geworden sind, verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß §§ 143 und 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, gemäß § 151 SGG form- und fristgerechte sowie auch im Übrigen zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.
Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Aufhebung des Gerichtsbescheids des SG vom 14.08.2013, mit dem die auf die Abänderung des Bescheids des Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2010 und auf Verurteilung des Beklagten, den GdB mit mindestens 50 festzustellen, gerichtete Klage abgewiesen worden ist. Der Kläger erstrebt neben der Aufhebung dieses Gerichtsbescheides des SG die Aufhebung der Bescheide des Beklagten und dessen Verpflichtung, bei ihm den GdB mit mindestens 50 festzustellen.
Rechtsgrundlage ist § 48 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Danach ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben.
Nach § 2 Abs. 1 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) sind Menschen behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus dieser Definition folgt, dass für die Feststellung einer Behinderung sowie Einschätzung ihres Schweregrades nicht das Vorliegen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes entscheidend ist, sondern es vielmehr auf die Funktionsstörungen ankommt, die durch einen regelwidrigen Zustand verursacht werden. Nach § 69 Abs. 1 Satz 1 SGB IX stellen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden auf Antrag eines behinderten Menschen in einem besonderen Verfahren das Vorliegen einer Behinderung und den GdB fest. Als GdB werden dabei nach § 69 Abs. 1 Satz 4 SGB IX die Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach Zehnergraden abgestuft festgestellt. Eine Feststellung ist hierbei gemäß § 69 Abs. 1 Satz 6 SGB IX nur dann zu treffen, wenn ein GdB von wenigstens 20 vorliegt.
Gemäß § 70 Abs. 2 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15) wird das Bundesministerium für Arbeit und Soziales ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die medizinische Bewertung des GdB und die medizinischen Voraussetzungen für die Vergabe von Merkzeichen maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind. Zwar ist von dieser Ermächtigung noch kein Gebrauch gemacht worden, indes bestimmt § 159 Abs. 7 SGB IX in der Fassung ab 15.01.2015 (BGBl. II S. 15), dass - soweit noch keine Verordnung nach § 70 Abs. 2 SGB IX erlassen ist - die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 BVG und der aufgrund des § 30 Abs. 16 BVG in der Fassung ab 01.07.2011 (BGBl. I S. 2904) erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend gelten. Mithin ist für die konkrete Bewertung von Funktionsbeeinträchtigungen und die ab dem 01.01.2009 an die Stelle der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (AHP) getretene Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, § 30 Abs. 1 und § 35 Abs. 1 BVG (VersMedV) vom 10.12.2008 (BGBl. I 2412), die durch die Verordnungen vom 01.03.2010 (BGBl. I 2904), 14.07.2010 (BGBl. I 928), 17.12.2010 (BGBl. I 2124), 28.10.2011 (BGBl. I 2153) und 11.10.2012 (BGBl. I 2122) geändert worden ist, heranzuziehen. In den VG sind u.a. die Grundsätze für die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen (GdS) im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG festgelegt worden. Diese sind nach den VG, Teil A, Nr. 2 auch für die Feststellung des GdB maßgebend. Die VG stellen ihrem Inhalt nach ein antizipiertes Sachverständigengutachten dar. Dabei beruht das für die Auswirkungen von Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe an der Gesellschaft relevante Maß nicht allein auf der Anwendung medizinischen Wissens. Vielmehr ist die Bewertung des GdB auch unter Beachtung der rechtlichen Vorgaben sowie unter Heranziehung des Sachverstandes anderer Wissenszweige zu entwickeln (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, Juris).
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB gemäß § 69 Abs. 3 Satz 1 SGB IX nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Zur Feststellung des GdB werden in einem ersten Schritt die einzelnen nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen im Sinne von regelwidrigen (von der Norm abweichenden) Zuständen nach § 2 Abs. 1 SGB IX und die sich daraus ableitenden, für eine Teilhabebeeinträchtigung bedeutsamen Umstände festgestellt. In einem zweiten Schritt sind diese dann den in den VG genannten Funktionssystemen zuzuordnen und mit einem Einzel-GdB zu bewerten. In einem dritten Schritt ist dann - nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. a in der Regel ausgehend von der Beeinträchtigung mit dem höchsten Einzel-GdB - in einer Gesamtschau unter Berücksichtigung der wechselseitigen Beziehungen der einzelnen Beeinträchtigungen der Gesamt-GdB zu bilden. Dabei können die Auswirkungen der einzelnen Beeinträchtigungen ineinander aufgehen (sich decken), sich überschneiden, sich verstärken oder beziehungslos nebeneinanderstehen. Außerdem sind nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b bei der Gesamtwürdigung die Auswirkungen mit denjenigen zu vergleichen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. Die Bemessung des GdB ist grundsätzlich tatrichterliche Aufgabe. Dabei hat insbesondere die Feststellung der nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen unter Heranziehung ärztlichen Fachwissens zu erfolgen. Darüber hinaus sind vom Tatsachengericht die rechtlichen Vorgaben zu beachten. Rechtlicher Ausgangspunkt ist stets § 2 Abs. 1 i.V.m. § 69 Abs. 1 und 3 SGB IX; danach sind insbesondere die Auswirkungen nicht nur vorübergehender Gesundheitsstörungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft maßgebend (BSG, Urteil vom 17.04.2013, B 9 SB 3/12 R, Juris).
