L 3 U 52/98

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 26 U 90/97
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 52/98
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 2 U 12/04 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1998 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist, ob bei dem Kläger eine Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) vorliegt und die Beklagte ihm wegen deren Folgen Entschädigungsleistungen zu gewähren hat.

Der am X.XXXX 1938 geborene Kläger war ab 1953 durchgehend als Maurer beschäftigt. Seit Februar 1996 bezieht er eine Rente wegen Berufsunfähigkeit.

Mit Schreiben vom 16. Januar 1995 zeigte der Orthopäde Dr. S. der Beklagten an, dass der Kläger am 9. Januar 1995 wegen Schmerzen im Rücken, der linken Hüfte und in beiden Armen seine Tätigkeit als Maurer eingestellt habe. Er diagnostizierte das Vorliegen eines mechanischen Kreuzschmerzes im Übergang vom 5. Lendenwirbelkörper zum 1. Sakralwirbelkörper (L5/S1) mit einem degenerativen Bandscheibenschaden, einer muskulären Wirbelsäuleninsuffizienz und Brachialgie beiderseits und war der Auffassung, dass hierfür die vom Kläger in gebückter und leicht vorgebeugter Haltung geleisteten Arbeiten ursächlich seien.

Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten hielt die arbeitstechnischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit für erfüllt. In seinem im Auftrag der Beklagten erstellten fachchirurgischen Zusammenhangsgutachten vom 22. April 1996 gelangte der Chirurg Dr. H. nach Untersuchung des Klägers und unter Berücksichtigung eines röntgenologischen Zusatzgutachtens Dr. K. vom 9. April 1996 zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK Nr. 2108 der Anlage zur BKV nicht gegeben seien. Es liege ein Verschleiß aller drei Wirbelsäulenabschnitte vor, wobei im Bereich der Hals- und Lendenwirbelsäule ein monosegmentaler Befall bestehe. Es fänden sich jedoch keine Funktionseinschränkungen der Lendenwirbelsäule, aber Hinweise auf eine durchgemachte Scheuermannsche Erkrankung und eine geringgradige Drehverbiegung der gesamten Brust- und Lendenwirbelsäule. Der monosegmentale Befall sei als schicksalsbedingt zu werten, da bei einer Belastung der Wirbelsäule durch schweres Heben und Tragen nicht nachvollziehbar sei, dass bevorzugt das Segment L5/S1 reagiert haben sollte.

Daraufhin lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 20. Juni 1996 die Gewährung einer Entschädigung ab. Die Tätigkeit als Maurer sei nicht geeignet, lediglich ein Segment der Wirbelsäule isoliert zu schädigen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach § 551 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) i.V.m. Nr. 2108 der Anlage zur BKV seien deshalb ebenso wenig erfüllt wie jene auf der Grundlage des § 551 Abs. 2 RVO.

Der während des Widerspruchsverfahrens zusätzlich gehörte Orthopäde P. kam in seinem Gutachten vom 11. November 1996 nach Untersuchung des Klägers zu der zusammenfassenden Beurteilung, dass eine bandscheibenbedingte Erkrankung im engeren Sinne nicht vorliege. Die krankhaften Veränderungen im Bereich des Segments L5/S1 seien altersnormal. Zwar liege eine Osteochondrose vor; das Bild gebende Verfahren zeige jedoch weder einen Bandscheibenvorfall noch eine wesentliche Bandscheibenvorwölbung. Irgendeine Beschwerdesymptomatik gehe hiervon nicht aus.

Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 29. Januar 1997 als unbegründet zurück.

Mit seiner dagegen erhobenen Klage hat der Kläger im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Beklagte die BK zu Unrecht mit der Begründung abgelehnt habe, dass lediglich ein monosegmentaler Bandscheibenschaden vorliege.

