L 5 RS 466/16

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
Sächsisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Dresden (FSS)
Aktenzeichen
S 26 RS 594/14
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
L 5 RS 466/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz - Arbeitsentgelt - Glaubhaftmachung des Zuflusses und der Höhe von Jahresendprämien - Zeugenaussagen
Der Zufluss von Jahresendprämien sowohl dem Grunde als auch der Höhe nach kann im konkreten Einzelfall, beispielsweise durch Zeugenaussagen, glaubhaft gemacht werden.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. Juni 2016 aufgehoben. Die Beklagte wird, unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2014, verurteilt, den Bescheid vom 9. Juli 2003 in der Fassung des Bescheides vom 20. Juli 2012 abzuändern und für die Jahre 1976 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betriebe wie folgt zu berücksichtigen: Für das Jahr: 1976 876,12 Mak 1977 849,12 Mark 1978 889,65 Mark 1979 874,55 Mark 1980 917,48 Mark 1981 848,30 Mark 1982 1.019,97 Mark 1983 1.071,62 Mark 1984 1.037,39 Mark 1985 1.109,33 Mark 1986 1.118,69 Mark 1987 1.002,24 Mark 1988 1.224,58 Mark 1989 1.231,83 Mark 1990 1.193,17 Mark

II. Die Beklagte erstattet dem Kläger dessen notwendige außergerichtliche Kosten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten – im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens – über die Verpflichtung der Beklagten weitere Entgelte des Klägers für Zeiten der Zugehörigkeit zur zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz für die Zuflussjahre 1976 bis 1990 in Form jährlicher Jahresendprämien festzustellen.

Der 1948 geborene Kläger ist, nach einem Ingenieurschulabendstudium in der Fachrichtung "Ökonomie der Metallurgie" an der Ingenieurschule für Walzwerk- und Hüttentechnik R ... in der Zeit von September 1969 bis Juli 1974, seit 23. Juli 1974 berechtigt, die Berufsbezeichnung "Ingenieurökonom der Metallurgie" zu tragen. Er war vom 1. Juni 1973 bis 30. Juni 1974 als Betriebsingenieur im volkseigenen Betrieb (VEB) Gaskombinat Schwarze Pumpe sowie vom 1. Juli 1974 bis 30. Juni 1990 (sowie darüber hinaus) als Betriebsingenieur, Bearbeiter für Koordinierung, Operativtechnologe, Bearbeiter für Rationalisierung, Betriebsingenieur, Leiter Vorschnitt – Entwässerung und Operativtechnologe im VEB Braunkohlenwerk W ... (Kombinatsbetrieb des volkseigenen [VE] Braunkohlenkombinats S ...) beschäftigt. Er erhielt keine Versorgungsurkunde und war zu Zeiten der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) nicht in ein Zusatzversorgungssystem der Anlage 1 zum Anspruchs- und Anwartschaftsüberführungsgesetz (AAÜG) einbezogen.

Auf Antrag des Klägers vom 3. Juli 2003 und auf der Grundlage der Entgeltbescheinigung der L ... Braunkohle AG (LAUBAG) vom 27. Oktober 1999 stellte die Beklagte mit Bescheid vom 9. Juli 2003 die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juli 1974 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte fest.

Mit Überprüfungsantrag vom 12. Oktober 2011 (bei der Beklagten eingegangen am 14. Oktober 2011) begehrte der Kläger die Einbeziehung von Jahresendprämien und zusätzlichen Belohnungen im Bergbau und gab dabei an, selbst nicht im Besitz von Bezugsnachweisen zu sein. Nachdem auch eine Anfrage der Beklagten vom 10. Januar 2012 bei der Rhenus Office System GmbH nach Bezugsdokumenten negativ verlief (Auskunftsschreiben vom 17. Januar 2012), lehnte diese den Antrag mit Bescheid vom 12. April 2012 ab. Auf den Widerspruch des Klägers mit Schreiben vom 18. April 2012 fragte die Beklagte bei der Firma Vattenfall nach Bezugsdokumenten an. Mit Schreiben vom 4. Juli 2012 bescheinigte die Firma Vattenfall die dem Kläger in den Jahren 1974 bis 1990 zugeflossenen zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau und teilte mit, über keine Unterlagen bezüglich gezahlter Jahresendprämien zu verfügen. Mit Bescheid vom 20. Juli 2012 stellte die Beklagte die Anwendbarkeit von § 1 AAÜG, die Beschäftigungszeiten des Klägers vom 1. Juli 1974 bis 30. Juni 1990 als "nachgewiesene Zeiten" der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz sowie die in diesen Zeiträumen erzielten Arbeitsentgelte, unter Einbeziehung der von der Firma Vattenfall bescheinigten zusätzlichen Belohnungen für Werktätige im Bergbau, fest. Zugleich hob sie den Bescheid vom 12. April 2012 vollständig und den Bescheid vom 9. Juli 2003, soweit er entgegenstand, auf.

Mit weiterem Überprüfungsantrag vom 17. Dezember 2013 (bei der Beklagten eingegangen am 19. Dezember 2013) begehrte der Kläger erneut die Einbeziehung von Jahresendprämien. Den Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 27. Januar 2014 ab. Mit dem hiergegen am 4. Februar 2014 eingereichten Widerspruch legte der Kläger die, gerichtsbekannte, schriftliche Erklärung der Zeugen P ... (Generaldirektor des VE Braunkohlenkombinats S ...) und Dr. Z ... (Direktor für Sozialökonomie des VE Braunkohlenkombinats S ...) vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien sowie die, inzwischen ebenfalls gerichtsbekannte, schriftliche Zusatzerklärung des Zeugen P ... vom 13. Februar 2012 zur schriftlichen Erklärung vom 11. und 26. April 2010 vor. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. März 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Den Zufluss von Jahresendprämien habe der Kläger weder nachweisen noch glaubhaft machen können. Die Höhe der Jahresendprämien sei von der Erfüllung der für die Werktätigen festgelegten Leistungskriterien abhängig gewesen. Sowohl der Anspruch als auch die Höhe einer Jahresendprämie seien von einer Vielzahl von Faktoren abhängig gewesen, die heute nicht mehr nachvollzogen werden könnten. Die vorgelegten Erklärungen ließen keine eindeutigen Schlüsse zu.

