S 25 AS 448/13

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
25
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 25 AS 448/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 845/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig zwischen den Beteiligten ist ein Leistungsanspruch für den Zeitraum 01.01.2005 bis 10.09.2008.

Am 27.09.2004 stellte der Kläger erstmals einen Antrag bei dem Beklagten auf Grundsicherungsleistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Er bewohnte mit seiner Familie ein im Eigentum seiner Ehefrau stehendes Haus, das zum Teil auch anderweitig vermietet war. Bei der Antragsabgabe erklärte der Kläger hinsichtlich der Vermögensverhältnisse, dass nach dem Erwerb des Hauses ein Restvermögen von 250.000,- DM vorhanden gewesen sei. Hiervon seien nach und nach bei Bedarf weitere Beträge ausgegeben worden.

Bei einer persönlichen Vorsprache am 18.04.2005 konnte der Verbleib des Geldes nicht geklärt werden. Mit Bescheid vom 15.07.2005 forderte der Beklagte den Kläger unter Verweis auf die Möglichkeit der Versagung der Leistungen auf, Angaben zum Verbleib des Vermögens zu machen. Zudem wurden Angaben zur Zahlung von Zinsen und zu etwaigen Mieteinnahmen angefordert, sowie die Vorlage von Kontoauszügen.

Mit Schreiben vom 02.08.2005 führte der Kläger aus, dass das Restvermögen von 250.000,- DM für die Reparatur und die Renovierung des Hauses verbraucht worden sei. Es sei kein Vermögen mehr vorhanden. Es handele sich zudem um Vermögen der Tochter, das von der Mutter treuhänderisch verwaltet werde.

Der Beklagte forderte daraufhin von dem Kläger weitere Nachweise an, aus denen sich der Erwerb der Immobilie zur Absicherung der Tochter ergebe, dass der Erwerb und die Erhaltung der Immobilie durch das Vormundschaftsgericht genehmigt wurde, und wie sich die Kosten für die Reparatur/Renovierung zusammensetzten. Zudem erinnerte der Beklagte an die vollständige Erledigung der Aufforderung vom 15.07.2005 und wies darauf hin, dass die beantragten Leistungen nach §§ 60 und 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) versagt würden, wenn die entsprechenden Angaben nunmehr nicht fristgemäß eingehen würden. Mit Bescheid vom 08.09.2005 versagte der Beklagte die Leistungen wegen fehlender Mitwirkung und hilfsweise wegen fehlender Hilfebedürftigkeit. Den dagegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2005 zurück.

Im dagegen geführten Klageverfahren, das unter dem Az.: S 23 AS 355/05 geführt wurde, holte der Kläger die Mitwirkungshandlungen nach. Er reichte unter anderem die Mietverträge über zwei in seinem Haus vermietete Wohnungen ein, ausweislich derer Mieteinnahmen in Höhe von 225,00 Euro (Kaltmiete) für die eine Wohnung und 510,00 Euro (Kaltmiete) für die andere Wohnung erzielt wurden. Die Mieteinnahmen dienten der Tilgung der Darlehen. Der Lebensunterhalt sei durch Zahlungen von Angehörigen und Freunden aus Kanada und der Schweiz in Höhe von durchschnittlich 1.000,00 Euro monatlich sichergestellt. Dieses Geld diene der Überbrückung und die Zahlungen würden bei Bewilligung von Arbeitslosengeld II enden. Im Urteil vom 20.05.2009 führte das Gericht aus, dass am 11.09.2008 alle vom Beklagten geforderten Mitwirkungshandlungen nachgeholt worden seien, und dass für den dann beginnenden Zeitraum eine erneute Entscheidung zu ergehen habe. Auch für den Zeitraum bis zum 10.09.2008 habe der Beklagte nunmehr gemäß § 67 SGB I eine Ermessensentscheidung zu treffen.