Der vom Sozialgericht mit der Untersuchung und Begutachtung beauftragte Chirurg M. kam in seinem Gutachten vom 11. August 1997 ebenso wie der vorher von der Beklagten gehörte Orthopäde P. zu der Beurteilung, dass beim Kläger eine typische bandscheibenbedingte Erkrankung nicht vorliege. Hierfür fehle es über den Nachweis degenerativer Veränderungen im Sinne einer Osteochondrose, Spondylose oder Spondylarthrose hinaus an chronisch rezidivierenden Beschwerden und Funktionsausfällen. Die geklagten Beschwerden erklärten sich ausschließlich durch die hochgradige Fehlhaltung der Wirbelsäule, insbesondere die krankhafte Hohlverbiegung des lumbosakralen Übergangs. Im Übrigen sei der Ursachenzusammenhang deshalb zu verneinen, weil konkurrierende Ursachen außerberuflicher Art vorlägen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 26. Oktober 1998 die Klage unter Bezugnahme auf die Begründung in den angefochtenen Bescheiden abgewiesen. Ergänzend hat es ausgeführt, dass der Ursachenzusammenhang zwischen versicherter Tätigkeit und Wirbelsäulenschaden zwar nicht deshalb zu verneinen sei, weil lediglich ein monosegmentaler Bandscheibenschaden vorliege. Die Kausalität zur beruflichen Tätigkeit sei jedoch deshalb zu verneinen, weil bei dem Kläger eine derartige Fehlhaltung der Wirbelsäule vorliege, dass selbst ohne wirbelsäulebelastende Tätigkeit die Bandscheibe L5/S1 geschädigt wäre.

Gegen das am 28. Oktober 1998 zugestellte Urteil hat der Kläger am 5. November 1998 Berufung eingelegt. Er bestreitet, dass der bei ihm vorliegende fast vollständige Verlust der Bandscheibe L5/S1 altersnormal sei. Soweit die Gutachter von einem anlagebedingten Schaden ausgingen, würden sie verkennen, dass auch ein vorgeschädigter Körper unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehe. Es müsse deshalb geklärt werden, inwieweit die von ihm verrichtete körperlich außergewöhnlich schwere Berufstätigkeit zumindest wesentlich teilursächlich für seine Erkrankung sei. Im Übrigen gebe es derzeit weder eine herrschende medizinische Lehrmeinung, die einen mono- oder bisegmentalen Befall als Ausschlusskriterium für die Anerkennung einer BK gemäß Nr. 2108 der Anlage zur BKV bewerte noch allgemeine Erkenntnisse über ein so genanntes belastungskonformes Schadensbild. In seinem im Auftrag des Landessozialgerichts erstellten Gutachten vom 28. November 2001 kommt der Orthopäde Dr. N. nach Untersuchung des Klägers zu der Feststellung, dass trotz röntgenologisch gesicherter degenerativer Veränderungen an allen drei Wirbelsäulenabschnitten, insbesondere einer Osteochondrose im Bereich des Segmentes L5/S1 eine bandscheibenbedingte Erkrankung im medizinischen Sinne nicht zu belegen sei. Von einer solchen könne erst dann gesprochen werde, wenn zusätzlich zu dem röntgenmorphologischen Befund ein klinischer vorliege in Form einer segmentalen wie auch globalen Bewegungseinschränkung des betroffenen Wirbelsäulenabschnitts, eines durch Druck oder Stauchung auslösbaren segmentbezogenen Schmerzes und eines Hartspanns der segmental zugehörigen Muskulatur. Fakultativ seien segmentbezogene neurologische Befunde erforderlich. Alle diese Voraussetzungen lägen bei dem Kläger nicht vor. Es sei von einem chronischen unspezifischen Rückenschmerz auszugehen, bei dem Verschleißerscheinungen der Bandscheibe eine völlig untergeordnete Rolle spielten. Selbst bei Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung sei hierfür jedenfalls die berufliche Tätigkeit des Klägers nicht ursächlich. Vielmehr seien andere Ursachen zu nennen wie die Fehlstatik der Brustwirbelsäule, offensichtlich auf dem Boden einer durchgemachten Scheuermannschen Wachstumsstörung, verstärkt durch ein nicht unerhebliches Übergewicht mit deutlichem Bauchansatz, woraus eine erhebliche Fehlbelastung der lumbosakralen Bandscheibe resultiere.