Die hiergegen am 17. April 2014 erhobene Klage, mit der der Kläger nochmals auf die schriftliche Erklärung der Zeugen P ... und Dr. Z ... vom 11. und 26. April 2010 zu in den Kombinatsbetrieben gezahlten Jahresendprämien sowie die schriftliche Zusatzerklärung des Zeugen P ... vom 13. Februar 2012 zur schriftlichen Erklärung vom 11. und 26. April 2010 hinwies, hat das Sozialgericht mit Urteil vom 8. Juni 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Jahresendprämien seien nicht als Arbeitsentgelte festzustellen, da sie in der DDR steuer- und sozialversicherungsfrei gewesen seien. Der entgegenstehenden Rechtsprechung des Bundessozialgericht (BSG) sei nicht zu folgen.

Gegen das am 13. Juni 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 23. Juni 2016 Berufung eingelegt, mit der er sein Begehren zur Berücksichtigung von Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1976 bis 1990 weiterverfolgt. Jahresendprämien seien einmalige Arbeitsverdienste und nach dem AAÜG zu berücksichtigen. Das Sozialgericht weiche ohne nachvollziehbare Begründung von der Rechtsprechung des BSG ab. Den Zufluss der Prämien habe er mit den schriftlichen Erklärungen der Kombinatsverantwortlichen glaubhaft gemacht.

Der Kläger beantragt – sinngemäß und sachdienlich gefasst –,

das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. Juni 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2014 zu verurteilen, den Feststellungsbescheid vom 9. Juli 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 20. Juli 2012 abzuändern und Jahresendprämien für die Zuflussjahre 1976 bis 1990 als zusätzliche Entgelte im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung zwar nicht in der Begründung, jedoch im Ergebnis für zutreffend. Eine Schätzung der Höhe von Jahresendprämien sei nicht zulässig. Der Zufluss und deren Höhe müssten vielmehr bewiesen oder glaubhaft gemacht werden.

Das Gericht hat arbeitsvertragliche Unterlagen des Klägers angefordert und eine schriftliche Auskunft des Zeugen C ... am 10. Dezember 2016 eingeholt.

Mit Schriftsätzen vom 20. und 29. Dezember 2016 haben die Beteiligten jeweils ihr Einverständnis zur Entscheidung des Rechtsstreits durch Urteil ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Dem Gericht haben die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Rechtszüge vorgelegen. Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird hierauf insgesamt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden, weil die Beteiligten sich hiermit einverstanden erklärt haben (§ 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes [SGG]).

Die Berufung des Klägers ist begründet, weil das Sozialgericht Dresden die Klage zu Unrecht abgewiesen hat. Der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. März 2014 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG). Denn er hat in dem tenorierten Umfang Anspruch auf Feststellung zusätzlicher, ihm in den Jahren 1976 bis 1990 zugeflossener, weiterer Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits (zuletzt) mit Bescheid vom 20. Juli 2012 festgestellten Zeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben. Der Feststellungsbescheid der Beklagten vom 9. Juli 2003 in der Fassung des, im vorangegangenen Überprüfungsverfahren ergangenen, Feststellungsbescheides vom 20. Juli 2012 ist teilweise rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten, weil mit ihm das Recht unrichtig angewandt bzw. von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist (§ 44 des Zehntes Buches Sozialgesetzbuch [SGB X]). Deshalb waren das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 8. Juni 2016 sowie der Ablehnungsbescheid der Beklagten vom 27. Januar 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Februar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, unter Abänderung des Feststellungsbescheides vom 9. Juli 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 20. Juli 2012 für die Jahre 1976 bis 1990 weitere Arbeitsentgelte wegen zu berücksichtigender Jahresendprämienzahlungen im Rahmen der bereits festgestellten Zusatzversorgungszeiten der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben, wie tenoriert, zu berücksichtigen.

Nach § 8 Abs. 1 AAÜG hat die Beklagte als der unter anderem für das Zusatzversorgungssystem der zusätzlichen Altersversorgung der technischen Intelligenz in den volkseigenen und ihnen gleichgestellten Betrieben zuständige Versorgungsträger in einem dem Vormerkungsverfahren (§ 149 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [SGB VI]) ähnlichen Verfahren durch jeweils einzelne Verwaltungsakte bestimmte Feststellungen zu treffen. Vorliegend hat die Beklagte mit dem Feststellungsbescheid vom 9. Juli 2003 in der Fassung des Feststellungsbescheides vom 20. Juli 2012 Zeiten der Zugehörigkeit zum Zusatzversorgungssystem Nr. 1 der Anlage 1 zum AAÜG (vgl. § 5 AAÜG) sowie die während dieser Zeiten erzielten Arbeitsentgelte festgestellt (§ 8 Abs. 1 Satz 2 AAÜG). Jahresendprämien hat sie jedoch zu Unrecht nicht berücksichtigt.