Unter Berücksichtigung der dargelegten Grundsätze ist beim Kläger gegenüber dem Bescheid vom 04.11.2003 keine über den mit Bescheid vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.04.2010 hinausgehende wesentliche Änderung der Gesundheitsverhältnisse eingetreten, sodass er keinen Anspruch auf Feststellung eines GdB von mehr als 40 seit 07.08.2009 hat.
Hinsichtlich des Funktionssystems "Nervensystem und Psyche" sehen die VG, Teil B, Nr. 3.7 für psychovegetative oder psychische Störungen einen Rahmen von 0-20 vor. Nachdem der Gutachter Dr. N. diesbezüglich lediglich von einer subdepressiven Verstimmung mit Schlafstörungen berichtet und sich auch dem von ihm erhobenen psychischen Befund entnehmen lässt, dass sich beim Kläger keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen gezeigt haben und nur eine subdepressive Verstimmung mit Neigung zur Klagbarkeit ohne Suizidalität bei in der Beschwerdeschilderung bestehender Tendenz zur Aggravation besteht, erscheint die vom Beklagten vorgenommene Bewertung mit einem Einzel GdB von 30 als zu weitreichend. Diesbezüglich ist zu beachten, dass ausweislich der vorliegenden Akten keine psychiatrische Betreuung erfolgt. Die vom Kläger als behandelnde Psychiaterin angegebene Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. Wunderlich hat in ihrer sachverständigen Zeugenaussage angegeben, dass sie den Kläger zuletzt am 03.08.2009 untersucht hat und eine Behandlung durch sie nicht erfolgt ist. Sie berichtet lediglich von Beschwerden im Zusammenhang mit einem Bandscheibenvorfall sowie einer rezidivierenden Lumbalgie. Die vom Beklagten zusätzlich berücksichtigten Funktionsbeeinträchtigungen Schwindel und Tinnitus lassen sich nach den vorliegenden Unterlagen nur teilweise objektivieren. Der behandelnde HNO-Arzt Dr. F. hat angegeben, dass es sich bei den Schwindelbeschwerden um einen sogenannten gutartigen Lagerungsschwindel handelt. Diesbezüglich hat der Kläger nach seinen Angaben lediglich nicht täglich auftretende, meist bewegungsabhängige Schwindelattacken. Wesentliche Gleichgewichtsstörungen konnte auch der Gutachter PD Dr. N. nicht feststellen. Dr. F. hat darüber hinaus angegeben, dass eine Tinnitussymptomatik ihm gegenüber vom Kläger nicht vorgetragen worden ist. Auch fand sich im Rahmen seiner Untersuchungen jeweils ein altersentsprechender tonaudiometrischer Befund ohne objektivierbare Ohrgeräusche. Von einem Nachweis einer Tinnitussymptomatik kann damit nicht ausgegangen werden. Selbst unter Berücksichtigung des gutartigen Lagerungsschwindels ist eine Bewertung mit einem über einen Einzel-GdB von 20 hinausgehenden Einzel-GdB nicht angemessen. Ein solcher wäre erst anzunehmen bei einer stärker behindernden Störung mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit (z.B. ausgeprägtere depressive, hypochondrische, asthenische oder phobische Störungen, Entwicklungen mit Krankheitswert, somatoforme Störungen), wofür hier keine Anhaltspunkte vorliegen.