Im Zeitraum vom 21. Februar bis 4. März 2002 wurde der Kläger in der E.-Klinik H. wegen einer Spinalstenose L3/L4 und L4/L5 stationär behandelt und eine knöcherne Dekompression L3/L4 und L4/L5, jeweils beidseits durchgeführt.

Nachfolgend hat der Sachverständige Dr. N. sein orthopädisches Gutachten durch eine schriftliche Stellungnahme vom 24. Februar 2003 ergänzt. Danach zeigten die vorliegenden Röntgenaufnahmen, dass es zwischen dem Jahre 2000 und 2002 zu einer deutlichen Zunahme der degenerativen Veränderungen im Segment L3/L4 gekommen sei. Aus dem Operationsbericht ergebe sich, dass eine ausgeprägte Arthrose der Wirbelgelenke L3/L4 und L4/L5 vorgelegen habe, die in Verbindung mit einer Vergrößerung der gelben Bänder zu einer Wirbelsäulenkanalverengung geführt hätte. Die Bandscheiben L3/L4 sowie L4/L5 seien in diesem Bericht ausdrücklich als unauffällig beschrieben worden. Es liege deshalb auch unter Berücksichtigung dieser Befunde eine bandscheibenbedingte Erkrankung beim Kläger nicht vor. Mittlerweile habe sich allerdings im Segment L3/L4 eine zunehmende Osteochondrose entwickelt, der jedoch ein klinischer Segmentbefund nicht zugeordnet werden könne. In dem am 2. April 2003 durchgeführten Erörterungstermin hat der Sachverständige Dr. N. seine Feststellungen und Beurteilung erläutert und zusätzlich im Einzelnen ausgeführt, weshalb nach seiner Auffassung selbst bei Annahme einer bandscheibenbedingten Erkrankung die berufliche Tätigkeit des Klägers hierfür nicht ursächlich sei.

Mit Beschluss vom 2. April 2003 hat das Gericht dem Antrag des Klägers auf Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz - SGG - stattgegeben und die Beauftragung des genannten Arztes Dr. B. von der Einzahlung eines Kostenvorschusses in Höhe von 2.500,- EUR abhängig gemacht. Der Kläger hat diesen Kostenvorschuss, auch nachdem ihm mit gerichtlichem Schreiben vom 23. Oktober 2003 eine letzte Frist hierfür von einem Monat gesetzt und er darauf hingewiesen worden ist, dass das Gutachten nach erfolglosem Fristablauf wegen Verschleppung nicht eingeholt werde, nicht eingezahlt.

Der Kläger trägt zusätzlich vor, es gebe neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse, die belegten, dass die Vorgutachter in diesem Verfahren eine Fehleinschätzung vorgenommen hätten. Vor allem die Beurteilung des Gutachters Dr. N., wonach eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht vorliege, sei vor dem Hintergrund des von dem Sachverständigen Dr. B. in einem Parallelverfahren erstatteten Gutachten ebenso wenig haltbar wie die zur Kausalitätsbeurteilung von ihm herangezogenen Kriterien.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1998 sowie den Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, den Kläger wegen der Folgen einer Berufskrankheit nach Nr. 2108 der Anlage der Berufskrankheiten Verordnung zu entschädigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 26. Oktober 1998 zurückzuweisen.

Sie tritt dem Vorbringen des Klägers unter Bezugnahme auf das angegriffene Urteil des Sozialgerichts und die zutreffende Beurteilung des Sachverständigen Dr. N. entgegen. Unabhängig davon, dass bereits eine bandscheibenbedingte Erkrankung bei dem Kläger nicht vorliege, spreche ein generalisiertes Leiden, wie es bei dem Kläger festgestellt worden sei, nach höchstrichterlicher Rechtsprechung regelmäßig gegen das Vorliegen einer BK gemäß Nr. 2108 der Anlage zur BKV. Der Auffassung des Gutachters Dr. B. sei nicht zu folgen, da ansonsten keinerlei Kriterien für die Abgrenzung berufsbedingter von sonstigen Erkrankungen der Lendenwirbelsäule zur Verfügung stünden. Allein mit der Feststellung der so genannten arbeitstechnischen Voraussetzungen könne das Vorliegen einer Berufskrankheit nicht begründet werden. Bei solchen weit verbreiteten Bandscheibenerkrankungen der Lendenwirbelsäule spreche auch keine Vermutung für einen Ursachenzusammenhang mit schwerer körperlicher Arbeit.