Im Januar 2012 erkundigte sich der Kläger bei dem Beklagten nach dem Ausführungsbescheid. Ausweislich eines Aktenvermerks des Beklagten sollte, wenn der frühere Ausführungsbescheid nicht aufzufinden sei, ein neuer Bescheid erlassen werden.

Mit Bescheid vom 06.08.2012 lehnte der Beklagte die Leistunggewährung für den Zeitraum vom 01.01.2005 bis 10.09.2008 ab. Zur Begründung führte er zum Einen aus, dass die Hilfebedürftigkeit weiter unklar sei. Zum Anderen verwies er darauf, dass es sich um eine Ermessensentscheidung handele und dass der Kläger seiner Mitwirkungspflicht erst im Jahr 2008 nachgekommen sei. Mit weiterem Bescheid vom 06.08.2012 lehnte der Beklagte auch die Leistungsbewilligung für den Zeitraum ab 11.09.2008 ab. Mit Mitwirkungsaufforderung, ebenfalls vom 06.08.2012, forderte der Beklagte den Kläger zudem auf, Kontoauszüge, Steuerbescheide, Nachweise zu Hauslasten, Bescheid über die Eigenheimzulage sowie Lohnabrechnungen, jeweils für den Zeitraum bis 2008, einzureichen.

Gegen den Bescheid vom 06.08.2012 legte der Kläger Widerspruch ein.

Mit Schreiben vom 06.09.2012 und 11.12.2012 reichte der Kläger die angeforderten Nachweise ein. Er stellte zudem ausdrücklich klar, dass er Leistungen nur für die Zeit vom 01.01.2005 bis 10.09.2008 begehre.

Mit Widerspruchsbescheid vom 10.01.2013 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Zur Begründung führte er aus, dass der Kläger aus den Mieteinnahmen die Darlehensraten abzahlen könne und somit bereits diese bereiten Mittel zur Verfügung standen. Zudem seien monatlich 1.000,00 Euro Zahlungen von Angehörigen und Freunden erfolgt. Eine Hilfebedürftigkeit des Klägers sei nicht nachgewiesen. Es handele sich im Übrigen um eine Ermessensentscheidung. Der Beklagte habe sein Ermessen dahingehend ausgeübt, dass die Leistungen abgelehnt wurden. Zwar handele es sich um existenzsichernde Leistungen, da jedoch der Kläger die Mitwirkungshandlungen für die Zeit ab 2005 erst im Jahr 2008 erfüllt habe, und nach Abschluss des Gerichtsverfahrens im Jahr 2009 wieder bis Anfang des Jahres 2012 gewartet habe, bis er sich nach dem Stand der Sache erkundigt habe, sei nicht ersichtlich, dass die Leistungen tatsächlich existenzsichernd gewesen wären. Zudem sei zwischenzeitlich sogar das Haus weiter abbezahlt und umgebaut worden. Nach Abwägung aller Interessen sei daher trotz Nachholung der Mitwirkungspflicht die Leistungsgewährung abzulehnen gewesen.

Mit der dagegen am 08.02.2013 erhobenen Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt vor, dass er im streitigen Zeitraum nicht über ausreichend Einkünfte verfügt habe. Die Leistungen der Angehörigen und Freunde habe er nur auf Darlehensbasis erhalten. Die Beträge müssten selbstverständlich erstattet werden.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 06.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2013 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, ihm Grundsicherungsleistungen nach dem SGB II für den Zeitraum 01.01.2005 bis 10.09.2008 zu gewähren, hilfsweise, ihn unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er ist bei der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren vertretenen Auffassung verblieben und verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Bescheid und Widerspruchsbescheid.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten, sowie der beigezogenen Akte S 23 AS 355/05 verwiesen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene, insgesamt zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Bescheid des Beklagten vom 06.08.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10.01.2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Ein Anspruch des Klägers auf Leistungsgewährung nach erfolgter Mitwirkungshandlung oder Neubescheidung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts besteht nicht, Ermessensfehler sind nicht ersichtlich.