Gemäß § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG ist den Pflichtbeitragszeiten nach diesem Gesetz (vgl. § 5 AAÜG) für jedes Kalenderjahr als Verdienst (§ 256a Abs. 2 SGB VI) das erzielte Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen zugrunde zu legen. Arbeitsentgelt im Sinne des § 14 des Vierten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IV) und damit im Sinne des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG stellen auch die in der DDR an Arbeitnehmer rechtmäßig gezahlten Jahresendprämien dar, da es sich um eine Gegenleistung des Betriebs für die vom Werktätigen im jeweiligen Planjahr erbrachte Arbeitsleistung handelte, wobei es nicht darauf ankommt, dass dieser Verdienst nach DDR-Recht nicht steuer- und sozialversicherungspflichtig war (so: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.). Denn der Gesetzestext des § 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG besagt, dass den Pflichtbeitragszeiten im Sinne des § 5 AAÜG als Verdienst (§ 256a SGB VI) unter anderen das "erzielte Arbeitsentgelt" zugrunde zu legen ist. Aus dem Wort "erzielt" folgt im Zusammenhang mit § 5 Abs. 1 Satz 1 AAÜG, dass es sich um Entgelt oder Einkommen handeln musste, das dem Berechtigten während der Zugehörigkeitszeiten zum Versorgungssystem "aufgrund" seiner Beschäftigung "zugeflossen", ihm also tatsächlich gezahlt worden ist. In der DDR konnten die Werktätigen unter bestimmten Voraussetzungen Prämien als Bestandteil ihres Arbeitseinkommens bzw. -entgelts erhalten. Sie waren im Regelfall mit dem Betriebsergebnis verknüpft und sollten eine leistungsstimulierende Wirkung ausüben. Lohn und Prämien waren "Formen der Verteilung nach Arbeitsleistung" (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 192f.). Die Prämien wurden aus einem zu bildenden Betriebsprämienfonds finanziert; die Voraussetzungen ihrer Gewährung mussten in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart werden. Über ihre Gewährung und Höhe entschied der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv. Diese allgemeinen Vorgaben galten für alle Prämienformen (§ 116 des Arbeitsgesetzbuches der DDR vom 16. Juni 1977 [DDR-GBl. I 1977, Nr. 18, S. 185; nachfolgend: AGB-DDR]) und damit auch für die Jahresendprämie (§ 118 Abs. 1 und 2 AGB-DDR). Die Jahresendprämie diente als Anreiz zur Erfüllung und Übererfüllung der Planaufgaben; sie war auf das Planjahr bezogen und hatte den Charakter einer Erfüllungsprämie. Nach § 117 Abs. 1 AGB-DDR bestand ein "Anspruch" auf Jahresendprämie, wenn - die Zahlung einer Jahresendprämie für das Arbeitskollektiv, dem der Werktätige angehörte, im Betriebskollektivvertrag vereinbart war, - der Werktätige und sein Arbeitskollektiv die vorgesehenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte und - der Werktätige während des gesamten Planjahres Angehöriger des Betriebs war. Die Feststellung von Beträgen, die als Jahresendprämien gezahlt wurden, hing davon ab, dass der Empfänger die Voraussetzungen der §§ 117, 118 AGB-DDR erfüllt hatte. Hierfür und für den Zufluss trägt er die objektive Beweislast (sog. Feststellungslast im sozialgerichtlichen Verfahren, vgl. insgesamt: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 21 ff.).

Daraus wird deutlich, dass die Zahlung von Jahresendprämien von mehreren Voraussetzungen abhing. Der Kläger hat, um eine Feststellung zusätzlicher Entgelte beanspruchen zu können, nachzuweisen oder glaubhaft zu machen, dass alle diese Voraussetzungen in jedem einzelnen Jahr erfüllt gewesen sind und zusätzlich, dass ihm ein bestimmter, berücksichtigungsfähiger Betrag auch zugeflossen, also tatsächlich gezahlt worden ist.

Gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG entscheidet das Gericht dabei nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Neben dem Vollbeweis, d.h. der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit ist, auch die Möglichkeit der Glaubhaftmachung des Vorliegens weiterer Arbeitsentgelte aus Jahresendprämien gegeben. Dies kann aus der Vorschrift des § 6 Abs. 6 AAÜG abgeleitet werden. Danach wird, wenn ein Teil des Verdienstes nachgewiesen und der andere Teil glaubhaft gemacht wird, der glaubhaft gemachte Teil des Verdienstes zu fünf Sechsteln berücksichtigt.

Im vorliegenden konkreten Einzelfall hat der Kläger den Zufluss von Jahresendprämien für die Beschäftigungsjahre 1975 bis 1989 und damit für die von ihm konkret im Berufungsverfahren geltend gemachten Zuflussjahre 1976 bis 1990 (§ 123 SGG) dem Grunde nach zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 1.). Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1976 bis 1990) für das vorangegangene Beschäftigungsjahr (1975 bis 1989) zur Auszahlung an ihn gelangten, hat er ebenfalls zwar nicht nachgewiesen, jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter 2.), sodass eine Schätzung, die das BSG zwischenzeitlich, auf entsprechende Revisionen der Beklagten, als unstatthaft bewertet hat (BSG, Urteile vom 15. Dezember 2016 in den Verfahren B 5 RS 2/16 R, B 5 RS 3/16 R, B 5 RS 4/16 R, B 5 RS 5/16 R, B 5 RS 6/16 R, B 5 RS 7/16 R, B 5 RS 8/16 R und B 5 RS 9/16 R), von vornherein nicht in Betracht gezogen werden muss.

1. Der Zufluss von Jahresendprämien dem Grunde nach ist im vorliegenden Fall zwar nicht nachgewiesen (dazu nachfolgend unter a), jedoch glaubhaft gemacht (dazu nachfolgend unter b):

a) Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte dieser für die streitgegenständlichen Beschäftigungsjahre 1975 bis 1989 nicht vorlegen. Der Kläger selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Gewährung von Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens auch ausführte.