Bezüglich des Funktionssystems "Haltungs- und Bewegungsorgane, rheumatische Krankheiten" ergibt sich ebenfalls keine höhere Bewertung. Im Vordergrund stehen diesbezüglich degenerative Veränderung der Wirbelsäule, Bandscheibenschaden sowie Nervenwurzelreizerscheinungen. Der GdB bei angeborenen und erworbenen Wirbelsäulenschäden ergibt sich primär aus dem Ausmaß der Bewegungseinschränkung, der Wirbelsäulenverformung und -instabilität sowie aus der Anzahl der betroffenen Wirbelsäulenabschnitte (VG, Teil B, Nr. 18.9). Die VG, Teil B, Nr. 18.9 sehen bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) einen Einzel-GdB von 20 vor. Bei schweren funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität schweren Grades, häufig rezidivierende und Wochen andauernde ausgeprägte Wirbelsäulensyndrome) ist ein Einzel-GdB von 30, bei mittelgradigen bis schweren funktionellen Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten ein solcher von 30-40 vorgesehen. Der Gutachter Dr. O. gibt in seinem Gutachten an, dass die Beweglichkeit der Halswirbelsäule hinsichtlich der Seitneigung noch in einem Ausmaß von rechts/links 20°/0°/20°, hinsichtlich der Rotation rechts/links in einem Ausmaß von 30°/0°/30° gegeben ist. Sensibilität und Motorik waren intakt. Ausgehend von den Normwerten nach der sog. Neutral-Null-Methode von 30-40° bezüglich der Seitneigung und 60-80° bezüglich der Rotation ist damit von einer deutlichen Einschränkung der Beweglichkeit auszugehen. Hinsichtlich der Lenden- und Brustwirbelsäule gibt der Gutachter eine geringwertig eingeschränkte Beweglichkeit in sämtlichen Ebenen an. Motorische Ausfälle konnte er nicht feststellen. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Einschätzung mit einem Einzel GdB von 20 für mittelgradige funktionelle Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt angemessen. Dass mittelgradige bis schwere funktionelle Auswirkungen in zwei Wirbelsäulenabschnitten vorliegen, ist nach den von Dr. O. erhobenen Befunden nicht erkennbar. Im Übrigen deckt sich die Einschätzung mit einem Einzel-GdB von 20 auch mit der Einschätzung der behandelnden Orthopäden Dr. E. und Dr. H. in deren sachverständigen Zeugenaussagen. Neben den Einschränkungen im Bereich der Wirbelsäule bestehen solche im Bereich der Kniegelenke. Die VG, Teil B, Nr. 18.14 sehen für beidseitige geringwertige Bewegungseinschränkungen im Kniegelenk (z.B. Streckung/Beugung bis 0°/0°/90°) einen GdB-Rahmen von 10-20 vor. Nach den von Dr. O. erhobenen Befunden zeigte sich an den Kniegelenken eine mögliche Extension/Flexion von 0°/0°/120° beidseits. Ausgehend von den Normwerten der sog. Neutral-Null-Methode von 5-10°/0°/130° liegt damit keine übermäßige Bewegungseinschränkung vor. Zudem konnte Dr. O. keine Reizerscheinungen wie Ergüsse und lediglich erstgradig gelockerte Seitenbänder feststellen. Die Beurteilung mit einem Einzel-GdB von 10 ist damit ausreichend.
Betreffend das Funktionssystem "Herz und Kreislauf" ist nach dem kardiologischen Gutachten von Dr. M. vom Bestehen einer koronaren Herzkrankheit Stadium II sowie arterieller Hypertonie auszugehen. Hierfür sehen die VG, Teil B, Nr. 9.1.1 bei Einschränkungen der Herzleistung ohne wesentliche Leistungsbeeinträchtigung (keine Insuffizienzerscheinungen wie Atemnot, anginöse Schmerzen) selbst bei gewohnten starken Belastungen (z.B. sehr schnelles Gehen [7-8 km/h]), schwere körperliche Arbeit) und ohne Einschränkung der Sollleistung bei Ergometerbelastung einen GdB-Rahmen von 0-10 vor. Dr. M. berichtet davon, dass der Blutdruck aktuell gut eingestellt ist und sich im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen eine gute Belastbarkeit gezeigt hat. Insbesondere im durchgeführten Belastungs-EKG hat sich keine körperliche Einschränkung gezeigt. So war der Kläger bis 175 Watt belastbar. Im Herz-Ultraschall hat sich eine normale Herzkraft gefunden, außerdem kein relevanter Klappenfehler. Vorstellbar sind nach seinen Angaben bei beispielsweise schwankenden Blutdruckwerten allenfalls leichte Atemnot oder Schwindel. Vor diesem Hintergrund ist - der Einschätzung von Dr. M. folgend - aufgrund der nicht ausschließbaren leichten Atemnot und Schwindel bei Blutdruckschwankungen - eine Bewertung mit einen Einzel-GdB von 10 grenzwertig angemessen.