Das Gericht hat den medizinischen Sachverständigen Dr. N. im Senatstermin am 2. März 2004 eingehend vernommen. Hinsichtlich seiner gutachterlichen Aussagen sowie des übrigen Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der ausweislich der Niederschrift über diese Sitzung zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Beratung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte und zulässige, insbesondere fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers (§§ 143, 144, 151 SGG) ist nicht begründet. Im Ergebnis zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Auch zur Überzeugung des Senats ist der die Gewährung einer Entschädigung ablehnende Bescheid der Beklagten vom 20. Juni 1996 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 29. Januar 1997 rechtmäßig, da die gesundheitlichen Veränderungen des Klägers im Bereich seiner Lendenwirbelsäule nicht Folgen einer BK gemäß Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind.

Auf diesen Rechtsstreit finden noch die Vorschriften der RVO Anwendung, da wegen der Aufgabe der wirbelsäulenbelastenden Tätigkeit als Maurer im Januar 1995 ein Versicherungsfall vor dem Inkrafttreten des 7. Buchs Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) am 1. Januar 1997 im Streit ist (§ 212 SGB VII; Art. 36 Unfallversicherungs-Einordnungsgesetz).

Gemäß § 551 Abs. 1 RVO i.V.m. Nr. 2108 der Anlage zur BKV sind Berufskrankheiten bandscheibenbedingte Erkrankungen der Lendenwirbelsäule durch langjähriges Heben oder Tragen schwerer Lasten oder durch langjährige Tätigkeiten in extremer Rumpfbeugehaltung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Zwar erfüllt der Kläger - wovon die Beklagte zu Recht ausgegangen ist - die arbeitstechnischen Voraussetzungen einer ausreichend hohen und langen beruflichen Exposition durch Heben und Tragen schwerer Lasten während seiner mehr als 40-jährigen durchgehenden beruflichen Tätigkeit als Maurer.

Zur Überzeugung des Senats liegt bei ihm jedoch eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht vor. Allein eine solche Erkrankung fällt unter die vom Verordnungsgeber in die Liste der Berufskrankheiten aufgenommene BK. Voraussetzung ist hierfür - wie sich bereits aus dem Wortlaut "bandscheibenbedingte Erkrankungen" ergibt - neben einem objektivierten Schaden, der durch Veränderungen an der Bandscheibe verursacht ist, ein chronisches oder chronisch-rezidivierendes Krankheitsbild mit Funktionseinschränkungen (vgl. dazu Mehrtens-Perlebach, Kommentar zur BKV Stand 1/2004, Anm. 3 zu Nr. 2108 der Anlage zur BKV; III des Merkblatts des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung für die ärztliche Untersuchung, Bundesarbeitsblatt 3/93, S. 50; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 6. Auflage 1996, S. 529 f). Demgegenüber reicht das Vorliegen allein einer Osteochondrose, einer Spondylose oder einer Spondylarthrose ohne ursächlichen Bezug zu einer Bandscheibendegeneration und ohne ein dadurch bedingtes klinisches Beschwerdebild nicht aus (nicht eindeutig die Begründung der Bundesregierung im Entwurf zur Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung, Bundesratsdrucksache 773/92 vom 5. November 1992, Seite 8).