Nachweise zu an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der Firmen Rhenus Office Systems GmbH vom 17. Januar 2012 und Vattenfall Europe Mining AG vom 4. Juli 2012 ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen des Beschäftigungsbetriebes des Klägers verwaltenden Archiv- (Rhenus Office Systems GmbH) und Nachfolgefirmen (Vattenfall Europe Mining AG) hatten im Rahmen des vorangegangenen Überprüfungsverfahrens auf die entsprechenden schriftlichen Anfragen der Beklagten vom 10. Januar 2012 und 16. Mai 2012 jeweils mitgeteilt, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine Unterlagen für Prämien- und Jahressonderprämienzahlungen (mehr) vorhanden sind.

b) Der Zufluss von Prämienzahlungen dem Grunde nach konkret an den Kläger ist aber im vorliegenden Fall glaubhaft gemacht.

Gemäß § 23 Abs. 1 Satz 2 SGB X ist eine Tatsache dann als glaubhaft anzusehen, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist. Dies erfordert mehr als das Vorhandensein einer bloßen Möglichkeit, aber auch weniger als die an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit. Dieser Beweismaßstab ist zwar durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss also nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die "gute Möglichkeit" aus, das heißt es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist, weil nach Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht; von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss den übrigen gegenüber aber einer das Übergewicht zukommen. Die bloße Möglichkeit einer Tatsache reicht deshalb nicht aus, die Beweisanforderungen zu erfüllen (vgl. dazu dezidiert: BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B - SozR 3-3900 § 15 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 5).

Dies zu Grunde gelegt, hat der Kläger im konkreten Einzelfall glaubhaft gemacht, dass die drei rechtlichen Voraussetzungen (§ 117 Abs. 1 AGB-DDR) für den Bezug einer Jahresendprämie in den konkret streitgegenständlichen Beschäftigungsjahren 1975 bis 1989 vorlagen und er jeweils eine Jahresendprämie erhalten hat:

aa) Er war in den Jahren 1975 bis 1989 jeweils während des gesamten Planjahres Angehöriger des VEB Braunkohlenwerk W ... (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 3 AGB-DDR), wie sich aus den Eintragungen in seinen Ausweisen für Arbeit und Sozialversicherung (Bl. 30-37 der Gerichtsakte) sowie den vorliegenden Arbeits- und Änderungsverträgen (Bl. 24-27 sowie 129-133 der Gerichtsakte) ergibt.

bb) Mindestens glaubhaft gemacht ist darüber hinaus auch, dass die Zahlung von Jahresendprämien für das Arbeitskollektiv, dem der Kläger angehörte, jeweils in einem Betriebskollektivvertrag vereinbart war (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 1 AGB-DDR). Denn der Abschluss eines Betriebskollektivvertrages zwischen dem Betriebsleiter und der zuständigen Betriebsgewerkschaftsleitung war nach § 28 Abs. 1 AGB-DDR zwingend vorgeschrieben. Die Ausarbeitung des Betriebskollektivvertrages erfolgte jährlich, ausgehend vom Volkswirtschaftsplan; er war bis zum 31. Januar des jeweiligen Planjahres abzuschließen (vgl. Kunz/Thiel, "Arbeitsrecht [der DDR] – Lehrbuch", 3. Auflage, 1986, Staatsverlag der DDR, S. 111). Ebenso zwingend waren nach § 118 Abs. 1 AGB-DDR in Verbindung mit § 28 Abs. 2 Satz 3 AGB-DDR die Voraussetzungen und die Höhe der Jahresendprämie in dem (jeweiligen) Betriebskollektivvertrag zu regeln. Konkretisiert wurde diese zwingende Festlegung der Voraussetzungen zur Gewährung von Jahresendprämien im Betriebskollektivvertrag in den staatlichen Prämienverordnungen: So legten die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe im Jahre 1972" vom 12. Januar 1972 (DDR-GBl. II 1972, Nr. 5, S. 49; nachfolgend: Prämienfond-VO 1972) in der Fassung der "Zweiten Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds und des Kultur- und Sozialfonds für volkseigene Betriebe" vom 21. Mai 1973 (DDR-GBl. I 1973, Nr. 30, S. 293; nachfolgend: 2. Prämienfond-VO 1973), mit der die Weitergeltung der Prämienfond-VO 1972 angeordnet wurde, sowie die "Verordnung über die Planung, Bildung und Verwendung des Prämienfonds für volkseigene Betriebe" vom 9. September 1982 (DDR-GBl. I 1982, Nr. 34, S. 595; nachfolgend: Prämienfond-VO 1982) jeweils staatlicherseits fest, dass die Verwendung des Prämienfonds, die in den Betrieben zur Anwendung kommenden Formen der Prämierung und die dafür vorgesehenen Mittel im Betriebskollektivvertrag festzulegen waren (§ 5 Abs. 2 Satz 1 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 Prämienfond-VO 1982). Dabei war, ohne dass ein betrieblicher Ermessens- oder Beurteilungsspielraum bestand, in den Betriebskollektivverträgen zu vereinbaren bzw. festzulegen, unter welchen Voraussetzungen Jahresendprämien als Form der materiellen Interessiertheit der Werktätigen an guten Wirtschaftsergebnissen des Betriebes im gesamten Planjahr angewendet werden (§ 5 Abs. 2 Satz 2 Spiegelstrich 2 Prämienfond-VO 1972, § 8 Abs. 3 Satz 3 Spiegelstrich 4 Prämienfond-VO 1982).

