S 5 EG 2749/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
5
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 EG 2749/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Entschädigung, die Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags für ihre Tätigkeit erhalten, ist bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Höhe eines Anspruchs auf Elterngeld.

Die Klägerin war bis zum 30.4.2016 Abgeordnete des Landtags von Baden-Württemberg. Das Land zahlte ihr bis zu ihrem Ausscheiden aus dem Landtag Abgeordnetenentschädigung, danach bis zum 30.9.2016 Übergangsgeld.

Noch während ihrer Zeit als Abgeordnete, am xx.7.2015, brachte die Klägerin eine Tochter zur Welt.

Am 3.4.2016 beantragte die Klägerin Elterngeld für den 15. – 26. Lebensmonat ihrer Tochter, also beginnend ab dem xx.9.2016.

Die Beklagte bewilligte ihr daraufhin mit Bescheid vom 13.6.2016 antragsgemäß Elterngeld für den 15. – 26. Lebensmonat, mithin für die Zeit vom xx.9.2016 – xx.9.2017. Die Höhe der monatlichen Leistungen setzte die Beklagte auf 150 EUR fest. Zur Begründung gab sie insoweit an, die Klägerin habe im maßgeblichen Zeitraum vor der Geburt ihrer Tochter kein Einkommen erzielt. Angesichts dessen könne sie Elterngeld nur in Höhe des Mindestbetrages beanspruchen.

Hiergegen legte die Klägerin am 4.7.2016 Widerspruch ein. Sie machte geltend, entgegen der Auffassung der Beklagten habe sie vor der Geburt ihres Kindes durchaus Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Sinne des § 2 Abs. 1 BEEG erzielt, nämlich in Gestalt der Abgeordnetenentschädigung: Beim Landtag von Baden-Württemberg handele es sich um ein "Vollzeitparlament". Die Tätigkeit als Landtagsabgeordneter sei daher ein Beruf, der den vollen Einsatz der Arbeitskraft fordere. Hierfür erhalte der Abgeordnete als Gegenleistung eine Abgeordnetenentschädigung, die zu versteuern sei. Zwar ordne § 22 EStG die Abgeordnetenentschädigung steuerrechtlich den "sonstigen Einkünften" zu; dies liege aber nur daran, dass es sich bei der Abgeordnetentätigkeit weder um eine selbständige noch um eine nichtselbständige Tätigkeit handele. Ihrem Anspruch auf höheres Elterngeld stehe nicht entgegen, dass nach § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG bei der Berechnung des Elterngeldes nur Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Land- und Fortwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 EStG Berücksichtigung finden sollten, nicht hingegen sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 i.V.m. § 22 EStG. Dies sei im Hinblick auf die Abgeordnetenentschädigung eine planwidrige Regelungslücke: Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, mit dem Verweis auf § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 EStG alle Einkünfte aus Erwerbstätigkeit erfasst zu haben. Dabei habe er übersehen, dass zu den nicht erfassten sonstigen Einkünften nach § 22 EStG neben Renten, Unterhaltsleistungen, Einkünften aus Veräußerungsgeschäften und Leistungen aus Altersvorsorgeverträgen auch Abgeordnetenentschädigungen zählten. Hätte der Gesetzgeber dies erkannt, hätte er geregelt, dass die Abgeordnetenentschädigung bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen ist. Jedes andere Ergebnis wäre zudem mit dem Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar: Zwar schulde der Abgeordnete keine Dienste, sondern nehme sein Mandat unabhängig wahr. Dieser Umstand rechtfertige aber keine Ungleichbehandlung gegenüber Personen, die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit erzielen. In beiden Fällen sollten Eltern, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen, um Kinder zu betreuen, einen finanziellen Ausgleich erhalten, und zwar orientiert am bisherigen individuellen Einkommen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 13.7.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie aus, § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG liste abschließend diejenigen Einkünfte aus Erwerbstätigkeit auf, die bei der Berechnung des Elterngeldes zu berücksichtigen sind: Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Land- und Fortwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit. Sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG gehörten hingegen nicht dazu, unabhängig davon, ob sie das Haupteinkommen darstellten. Die Abgeordnetenentschädigung der Klägerin zähle steuerrechtlich zu den sonstigen Einkünften; sie bleibe daher außer Betracht. Dieses Ergebnis sei auch verfassungsrechtlich unbedenklich: Das Elterngeld diene nicht dazu, dringende soziale Notlagen zu beheben; vielmehr solle es nur die wirtschaftliche Lage einer Gruppe von Bürgern erleichtern. In diesem Bereich habe der Gesetzgeber einen weiten Gestaltungsspielraum.