Zum Funktionssystem "Sehorgan" liegen nach dem Gutachten von Prof. Dr. L. bezüglich des linken Auges altersentsprechende unauffällige Befunde vor. Er geht von einer korrigierten Sehschärfe nach DIN-Norm 58220 - wie von den VG, Teil B, Nr. 4 verlangt - von 0,8 am linken Auge aus. Am rechten Auge besteht eine abgelaufene entzündliche Netzhaut-Aderhauterkrankung, eine Minderung der Sehschärfe mit gleichzeitiger Beeinträchtigung des Farben- und Kontrastsehens sowie sekundär der räumlichen Wahrnehmung. Hinsichtlich des rechten Auges geht der Gutachter von einer korrigierten Sehschärfe von 0,3 aus. Dies deckt sich im Wesentlichen mit den Angaben des behandelnden Augenarztes Dr. P ... Dieser hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage gegenüber dem Senat angegeben, dass am linken Auge eine korrigierte Sehschärfe von 0,8, am rechten Auge eine solche von 0,4 besteht. Ausgehend von der sich in den VG, Teil B, Nr. 4.3 befindlichen Tabelle entspricht dies einem Einzel-GdB von 10.
Unter Berücksichtigung der dargelegten Einzel-GdB-Werte (Einzel-GdB 20 für "Seelische Störung, Psychovegetative Störung", Einzel-GdB 20 für "Degenerative Veränderungen der Wirbelsäule, Bandscheibenschäden, Nervenwurzelreizerscheinungen", Einzel-GdB 10 für "Funktionsstörung beider Kniegelenke", Einzel-GdB 10 für "Bluthochdruck, Koronare Herzkrankheit" und Einzel-GdB 10 für "Sehminderung") hat der Beklagte und ihm folgend das SG im Ergebnis zutreffend festgestellt, dass sich kein höherer Gesamt-GdB als der bereits festgestellte Gesamt-GdB von 40 begründen lässt. Denn bei der Bildung des Gesamt-GdB ist nach den VG, Teil A, Nr. 2 und 3 von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und ist dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob der Ausgangswert also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen um 10, 20 oder mehr Punkte zu erhöhen ist, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Bei der Bemessung des Gesamt-GdB ist auch ein Vergleich mit anderen schwerwiegenden Erkrankungsbildern anzustellen. Denn nach den VG, Teil A, Nr. 3 Buchst. b sind bei der Gesamtwürdigung der verschiedenen Funktionsbeeinträchtigungen unter Berücksichtigung aller sozialmedizinischen Erfahrungen Vergleiche mit Gesundheitsschäden anzustellen, für die in der GdB-Tabelle der VG feste Grade angegeben sind. Gemessen an diesen Voraussetzungen sind die beim Kläger bestehenden Erkrankungen insgesamt nicht mit Gesundheitsschäden zu vergleichen, deren Funktionsbeeinträchtigungen einen Gesamt-GdB von 50 oder höher begründen.
Soweit der Senat eine teilweise abweichende Einschätzung einzelner Funktionsbeeinträchtigungen vorgenommen hat, ist darauf hinzuweisen, dass maßgeblicher Regelungsinhalt eines Feststellungsbescheids über das Vorliegen und den GdB nicht die Frage, wie einzelne Funktionsbeeinträchtigungen für sich genommen zu bewerten sind, bildet, sondern welche Folgen sich aus ihrem Zusammenwirken für die Teilhabe des behinderten Menschen am Leben der Gesellschaft insgesamt ergeben (§ 69 Abs. 1 Satz 1 und Satz 4 und Abs. 3 SGB IX). Das Schwerbehindertenrecht kennt nur einen Gesamtzustand der Behinderung, den gegebenenfalls mehrere Funktionsbeeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit bestimmen (vgl. BSG, Urteil vom 24.06.1998, B 9 SB 17/97 R, juris). So genannte Einzel-GdB, die den GdB separat für eine einzelne Erkrankung bzw. Funktionseinschränkung im Bescheid ausweisen, sind nur Begründungselemente (§ 35 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch) des Gesamt-GdB; nur letzterer steht im Verfügungssatz des Bescheids und hat Feststellungswirkung. Eine Auswirkung auf die Bildung des Gesamt-GdB ergibt sich im Übrigen hieraus durch das Verbot einer reformatio in peius nicht.
Der Kläger hat somit keinen Anspruch auf einen höheren GdB als den festgestellten GdB von 40, so dass sich der Bescheid des Beklagten vom 06.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.04.2010 als rechtmäßig erweist. Der Gerichtsbescheid des SG, mit dem die Klage abgewiesen worden ist, ist folglich rechtmäßig.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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