Damit kann in der Regel für jeden Arbeitnehmer in der volkseigenen Wirtschaft, sofern nicht besondere gegenteilige Anhaltspunkte vorliegen sollten, davon ausgegangen werden, dass ein betriebskollektivvertraglich geregelter Jahresendprämienanspruch dem Grunde nach bestand (vgl. dazu auch: Lindner, "Die ‚leere Hülle‘ ist tot – wie geht es weiter?", RV [= Die Rentenversicherung] 2011, 101, 104), auch wenn die Betriebskollektivverträge als solche nicht mehr vorgelegt oder anderweitig vom Gericht beigezogen werden können. Vor diesem Hintergrund ist der von der Beklagten in anderen Verfahren erhobene Einwand, die Betriebskollektivverträge seien anspruchsbegründend, zwar zutreffend, verhindern eine Glaubhaftmachung jedoch auch dann nicht, wenn sie im konkreten Einzelfall nicht eingesehen werden können.

cc) Ausgehend von der schriftlichen Erklärung der Zeugen P ... (ehemaliger Generaldirektor des Kombinats) und Dr. Z ... (ehemaliger Direktor für Sozialökonomie des Kombinats) vom 11. und 26. April 2010 (Bl. 6-7 der Gerichtsakte), der schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen P ... vom 13. Februar 2012 (Bl. 7 Rückseite-8 der Gerichtsakte) und der schriftlichen Auskunft des Zeugen C ... vom 10. Dezember 2016 (Bl. 123-124 der Gerichtsakte) sowie ausgehend von den sonstigen Unterlagen, die der Kläger bezüglich seiner Arbeitsleistungen schriftlich zu den Akten reichte, ist zudem glaubhaft gemacht, dass er (und das Arbeitskollektiv, dem er angehörte,) die vorgegebenen Leistungskriterien in der festgelegten Mindesthöhe erfüllt hatte (§ 117 Abs. 1 Voraussetzung 2 AGB-DDR).

Die Zeugen P ... und Dr. Z ... erklärten unter anderem, dass in sämtlichen zum Kombinat (VE Braunkohlenkombinat S ...) gehörenden Kombinatsbetrieben, und damit auch im ausdrücklich als Kombinatsbetrieb benannten VEB Braunkohlenwerk W ..., an jeden Beschäftigten in den Jahren von 1969 bis 1989 jeweils eine Jahresendprämie gezahlt wurde, weil dies im Rahmenkollektivvertrag als neue Form der persönlichen materiellen Interessiertheit der Beschäftigten festgelegt war. In der – seit dem Jahr 2016 dem Gericht ebenfalls bekannten (vgl. dazu: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 16. Februar 2016 [L 5 RS 758/13], zuvor dem Gericht noch nicht vorliegenden (daher noch nicht berücksichtigt in folgenden Entscheidungen: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2015 [L 5 RS 286/14] und Urteil vom 24. November 2015 [L 5 RS 188/15]) – schriftlichen Zusatzerklärung des Zeugen P ... vom 13. Februar 2012 führte dieser weitergehend und konkretisierend aus, dass die Jahresendprämien in den Kombinatsbetrieben wegen der jeweiligen Planerfüllung zugeführt wurden. Oberstes Gebot für diese Zuführung im Kombinat über die Mindestgrenze hinaus, die jedem Beschäftigten im Kombinat zustand, war dabei stets die Planerfüllung des Vorjahres durch den einzelnen Betrieb. Die Planerfüllung des Kombinats wurde grundsätzlich durch das übergeordnete Organ (bis 1971 die VVB Braunkohle Y ..., seit 1972 bis 1990 das Ministerium für Kohle und Energie) bestätigt. Nach Bestätigung der Jahresendprämien durch das übergeordnete Organ erfolgte die Auszahlung derselben meist in den Monaten Februar oder März des Folgejahres. In Fällen geringerer Planerfüllung erfolgte auf Antrag der Kombinatsleitung beim übergeordneten Organ immer nachträglich eine sog. Plankorrektur, sodass das Ist-Ergebnis zum Soll-Ergebnis erhoben wurde. Da der Anteil jedes Einzelnen an der Planerfüllung des Kombinats nicht exakt mess- bzw. nachweisbar und damit nicht bewertbar war, wurde die Jahresendprämie quasi als 13. Monatsgehalt angesehen.

Der Zeuge C ..., der im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum mit dem Kläger im gleichen Betrieb arbeitete und der dem Kläger funktional ständig übergeordnet war, gab ebenfalls an, dass der Kläger, wie jeder andere Beschäftigte im Betrieb auch, auf der Grundlage des Rahmenkollektivvertrages über die Arbeits- und Lohnbedingungen der Werktätigen in den sozialistischen Betrieben der Kohleindustrie und den darauf aufbauenden Betriebskollektivverträgen Jahresendprämien in den Jahren von 1969 bis 1989 erhalten hat. Der jährliche Auszahlungsbetrag war letztlich gekoppelt an die jeweiligen Produktionsergebnisse im Betrieb sowie, in begrenztem Rahmen, an einige personenbezogene Fakten hinsichtlich des eigenen Anteils an diesen Betriebsergebnissen. Dazu zählten beispielsweise schwere Disziplinarvergehen, insbesondere das Verfahren von unentschuldigten Fehlschichten. Derartige Disziplinarvergehen wurden vom Kläger zu keinem Zeitpunkt begangenen, wie der Zeuge ausdrücklich bestätigte. Die Berechnung der Jahresendprämien wurde den Leitern einzelner Abteilungen auf der Grundlage von Berechnungen aus dem Bereich Ökonomie in einfachen betrieblichen Listen vorgegeben; in den persönlichen Dokumenten der Beschäftigten wurde dies nicht erfasst. Der Zeuge C ... war im gesamtem streitgegenständlichen Zeitraum mit diesem Prozedere befasst und bewertete als direkter Vorgesetzter auch die Höhe der Jahresendprämien des Klägers. Im Kollektiv wurden durch den verantwortlichen Leiter und den Gewerkschaftsvertrauensmann die Auszahlungshöhen beraten und in die Listen eingetragen. Grundlage der Beratungen waren auch die persönlichen Leistungseinschätzungen des Zeugen bezüglich des persönlichen Anteils des Klägers bei der Erfüllung der Produktionsaufgaben. Der Zeuge bestätigte, dass der Kläger in jedem Jahr eine Jahresendprämie erhalten hat, weil er ausnahmslos alle Kriterien der im Rahmenkollektivvertrag festgelegten Grundsätze vollinhaltlich erfüllte. Die Auszahlung erfolgte in der Regel Anfang des Jahres für das vorangegangene Betriebsjahr, in der Regel an einem Tag für das gesamte Kollektiv in einer sogenannten Lohntüte in bar.

Die Angaben des Zeugen C ..., der der unmittelbar Vorgesetzte des Klägers war und in dieser Funktion maßgeblich mit der Verteilung der Jahresendprämien (auch konkret an den Kläger) befasst war, beruhen damit auf besonderer Sachkunde, weil über die Gewährung von Prämien, und damit auch der Jahresendprämien, sowie über deren Höhe der Betriebsleiter mit Zustimmung der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung nach Beratung im Arbeitskollektiv entschied (§ 116 Abs. 3 Satz 1 AGB-DDR). Dieses gesetzlich vorgesehene Prozedere sollte sicher stellen, dass über die "Prämie dort diskutiert wurde, wo das von der Sachkunde her am besten möglich" war und sollte eine "wirksame Form der demokratischen Mitwirkung der Werktätigen an der Entscheidungsfindung" gewährleisten (vgl. dazu: Gottfried Eckhardt u.a., "Lohn und Prämie – Erläuterungen zum 5. Kapitel des Arbeitsgesetzbuches der DDR" [Heft 4 der Schriftenreihe zum Arbeitsgesetzbuch der DDR], 1989, S. 106; ebenso: Haedrich/Langanke, "Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Jahresendprämie", NJ 1986, 44 ff.). Vor diesem Hintergrund kommt Aussagen der dem gleichen Arbeitskollektiv angehörenden ehemaligen Leiter und Arbeitskollegen sowie Personen, die der zuständigen betrieblichen Gewerkschaftsleitung angehörten (beispielsweise sog. BGL- und AGL-Vorsitzende [= Vorsitzender der Betriebsgewerkschaftsleitung oder der Abteilungsgewerkschaftsleitung]), ein besonderer Aussagewert zu.

Die Angaben des Zeugen C ... sowie der Kombinatsverantwortlichen in der Erklärung vom 11. und 26. April 2010 sind insgesamt plausibel und nachvollziehbar, weil sie sich gegenseitig decken und, was das konkret im Betrieb durchgeführte Prozedere der Gewährung der Jahresendprämien anbelangt, miteinander in Einklang stehen. Soweit die Beklagte – wie sie wiederholt in anderen Verfahren ausgeführt hat – meint, die Glaubhaftigkeit der Aussagen des Zeugen P ... seien zu bezweifeln, sodass deren Beweiswert gegen Null tendiere, vermag sich das Gericht dem nicht anzuschließen (vgl. dazu bereits ausführlich: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 30. August 2016, L 5 RS 590/15, JURIS-Dokument, RdNr. 41). Aus dem Umstand, dass der Zeuge P ... mittels eines immer wiederkehrenden, gerichts- und beteiligtenbekannten, Standardschreibens seiner Rechtsanwältin auf massenhafte Anfragen von Sozialgerichten der Länder Sachsen, Brandenburg, Berlin und Thüringen seit dem Jahr 2015 jeweils mitteilen lässt, er könne "zum Gegenstand seiner Vernehmung keinerlei Aussage treffen", kann entgegen der Ansicht der Beklagten nicht geschlossen werden, er distanziere sich von seiner im Jahr 2010 abgegebenen Erklärung. Zum einen geht diese von der Beklagten "unterlegte" Distanzierung aus dem Standardschreiben seiner Rechtsanwältin nicht hervor. Zum anderen übersieht die Beklagte, dass die Erklärung aus dem Jahr 2010 nicht allein von Herrn P ..., sondern auch von dem – zwischenzeitlich verstorbenen – Herrn Dr. Z ... abgegeben wurde. Zweifel an der Richtigkeit der Erklärung bestehen im Übrigen im vorliegenden Fall allein schon deshalb nicht, weil der Erklärungsinhalt konkret bezogen auf den Kläger auch von dem konkret im Verfahren schriftlich befragten Zeugen C ... bestätigt wurde.

Aus der vom Kläger auf die gerichtliche Anfrage vorgelegten Beurteilung vom 1. August 1977 (Bl. 135 der Gerichtsakte) ergibt sich zudem, dass der Kläger bei der Arbeit im VEB Braunkohlenwerk W ... stets seine ganze Kraft zur Lösung der ihm übertragenen Aufgaben einsetzte. Er war zuverlässig, kameradschaftlich und hilfsbereit. Damit wird die Einschätzung des Zeugen C ... unterstrichen, dass die Arbeit des Klägers weder Anlass zu Kritik noch Tadel gab. Im Ergebnis bestehen daher keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger die vom Betrieb vorgegebenen Leistungskriterien oder die für die Ausreichung der Jahresendprämien erwarteten Arbeitsleistungen nicht erfüllt haben könnte.

2. Die konkrete Höhe der Jahresendprämien, die in den jeweils nachfolgenden Jahren (1976 bis 1990) für die vorangegangenen Beschäftigungsjahre (1975 bis 1989) zur Auszahlung an den Kläger gelangten, konnte er zwar nicht nachweisen (dazu nachfolgend unter a), aber glaubhaft machen (dazu nachfolgend unter b).

a) Die dem Kläger in den Jahren 1971 bis 1989 zugeflossenen Jahresendprämienbeträge sind der Höhe nach nicht nachgewiesen:

Nachweise etwa in Form von Begleitschreiben, Gewährungsunterlagen, Beurteilungsbögen, Quittungen oder sonstigen Lohnunterlagen für an den Kläger geflossene Prämienzahlungen konnte dieser für die streitgegenständlichen Beschäftigungsjahre 1975 bis 1989 nicht vorlegen. Der Kläger selbst verfügt über keine Unterlagen, mit denen er die Höhe der an ihn ausgezahlten Jahresendprämien belegen könnte, wie er selbst im Laufe des Verfahrens auch ausführte.

Nachweise zur Höhe der an den Kläger gezahlten Jahresendprämien liegen auch nicht mehr vor, wie sich aus den Schreiben der Firmen Rhenus Office Systems GmbH vom 17. Januar 2012 und Vattenfall Europe Mining AG vom 4. Juli 2012 ergibt. Die ehemals die Lohn- und Betriebsunterlagen des Beschäftigungsbetriebes des Klägers verwaltenden Archiv- (Rhenus Office Systems GmbH) und Nachfolgefirmen (Vattenfall Europe Mining AG) hatten im Rahmen des vorangegangenen Überprüfungsverfahrens auf die entsprechenden schriftlichen Anfragen der Beklagten vom 10. Januar 2012 und 16. Mai 2012 jeweils mitgeteilt, dass im ehemaligen Beschäftigungsbetrieb des Klägers keine Unterlagen für Prämien- und Jahressonderprämienzahlungen (mehr) vorhanden sind.

Angaben zur konkreten Höhe der Jahresendprämienzahlungen an den Kläger konnte auch der Zeuge C ... nicht tätigen, wie er auf die ausdrückliche gerichtliche Frage bestätigte.

b) Die konkrete Höhe der an den Kläger ausgezahlten Jahresendprämienbeträge für die in den Jahren 1976 bis 1990 zugeflossenen Jahresendprämien ist im vorliegenden Fall allerdings glaubhaft gemacht:

Die Zeugen P ... und Dr. Z ... erklärten, dass im Rahmenkollektivvertrag die Zahlung einer Jahresendprämie an die Beschäftigten festgelegt war und ausgehend von den im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnissen des Kombinates jeweils der zutreffende Prozentsatz zur Ermittlung der Jahresendprämie festgestellt wurde. Bezugsgröße dieses Prozentsatzes war dabei immer das durchschnittliche monatliche Bruttogehalt des Beschäftigten im Vorjahr, also ein Zwölftel des Jahresbruttoverdienstes des Vorjahres. Als verbindliche Prozentsätze wurden vom Kombinat für die einzelnen Jahre folgende Prozentsätze vom jeweiligen individuellen Zwölftel-Jahresbruttoverdienst festgelegt: - für das Jahr 1969: 86,65 Prozent, - für das Jahr 1970: 87,80 Prozent, - für das Jahr 1971: 84,50 Prozent, - für das Jahr 1972: 79,10 Prozent, - für das Jahr 1973: 88,30 Prozent, - für das Jahr 1974: 87,75 Prozent, - für das Jahr 1975: 92,55 Prozent, - für das Jahr 1976: 89,15 Prozent, - für das Jahr 1977: 93,65 Prozent, - für das Jahr 1978: 94,30 Prozent, - für das Jahr 1979: 94,07 Prozent, - für das Jahr 1980: 87,03 Prozent, - für das Jahr 1981: 91,94 Prozent und - für die Jahre 1982 bis 1989 jeweils: 88,64 Prozent (anstatt 89,85 Prozent, gemäß Berichtigung durch den Zeugen P ... mit schriftlicher Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012). In seiner schriftlichen Zusatzerklärung vom 13. Februar 2012 führte der Zeuge P ... zudem aus, dass diese verbindlichen Prozentsätze durch den ehemaligen Hauptbuchhalter des VE Braunkohlenkombinats S ..., E ... (bereits Anfang 2010 verstorben) akribisch aus den ehemaligen Betriebsunterlagen herausgearbeitet wurden.

Der Zeuge C ... bekundete gleichfalls, dass Basis der Höhe der Jahresendprämie der durchschnittliche monatliche Jahresbruttoverdienst des jeweiligen Jahresendprämienjahres war.