Mit der am 12.8.2016 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihren Antrag weiter. Sie trägt ergänzend vor, bei der Abgeordnetenentschädigung handele es sich um eine Gegenleistung für die parlamentarische Tätigkeit; sie habe daher durchaus Gehalts– oder Besoldungscharakter. Angesichts dessen sei aus Gründen der Gleichbehandlung die Entschädigung bei der Bemessung des Elterngeldes genauso zu berücksichtigen wie die in § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 EStG erwähnten Einkünfte. Im Übrigen sei sie, die Klägerin, im Frühjahr 2016 als Abgeordnete aus dem Landtag von Baden-Württemberg ausgeschieden. Mit dem Ende ihrer Tätigkeit als Abgeordnete sei ihr früheres Arbeitsverhältnis bei der A. AG, das während der Zugehörigkeit zum Landtag geruht habe, wieder aufgelebt. Zum Zeitpunkt des Antrags auf "Elternzeit" sei sie schon nicht mehr Abgeordnete gewesen, sondern abhängig Beschäftigte. Während der Elternzeit beziehe sie von der A. AG kein Arbeitsentgelt. Vor diesem Hintergrund führe die Elternzeit durchaus zu einer finanziellen Einbuße, die auszugleichen Sinn und Zweck des Elterngeldes sei.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 13.6.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.7.2016 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom xx.9.2016 bis xx.9.2017 höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Einkommens als Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie trägt u.a. ergänzend vor, entgegen der Auffassung der Klägerin liege keine planwidrige Regelungslücke vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber bewusst geregelt, dass ausschließlich die in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG erwähnten Einkunftsarten für die Berechnung des Elterngeldes relevant sind. Die Entschädigung nach § 5 des baden-württembergischen Abgeordnetengesetzes sei kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit: Durch die Alimentation aus der Staatskasse solle der Abgeordnete in die Lage versetzt werden, sein Mandat unabhängig wahrzunehmen. Ein staatlicher Anspruch auf eine bestimmte Arbeits- oder Dienstleistung gehe damit nicht einher. Angesichts dessen lasse sich die Abgeordnetenentschädigung nicht mit Arbeitsentgelt oder einer Beamtenbesoldung vergleichen. Darüber hinaus verringere sich die Abgeordnetenentschädigung nicht, wenn der Abgeordnete zum Zwecke der Kinderbetreuung den Umfang seiner Tätigkeit reduziert – anders als einem Arbeitnehmer, der Elternzeit in Anspruch nimmt. Es sei auch unerheblich, ob das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der A. AG zum 1.5.2016 wieder aufgelebt ist; denn es komme hier ausschließlich auf das vorgeburtliche Einkommen in der Zeit vom 1.7.2014 – 30.6.2015 an. In diesem Zeitraum habe die Klägerin unstreitig kein Arbeitsentgelt bezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakte sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1) Die Klage ist zulässig, aber unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf höheres Elterngeld unter Berücksichtigung ihres Einkommens als Abgeordnete des baden-württembergischen Landtags.

a) Die Abgeordnetenentschädigung der Klägerin gehört nicht zu den Einkünften, die nach dem Wortlaut des Gesetzes bei der Bemessung des Elterngeldes zu berücksichtigen sind.

Elterngeld wird in Höhe von 67 % des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f BEEG aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus (1.) nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG sowie (2.) Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 bis 3 EStG, die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b BEEG oder in Monaten der Bezugszeit nach § 2 Abs. 3 BEEG hat (§ 2 Abs. 1 S. 1 und 3 BEEG).

Bei der Abgeordnetenentschädigung, die die Klägerin im Bemessungszeitraum bezogen hat, handelt es sich steuerrechtlich weder um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 EStG noch um Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 3 EStG, sondern um sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG. Denn sonstige Einkünfte sind u.a. Entschädigungen, die aufgrund des Abgeordnetengesetzes oder entsprechender Gesetze der Länder gezahlt werden (§ 22 S. 1 Nr. 4 EStG). Hiermit übereinstimmend hat das Finanzamt K. die Einkünfte der Klägerin aus ihrer Tätigkeit als Abgeordnete tatsächlich als "sonstige Einkünfte" besteuert (vgl. den Steuerbescheid für das Jahr 2014 vom 31.3.2016).

b) Anders als die Klägerin meint, stellt es keine planwidrige Regelungslücke dar, dass eine Abgeordnetenentschädigung bei der Bemessung des Elterngeldes keine Berücksichtigung findet.