Beteiligt ist auf Klägerseite nur der – anwaltlich vertretene – Kläger selbst. Er lebte zwar im streitgegenständlichen Zeitraum mit Frau und Kindern in einer Bedarfsgemeinschaft; er hat aber das Klageverfahren von Anfang an allein betrieben, ohne dass es einen Hinweis darauf gab, dass er auch Ansprüche seiner Frau oder seiner Kinder geltend machen wollte.

Der Kläger hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Grundsicherungsleistungen für den Zeitraum 01.01.2005 bis 10.09.2008. Insofern ist die Entscheidung des Beklagten gemäß § 67 SGB I rechtmäßig. Denn gemäß § 67 SGB I kann ein Leistungsträger eine Sozialleistung, die er nach § 66 SGB I versagt hat, ganz oder teilweise nachträglich erbringen, wenn die Mitwirkung nachgeholt wird und die Leistungsvoraussetzungen vorliegen. Die Vorschrift eröffnet dem Beklagten einen Ermessensspielraum.

Der Beklagte hatte den Antrag des Klägers auf Gewährung der Grundsicherungsleistungen zunächst mit Bescheid vom 08.09.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2005 gemäß § 66 SGB I wegen mangelnder Mitwirkung versagt. Gemäß § 66 Abs. 1 SGB I kann der Leistungsträger ohne weitere Ermittlungen die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen sind und derjenige, der die Sozialleistung beantragt hat, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 bis 62, 65 SGB I nicht nachkommt und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwert wird.

Der Kläger hat die Mitwirkung jedoch nachgeholt. Für den hier streitigen Zeitraum vom 01.01.2005 bis 10.09.2008 war sodann gemäß § 67 SGB I eine Ermessensentscheidung über die Leistungsgewährung zu treffen.

Die Entscheidung des Beklagten, dem Kläger die Leistungen nicht nachträglich zu gewähren, ist gemäß § 67 SGB I ermessensfehlerfrei getroffen worden und damit rechtmäßig erfolgt. Nach dieser Vorschrift stehen das Ob und der Umfang der Nachgewährung der Leistung im pflichtgemäßen Ermessen des Leistungsträgers. Maßgeblich sind insofern die Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Zweck und die Art der Sozialleistung sowie der Grad der Pflichtwidrigkeit der mangelnden Mitwirkung. Als Ermessensgesichtspunkte sind weiterhin die wirtschaftliche Situation des Betroffenen, die Bedeutung der Leistung für ihn sowie die Gründe für die zeitweise Verweigerung der Mitwirkung zu berücksichtigen. Demgemäß besteht nach einer erfolgten Versagung einer Leistung gemäß § 66 SGB I und einer später nachgeholten Mitwirkung kein Anspruch des Leistungsberechtigten auf eine auf die ursprüngliche Antragstellung und somit für den gesamten Versagungszeitraum rückwirkende Leistungserbringung, sondern, sobald die Mitwirkung nachgeholt wird, gemäß § 67 SGB I in Verbindung mit § 39 SGB I lediglich ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die nachträgliche Erbringung der versagten Sozialleistung (so ausdrücklich Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 22.02.1995, Az. 4 RA 44/94).

Gemäß § 39 Abs. 1 S. 1 SGB I gilt, soweit Leistungsträger bei der Entscheidung über Sozialleistungen nach ihrem Ermessen zu handeln ermächtigt sind, dass sie ihr Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten haben. Es besteht gemäß § 39 Abs. 1 S. 2 SGB I ein Anspruch auf die pflichtgemäße Ausübung des Ermessens. Insoweit besteht grundsätzlich nur das subjektive Recht des Leistungsberechtigten auf rechtsfehlerfreie Ermessensbetätigung, das heißt auf fehlerfreie und pflichtgemäße Konkretisierung des dem Leistungsträger – hier dem Beklagten – gemäß § 67 SGB I eingeräumten Entscheidungsspielraums.

