S 17 AS 3567/12

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Leipzig (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
17
1. Instanz
SG Leipzig (FSS)
Aktenzeichen
S 17 AS 3567/12
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Leitsätze
Die Klage eines sogenannten "Reichsbürgers" ohne erkennbares Rechtsschutzziel ist unzulässig.
Die Klage wird abgewiesen. Der Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen einen Entziehungsbescheid über Arbeitslosengeld II, einen Sanktionsbescheid nach § 31 SGB II und erhebt weitere unklare Forderungen.

Der Kläger ist 1971 geboren, war seit 2006 arbeitslos und bezog Arbeitslosengeld II. Für Oktober bis Dezember 2012 bewilligte ihm der Beklagte am 16.08.2012 je 576,89 EUR. Begründet mit fehlender Mitwirkung und § 66 SGB I entzog ihm der Beklagte die Leistungen am 10.09.2012 ab 01.10.2012. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 02.10.2012).

Mit der Begründung, der Kläger habe eine ihm angebotene Maßnahme zur Eingliederung in Arbeit nicht aufgenommen, minderte der Beklagte das Arbeitslosengeld II des Klägers mit Bescheid vom 23.10.2012 um 30 % des maßgebenden Regelbedarfs, absolut 112,20 EUR monatlich, für den Zeitraum November 2012 bis Januar 2013. Für die Monate November und Dezember 2012 sowie Januar 2013 wurden mit Bescheid vom 16.11.2012 (wieder) Leistungen bewilligt, und zwar nach Abzug des Sanktionsbetrags i.H.v. 464,69 EUR monatlich. Auch der gegen den Sanktionsbescheid vom 23.10.2012 gerichtete Widerspruch wurde – am 19.12.2012 - zurückgewiesen. Mit Bescheid vom 24.12.2012 änderte der Beklagte den Zahlbetrag für Januar 2013 auf 470,29 EUR, weiterhin unter Umsetzung der Sanktion.

Der Kläger hat bereits am 29.10.2012 mit einem nicht unterschriebenen Schriftsatz u.a. gegen die Bescheide vom 10.09. und 23.10.2012 Klage erhoben. In der sehr ausführlichen Klagebegründung, in der er teils als "R. von Z." auftritt, bekennt sich der Kläger als sog. Reichsbürger und spricht mit Bezugnahme auf eine Enzyklopädie "aller Künste und Wissenschaften" sowie historische, politische, philosophische, biblische und belletristische Inhalte an: möglicherweise nur angedrohte, abgesehen vom o.g. Sanktionsbescheid nicht konkreter bezeichnete Sanktionen des Beklagten gegen den Kläger, Verschleppung und unsachgemäße Bearbeitung eines Antrags, behauptete Straftaten von Mitarbeitern des Beklagten, behauptete Menschenrechtsverletzungen durch den Beklagten, Wiedergutmachungsforderungen von insgesamt mehreren hunderttausend Euro ("zahlbar ersatzweise in Feinunzen Gold und Silber"), eine anstehende Klärung der Rechtsnatur des Beklagten, die Ziele eines an den Beklagten gerichteten Verbots, Verwaltungsakte zu erlassen, die Möglichkeit der Ersetzung einer Eingliederungsvereinbarung durch einen Verwaltungsakt abzuschaffen (ein bereits gegen ihn erlassener Verwaltungsakt dieses Inhalts sei nichtig), den Beklagten und das Sozialamt abzuschaffen, das Arbeitslosengeld II in eine nicht auf dem SGB II beruhende Sozialleistung umzuwandeln und es bzw. die neue Sozialleistung zu erhöhen. Auch seine Berechtigung, dem Beklagten teils geschwärzte Kontoauszüge vorzulegen, wird erwähnt, ebenso Sachverhalte der Zwangsvollstreckung, zu denen Kopien aus Verwaltungsverfahren beigelegt worden sind. Als Rechts- bzw. Anspruchsgrundlagen werden zahlreiche meist nicht sozialrechtliche Rechtsvorschriften, auch des Verfassungsrechts und aus völkerrechtlichen Verträgen, benannt.

Einen Antrag stellt der Kläger nicht.

Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 19.10.2016 die beiden angefochtenen Bescheide aufgehoben sowie ein Kostengrundanerkenntnis erklärt. Er beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Kläger lehnt auch nach dem Beklagtenschriftsatz vom 19.10.2016 eine Klagerücknahme ab. Zwischen ihm und dem Beklagten bestehe weiterhin ein rechtsgültiger "Handelsvertrag"; der Schriftsatz enthalte ein Schuldeingeständnis des Beklagten, nach dem seine "Wiedergutmachung und Strafschadensforderung" erst recht berechtigt sei.

Der Vorsitzende hat die Beteiligten mit Verfügung vom 24.02.2016 zum Erlass eines Gerichtsbescheids angehört. Außerdem hat er damals nachgefragt, was mit der Klage erreicht werden soll, und darauf hingewiesen, wenn es trotz Nachfrage unklar bleibe, was das Gericht dem Kläger zusprechen soll, müsse die Klage als unzulässig abgewiesen werden.

Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die Akten des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer entscheidet ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind auch angehört worden (vgl. § 105 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).

Die Klage ist bereits unzulässig.

Soweit der Kläger weiterhin die vom Beklagten bereits aufgehobenen Bescheide vom 10.09. (Leistungsentziehung für Oktober bis Dezember 2012) und 23.10.2012 (Minderung des Arbeitslosengelds II um je 112,20 EUR für November 2012 bis Januar 2013) anficht, fehlt es im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung sowohl an der Klagebefugnis nach § 54 Abs. 1 Satz 2 SGG als auch am allgemeinen Rechtsschutzinteresse. Nachdem der Beklagte die Bescheide aufgehoben hat, ist die Beschwer des Klägers entfallen und könnte eine stattgebende Entscheidung des Gerichts seine Stellung weder rechtlich noch tatsächlich verbessern.

Soweit der Kläger weitere Forderungen erhebt, ist die Klage wegen Unbestimmtheit des Klageziels unzulässig. Der – auch nach Rückfrage zum Klageziel - ungeordneten Vermischung vager, unzusammenhängender Behauptungen, teils offensichtlich überzogener oder absurder Vorwürfe gegen den Beklagten oder einzelne seiner Mitarbeiter mit Begründungselementen aus Geschichte, Politik, Philosophie, Religion, Belletristik und dem deutschen und internationalen Recht vermag der Vorsitzende keine ernst zu nehmende Geltendmachung eines irgendwie gearteten sozialrechtlichen oder Amtshaftungsanspruchs nach § 839 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) zu entnehmen, die das Gericht im letztgenannten Fall zu einer Teilverweisung des Rechtsstreits an das zuständige Landgericht veranlassen müsste. Vielmehr scheint der Kläger das gerichtliche Verfahren lediglich als Bühne für die Darstellung seiner persönlichen Weltanschauung zu nutzen. Dies ist nicht Aufgabe eines sozialgerichtlichen Verfahrens.

Das Verfahren ist nach § 183 Satz 1 SGG gerichtskostenfrei. Die Kostenentscheidung beruht auf dem Kostengrundanerkenntnis des Beklagten.
Rechtskraft
Aus
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