Aufgrund der vorliegenden Befundberichte und medizinischen Sachverständigengutachten, insbesondere der überzeugenden Ausführungen des Orthopäden Dr. N., liegt bei dem Kläger ein mit bildgebendem Verfahren nachgewiesener Bandscheibenschaden im Bereich L5/S1 im Sinne einer Osteochondrose vor, der jedoch nicht zu einem klinischen Beschwerdebild mit Funktionseinschränkungen geführt hat. Darüber hinaus besteht eine primäre Spondylarthrose (Verschleiß des Wirbelgelenks) ohne vorangehende Bandscheibendegeneration in den Segmenten L3/L4 und L4/L5 mit einer Einengung des Wirbelsäulenkanals ohne Schädigungen oder Vorwölbungen der Bandscheiben in diesen Abschnitten, wie sich aus dem Operationsbericht der E.-Klinik vom 22. Februar 2002 sowie dem Arztbrief der Diana-Klinik vom 28. März 2002 eindeutig ergibt. Die Diagnose lautete deshalb auch: Knöcherne Dekompression einer Spinalstenose L3/4 und L4/5. Eine Osteochondrose lag somit in diesen Segmenten zum damaligen Zeitpunkt nicht vor. Die von dem Sachverständigen Dr. N. nunmehr beschriebene Osteochondrose auch im Segment L 3/L4, die im Zeitpunkt der Aufgabe der belastenden Tätigkeit im Januar 1995 eindeutig nicht vorlag, stellt keine bandscheibenbedingte Erkrankung dar, weil, wie der Sachverständige zu Recht ausgeführt hat, ihr ebenfalls ein entsprechender Segmentbefund nicht zugeordnet werden kann.

Auch die früher tätig gewordenen medizinischen Sachverständigen P. und M. haben in Übereinstimmung mit Dr. N. nach jeweiliger Untersuchung des Klägers festgestellt, dass bei diesem eine typische bandscheibenbedingte Erkrankung nicht vorliegt.

Da somit in Würdigung der gesamten Aktenlage, insbesondere auf der Grundlage der überzeugenden Ausführungen des medizinischen Sachverständigen Dr. N. eine bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule nicht anzunehmen ist, konnte der Senat in diesem Rechtsstreit die Frage unbeantwortet lassen, ob eine solche mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Exposition des Klägers durch langjähriges Heben und Tragen schwerer Lasten zurückzuführen wäre (so genannte haftungsausfüllende Kausalität). Es konnte deshalb auch dahingestellt bleiben, ob die von dem medizinischen Sachverständigen Dr. B. in dem von Kläger genannten Parallelverfahren vertretene Auffassung zutreffend ist, wonach die bisher zur Feststellung der Berufsbedingtheit des bandscheibenbedingten Schadens von medizinischen Sachverständigen, insbesondere auch Dr. N., herangezogenen Kriterien wie Vorliegen eines belastungskonformen Schadensbildes, einer so genannten Linksverschiebung (altersvorauseilender Schaden) und Abwesenheit konkurrierender Ursachen aufgrund der von diesem Sachverständigen angeführten neueren Studien nicht mehr geeignet sind. Allerdings stellte sich dann die Frage, welche sonstigen Abgrenzungskriterien zur Verfügung stehen, um die berufliche Verursachung mit der erforderlichen hinreichenden Wahrscheinlichkeit festzustellen. Allein das Vorliegen der arbeitstechnischen Voraussetzungen sowie einer bandscheibenbedingten Erkrankung vermag nicht zur Bejahung einer BK zu führen, und die in § 9 Abs. 3 SGB VII zum Zwecke der Beweiserleichterung enthaltene widerlegbare Vermutung des Ursachenzusammenhangs kann zur Überzeugung des Senats keine Anwendung finden, da Erkrankungen der Lendenwirbelsäule eine Vielzahl von Ursachen beruflicher wie außerberuflicher Art haben können.

Die Kostenentscheidung beruht auf der Regelung des § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG. Es bedarf der höchstrichterlichen Klärung der Rechtsfrage, wie der Begriff der bandscheibenbedingten Erkrankung im Sinne der Nr. 2108 der Anlage zur BKV auszulegen ist, zumal die Begründung der Bundesregierung zu dem Entwurf der Zweiten Verordnung zur Änderung der Berufskrankheiten-Verordnung (a.a.O. S. 8) diese Frage nicht eindeutig beantwortet.
Rechtskraft
Aus
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