Demgemäß unterliegt die Ermessensentscheidung des Beklagten hinsichtlich des Ob und des Umfangs der Nachgewährung der Leistung gemäß § 67 SGB I auch lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle. Denn gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG kann das Gericht ein gesetzlich eingeräumtes Ermessen nur dahingehend überprüfen, ob die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten wurden oder ob von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht wurde. Dabei darf das Gericht jedoch nicht eigene Ermessenserwägungen an die Stelle derjenigen des Leistungsträgers setzen. Die in Hinblick auf Ermessensentscheidungen durch das Gericht stattfindende Rechtskontrolle beschränkt sich auf die Überprüfung der Ermessensvoraussetzungen, das heißt, ob die Tatbestandsvoraussetzungen der das Ermessen eröffnenden Vorschrift erfüllt sind, sowie darauf, ob Ermessensfehler vorliegen. Diese können in Form eines Ermessensnichtgebrauchs (wenn die Behörde ihr Ermessen nicht ausgeübt oder im Bescheid nicht zum Ausdruck gebracht hat), einer Ermessensunterschreitung (wenn die Behörde ihr Ermessen zu eng eingeschätzt hat), einer Ermessensüberschreitung (wenn sich die Behörde nicht im Rahmen der ihr vom Gesetz gegebenen Ermächtigung gehalten hat) oder eines Ermessensfehlgebrauchs (wenn die Behörde von ihrem Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat) bestehen. Eine Ermessensentscheidung ist demnach nur bei Nichtvorliegen der Ermessensvoraussetzungen oder bei Vorliegen eines Ermessensfehlers rechtswidrig und der den Kläger insoweit belastende Verwaltungsakt vom Gericht aufzuheben. Das Gericht hat zudem zu prüfen, ob die Verwaltungsbehörde von einem richtigen Sachverhalt ausgegangen ist und ob alle wesentlichen Umstände ermittelt worden sind. Sofern die Verwaltungsbehörde von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, ist der Verwaltungsakt dann aufzuheben, wenn die Behörde hierdurch in der Ermessensausübung erkennbar beeinflusst wurde (vgl. zum Ermessen und der gerichtlichen Kontrolle gemäß § 54 Abs. 2 S. 2 SGG: Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Auflage 2014, § 54 Rdnr. 25 ff.).

Gemessen an diesem Maßstab ist die Ermessensentscheidung des Beklagten, dem Kläger die begehrten Grundsicherungsleistungen für die Vergangenheit nicht zu gewähren, nicht zu beanstanden. Eine Rechtswidrigkeit dieser Entscheidung im Sinne des § 54 Abs. 2 S. 2 SGG ist nicht gegeben. Weder hat der Beklagte die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten, noch von diesem in einer dem Zweck der Ermächtigung des § 67 SGB I nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht.

Zunächst ist die Tatbestandsvoraussetzung des § 67 SGB I (Versagung der Leistungen und Nachholung der Mitwirkungshandlung), wie bereits dargestellt, erfüllt. Damit sind auch die Ermessensvoraussetzungen des § 67 SGB I grundsätzlich erfüllt. Ob die Leistungsvoraussetzungen nach Nachholung der Mitwirkungshandlung tatsächlich vorlagen, also Hilfebedürftigkeit des Klägers gegeben war, kann vorliegend dahinstehen.

Denn nach Auffassung der Kammer sind jedenfalls keine Ermessensfehler erkennbar. Der Beklagte hat in der Begründung der Entscheidung im Bescheid vom 06.08.2012 und besonders ausführlich im Widerspruchsbescheid vom 10.01.2013 erläutert, dass er eine Ermessensentscheidung treffe und aus welchen Gründen diese zu Lasten des Klägers ausfalle. In den genannten Erläuterungen weist der Beklagte auf die durch ihn zu treffende erforderliche fehlerfreie Ermessensausübung hin, so dass ein Ermessensnichtgebrauch nicht gegeben ist.

Auch sonstige Ermessensfehler sind nicht gegeben, insbesondere keine Ermessensunterschreitung. Denn zwar ist der Zweck der Leistung bei der Ermessensbetätigung zu berücksichtigen und eine existenzsichernde Leistung darf daher nur in Ausnahmefällen ganz abgelehnt werden. Eine Ausnahme hiervon gilt jedoch dann, wenn der Zweck der Existenzsicherung gar nicht gegeben scheint. Dies war vorliegend der Fall. Zu berücksichtigen sind – wie bereits ausgeführt – alle Umstände des Einzelfalls, insbesondere der Zweck und die Art der Sozialleistung sowie der Grad der Pflichtwidrigkeit der mangelnden Mitwirkung. Als Ermessensgesichtspunkte sind weiterhin die wirtschaftliche Situation des Betroffenen, die Bedeutung der Leistung für ihn sowie die Gründe für die zeitweise Verweigerung der Mitwirkung zu berücksichtigen.

Der Kläger verfügte zum Einen über Geldzuflüsse in beträchtlicher Höhe. Er hat angegeben, dass er Hilfen in Höhe von durchschnittlich 1.000,- Euro aus Kanada und der Schweiz erhalte. In welcher Form diese Zahlungen erfolgen, hat er nicht erklärt. Aus den Kontoauszügen sind jedenfalls über den gesamten streitigen Zeitraum Bareinzahlungen in beträchtlicher Höhe ersichtlich, die in unregelmäßigen Abständen, jedenfalls aber mehrmals im Monat erfolgt sind. Dass diese Bareinzahlungen aus Hilfen von Freunden und Verwandten aus Kanada und der Schweiz stammen, erscheint zweifelhaft, da diese Freunde und Verwandte dann quasi ständig hier gewesen sein müssten um diese Barzahlungen zu tätigen. Lediglich beispielhaft sei hier auf die Kontoauszüge für November und Dezember 2007 verwiesen: 04.11.2007: Einzahlung 220,- Euro; 06.11.2007: Einzahlung 550,- Euro; 12.11.2007: Einzahlung 150,- Euro; 29.11.2007: Einzahlung 200,- Euro; 30.11.2007: Einzahlung 500,- Euro; 04.12.2007: Einzahlung 500,- Euro; 28.12.2007: Einzahlung 250,- Euro und 31.12.2007: Einzahlung 900,- Euro. Einzahlungen dieser Art sind über den gesamten streitigen Zeitraum verteilt aus den Kontoauszügen ersichtlich.

Auch aus der Tatsache, dass der Kläger die Mitwirkungshandlung, zu der er im Juli und August 2005 aufgefordert worden war, erst bis September 2008 nachgeholt hat, spricht dafür, dass die Leistungen nicht tatsächlich zur Existenzsicherung benötigt wurden. Nach Erlass des Urteils im Mai 2009 fragte der Kläger erst im Januar 2012 erneut bei dem Beklagten an, um sich nach dem Fortgang der Bewilligung zu erkundigen. Bei dem Verstreichenlassen solch langer Zeiträume ist zur Überzeugung der Kammer nicht ersichtlich, dass Leistungen zur Existenzsicherung tatsächlich erforderlich gewesen wären. Denn wäre der Kläger dringend auf die Leistungen angewiesen gewesen, wäre von ihm zu erwarten gewesen, dass er sich mit dem Beklagten in Verbindung setzt und die ihm obliegenden Mitwirkungshandlungen schnellstmöglich vornimmt.

Zu Recht hat der Beklagte nach alledem die Leistungsgewährung für die Vergangenheit abgelehnt, da er nach ordnungsgemäßer Abwägung aller Interessen zu dem Ergebnis gelangt ist, dass der Zweck der Leistung, nämlich die Existenzsicherung, nachträglich nicht mehr erreicht werden konnte. Diese von dem Beklagten angeführten Gründe sind jedenfalls durch das Gericht nicht zu beanstanden (Kampe in: juris PK-SGB I, 2. Aufl. 2011, § 67 SGB I Rdnr. 19).

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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