Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
15
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 15 U 1864/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ambulante Nachsorge im Rahmen des Stabilisierungspro-gramms der Deutschen Rentenversicherung („ASP“) auf der Grundlage des § 31 SGB VI ist keine ambulante Maßnahme zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII und begründet daher keinen Versicherungs-schutz in der gesetzlichen Unfallversicherung.
Tenor: Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Unfall vom 14.04.2015, bei dem sich die Klägerin eine Fraktur des linken Innenknöchels mit traumatischem Bän-derriss zugezogen hat, als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen hat.
Die am geborene Klägerin leidet seit ihrer Kindheit an einer Spina bifida, es erfolg-ten mehrfache operative Eingriffe. Als Folge bestand eine Hypotrophie und Beinver-kürzung des linken Beines mit Bildung eine Klumpfußes links mit der Notwendigkeit mehrerer Klumpfußoperationen. Zuletzt fand im Mai 2014 in der H. Klinik B. eine kor-rigierende Arthrodese des linken unteren Sprunggelenks mit Schraubenosteosynthe-se und Osteotomie statt. Vom 19.08.2014 bis 13.09.2014 folgte unter der Kostenträ-gerschaft der Deutschen Rentenversicherung eine Maßnahme zur stationären Reha-bilitation in der T. Klinik in K ... Bei Entlassung empfahlen die dort behandelnden Ärzte aufgrund des Lokalbefundes und der langen Vorgeschichte ein Weiterführen der krankengymnastischen Behandlung in ambulanter Form, ferner konsequentes Fort-führen der erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie. Das Stabilisie-rungsprogramm der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (ASP) wur-de eingeleitet sowie eine orthopädische Einlagenversorgung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung der Kläge-rin eine ambulante Nachsorge als Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Leistung sollte 24 Therapieeinheiten in einem Gesamtzeitraum von 12 Monaten um-fassen und in der Nachsorgeeinrichtung Reha-Klinik H. in B. durchgeführt werden. Laut ergänzenden Bestimmungen zum Bescheid vom 14.10.2014 hatte die bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation das Ziel, Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden oder zu beseitigen, zumindest aber diese zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Dadurch solle die Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Es liege daher im Interesse der Klägerin, an der Rehabilitation auch aktiv mitzuwirken.
Laut Dokumentation des ambulanten Stabilisierungsprogramms (ASP) vom 29.07.2015 fand die Maßnahme in der Reha-Klinik H. im Zeitraum 05.01.2015 bis 14.04.2015 statt. Es erfolgte eine Aufnahmeuntersuchung, eine Einweisung in die medizinische Trainingstherapie, 21 Trainingseinheiten, 9 Bewegungsbäder sowie 7 Einheiten unter dem Stichwort "Gelenk 1".
Am 14.04.2015 rutschte die Klägerin in der Reha-Klinik H. auf dem Flur mit dem lin-ken Fuß aus, knickte um und fiel dann auf das linke Knie (vgl. D-Arztbericht Dr. F. vom 14.04.2015, Klinik B.). Laut weiterem D-Arztbericht vom 07.05.2015 wurde bei einer CT-Untersuchung vom 05.05.2015 eine Fraktur des Innenknöchels mit trauma-tischem Bänderriss festgestellt. In der Folgezeit übernahm die Beklagte die weiteren Behandlungskosten, gewährte mehrfach Leistungen zur Haushaltshilfe sowie vom 02.06. bis 15.07.2015 eine stationäre BGSW-Maßnahme in der Klinik Bad K.
Mit Bescheid vom 22.09.2015 lehnte sie schließlich die Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ASP keine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII darstelle.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.10.2015 Widerspruch. Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII ergebe sich eine derartige Einschränkung nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück. Sie bleibe dabei, dass es sich bei ASP um keine ambulante Reha-Maßnahme handele. Umfang und Ausmaß des nachsorgenden Betreuungsangebots ASP ent-spräche normaler Physiotherapie. Die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört.
Am 07.06.2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie be-gehrt weiterhin die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und vertritt die Auffassung, dass medizinische Reha-Leistung und ambulante Nachsorgebehandlung als eine Einheit zu betrachten seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Auffassung nach seien ambulante Nachsorgebehandlung und medizinische Reha keine Einheit. Ergänzend verweist die Beklagte auf ein Informationsschreiben der DRV, wonach im Rahmen von ASP-Maßnahmen kein gesetzlicher Unfallversi-cherungsschutz bestehe.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten, den Reha-Entlassungsbericht der Theresienklinik Bad K. über die stationäre Reha-Maßnahme vom 19.08. bis 13.09.2014 sowie aus der Reha-Klinik H. die Dokumentation über die durchgeführte ASP-Maßnahme vom 29.07.2015 beigezogen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten sowie den der Gerichtsakte S 15 U 1864/16 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit ihrem Sturz am 14.04.2015 in der Reha-Klinik H. keinen Arbeitsunfall im Sinne der Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung erlit-ten.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Versicherungsschutz kommt vorliegend allein nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII in Betracht: Danach sind kraft Gesetzes versichert Personen, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stati-onäre, teilstationäre oder ambulante zur medizinischen Rehabilitation erhalten.
Im Zusammenhang mit der von der Deutschen Rentenversicherung bewilligten Re-habilitationsmaßnahme in der Theresienklinik Bad K. hat die Klägerin - das ist zwi-schen den Beteiligten auch unstreitig - stationäre Leistungen zur medizinischen Re-habilitation im Sinne der genannten Vorschrift erhalten. Der Unfall passierte aller-dings nicht während des Aufenthalts in der Theresienklinik Bad K. (vom 19.8.2014 bis 13.9.2014), sondern erst am 14.04.2015 in der Reha-Klinik H. Die Leistungen, die die Klägerin dort - ebenfalls unter der Kostenträgerschaft der Deutschen Rentenver-sicherung - erhalten hat, sind nach der Überzeugung der Kammer keine ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII.
Ob es sich um eine Maßnahme der (ambulanten) medizinischen Rehabilitation im Sinne der genannten Vorschrift handelt, ist grundsätzlich dem Recht des jeweiligen Leistungsträgers zu entnehmen (vgl. Lilienfeld in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 2 Rdnr. 82 c), also vorliegend dem SGB VI.
Die der Klägerin mit Bescheid vom 14.10.2014 von der Deutschen Rentenversiche-rung bewilligte Leistung war von letzterer als "ambulante Nachsorge als Leistung der medizinischen Rehabilitation" bezeichnet worden. Sie sollte 24 Therapieeinheiten in einem Gesamtzeitraum von 12 Monaten erfassen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung einer derartigen Leistung ist § 31 Sozialgesetz-buch Sechstes Buch (SGB VI): Danach können als sonstige Leistungen zur Teilhabe unter anderem nachgehende Leistungen zur Sicherung des Erfolges der Leistungen zur Teilhabe erbracht werden. Die Leistungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzen vo-raus, dass die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leis-tungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt sind. Sie werden nur aufgrund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden (§ 31 Abs. 2 SGB VI). Über die Gewährung der sonstigen Leistungen hat der Rentenversicherungsträ-ger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ausübung des Ermessens bezieht sich auf das "ob" und das "wie" der Leistungsgewährung. Bei der Ermes-sensausübung sind die genannten Richtlinien zu berücksichtigen (vgl. näher Hack in juris-PK SGB VI, 2. Auflage, § 31, Rdnr. 8).
Nicht unter Nachsorgeleistungen im Sinne von sonstigen Leistungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 fallen Leistungen, die zur Hauptleistung gehören, jedoch ambulant fort-gesetzt werden. Solche Leistungen sind von § 15 SGB VI erfasst. So verhält es sich allerdings im Fall der Klägerin gerade nicht. Entgegen der von Klägerseite vertrete-nen Auffassung sind die stationäre Rehabilitationsleistung im August/September 2014 in der Theresienklinik Bad K. und die folgende ASP-Maßnahme in der Rehakli-nik H. keine einheitliche Rehabilitationsmaßnahme i.S.d. § 15 SGB VI. Die Nachsor-geleistung für die Klägerin ist nicht etwa als integrierter Bestandteil einer ansonsten umfassenden Reha-Maßnahme bewilligt worden, sondern mit gesonderter Entschei-dung auf Empfehlung der in der Theresienklinik behandelnden Ärzte nach Abschluss der eigentlichen Maßnahme zur stationären Rehabilitation. Sie ist dann tatsächlich auch erst mehrere Monate nach Entlassung aus der Reha-Klinik Bad K. von der Klä-gerin aufgenommen worden. Es handelt sich damit klar um eine Nachsorgeleistung, die der Rechtsgrundlage des § 31 SGB VI unterfällt.
Nachsorgeleistungen nach § 31 SGB VI stellen zwar eine notwendige Ergänzung der ambulanten und stationären Rehabilitation dar. Sie sollen auch in der Regel in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur Hauptleistung stehen. Zu den Nach-sorgeleistungen gehören insbesondere Leistungen zur Erhaltung einer erzielten Funktionsverbesserung, Leistungen zur Stabilisierung eingeleiteter oder erzielter Verhaltensänderungen, weitere Beratungen nach einer stationären Leistung und Leistungen der psychosozialen Nachsorge. Hierunter fallen auch Maßnahmen über nachgehende Leistungen des Behindertensports und Nachsorgeleistungen für Suchtkranke (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Rahmenkonzept und Anwendungs-empfehlungen zu den Richtlinien nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, speziell Rahmen-konzept zur Reha-Nachsorge der Deutschen Rentenversicherung vom 9.6.2015 mit den Kernangeboten IRENA und RENA, darunter trainingstherapeutische Reha-Nachsorge, Reha-Nachsorge bei psychischen Erkrankungen in Form von u.a. Grup-penangeboten zu Stressbewältigung, Konfliktlösung, Entspannung, Sucht-Nachsorge, Rehabilitationssport und Funktionstraining, Informations- Schulungs- und Motivationsangebote wie z.B. Ernährungsberatung oder Rückenschulung). Bereits die vorliegend nur angerissene Vielfalt der nach § 31 SGB VI möglichen nachsor-genden Leistungen zeigt, dass diese in ihrer Mannigfaltigkeit nicht alle unter den Be-griff der ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII gefasst werden können. Der vom Gesetzgeber eigentlich gewollte klar abgegrenzte Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung würde hierdurch jegliche Kontur verlieren. Gemeint sein können also nicht alle medizini-schen Behandlungen, die im weiteren Sinne Rehabilitationszwecken dienen, sondern vielmehr nur die nach § 15 SGB VI bewilligten Leistungen (so ausdrücklich für das Krankenversicherungsrecht Lilienfeld in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 2 Rdnr. 83 a: Nicht einbezogen sind Belastungserprobung und Arbeitstherapie - § 42 SGB V -, auch ergänzende Leistungen - § 43 SGB V - wie Nachsorge, Reha-Sport, Funktions-training oder Maßnahmen stufenweiser Wiedereingliederung, sofern sie isoliert statt-finden, also nicht als integrierter Bestandteil einer umfassenden Reha-Maßnahme).
Dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII die nachsorgende Behandlung nicht erfasst, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Versicherungsschutz soll gewährt werden bei Einbindung in die Organisa-tionsstruktur der Behandlungsstätte (vgl. insoweit SG Hamburg, Urt. v. 11.4.2005, S 41 U 240/02 zur Abgrenzung zwischen teilstationärer und nachstationärer Behand-lung: nachstationäre Behandlung begründet danach keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII). Bei lediglich nachsorgender Behandlung, deren äußerer Ablauf häufig vom Aufsuchen eines nie-dergelassenen Arztes oder Physiotherapeuten nicht zu unterscheiden sein wird, ist die Behandlungsstruktur wesentlich anders als beispielsweise im Rahmen einer am-bulanten EAP-Maßnahme (zur Einordnung einer EAP-Maßnahme als Leistung der Rehabilitation i.S. d. § 15 SGB VI vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R, juris, Rn. 24 ff.). Der bloß räumliche Aufenthalt in einer Klinik, der zudem noch zeitlich eingeschränkt ist (die Bewilligung erfolgte im Fall der Klägerin nach ein-zelnen stundenweisen Therapieeinheiten, nicht etwa für ganze Behandlungstage o-der gar -wochen) bewirkt noch keine Eingliederung in die Organisation dieser Klinik. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass es sich bei der von der Klägerin in An-spruch genommenen Klinik um eine Rehaklinik handelt, deren weitere Patienten - wenn sie denn Leistungen zur Rehabilitation nach § 15 SGB VI erhalten - selbstver-ständlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte einen Unfall vom 14.04.2015, bei dem sich die Klägerin eine Fraktur des linken Innenknöchels mit traumatischem Bän-derriss zugezogen hat, als Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung anzuerkennen hat.
Die am geborene Klägerin leidet seit ihrer Kindheit an einer Spina bifida, es erfolg-ten mehrfache operative Eingriffe. Als Folge bestand eine Hypotrophie und Beinver-kürzung des linken Beines mit Bildung eine Klumpfußes links mit der Notwendigkeit mehrerer Klumpfußoperationen. Zuletzt fand im Mai 2014 in der H. Klinik B. eine kor-rigierende Arthrodese des linken unteren Sprunggelenks mit Schraubenosteosynthe-se und Osteotomie statt. Vom 19.08.2014 bis 13.09.2014 folgte unter der Kostenträ-gerschaft der Deutschen Rentenversicherung eine Maßnahme zur stationären Reha-bilitation in der T. Klinik in K ... Bei Entlassung empfahlen die dort behandelnden Ärzte aufgrund des Lokalbefundes und der langen Vorgeschichte ein Weiterführen der krankengymnastischen Behandlung in ambulanter Form, ferner konsequentes Fort-führen der erlernten krankengymnastischen Übungen in Eigenregie. Das Stabilisie-rungsprogramm der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg (ASP) wur-de eingeleitet sowie eine orthopädische Einlagenversorgung durchgeführt.
Mit Bescheid vom 14.10.2014 bewilligte die Deutsche Rentenversicherung der Kläge-rin eine ambulante Nachsorge als Leistung der medizinischen Rehabilitation. Die Leistung sollte 24 Therapieeinheiten in einem Gesamtzeitraum von 12 Monaten um-fassen und in der Nachsorgeeinrichtung Reha-Klinik H. in B. durchgeführt werden. Laut ergänzenden Bestimmungen zum Bescheid vom 14.10.2014 hatte die bewilligte Leistung zur medizinischen Rehabilitation das Ziel, Behinderungen einschließlich chronischer Krankheiten abzuwenden oder zu beseitigen, zumindest aber diese zu mindern, auszugleichen oder eine Verschlimmerung zu verhüten. Dadurch solle die Erwerbsfähigkeit erhalten, wesentlich gebessert oder wiederhergestellt werden. Es liege daher im Interesse der Klägerin, an der Rehabilitation auch aktiv mitzuwirken.
Laut Dokumentation des ambulanten Stabilisierungsprogramms (ASP) vom 29.07.2015 fand die Maßnahme in der Reha-Klinik H. im Zeitraum 05.01.2015 bis 14.04.2015 statt. Es erfolgte eine Aufnahmeuntersuchung, eine Einweisung in die medizinische Trainingstherapie, 21 Trainingseinheiten, 9 Bewegungsbäder sowie 7 Einheiten unter dem Stichwort "Gelenk 1".
Am 14.04.2015 rutschte die Klägerin in der Reha-Klinik H. auf dem Flur mit dem lin-ken Fuß aus, knickte um und fiel dann auf das linke Knie (vgl. D-Arztbericht Dr. F. vom 14.04.2015, Klinik B.). Laut weiterem D-Arztbericht vom 07.05.2015 wurde bei einer CT-Untersuchung vom 05.05.2015 eine Fraktur des Innenknöchels mit trauma-tischem Bänderriss festgestellt. In der Folgezeit übernahm die Beklagte die weiteren Behandlungskosten, gewährte mehrfach Leistungen zur Haushaltshilfe sowie vom 02.06. bis 15.07.2015 eine stationäre BGSW-Maßnahme in der Klinik Bad K.
Mit Bescheid vom 22.09.2015 lehnte sie schließlich die Anerkennung des Ereignisses vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall ab. Zur Begründung führte sie aus, dass ASP keine ambulante Leistung zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII darstelle.
Hiergegen erhob die Klägerin am 09.10.2015 Widerspruch. Aus dem Wortlaut von § 2 Abs. 1 Nr. 15 SGB VII ergebe sich eine derartige Einschränkung nicht.
Mit Widerspruchsbescheid vom 30.05.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zu-rück. Sie bleibe dabei, dass es sich bei ASP um keine ambulante Reha-Maßnahme handele. Umfang und Ausmaß des nachsorgenden Betreuungsangebots ASP ent-spräche normaler Physiotherapie. Die Klägerin habe zum Unfallzeitpunkt nicht zum Kreis der versicherten Personen gehört.
Am 07.06.2016 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben. Sie be-gehrt weiterhin die Anerkennung eines Arbeitsunfalls und vertritt die Auffassung, dass medizinische Reha-Leistung und ambulante Nachsorgebehandlung als eine Einheit zu betrachten seien.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 22.09.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30.05.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, das Ereignis vom 14.04.2015 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Ihrer Auffassung nach seien ambulante Nachsorgebehandlung und medizinische Reha keine Einheit. Ergänzend verweist die Beklagte auf ein Informationsschreiben der DRV, wonach im Rahmen von ASP-Maßnahmen kein gesetzlicher Unfallversi-cherungsschutz bestehe.
Das Gericht hat die Verwaltungsakten der Beklagten, den Reha-Entlassungsbericht der Theresienklinik Bad K. über die stationäre Reha-Maßnahme vom 19.08. bis 13.09.2014 sowie aus der Reha-Klinik H. die Dokumentation über die durchgeführte ASP-Maßnahme vom 29.07.2015 beigezogen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten sowie den der Gerichtsakte S 15 U 1864/16 Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die als kombinierte Anfechtungs- und Feststellungsklage (§§ 54 Abs. 1, 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat im Zusammenhang mit ihrem Sturz am 14.04.2015 in der Reha-Klinik H. keinen Arbeitsunfall im Sinne der Bestimmungen der gesetzlichen Unfallversicherung erlit-ten.
Arbeitsunfälle sind gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).
Versicherungsschutz kommt vorliegend allein nach § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII in Betracht: Danach sind kraft Gesetzes versichert Personen, die auf Kosten einer Krankenkasse oder eines Trägers der gesetzlichen Rentenversicherung oder der landwirtschaftlichen Alterskasse stationäre oder teilstationäre Behandlung oder stati-onäre, teilstationäre oder ambulante zur medizinischen Rehabilitation erhalten.
Im Zusammenhang mit der von der Deutschen Rentenversicherung bewilligten Re-habilitationsmaßnahme in der Theresienklinik Bad K. hat die Klägerin - das ist zwi-schen den Beteiligten auch unstreitig - stationäre Leistungen zur medizinischen Re-habilitation im Sinne der genannten Vorschrift erhalten. Der Unfall passierte aller-dings nicht während des Aufenthalts in der Theresienklinik Bad K. (vom 19.8.2014 bis 13.9.2014), sondern erst am 14.04.2015 in der Reha-Klinik H. Die Leistungen, die die Klägerin dort - ebenfalls unter der Kostenträgerschaft der Deutschen Rentenver-sicherung - erhalten hat, sind nach der Überzeugung der Kammer keine ambulante Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII.
Ob es sich um eine Maßnahme der (ambulanten) medizinischen Rehabilitation im Sinne der genannten Vorschrift handelt, ist grundsätzlich dem Recht des jeweiligen Leistungsträgers zu entnehmen (vgl. Lilienfeld in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 2 Rdnr. 82 c), also vorliegend dem SGB VI.
Die der Klägerin mit Bescheid vom 14.10.2014 von der Deutschen Rentenversiche-rung bewilligte Leistung war von letzterer als "ambulante Nachsorge als Leistung der medizinischen Rehabilitation" bezeichnet worden. Sie sollte 24 Therapieeinheiten in einem Gesamtzeitraum von 12 Monaten erfassen.
Rechtsgrundlage für die Gewährung einer derartigen Leistung ist § 31 Sozialgesetz-buch Sechstes Buch (SGB VI): Danach können als sonstige Leistungen zur Teilhabe unter anderem nachgehende Leistungen zur Sicherung des Erfolges der Leistungen zur Teilhabe erbracht werden. Die Leistungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 setzen vo-raus, dass die persönlichen und versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für Leis-tungen zur medizinischen Rehabilitation erfüllt sind. Sie werden nur aufgrund von Richtlinien der Deutschen Rentenversicherung Bund erbracht, die im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erlassen werden (§ 31 Abs. 2 SGB VI). Über die Gewährung der sonstigen Leistungen hat der Rentenversicherungsträ-ger nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Die Ausübung des Ermessens bezieht sich auf das "ob" und das "wie" der Leistungsgewährung. Bei der Ermes-sensausübung sind die genannten Richtlinien zu berücksichtigen (vgl. näher Hack in juris-PK SGB VI, 2. Auflage, § 31, Rdnr. 8).
Nicht unter Nachsorgeleistungen im Sinne von sonstigen Leistungen nach Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 fallen Leistungen, die zur Hauptleistung gehören, jedoch ambulant fort-gesetzt werden. Solche Leistungen sind von § 15 SGB VI erfasst. So verhält es sich allerdings im Fall der Klägerin gerade nicht. Entgegen der von Klägerseite vertrete-nen Auffassung sind die stationäre Rehabilitationsleistung im August/September 2014 in der Theresienklinik Bad K. und die folgende ASP-Maßnahme in der Rehakli-nik H. keine einheitliche Rehabilitationsmaßnahme i.S.d. § 15 SGB VI. Die Nachsor-geleistung für die Klägerin ist nicht etwa als integrierter Bestandteil einer ansonsten umfassenden Reha-Maßnahme bewilligt worden, sondern mit gesonderter Entschei-dung auf Empfehlung der in der Theresienklinik behandelnden Ärzte nach Abschluss der eigentlichen Maßnahme zur stationären Rehabilitation. Sie ist dann tatsächlich auch erst mehrere Monate nach Entlassung aus der Reha-Klinik Bad K. von der Klä-gerin aufgenommen worden. Es handelt sich damit klar um eine Nachsorgeleistung, die der Rechtsgrundlage des § 31 SGB VI unterfällt.
Nachsorgeleistungen nach § 31 SGB VI stellen zwar eine notwendige Ergänzung der ambulanten und stationären Rehabilitation dar. Sie sollen auch in der Regel in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang zur Hauptleistung stehen. Zu den Nach-sorgeleistungen gehören insbesondere Leistungen zur Erhaltung einer erzielten Funktionsverbesserung, Leistungen zur Stabilisierung eingeleiteter oder erzielter Verhaltensänderungen, weitere Beratungen nach einer stationären Leistung und Leistungen der psychosozialen Nachsorge. Hierunter fallen auch Maßnahmen über nachgehende Leistungen des Behindertensports und Nachsorgeleistungen für Suchtkranke (vgl. insgesamt zum Vorstehenden Rahmenkonzept und Anwendungs-empfehlungen zu den Richtlinien nach § 31 Abs. 1 Satz 1 SGB VI, speziell Rahmen-konzept zur Reha-Nachsorge der Deutschen Rentenversicherung vom 9.6.2015 mit den Kernangeboten IRENA und RENA, darunter trainingstherapeutische Reha-Nachsorge, Reha-Nachsorge bei psychischen Erkrankungen in Form von u.a. Grup-penangeboten zu Stressbewältigung, Konfliktlösung, Entspannung, Sucht-Nachsorge, Rehabilitationssport und Funktionstraining, Informations- Schulungs- und Motivationsangebote wie z.B. Ernährungsberatung oder Rückenschulung). Bereits die vorliegend nur angerissene Vielfalt der nach § 31 SGB VI möglichen nachsor-genden Leistungen zeigt, dass diese in ihrer Mannigfaltigkeit nicht alle unter den Be-griff der ambulanten Leistungen zur medizinischen Rehabilitation im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 15 a SGB VII gefasst werden können. Der vom Gesetzgeber eigentlich gewollte klar abgegrenzte Schutzbereich der gesetzlichen Unfallversicherung würde hierdurch jegliche Kontur verlieren. Gemeint sein können also nicht alle medizini-schen Behandlungen, die im weiteren Sinne Rehabilitationszwecken dienen, sondern vielmehr nur die nach § 15 SGB VI bewilligten Leistungen (so ausdrücklich für das Krankenversicherungsrecht Lilienfeld in Kasseler Kommentar, SGB VII, § 2 Rdnr. 83 a: Nicht einbezogen sind Belastungserprobung und Arbeitstherapie - § 42 SGB V -, auch ergänzende Leistungen - § 43 SGB V - wie Nachsorge, Reha-Sport, Funktions-training oder Maßnahmen stufenweiser Wiedereingliederung, sofern sie isoliert statt-finden, also nicht als integrierter Bestandteil einer umfassenden Reha-Maßnahme).
Dass der gesetzliche Unfallversicherungsschutz nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII die nachsorgende Behandlung nicht erfasst, entspricht auch dem Sinn und Zweck der Vorschrift. Versicherungsschutz soll gewährt werden bei Einbindung in die Organisa-tionsstruktur der Behandlungsstätte (vgl. insoweit SG Hamburg, Urt. v. 11.4.2005, S 41 U 240/02 zur Abgrenzung zwischen teilstationärer und nachstationärer Behand-lung: nachstationäre Behandlung begründet danach keinen Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung nach § 2 Abs. 1 Nr. 15a SGB VII). Bei lediglich nachsorgender Behandlung, deren äußerer Ablauf häufig vom Aufsuchen eines nie-dergelassenen Arztes oder Physiotherapeuten nicht zu unterscheiden sein wird, ist die Behandlungsstruktur wesentlich anders als beispielsweise im Rahmen einer am-bulanten EAP-Maßnahme (zur Einordnung einer EAP-Maßnahme als Leistung der Rehabilitation i.S. d. § 15 SGB VI vgl. Bundessozialgericht, Urt. v. 17.2.2010, B 1 KR 23/09 R, juris, Rn. 24 ff.). Der bloß räumliche Aufenthalt in einer Klinik, der zudem noch zeitlich eingeschränkt ist (die Bewilligung erfolgte im Fall der Klägerin nach ein-zelnen stundenweisen Therapieeinheiten, nicht etwa für ganze Behandlungstage o-der gar -wochen) bewirkt noch keine Eingliederung in die Organisation dieser Klinik. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass es sich bei der von der Klägerin in An-spruch genommenen Klinik um eine Rehaklinik handelt, deren weitere Patienten - wenn sie denn Leistungen zur Rehabilitation nach § 15 SGB VI erhalten - selbstver-ständlich unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen.
Nach alledem konnte die Klage keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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