Vor diesem Hintergrund kann im vorliegenden konkreten Einzelfall davon ausgegangen werden, dass dem Kläger der konkrete Prozentanteil seines jeweiligen monatlichen Jahresdurchschnittsbruttolohnes als Jahresendprämie zugeflossen ist, weil gegenteilige Anhaltspunkte weder vorgetragen, noch ersichtlich sind und an der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Zeugen keine Zweifel bestehen. Der Generaldirektor und der Direktor für Sozialökonomie des Kombinates, die sich – wie ergänzend erklärt wurde – des ehemaligen Hauptbuchhalters des Kombinates bedienten, sind sachkundige Personen, die über die Erfüllung der Planziele und die kombinatsseitigen Festlegungen Auskunft zu geben geeignet sind. Die Besonderheit der vorliegenden konkreten Sachverhaltskonstellation ist, wie aus den Angaben der Zeugen übereinstimmend und nachvollziehbar hervorgeht, dadurch gekennzeichnet, dass im Kombinat für alle Kombinatsbetriebe – ausgehend von der Planerfüllungsquote des Kombinates – ein konkreter Prozentsatz der Jahresendprämienzahlung festgelegt wurde. Insofern fehlt es im konkreten Sachverhalt nicht an einem geeigneten Maßstab, an dem die konkrete Höhe der dem Grunde nach bezogenen Jahresendprämie beurteilt werden kann. Plausibel ist dies im vorliegenden Fall auch deshalb, weil nicht pauschal der durchschnittliche Bruttomonatslohn eines (jeden) Beschäftigten als Maßstab der Jahresendprämienzahlung behauptet wird, der nach den rechtlichen Koordinaten des DDR-Rechts gerade nicht der Basis-, Ausgangs- oder Grundwert zur Berechnung einer Jahresendprämie war (vgl. dazu ausführlich: Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 4. Februar 2014 - L 5 RS 462/13 - JURIS-Dokument, RdNr. 45-47; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 28. April 2015 - L 5 RS 450/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 42-44; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 382/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 47-49; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 12. Mai 2015 - L 5 RS 424/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 50-52; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. Juli 2015 - L 5 RS 668/14 - JURIS-Dokument, RdNr. 54-56; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 27. Oktober 2015 - L 5 RS 80/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-51; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 10. November 2015 - L 5 RS 206/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-51; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. Dezember 2015 - L 5 RS 152/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 51-53; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 8. Dezember 2015 - L 5 RS 296/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 49-51; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 5. Januar 2016 - L 5 RS 158/15 - JURIS-Dokument, RdNr. 51-53), sondern explizit die im jeweiligen Jahr erzielten Produktionsergebnisses des Kombinats als Berechnungsbasis der kombinatsseitigen Festlegung von den Kombinatsverantwortlichen deklariert wurden.

Die Kriterien, nach denen eine hinreichende Glaubhaftmachung erfolgt, sind demnach im konkreten Fall erfüllt, weil nicht lediglich ein allgemeiner Ablauf und eine allgemeine Verfahrensweise dargelegt wurden.

Somit ist im Fall des Klägers zunächst der jeweilige monatliche Bruttodurchschnittsverdienst des Jahres, für den die Jahresendprämie im darauffolgenden Jahr gezahlt wurde, zu Grunde zu legen. Dieser kann der Arbeitsentgeltbescheinigung der Firma LAUBAG vom 27. Oktober 1999 (Bl. 19-20 des ersten Heftfalzes der Verwaltungsakte), die Grundlage der im Feststellungsbescheid vom 9. Juli 2003 enthaltenen Entgeltdaten ist, entnommen werden. Davon sind die von den Zeugen P ... und Dr. Z ... bekundeten jeweiligen prozentualen Feststellungsquoten der Planerfüllung als glaubhaft gemachte Jahresendprämien festzusetzen. Von diesen Beträgen ist jeweils ein Abzug in Höhe eines Sechstels vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung des § 6 Abs. 6 AAÜG vorzunehmen.

Dies zu Grunde gelegt, sind für den Kläger Jahresendprämienzahlungen für die Beschäftigungsjahre 1975 bis 1989 (und damit für die Zuflussjahre 1976 bis 1990) wie folgt zu berücksichtigen:

JEP-An-spruchsjahr Jahresarbeits-verdienst Monatsdurch-schnitts-verdienst JEP in Höhe der Glaubhaftmachung zu Grunde gelegt davon 5/6 (exakt) JEP-Zuflussjahr 1975 13.631,59 M 1.135,97 M 92,55 % 1.051,34 M 876,12 M 1976 1976 13.715,56 M 1.142,96 M 89,15 % 1.018,95 M 849,12 M 1977 1977 13.679,69 M 1.139,97 M 93,65 % 1.067,58 M 889,65 M 1978 1978 13.355,82 M 1.112,99 M 94,30 % 1.049,46 M 874,55 M 1979 1979 14.044,57 M 1.170,38 M 94,07 % 1.100,98 M 917,48 M 1980 1980 14.036,08 M 1.169,67 M 87,03 % 1.017,96 M 848,30 M 1981 1981 15.975,17 M 1.331,26 M 91,94 % 1.223,96 M 1.019,97 M 1982 1982 17.408,89 M 1.450,74 M 88,64 % 1.285,94 M 1.071,62 M 1983 1983 16.852,87 M 1.404,41 M 88,64 % 1.244,87 M 1.037,39 M 1984 1984 18.021,48 M 1.501,79 M 88,64 % 1.331,19 M 1.109,33 M 1985 1985 18.173,62 M 1.514,47 M 88,64 % 1.342,43 M 1.118,69 M 1986 1986 16.281,89 M 1.356,82 M 88,64 % 1.202,69 M 1.002,24 M 1987 1987 19.893,99 M 1.657,83 M 88,64 % 1.469,50 M 1.224,58 M 1988 1988 20.011,67 M 1.667,64 M 88,64 % 1.478,20 M 1.231,83 M 1989 1989 19.384,43 M 1.615,37 M 88,64 % 1.431,86 M 1.193,17 M 1990

3. Die Jahresendprämien als Arbeitsentgelt im Sinne der §§ 14 Abs. 1 Satz 1 SGB IV, 6 Abs. 1 Satz 1 AAÜG waren auch nicht nach der am 1. August 1991 maßgeblichen bundesrepublikanischen Rechtslage (Inkrafttreten des AAÜG) steuerfrei im Sinne der § 17 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB IV in Verbindung mit § 1 ArEV (vgl. dazu ausführlich: BSG, Urteil vom 23. August 2007 - B 4 RS 4/06 R - SozR 4-8570 § 6 Nr. 4 = JURIS-Dokument, RdNr. 33-41). Es handelt sich vielmehr um gemäß § 19 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerpflichtige Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit (Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt wurden).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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