L 9 R 3091/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Konstanz (BWB)
Aktenzeichen
S 7 R 1598/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 3091/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Juli 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Zwischen den Beteiligten ist die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung streitig.

Der 1959 in Italien geborene Kläger lebt seit August 1978 in der Bundesrepublik Deutschland. Er hat keine Berufsausbildung absolviert und war nach seinen Angaben mit Unterbrechungen von 1978 bis 2008 als Bauarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Seit Oktober 2009 bezieht er Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II).

Nachdem Rentenanträge in den Jahren 2008 (Bescheid vom 06.10.2008, Widerspruchsbescheid vom 13.07.2009, Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Konstanz (SG) vom 10.02.2010 - S 7 R 2270/09 -), 2010 (Bescheid vom 25.06.2010, Widerspruchsbescheid vom 22.02.2011, Gerichtsbescheid des SG vom 24.08.2011 - S 7 R 596/11 -) und 2011 (Bescheid vom 16.11.2011, Widerspruchsbescheid vom 02.03.2012, Rücknahme der Klage vor dem SG - S 7 R 674/12 -) erfolglos geblieben waren, stellte der Kläger am 31.01.2013 erneut einen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. L. vom 06.02.2013 und vom 22.03.2013 lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 06.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.06.2013 ab, da der Kläger weder voll noch teilweise erwerbsgemindert und auch nicht berufsunfähig sei.

Hiergegen hat der Kläger am 26.06.2013 Klage beim Sozialgericht Konstanz (SG) erhoben. Im Rahmen der Beweisaufnahme hat das SG zunächst die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen vernommen. Die Augenärztin M. hat unter dem 29.08.2013 mitgeteilt, den Kläger zuletzt im Mai 2012 untersucht zu haben. Aufgrund der vorangegangenen Untersuchungen bestünden derzeit aus augenärztlicher Sicht keine einschränkenden Gesundheitsstörungen. In ihrer Aussage vom 10.09.2013 hat die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. U. angegeben, dem Kläger seien leichte Tätigkeiten mit qualitativen Einschränkungen vier bis sechs Stunden arbeitstäglich zumutbar; sie verweist im Wesentlichen auf Lumboischialgien bei Bandscheibenvorfall L5/S1, Halswirbelsäulenbeschwerden bei Zustand nach Spondylodese im Sinne eines chronischen Schmerzsyndroms, Heberden-Arthrosen der Hände und eine Depression. Der Facharzt für Neurologie und Psychiatrie G. hat in seiner schriftlichen Zeugenaussage von 08.10.2013 mitgeteilt, diagnostisch handle es sich um eine mittelgradige depressive Episode, eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung und Spannungskopfschmerzen. Leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien drei- bis vierstündig möglich. Der Facharzt für Orthopädie W. hat unter dem 09.02.2014 ausgeführt, leichte Tätigkeiten seien dem Kläger vollschichtig möglich. Sollte sich im weiteren Verlauf die Diagnose einer Polyarthritis festigen, müsse die Leistungsfähigkeit im Verlauf jeweils neu bewertet werden.

Das SG hat dann den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. T. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 14.04.2014 hat dieser mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine rezidivierende depressive Störung mit Neigung zur Somatisierung, wobei gegenwärtig keine wesentlichen depressiven Beschwerden bestünden. Leichte bis zeitweise mittelschwere Hilfsarbeiten ohne Zeitdruck und Akkordanforderungen, nach Möglichkeit im Wechsel zwischen Sitzen, Stehen und Gehen, ohne schwerere Anforderungen, wie z. B. Heben und Tragen von schweren Lasten und Arbeiten unter Nässe oder Kälte, ohne Wechsel- oder Nachtschicht seien vollschichtig zumutbar. Die Funktionsbeeinträchtigungen auf orthopädischem Fachgebiet könne er nur eingeschränkt beurteilen.

In einer ergänzenden Stellungnahme vom 11.07.2014 hat der Orthopäde W. ausgeführt, es ergebe sich insofern eine Änderung, als zu diskutieren wäre, ob die Zunahme der Schmerzen und der Gelenkentzündung mit schmerzhaften Schwellungen auch für leichte Tätigkeiten eine zeitliche Einschränkung der Leistungsfähigkeit rechtfertigten. Zumindest im Entzündungsschub dürfte hier eine Einschränkung auf drei bis sechs Stunden angemessen erscheinen.

Das SG hat dann Dr. H. mit der Erstattung eines fachorthopädischen Gutachtens beauftragt. Dieser hat in seinem Gutachten vom 04.10.2014 mitgeteilt, bei dem Kläger bestehe eine schmerzhaft Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule nach Bandscheibenoperation zwischen dem sechsten und siebten Halswirbel mit lokaler Versteifung und bei mäßiggradigen Bandscheibendegenerationen in der unteren Lendenregion ohne Zeichen einer dadurch bedingten Nervenwurzelschädigung, eine schmerzhafte Funktionsstörung in mehreren peripheren Gelenken bei Hinweis auf eine diskrete chronische Gelenkentzündung im Zusammenhang mit einer langjährigen Schuppenflechte und wiederkehrende depressive Störungen mit Neigung zu Somatisierung. Zumutbar seien nur noch überwiegend leichte bis gelegentlich kurzfristig mittelschwere Tätigkeiten in unterschiedlichen Köperhaltungen mit gelegentlichem kurzfristigen Heben von Lasten in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung bis 15 kg, von 5 bis 7 kg in Rumpfvor- oder Seitneigung, in wechselnder Körperhaltung ohne langes Verharren in Zwangshaltungen der Wirbelsäule, mit gelegentlichem kurzfristigen Bücken, mit gelegentlichem Treppensteigen ohne wesentliche Zusatzlast bei Vorhandensein eines stabilen Handlaufs, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne handwerklich besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen, feinmechanisch anspruchsvolle Arbeiten), ohne Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen, ohne ständigen Wechsel zwischen Wärme- und Kältezonen. Arbeiten im Schichtdienst dürften sich ungünstig auf die vorgetragene, vom Sachverständigen nicht überprüfbare Schlafstörung auswirken. Aufgrund der medizinischen Befunde einerseits und dem erkennbaren Restleistungsvermögen im Privatbereich andererseits bestehe keine plausible Begründung dafür, dass der Kläger bei Ausübung einer vollschichtigen Tätigkeit mit den genannten qualitativen Einschränkungen unzumutbare Schmerzen empfinden sollte.

Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers hat das SG den Facharzt für Psychiatrie und Neurologie - Psychotherapie Dr. B. gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. In seinem Gutachten vom 29.04.2015 hat dieser eine mittelgradige rezidivierende depressive Störung mit den Symptomen einer Verstimmung mit mangelnder Lebensfreude, Schlafstörungen, Zukunftsängsten, sozialem Rückzug und rascher Ermüdbarkeit bei einer ausgeprägten Somatisierungstendenz, die dazu führe, dass der Kläger sich durch seine Schmerzsymptomatik massiv eingeschränkt und behindert fühle, und eine arterielle Hypertonie beschrieben. Die depressive Symptomatik - rasche Ermüdbarkeit bei Schlafstörungen, affektive Herabgestimmtheit, hohe Ablenkbarkeit durch die multiple Schmerzsymptomatik - habe in den letzten Jahren ein Ausmaß erreicht, dass der Kläger auch leichte Arbeiten nicht mehr vollschichtig verrichten könne. Die festgestellte Leistungseinschränkung bestehe seit Antragstellung.

Die Beklagte hat zu dem Gutachten die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters B. vom 13.08.2015 vorgelegt, der Einwendungen gegen das Gutachten erhoben und ein weiterhin vollschichtiges Leistungsvermögen unter Beachtung qualitativer Leistungseinschränkungen angenommen hat.

Das SG hat die ergänzende gutachterliche Stellungnahme von Dr. T. vom 28.09.2015 veranlasst, der ausgeführt hat, zum heutigen Zeitpunkt sei es ihm nicht mehr möglich, eine seriöse sozialmedizinische Leistungsbeurteilung abzugeben. Dazu sei seine persönliche Untersuchung zu lange her.

Das SG hat dann die schriftliche Zeugenaussage des Facharztes für Innere Medizin Dr. M. vom 27.11.2015 eingeholt, der leichte körperliche Tätigkeiten überwiegend im Sitzen, unter Vermeidung von Zwangshaltungen, Einfluss von Zugluft und Kälte, sowie bei nur geringen Anforderungen bezogen auf manuelle Fertigkeiten noch vollschichtig für zumutbar erachtet hat.

Schließlich hat das SG das nervenärztlich-psychosomatische Gutachten des Prof. Dr. S. vom 14.01.2016 eingeholt. Der Gutachter hat eine anhaltende affektive Störung bei u.a. aufgrund von Verdeutlichungstendenzen nicht sicher bestimmbarem Schweregrad, eine anhaltende Schmerzstörung bei somatischen und psychischen Faktoren bei u.a. Wurzelreizsyndrom L4 rechts und nachgewiesener Psoriasis-Arthritis und Übergewicht diagnostiziert. Zumutbar seien nur noch leichte Tätigkeiten ganz überwiegend im Sitzen, aber ohne irgendwelche Zwangshaltungen und mit gelegentlichem Wechsel zum Stehen und Gehen. Leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit den genannten Leistungseinschränkungen könne man sich theoretisch noch vorstellen; aufgrund der auf seinem Fachgebiet festgestellten Gesundheitsstörungen sei in Anbetracht der Verdeutlichungstendenzen eine quantitative Leistungsminderung nicht mit Sicherheit feststellbar. Dennoch könne er sich bei einem Analphabeten mit rudimentären Sprachkenntnissen und sehr geringen sozialen Kompetenzen praktisch keine Tätigkeit vorstellen, die er tatsächlich ausüben könne. Das verbliebene Leistungsprofil, z. B. mit leichten Sortierarbeiten im Sitzen, der Möglichkeit, diese mehr oder weniger jederzeit durch kürzere Pausen zu unterbrechen, entspreche ziemlich genau den Tätigkeiten in einer Werkstatt für behinderte Menschen und dürften in der gleichen Weise auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nicht mehr verfügbar sein.

Die Beklagte hat hierzu die beratungsärztliche Stellungnahme des Neurologen und Psychiaters B. vom 26.02.2016 vorgelegt, der ausgeführt hat, er sehe keine schweren spezifischen qualitativen Einschränkungen. Auf die gerichtliche Anfrage, vorsorglich Verweisungstätigkeiten zu benennen, hat die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.03.2016 dargelegt, dass der Analphabetismus des Klägers im Hinblick auf eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung außer Acht zu lassen sei. Für den Kläger gebe es das weite Feld von Tätigkeiten, die die Fähigkeit des Lesens und Schreibens nicht unbedingt erfordern würden, wie z. B. leichte Verpackungs-, Sortier-, Klebe-, Etikettier- sowie Montagetätigkeiten. Als Verweisungstätigkeiten benannte sie Tätigkeiten als Warensortierer, Montierhelfer, Verpackungshelfer, Klebe- und Etikettierhelfer, Pförtner, Pförtner an einer Nebenpforte, Museumswärter und Produktionshelfer.

In einer seitens des SG veranlassten ergänzenden gutachterlichen Stellungnahme hat Prof. Dr. S. unter dem 18.04.2016 angegeben, konkrete medizinische Gründe, die die Notwenigkeit arbeitsmarktunüblicher Pausen zwingend begründen würden, gebe es nicht.

Mit Urteil vom 06.07.2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die - näher dargelegten - Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung sowie für eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit seien nicht erfüllt. Der Kläger könne noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mit einigen qualitativen Einschränkungen mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Die für das aktuelle berufliche Leistungsvermögen des Klägers wesentlichen Gesundheitsstörungen lägen im orthopädischen und nervenärztlichen Bereich. Wie sich aus den überzeugenden Gerichtsgutachten von Dr. H. und Prof. Dr. S., jeweils bezogen auf ihre Fachgebiete, ergebe, bestehe bei dem Kläger im Wesentlichen eine schmerzhafte Funktionsstörung der gesamten Wirbelsäule nach Bandscheibenoperation zwischen dem sechsten und siebten Halswirbel mit lokaler Versteifung und mäßiggradigen Bandscheibendegenerationen in der unteren Lendenregion ohne Zeichen einer dadurch bedingten Nervenwurzelschädigung, eine schmerzhafte Funktionsstörung in mehreren peripheren Gelenken bei Hinweis auf eine diskrete chronische Gelenkentzündung im Zusammenhang mit einer langjährigen Schuppenflechte, eine anhaltende affektive Störung, wobei der Schweregrad unter anderem aufgrund von Verdeutlichungstendenzen nicht sicher bestimmbar sei, und eine anhaltende Schmerzstörung bei somatischen und psychischen Faktoren. Ferner sei, wie Prof. Dr. S. ausgeführt habe, ein Übergewicht gegeben. Hinsichtlich der Gesundheitsstörungen auf nervenärztlichem Fachgebiet habe Dr. T. eine mit Prof. Dr. S. vergleichbare diagnostische Einordnung vorgenommen (rezidivierende depressive Störung mit Neigung zur Somatisierung, gegenwärtig ohne wesentliche depressive Beschwerden). Die Gesundheitsstörungen führten dazu, dass der Kläger bei einer beruflichen Tätigkeit qualitative Einschränkungen berücksichtigen müsse. Jedenfalls leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in unterschiedlichen Körperhaltungen, mit gelegentlichem kurzfristigem Heben von Lasten in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung bis 15 kg, von 5 bis 7 kg in Rumpfvor- oder Seitneigung, in wechselnder Körperhaltung, ganz überwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltungen, mit gelegentlichem kurzfristigen Bücken, mit gelegentlichem Treppensteigen ohne wesentliche Zusatzlast bei Vorhandensein eines stabilen Handlaufs, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne handwerklich besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen, feinmechanisch anspruchsvolle Arbeiten), ohne Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen, allgemein ohne Arbeiten unter Zeitdruck, ohne Arbeiten unter Nässe und Kälte und ohne Arbeiten im Schichtdienst könne der Kläger aber noch sechs Stunden täglich verrichten. Die qualitativen Einschränkungen entnehme die Kammer den Gutachten von Dr. H., Prof. Dr. S. und Dr T. Eine Leistungsminderung in zeitlicher Hinsicht lasse sich aufgrund der bestehenden Gesundheitsstörungen nicht begründen. Zwar sei Prof. Dr. S. im Ergebnis davon ausgegangen, dass der Kläger voraussichtlich keine Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt mehr verrichten könne; dies betreffe jedoch nicht das hier zunächst festzustellende quantitative Leistungsvermögen, sondern die Beurteilung der beruflichen Belastbarkeit in qualitativer Hinsicht und somit die Frage, ob aufgrund von Zweifeln am Vorhandensein entsprechender Arbeitsplätze auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Verweisungstätigkeiten zu benennen seien. Eine solche Benennungspflicht bestehe vorliegend nicht. Bei dem Kläger bestünden zwar einige qualitative Einschränkungen, diese seien jedoch, wie das Vermeiden des Tragens schwerer Lasten, teilweise bereits vom Begriff der "leichten Tätigkeiten" umfasst. Ungewöhnliche Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung seien auch in den übrigen qualitativen Einschränkungen nicht zu sehen. Dies gelte auch unter Berücksichtigung des von Prof. Dr. S. beschriebenen faktischen weitgehenden Analphabetismus. Die Notwendigkeit der Benennung von Verweisungstätigkeiten wegen einer schweren spezifischen Leistungsbehinderung komme in diesem Fall nur dann in Betracht, wenn eine Mehrheit von mindestens zwei ungewöhnlichen Leistungseinschränkungen gegeben wäre. Dies sei hier nicht der Fall. Insbesondere bestehe bei dem Kläger nicht etwa die medizinische Notwednigkeit betriebsunüblicher Pausen. Nachdem der Kläger zuletzt als Bauarbeiter und damit als ungelernter Arbeiter bzw. Angelernter des unteren Bereichs im Sinne des Mehrstufenschemas des BSG beschäftigt gewesen sei, sei er breit, d. h. auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar.

Gegen den ihm am 01.08.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 16.08.2016 Berufung eingelegt und zur Begründung vortragen lassen, es bestünden ernste Zweifel an der tatsächlichen Einsatzfähigkeit des Klägers auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt unter dessen üblichen Bedingungen. Im Hinblick auf die körperlichen und psychischen Einschränkungen des Klägers, wie sie sich aus dem Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. S. ergäben, sei von einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen auszugehen, sodass richtigerweise die Beklagte hier Verweisungsmöglichkeiten zu benennen habe. Die von der Beklagten vorsorglich benannten Verweisungstätigkeiten seien vom Kläger nicht ausübbar.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Konstanz vom 6. Juli 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 6. Februar 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Juni 2013 zu verurteilen, ihm Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit, hilfsweise Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung auf Zeit ab Antragstellung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verwiest auf die Ausführungen im angefochtenen Urteil und ihr erstinstanzliches Vorbringen.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 02.02.2017 sind die Beteiligten auf die beabsichtigte Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden; ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht (LSG) nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats übereinstimmend zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 02.02.2017 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von dem Kläger geltend gemachte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 SGB VI) sowie wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI) dargelegt und ebenso zutreffend ausgeführt, dass ein solcher Anspruch nicht besteht, weil der Kläger nach den überzeugenden Gutachten von Dr. H. und Prof. Dr. S. trotz der bei ihm vorliegenden Gesundheitsstörungen noch in der Lage ist, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wenigstens sechs Stunden arbeitstäglich zu verrichten und aufgrund seiner zuletzt ausgeübten Tätigkeit als angelernter Arbeiter des unteren Bereichs auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbar ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung und unter Berücksichtigung des Vorbringens im Berufungsverfahren uneingeschränkt an, sieht gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Im Hinblick auf das Berufungsvorbringen weist der Senat lediglich ergänzend darauf hin, dass auch aus Sicht des Senats kein Rentenanspruch wegen einer Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder wegen einer schweren spezifische Leistungsbeeinträchtigung besteht und eine Verweisungstätigkeit nicht zu benennen ist.

Die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, ist immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (st. Rspr. vgl. BSG, Urteile vom 30.11.1982, 4 RJ 1/82 und vom 01.03.1984, 4 RJ 43/83, Juris) oder Versicherte nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z. B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nur unter betriebsunüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze auf Grund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG, Urteile vom 06.06.1986, 5b RJ 42/85, vom 25.06.1986, 4a RJ 55/84, vom 09.09.1986, 5b RJ 50/84, vom 19.03.1981, 4 RJ 19/80, vom 13.07.1988, 5/4a RJ 57/87 und vom 07.05.1975, 11 RA 50/74, Juris). Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung meint die Fälle, in denen bereits eine einzige schwerwiegende Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R, Juris). Als Beispiel hierfür ist etwa die Einarmigkeit eines Versicherten zu nennen. Das Merkmal "Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen" trägt hingegen dem Umstand Rechnung, dass auch eine Vielzahl von Einschränkungen, die jeweils nur einzelne Verrichtungen oder Arbeitsbedingungen betreffen, zusammengenommen das noch mögliche Arbeitsfeld in erheblichem Umfang zusätzlich einengen können. In diesen Fällen besteht die Verpflichtung, ausnahmsweise eine konkrete Tätigkeit zu benennen, weil der Arbeitsmarkt möglicherweise für diese überdurchschnittlich leistungsgeminderten Versicherten keine Arbeitsstelle bereithält oder nicht davon ausgegangen werden kann, dass es für diese Versicherten eine ausreichende Anzahl von Arbeitsplätzen gibt, oder ernste Zweifel daran aufkommen, ob der Versicherte in einem Betrieb einsetzbar ist (BSG, Urteil vom 10.12.2003, B 5 RJ 64/02 R, Juris). Ausgehend hiervon liegt bei dem Kläger weder eine schwere spezifische Leistungseinschränkung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor.

Ausgehend von den bei dem Kläger festzustellenden qualitativen Leistungseinschränkungen, die das SG aus den Gutachten von Prof. Dr. S., Dr. T. und Dr. H. entnommen hat und denen sich der Senat anschließt, sind dem Kläger noch leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt in unterschiedlichen Körperhaltungen, mit gelegentlichem kurzfristigem Heben von Lasten in stabilisierter aufrechter Rumpfhaltung bis 15 kg, von 5 bis 7 kg in Rumpfvor- oder Seitneigung, in wechselnder Körperhaltung, ganz überwiegend im Sitzen, ohne Zwangshaltungen, mit gelegentlichem kurzfristigen Bücken, mit gelegentlichem Treppensteigen ohne wesentliche Zusatzlast bei Vorhandensein eines stabilen Handlaufs, ohne Besteigen von Leitern und Gerüsten, ohne handwerklich besonders anspruchsvolle Arbeiten (Hämmern, Bohren, Schrauben, Sägen, feinmechanisch anspruchsvolle Arbeiten), ohne Arbeiten unter Akkord- und Fließbandbedingungen, ohne Zeitdruck, nicht unter Nässe und Kälte und ohne Schichtdienst zumutbar. Arbeitsmarktunübliche Pausen sind nach der ergänzenden Stellungnahme von Prof. Dr. S. nicht zu beachten.

Die Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit ist bei dem Kläger nicht erforderlich, denn eine spezifische Leistungseinschränkung liegt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.1982, 1 RJ 132/80, Juris) jedenfalls dann nicht vor, wenn ein Versicherter noch vollschichtig körperlich leichte Arbeiten ohne Heben und Tragen von Gegenständen über 5 kg, ohne überwiegendes Stehen und Gehen oder ständiges Sitzen, nicht in Nässe, Kälte oder Zugluft, ohne häufiges Bücken, ohne Zwangshaltungen, ohne besondere Anforderungen an die Fingerfertigkeit und nicht unter besonderen Unfallgefahren zu verrichten vermag. Der Benennung einer konkreten Verweisungstätigkeit bedarf es nicht, wenn Tätigkeiten wie das Verpacken leichter Gegenstände, einfache Prüfarbeiten oder die leichte Bedienung von Maschinen noch uneingeschränkt möglich sind. Trotz der bei dem Kläger vorliegenden Erkrankungen ist er, wie bereits dargelegt, in der Lage, entsprechende Tätigkeiten zu verrichten.

Auch stellt der durch Dr. S. mitgeteilte Analphabetismus keine schwere spezifische Leistungsbehinderung dar. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Analphabetismus auf einer gesundheitlichen Störung beruht. Nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 09.05.2012, B 5 R 68/11 R, Juris) ist der nicht auf einer gesundheitlichen Störung beruhende Analphabetismus keine Behinderung und kann damit auch keine Leistungsbehinderung sein.

Es kann vorliegend offen bleiben, ob es sich bei dem muttersprachlichen Analphabetismus des Klägers für sich genommen um eine ungewöhnliche Leistungseinschränkung handelt, da, worauf das SG zutreffend hingewiesen hat, die Notwendigkeit zur Benennung von Verweisungstätigkeiten nur dann besteht, wenn mindestens zwei ungewöhnliche Leistungseinschränkungen gegeben sind (BSG; Urteil vom 09.05.2012, a.a.O.). Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.

Der Kläger ist auch wegefähig im rentenrechtlichen Sinne. Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle aufzusuchen (BSG, Urteile vom 09.08.2001, B 10 LW 18/00 R und Urteil vom 28.08.2002, B 5 RJ 12/02 R, Juris). Das BSG hält dabei eine gesundheitliche Beeinträchtigung, die es dem Versicherten nicht erlaubt, täglich viermal eine Fußstrecke von mehr als 500 Metern in weniger als 20 Minuten zurückzulegen, für eine derart schwere Leistungseinschränkung, dass der Arbeitsmarkt trotz vorhandenen vollschichtigen Leistungsvermögens als verschlossen anzusehen ist (BSG, Urteil vom 21.03.2006, B 5 RJ 51/04 unter Hinweis auf BSG Großer Senat, Beschluss vom 19.12.1996, GS 2/95, Juris). Nach den vorliegenden Gutachten, insbesondere dem fachorthopädischen Gutachten des Dr. H., besteht eine rentenrechtlich relevante Einschränkung der Wegefähigkeit nicht.

Das SG hat daher die Klage zu Recht abgewiesen. Die Berufung war zurückzuweisen

Hierauf und auf § 193 SGG beruht die Kostenentscheidung.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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