Der Gesetzgeber hat sich dafür entschieden, das für das Elterngeld maßgebliche Einkommen unter Rückgriff auf das Einkommensteuerrecht zu regeln. Allerdings sollten von Anfang an nur bestimmte Einkünfte berücksichtigt werden – nämlich zum einen Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, zum anderen Einkünfte aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit (BT-DruckS 16/2785 Seite 37). Diese Unterscheidung (und Begrenzung) findet sich nicht nur in § 2 Abs. 1 S. 3 BEEG. Vielmehr betreffen auch die Regelungen der § 2b bis § 2d BEEG dazu, wie die Einkünfte konkret zu ermitteln sind, nur Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit einerseits, aus Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständiger Arbeit andererseits. Regelungen für sonstige Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 7 EStG existieren hingegen nicht. Auch hieran lässt sich erkennen, dass nach dem Willen des Gesetzgebers sonstige Einkünfte – also auch Abgeordnetenentschädigungen – nicht berücksichtigt werden sollen.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin stellt dies keine verfassungswidrige Benachteiligung gegenüber Beziehern von Einkünften nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 EStG dar.

Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, alle Menschen vor dem Gesetz gleich zu behandeln. Damit ist dem Gesetzgeber aber nicht jede Differenzierung verwehrt. Vielmehr darf er durchaus Personen ungleich behandeln, vorausgesetzt, für die vorgenommene Differenzierung besteht ein Grund von solcher Art und solchem Gewicht, dass er die Ungleichbehandlung rechtfertigen kann (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.3.2016, L 11 EG 1924/15, Rdnr. 34 – nach Juris). Beim Elterngeld handelt es sich um eine freiwillige steuerfinanzierte Leistung des Staates. In diesem Bereich kommt dem Gesetzgeber ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Dies gilt insbesondere für die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises (LSG Baden-Württemberg, a.a.O., Rdnr. 36 – nach Juris).

Gemessen hieran besteht nach Überzeugung der Kammer ein hinreichender sachlicher Grund dafür, Abgeordnetenentschädigungen im Gegensatz zu Einkünften nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 – 4 EStG bei der Bemessung des Elterngeldes nicht zu berücksichtigen: Wer Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb oder selbständiger Arbeit hat und seine Erwerbstätigkeit zum Zwecke der Kinderbetreuung reduziert, wird tendenziell Einbußen bei seinen Einkünften erleiden. Denn die Höhe dieser Einkünfte hängt typischerweise auch vom zeitlichen Aufwand ab, mit dem die Erwerbstätigkeit ausgeübt wird. Demgegenüber werden Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 – 7 EStG (Einkünfte aus Kapitalvermögen, aus Vermietung und Verpachtung sowie sonstige Einkünfte) bei pauschalierender Betrachtung durch vorübergehende Kinderbetreuung nicht beeinträchtigt. Da das Elterngeld lediglich das durch die Kinderbetreuung geminderte Einkommen kompensieren soll, erscheint es folgerichtig, dass der Gesetzgeber Einkünfte nach § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 – 7 EStG bei der Bemessung außen vor lassen will (vgl. Ismer/Luft/Schachameyer, NZS 2013, 327, 328).

Diese Erwägungen des Gesetzgebers treffen auf die hier streitige Abgeordnetenentschädigung nach § 5 des baden-württembergischen Abgeordnetengesetzes durchaus zu: Nach den Angaben des Bevollmächtigten der Klägerin in der mündlichen Verhandlung hat die Klägerin ihr am xx.7.2015 geborenes Kind schon vor ihrem Ausscheiden aus dem Landtag vorübergehend betreut und zu diesem Zweck den Umfang ihrer Tätigkeit als Abgeordnete reduziert. Dies hatte indes keinen Einfluss auf die Höhe ihrer Abgeordnetenentschädigung; sie erhielt die Entschädigung in ungeminderter Höhe weiter (vgl. die Bescheinigung der Landtagsverwaltung vom 21.3.2016). Wäre die Klägerin nach wie vor Abgeordnete, würde sie auch jetzt, ab dem 15. Lebensmonat ihres Kindes, trotz Kinderbetreuung Abgeordnetenentschädigung in voller Höhe beziehen.

2) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved