L 8 SO 10/15

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
8
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 16 SO 150/11
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 8 SO 10/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Dezember 2014 geändert und die Klage auch im Übrigen abgewiesen.

Die Beteiligen haben einander Kosten in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist noch eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von 2.319,87 EUR aus Anlass einer von dem Kläger abgebrochenen Kreuzfahrtreise im Frühjahr 2011 streitig.

Der am ... 1985 geborene Kläger erlangte nach dem Besuch einer Schule für körperbehinderte Menschen und eines integrativen Gymnasiums das Abitur. Er schloss im Oktober 2004 erfolgreich das Studium der Wirtschaftsinformatik an der Hochschule Harz in W. ab und studierte im Anschluss daran Mathematik an der ... Universität in M., zunächst im Diplomstudiengang und nach dessen Abschluss mit dem Ziel der Promotion. Er war seit dem 1. Oktober 2010 als wissenschaftlicher Mitarbeiter an dieser Hochschule auf Grund eines bis zum 30. September 2013 befristeten Arbeitsvertrages in Vollzeit versicherungspflichtig beschäftigt. Im Jahr 2010 erzielte er ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe von 1.911,53 EUR netto nach Maßgabe der Entgeltgruppe (EG) 13 in Anlehnung an den Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst der Länder (TV-L). Für Mai 2011 bezog er ausweislich seiner Lohnabrechnung aus seiner Beschäftigung bei der Universität 2.131,78 EUR netto.

Bei dem Kläger ist eine fortschreitende spinale Muskelatrophie vom Typ Werdnig-Hoffmann diagnostiziert worden, die zu einer fortschreitenden Mobilitätsbehinderung, insbesondere einer Geh- und Stehunfähigkeit, diversen Kontrakturen und einer Unfähigkeit zum Halten und Greifen von Gegenständen führt. Im Übrigen treten bei ihm rezidivierend Bronchitiden auf. Seinen Rollstuhl kann der Kläger mit Hilfe eines Joysticks selbsttätig bedienen. Mit den Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Sachsen-Anhalt vom 14. Januar 2004 und vom 8. Juni 2009 wurde jeweils eine Pflegebedürftigkeit des Klägers im Umfang der Pflegestufe III bestätigt. In dem zweiten Gutachten wurden ein täglicher Zeitbedarf für Körperpflege von 135 Minuten, für Ernährung von 114 Minuten, für Mobilität von 71 Minuten (insgesamt 320 Minuten) und ein Zeitaufwand von 7,0 Stunden in der Woche für die hauswirtschaftliche Versorgung festgestellt. In ihrer aufbauenden amtsärztlichen Stellungnahme knüpfte die Ärztin im Amtsärztlichen Dienst Dr. G. vom 1. September 2005 an das vorausgegangene Gutachten vom 18. August 2004 an und führte aus, der Kläger benötige für sämtliche Verrichtungen des Alltags eine 24-Stunden-Vollassistenz. Er sei nicht in der Lage, praktische Tätigkeiten selbstständig zu verrichten. Prognostisch sei eine Besserung des Zustands nicht wahrscheinlich.

Der Landkreis W., der am 1. Juli 2007 im Rahmen der Kreisgebietsreform im Landkreis Harz aufging, bewilligte dem Kläger im Namen des im vorliegenden Verfahren beklagten überörtlichen Sozialhilfeträgers zunächst vom 1. Oktober 2005 bis zum 31. März 2009 und schließlich bis zum 31. März 2010 monatliche Hilfe zur Pflege unter Anrechnung des Pflegegeldes, Eingliederungshilfe für eine Studienassistenz und Übernahme der Fahrtkosten zur Universität und an den Heimatort. Für die Zeit vom 1. April bis zum 30. September 2010 bewilligte der Landkreis H. (im Folgenden: Landkreis), der örtliche Sozialhilfeträger für W., dem Kläger im Namen des Beklagten mit dem nach Abschluss des Verfahrens vor dem Landessozialgericht (LSG) Sachsen-Anhalt bestandskräftigen Bescheid vom 29. März 2010 monatliche Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (Sozialhilfe-SGB XII) in Höhe von 1.432,20 EUR und Hilfe zur Pflege in Höhe von 6.461,24 EUR in Form eines Persönliches Budgets in Höhe monatlich 7.893,46 EUR. Der Kläger schloss daraufhin jeweils befristete Arbeitsverträge mit sechs Arbeitnehmern über die Erbringung von Pflege- und Assistenzleistungen.

Am 1. Juli 2010 erkundigte sich der Kläger bei dem Sozialamt des Landkreises nach der Übernahme für Kosten "einer Urlaubsreise", insbesondere nach der Übernahme von Kosten für Unterkunft und Hin- und Rückreise der Assistenten. Am 22. November 2010 beantragte der Kläger bei der Landeshauptstadt M., die sich für die Zeit ab dem 1. November 2010 als örtlicher Sozialhilfeträger für zuständig erklärte, die Übernahme von "Assistenzkosten an auswärtigen Orten während des Urlaubs des Assistenznehmers". Er wolle eine Kreuzfahrt auf dem Roten Meer machen, nach dem Einsatzplan für die (nicht namentlich benannten) Assistenzkräfte vom 10. bis zum 17. März 2011, und dabei unter anderem die Metropole Dubai sehen. Diese Reise beginne mit einem Flug von B. aus und dauere sieben Tage, also 168 Stunden zuzüglich der Zeit für An- und Abreise vom Heimatflughafen (nähere Angaben enthält der Antrag zu Reiseziel und Reiseablauf nicht). Insgesamt sei von einer "Gesamtausflugszeit" von 174 Stunden auszugehen. Er sei als Arbeitgeber verpflichtet, die Kosten für angewiesene Dienste, die eine Abwesenheit vom eigenen Wohnsitz der Angestellten mit sich brächten, zu übernehmen und für jeden Tag der ständigen Abwesenheit mit einer Tagespauschale abzugelten. Diese Reise gelte als Dienstreise seiner Mitarbeiter und sei so bei der Bearbeitung zu verstehen. Nach dem Arbeitszeitgesetz sei es ihm nicht erlaubt, in einer Woche mehr als 60 Stunden Dienst pro Assistent anzuordnen. Demzufolge müsse er auf diese Reise 2,9 Assistenten mitnehmen. Es entstünden Flug- und Unterkunftskosten (Innenkabine einschließlich Verpflegung) für drei Assistenten in Höhe von 3.780,00 EUR. Als Tagesgeldpauschale fielen 756,00 EUR an. Für die Ausflüge seien 487,20 EUR anzusetzen. Insgesamt beantrage er eine einmalige Summe in Höhe von 5.023,20 EUR. Er bitte um eine Entscheidung "allerspätestens bis zum 10. Dezember 2011". Auf Grund seiner Behinderung müsse er früh buchen.

Mit Bescheid vom 13. Dezember 2010 lehnte die Landeshauptstadt M. die Übernahme der Kosten für eine Kreuzfahrt für zwei Assistenzkräfte im Rahmen einer Urlaubsreise im Namen des Beklagten ab. Der Kläger gehöre auf Grund seiner wesentlichen körperlichen Behinderung zweifelsfrei zum Personenkreis im Sinne des § 53 Abs. 1 SGB XII. Eine Urlaubsreise gehöre nach der Rechtsprechung (Hinweis auf Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster, Urteil vom 4. April 1984 - 8 A 2413/82 -, Leitsatz in juris) nicht zum sozialhilferechtlichen Bedarf. Die Ermöglichung der Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft erfordere keine Kreuzfahrt, um den Zweck der Eingliederungshilfe zu erfüllen. Dieser Zweck könne auch durch andere Leistungen im Rahmen des § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. § 55 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) erbracht werden. Soweit nach § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB XII den Wünschen des Leistungsberechtigten entsprochen werden solle, wenn sie angemessen seien, sei nach Satz 3 der Vorschrift diesen nicht zu entsprechen, wenn zu deren Erfüllung unverhältnismäßig hohe Mehrkosten auf Sozialleistungen entstünden. Im vorliegenden Einzelfall scheitere das Wunschrecht auf die bestimmte Gestaltung der Hilfeleistung auch an den unverhältnismäßig hohen Kosten für die Umsetzung der begehrten Reise. Um behinderten Menschen Teilhabeleistungen am Leben in der Gemeinschaft anzubieten, könnten gemäß § 54 Abs. 2 SGB XII Ferienaufenthalte im Rahmen einer Gruppenreise ermöglicht werden. Dabei solle den behinderten Menschen die Möglichkeit insbesondere zur Integration mit nicht behinderten Menschen gegeben werden. Solche Gemeinschaftsreisen könnten vom Grundsatz her nicht den Anspruch eines Konsumangebotes "Urlaub" erfüllen. In jedem Einzelfall seien Angemessenheit und Notwendigkeit auf Grund der Finanzierung aus Sozialhilfemitteln zu prüfen.

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2010 in der Gestalt des Abhilfebescheides vom 3. März 2011 bewilligte das Landesverwaltungsamt S.-A., Integrationsamt, dem Kläger aus Mitteln der Ausgleichabgabe Arbeitsassistenzleistungen für den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 30. September 2013 in Höhe von insgesamt 58.680,00 EUR. Dem lagen nach einer internen Nachricht Assistenzleistungen im Umfang von täglich vier Stunden und 38 Minuten zugrunde. Eine Anrechnung dieser Leistungen auf die durch den Sozialhilfeträger erbrachten Leistungen erfolgte für die Zeit ab dem 1. Oktober 2010. Für die Zeit ab dem 1. Februar 2011 schloss der Kläger mit der Landeshauptstadt M. im Namen des Beklagten die Zielvereinbarung vom 18. Januar 2011 über ein Persönliches Budget ohne Angabe eines konkreten Betrages. Mit vorläufigem Bescheid vom 1. Februar 2011 in der Gestalt des Bescheides vom 21. April 2011 erfolgte die Bewilligung eines Gesamtbudgets für diesen Zeitraum in Höhe von 7.809,43 EUR pro Monat (nach Angaben des Klägers: 7.982,69 EUR abzüglich der Eigenleistung des Klägers in Höhe von 175,76 EUR, d.h. 7.806,93 EUR).

Der Kläger legte am 30. Dezember 2010 Widerspruch gegen den Bescheid vom 13. Dezember 2010 ein. Das Urteil des OVG Münster vom 4. April 1984 (- 8 A 2413/82 -, a.a.O.) betreffe die Jugendhilfe und sei damit auf die Eingliederungshilfe nicht übertragbar. Demgegenüber fielen die Kosten der Urlaubsreise von Begleitpersonen eines behinderten Menschen unter die Eingliederungshilfeleistungen (Hinweis auf Verwaltungsgericht (VG) Hamburg, Urteil vom 24. September 2004 - 13 K 1721/03 -, juris, zur Übernahme der Kosten eines Ferienaufenthaltes eines Pflegekindes in Höhe von 549,35 EUR). Im Übrigen seien die Ausführungen in der ablehnenden Entscheidung zur Frage der Angemessenheit von Leistungen zu pauschal.

Im Februar 2011 buchte der Kläger ausweislich der Reservierungsbestätigung vom 25. Februar 2011 für sich und seine Arbeitnehmerinnen K. B. und N. N. eine Kreuzfahrt mit der "AIDAdiva" auf der Route Dubai, Muskat, Abu Dhabi, Khalifa Bin Salman, Dubai vom 8. bis 17. März 2011, mit einem Flug ab/an B. nach Dubai und einer Unterbringung in einer Außenkabine für den Kläger, K. B. und N. N ... Der Kläger vereinbarte eine Reiseversicherung auch für die beiden vorgenannten Arbeitnehmerinnen bei der Union Reiseversicherung (URV) bis zu einem Gesamtpreis der Reise von 2.000,00 EUR. Nach seinen Angaben vor dem Senat in der mündlichen Verhandlung am 12. Januar 2017 zahlte der Kläger selbst den vollständigen Reisepreis. Konkrete Angaben zum Anlass der Änderung des Reiseziels und der nun nicht mehr das Rote Meer als Reiseziel betreffenden Buchung hat der Kläger auf Befragen des Senats nicht machen können. Die Reise begann schließlich nach seinen Angaben am 9. März 2011 mit einem Flug von B. nach Dubai, nachdem die Fachärztin für Allgemeinmedizin Dr. L. ihm in dem Attest vom 4. März 2011 auf Anforderung der Reiseversicherung attestiert hatte, der Kläger sei "zum Zeitpunkt der Reisebuchung flugfähig. Die Flugreise nach Dubai kann angetreten werden". Der Kläger ging am 10. März 2011 an Bord der AIDAdiva. Die Schiffsärztin teilte ihm vor dem ersten Landgang in Muskat mit, auf Grund der von ihm mitgeteilten gesundheitlichen Beschwerden könne sie die ärztliche Verantwortung bei seinem Verbleiben auf dem Schiff nicht übernehmen. Nach der Ankunft in Muskat stellte sich der Kläger im KIMS Oman Hospital vor und wurde dort in Begleitung von K. B. und N. N. stationär aufgenommen. Während des stationären Aufenthaltes ließ der Kläger sich auch von diesen Arbeitnehmerinnen versorgen. Der Rückflug fand schließlich am 20. März 2011 statt, nachdem zu diesem Zeitpunkt eine hinreichende Reisefähigkeit hergestellt war. Der Kläger teilte dem Beklagten weder die geänderte Reiseroute noch den tatsächlichen Verlauf der Reise mit.

Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2011 als unbegründet zurück. Die Assistenten des Klägers erfüllten nicht die Anspruchsvoraussetzungen des § 2 SGB IX i.V.m. § 53 Abs. 1 SGB XII, da diese weder behindert noch von einer wesentlichen Behinderung bedroht seien. Somit bestehe kein Anspruch auf Leistungen der Übernahme der Reisekosten für die Assistenten im Rahmen der Eingliederungshilfe. Aufgabe der Eingliederungshilfe sei es, dass der Hilfebedürftige die Hilfen finde, die es ihm ermöglichten, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Der Kläger selbst gehöre auf Grund seiner Beeinträchtigungen unstreitig zum anspruchsberechtigten Personenkreis der Eingliederungshilfe, welche die in § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII aufgezählten Maßnahmen, zu denen im Rahmen des § 55 SGB IX Leistungen zur Teilhabe in der Gemeinschaft gehörten, einschließe. Zu den Leistungen gehörten nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX insbesondere Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben. Nach § 58 SGB IX umfassten diese Hilfen vor allem Hilfe zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nichtbehinderten Menschen sowie Hilfen zum Besuch von Veranstaltungen oder Einrichtungen, die der Geselligkeit, der Unterhaltung oder kulturellen Zwecken dienten. Der Anspruch auf diese Leistungen sei auf jegliche sächliche und personelle Hilfen gerichtet, die erforderlich und geeignet seien, den gesellschaftlichen Kontakt des behinderten Menschen im Rahmen des ihm Möglichen in dem Maße zu fördern, wie er auch unter Nichtbehinderten üblich sei. Durch die im Rahmen des Persönlichen Budgets gewährten Leistungen der Hilfe zur Pflege stehe dem Kläger rund um die Uhr mindestens ein Assistent/eine Assistentin zur Verfügung. Durch diese Leistungen könne der Kläger in einer eigenen Wohnung leben und einer angemessenen Erwerbstätigkeit nachgehen. Insoweit sei es dem Kläger trotz seiner schweren Erkrankung möglich, in der Umgebung von Nichthilfeempfängern ähnlich wie diese zu leben. Durch die zur Verfügung stehende Assistenz rund um die Uhr verfüge er über die notwendigen Hilfen, um am gemeinschaftlichen Leben teilhaben zu können. Dazu gehörten alle Maßnahmen, welche die Begegnung und den Umgang mit nichtbehinderten Menschen ermöglichten und erleichterten. Die Erstattung von Fahrtkosten für eine Begleitperson beziehe sich auf die genannten Maßnahmen. Es sei jedoch nicht ersichtlich, dass die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft die Übernahme der Reisekosten der Assistenten ins Ausland begründe. Auch für den Kläger gebe es im Rahmen der genannten Leistungen für behinderte Menschen keine unbegrenzte Sozialleistung der Kosten zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Hilfe nach § 58 SGB IX werde nur in dem Maß gewährt, in dem auch Nichtbehinderte entsprechende Bedürfnisse befriedigen könnten. Auch Nichtbehinderte seien auf Grund ihrer allgemeinen Lebensverhältnisse nicht in der Lage, sich eine Kreuzfahrt auf dem Roten Meer zu leisten. Voraussetzungen zur Übernahme der Reisekosten für die Assistenten seien auch nicht in der Leistungspalette der Hilfe zur Pflege nach § 65 SGB XII zu finden. Dem Kläger würden durch das gewährte Assistenzmodell die Teilhabeleistungen in vollem Umfang gewährt. Es sei nicht Aufgabe der Sozialhilfe bzw. der Eingliederungshilfe, eine höchstmögliche Ausweitung der Hilfen zu gewährleisten und einen Ausgleich mit den Möglichkeiten nichtbehinderter Menschen zu schaffen.

Der Kläger hat sein Begehren mit seiner am 22. August 2011 vor dem Sozialgericht Magdeburg erhobenen Klage weiterverfolgt, zunächst mit dem Ziel, den Beklagten zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Dezember 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 entsprechend seinem - des Klägers - Antrag vom 21. November 2010 "die von ihm übernommenen Kosten für die erforderlichen Assistenten anlässlich seiner Urlaubsreise in vollem Umfang zu erstatten".

In der mündlichen Verhandlung am 20. März 2014 haben die Beteiligten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Kläger hat nachfolgend beantragt, den Beklagten unter Aufhebung des angefochtenen Bescheides zu verurteilen, "die vom Kläger verauslagten Kosten hinsichtlich Urlaubsreise vom März 2011 für zwei Assistenzkräfte in Höhe von insgesamt 6.708,36 EUR zu zahlen" und erstmals mit dem am 19. März 2014 bei dem Sozialgericht eingegangenen Schriftsatz vom 18. März 2014 zum tatsächlichen Verlauf der Reise mitgeteilt, er habe vom 12. bis zum 20. März 2011 im Krankenhaus in Muskat behandelt werden müssen. An "behinderungsbedingten Mehrkosten" habe sich ein Gesamtbetrag von 6.708,36 EUR ergeben. Hierzu ist folgende Aufstellung für eine "Urlaubsreise AIDA März 2011" vorgelegt worden:

Assistentenanteil Summe/Anteil

Grund-Reisepreis kompakt: 3.955,00 EUR 61,24 % 2.422,00 EUR

Reiseversicherung: 201,00 EUR 48,26 % 97,00 EUR

Gesamtpreis vor Hinflug: 4.156,00 EUR 60,61 % 2.519,00 EUR

Tatsächliche Folgekosten durch Erkrankung

Aufenthalt im Krankenhaus in Muscat (Oman) vom 12. März bis zum 20. März 2011

Intensivpflege durch K. B. und N. B. (ehemals N.) ohne Unterbrechung

Assistentenanteil Summe/Anteil

1. Medizinische Versorgung

a) auf der AIDA DIVA 0 % 0,00 EUR

b) im Krankenhaus 0 % 0,00 EUR

2. Rückflugkosten auf Grund noch vorhandener Bronchitis

a) First-Class-Tickets 50 % 3.018,40 EUR

(ständige Begleitung notwendig und ärztlich empfohlene Klasse oder liegender Rücktransport; günstigere Alternative ausgewählt)

b) Standard-Class-Ticket 100 % 671,56 EUR

Gesamtpreis vor Hinflug: 3.689,96 EUR

3. Tagesgeldzahlungen im Ausland auf Grund angeordneter Dienstreise: 436,80 EUR

4. Kreditkartengebühren im Ausland anteilig: 62,60 EUR

Gesamtkosten: 6.708,36 EUR

Es bestehe nach der Besonderheit seines Einzelfalles, insbesondere nach Art und Schwere der Behinderung, die Aussicht, dass die Aufgabe der Eingliederungshilfe durch die Urlaubsreise erfüllt werden könne. Diese habe zweifelsfrei dem Zweck der Förderung der Begegnung und seines Umgangs mit nicht behinderten Menschen und seiner weiteren Integration in die Gemeinschaft dienen sollen. Ziel der privat geplanten Reise sei nicht allein der Erholungszweck, sondern vielmehr auch die Unterstützung und Begleitung der Autonomiebestrebungen gewesen, wodurch seine Eigenverantwortung und damit sein selbstständiger Umgang mit allgemeinen Lebenslagen in der Gesellschaft habe gefördert werden sollen. Seine Handlungskompetenzen hätten durch eine solche Reiseerfahrung erhöht werden sollen. Gerade hierfür sei eine andere als die gewohnte Umgebung notwendig. Speziell für ihn als wissenschaftlicher Mitarbeiter der Universität M. sei es zudem auch aus beruflichen Gründen wichtig, Mobilität und Flexibilität unter Beweis zu stellen. Auslandsaufenthalte für Mitarbeiter von Hochschulen und Universitäten seien an der Tagesordnung. Nachdem er Dienstreisen in Deutschland bereits erprobt gehabt habe, habe er vor dieser Reise noch keine längeren Auslandserfahrungen sammeln können. Hierin habe das Entwicklungspotential für seine weitere berufliche Qualifikation gelegen. Es sei ihm darum gegangen zu zeigen, dass er auch unter erschwerten Bedingungen, welche die Angewiesenheit im Rollstuhl und die tägliche 24-Stunden-Assistenz mit sich brächten, eine Auslandsreise absolvieren könne. Soweit der Beklagte auf unverhältnismäßig hohe Kosten verwiesen habe, habe dieser keine Überlegungen angestellt, wie hoch die Kosten seien. Weder dem Wortlaut noch dem Sinn und Zweck des § 58 Nr. 1 und 2 SGB IX seien Anhaltspunkte zu entnehmen, dass diese Art von Hilfe von vornherein an bestimmte räumliche oder zeitliche Schranken gebunden sei. Dies gelte grundsätzlich auch für Reisen ins Ausland. Im Übrigen gehe der Beklagte unzutreffend davon aus, dass auch Nichtbehinderte auf Grund ihrer Lebensverhältnisse nicht in der Lage seien, sich Kreuzfahrten auf dem Roten Meer zu leisten. Dies werde durch die Zahl der tatsächlich wahrgenommenen Kreuzfahrtreisen widerlegt. Auf Grund seines Einkommens sei er in der Lage, sich einen entsprechenden Urlaub zu leisten. Regelmäßige Auslandsreisen seien weit verbreitet und üblich.

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 12. Mai 2014, eingegangen bei dem Sozialgericht am 13. Mai 2014, nähere Angaben zu den ihm im Einzelnen entstanden Kosten gemacht. Eine vorzeitige Rückreise seiner Arbeitnehmerinnen sei deshalb nicht möglich gewesen, weil er gerade auch auf der Rückreise lebensnotwendig auf die Assistenz angewiesen gewesen sei. Insoweit sei nicht erkennbar, dass vermeidbare Kosten entstanden wären. Im Übrigen sei er nicht für den Ausgleich von Leistungen zwischen Krankenversicherung und Sozialhilfeträger zuständig. Er hat auf die Kopie einer Reservierungsbestätigung vom 25. Februar 2011 mit Reisekosten in Höhe von 2.422,00 EUR für K. B. und N. N. (Reise 8. bis 17. März 2011 Flug ab/an B. nach Dubai; Schifffahrt Außenkabine für den Kläger, K. B. und N. N.; Route Dubai, Muskat, Abu Dhabi, Khalifa Bin Salman, Dubai) und die Rechnung über die diese betreffende Reiseversicherung über 77,00 EUR bzw. 47,00 EUR verwiesen. Von dem Reiseveranstalter seien ihm für seine Reisekosten 199,13 EUR ohne Aufschlüsselung auf die drei Personen erstattet worden. Er nehme im Übrigen Bezug auf ein ärztliches Attest, nach welchem er und eine Assistentin in der ersten Klasse hätten zurückfliegen müssen. Für die weitere Assistentin sei ein weiterer Platz in der Economy Class zu einem Betrag in Höhe von 671,56 EUR gebucht worden. Die Reisekostenrücktrittsversicherung habe diesen Betrag ihrer Kostenerstattung zugrunde gelegt und ihm 2.014,68 EUR (3 x 671,56 EUR) erstattet. Hierzu ist ein an die Mutter des Klägers gerichtetes Schreiben der URV vom 4. Mai 2011 übersandt worden. Im Übrigen wird bezüglich der Einzelheiten auf Blatt 72 bis 80 und 86 bis 92 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Der Beklagte hat vor dem Sozialgericht unter Hinweis auf die Gesetzesbegründung (Bundestagsdrucksache 14/5074, S. 103) darauf verwiesen, dass sich insbesondere aus § 18 SGB IX im Regelfall eine Beschränkung von Leistungen der Teilhabe auf das Inland ergebe. Die Erbringung von Leistungen im Ausland stehe auch nach § 23 Eingliederungs-Hilfeverordnung (EinglHV) im Ermessen des Sozialhilfeträgers. Im Rahmen von Urlaubsreisen würden - bei Berücksichtigung von An- und Abreisetag als einem Tag - für Unterkunft und Verpflegung pauschal 20,00 EUR pro Tag anerkannt. Die Fahrtkosten von Begleitpersonen im Inland würden übernommen, soweit diese nicht als ständige Begleitperson bei Zuerkennung des Merkzeichens B kostenfrei mitreisen könnten. Die Leistungen des Persönlichen Budgets seien dem Kläger während seiner Reise in unveränderter Höhe weitergewährt worden.

Mit Urteil ohne mündliche Verhandlung vom 18. Dezember 2014 hat das Sozialgericht den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 13. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2011 verurteilt, an den Kläger 2.319,87 EUR zu zahlen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, der Kläger werde durch den vorgenannten Bescheid nur insoweit in seinen Rechten verletzt, als er einen Anspruch auf Leistungen der Eingliederungshilfe in Form der Hilfe zur Pflege gemäß §§ 53 SGB XII für die Durchführung einer Urlaubsreise habe. Soweit nach § 58 Nr. 1 SGB IX die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft auch die Hilfen zur Förderung der Begegnung und des Umgangs mit nicht behinderten Menschen umfasse, habe der Sozialhilfeträger nach § 17 Abs. 2 SGB XII über Art und Ausmaß der Leistungserbringung nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Der Beklagte habe bei der Entscheidung über den Antrag des Klägers ermessensfehlerhaft gehandelt. Art und Umfang eines Erholungsurlaubs richteten sich nach dem individuellen Einkommen und Bedürfnissen. Dabei gehörten auch Kreuzfahrten nicht mehr zu den Urlauben, die sich ein nur kleiner, elitärer Personenkreis mit einem überdurchschnittlichen Einkommen leisten könne. Der Kläger mache ausschließlich Kosten für die ihn auf seiner selbst bezahlten Urlaubsreise notwendig begleitenden Assistenten gelten. Einzig fraglich sei, in welcher Höhe die Hilfe hier auszufallen habe. Die notwendigen Leistungen der Eingliederungshilfe umfassten im vorliegenden Fall die Sicherstellung einer 24-stündigen Betreuung des Klägers im Umfang der in der Vergangenheit bewilligten Leistungen. Durch die bewilligten Leistungen seien nur die "üblicherweise" anfallenden Kosten gedeckt. Um dem Kläger eine Urlaubsreise zu ermöglichen, habe es der dargelegten Kosten für mindestens zwei Assistenten bedurft, was im Übrigen dazu führe, dass diese in Zwölfstundenschichten hätten arbeiten müssen. Diese Kosten betrügen hier 2.519,00 EUR entsprechend der mit Schriftsatz des Klägers vom 18. März 2014 erstellten Aufstellung für eine "Urlaubsreise AIDA März 2011" zu den Kostenpunkten "Grund-Reisepreis kompakt" und "Reiseversicherung". Von diesen Gesamtkosten seien 199,13 EUR abzuziehen, die der Kläger vom Reiseveranstalter zurückerhalten habe, sodass dieser Anspruch auf 2.319,87 EUR habe. Für die im Übrigen geltend gemachten Kosten bestehe kein Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe.

Gegen das ihm am 29. Januar 2015 zugestellte Urteil hat der Beklagte am 25. Februar 2015 Berufung beim LSG Sachsen-Anhalt eingelegt. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger sei finanziell gerade nicht in der Lage, sich einen solchen Urlaub einschließlich der Kosten der Begleitung durch seinen Assistenten zu leisten. Durch die dem Kläger bewilligten Leistungen im Rahmen des Persönlichen Budgets seien die erforderlichen Leistungen der Eingliederungshilfe vollständig abgegolten. Einem Anspruch des Klägers stehe auch entgegen, dass er die Reise ohne eine vorherige Kostenzusage angetreten habe. Letztlich habe die beantragte Urlaubsreise gar nicht stattgefunden, sodass auch aus diesem Grund eine Kostenübernahme nicht in Betracht komme. Es habe diesem oblegen, sich durch einen entsprechenden Versicherungsschutz abzusichern. Der Kläger sei hier nicht anders zu behandeln als ein nichtbehinderter Mensch, der eine Reise ins Ausland unternehme und der mit dem Risiko eines notwendigen und nicht von den Leistungen der Krankenversicherung abgedeckten Rücktransportes behaftet sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 18. Dezember 2014 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Einschränkungen für den im vorliegenden Verfahren verfolgten Anspruch ergäben sich aus den im Rahmen des Persönlichen Budgets bewilligten Leistungen nicht. Aus § 15 Abs. 1 SGB IX ergebe sich keine Verpflichtung, eine Kostenzusage abzuwarten (Hinweis auf Urteil des erkennenden Senats vom 8. Dezember 2014 - L 8 SO 11/11 -, juris). Soweit der Beklagte meine, die Urlaubsreise habe gar nicht stattgefunden, treffe dies nicht zu. Er habe die Urlaubsreise dadurch begonnen, dass er von Deutschland in den Oman gereist sei. Dies habe bereits zu seinem Urlaub gehört. Das Sozialgericht habe im Übrigen die Kosten zutreffend differenziert.

Der Berichterstatter hat den Kläger mit Richterbrief vom 12. November 2015 darauf hingewiesen, dass die Frage einer allgemeinen Kostenübernahmepflicht des Sozialhilfeträgers (Urlaubsreisen) keine Rolle spiele dürfte, wenn die persönlichen (insbesondere gesundheitlichen) Voraussetzungen für eine konkrete Urlaubsreise nicht gegeben gewesen seien. Dem Kläger ist aufgegeben worden, innerhalb eines Monats vollständig vorzutragen, welche konkreten Untersuchungen dieser vor der hier streitigen Urlaubsreise vorgenommen habe, um eine erfolgreiche Unternehmung zu prüfen. Im Übrigen ist er gebeten worden, in Kopie die Unterlagen aus dem Vorgang der Reiserücktrittskostenversicherung vorzulegen.

Der Kläger hat hierzu mit Schriftsatz vom 18. Februar 2016 ausgeführt, seine gesundheitlichen Voraussetzungen für eine konkrete Urlaubsreise seien gegeben gewesen. Er habe die Reise am 9. März 2011 nebst zwei Assistenten angetreten und sich guter Gesundheit erfreut, mit Ausnahme seiner üblichen Beeinträchtigungen, die ihn jedoch weder daran hinderten, einem regulären Arbeitsverhältnis nachzugehen, noch Dienst- oder Urlaubsreisen zu unternehmen. Er verweise insoweit auf das Attest von Dr. L. vom 4. März 2011. Er sei nach der ärztlichen Stellungnahme ("Medical Report") von Dr. N. M. A. L., K. O. H., vom 17. März 2011 am 12. März 2011 stationär aufgenommen worden mit einer seit einem Tag bestehenden Erkältung. Sowohl während des Fluges am 9. März 2011 "sowie zum Beginn der Schiffsreise am 10. März 2011" habe er keine derartigen Beschwerden gehabt. Im Übrigen habe er im Jahr 2015 eine weitere Reise nach T. ohne Probleme unternommen.

Nach den von dem Kläger übersandten Unterlagen zur Versicherung bei der URV war dort neben einer Reisekostenrücktrittsversicherung auch eine "Notfall-Service-Versicherung" abgeschlossen worden, die "medizinisch sinnvolle Rücktransporte" abdeckte. Der Versicherungsnehmer war nach diesen Unterlagen der Kläger. Bezüglich der Einzelheiten wird auf Blatt 167 bis 174 der Gerichtsakte Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten der Sozialhilfeträger Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig und begründet.

Der Senat hat im Rahmen des Ermessens keine Veranlassung zu einer Zurückverweisung an das Sozialgericht gesehen. Nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) kann das LSG durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und auf Grund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Es liegt ein Verfahrensfehler vor, weil das Sozialgericht zum Zeitpunkt der Entscheidung nicht mehr von einem Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Sinne des § 124 Abs. 2 SGG hat ausgehen können. Insbesondere ist hier die Antragstellung erst nach der Erklärung über das Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erfolgt (vgl. zu der Voraussetzung einer im Wesentlichen unveränderten Prozesslage: Bundessozialgericht (BSG), Beschluss vom 12. April 2005 - B 2 U 135/04 B -, juris). Bereits eine umfangreiche Beweisaufnahme ist durch den Senat indes nicht vorzunehmen gewesen.

Das Rechtsmittel des Beklagten hat Erfolg, soweit das Sozialgericht den Beklagten verurteilt hat, dem Kläger 2.319,87 EUR für die Kosten der An- und Abreise und Unterbringung für eine Kreuzfahrt auf der AIDAdiva im März 2011 zu zahlen. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist insoweit rechtmäßig und verletzt den Kläger deshalb nicht in seinen Rechten (§§ 153 Abs. 1, 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Der Beklagte war auch nicht zu verpflichten, den Antrag des Klägers auf Eingliederungshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu bescheiden.

Der Beklagte ist sachlich und örtlich zuständig für Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen (§ 97 Abs. 2 SGB XII i.V.m. § 3 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe - AG SGB XII - vom 11. Januar 2005, GVBl. LSA 2005, S. 8; § 98 Abs. 1 Satz 1 SGB XII). Die in § 4 AG SGB XII geregelte Möglichkeit der Heranziehung des örtlichen Trägers führt nicht zu einer Zuständigkeitsverlagerung im Sinne einer daran anknüpfenden Passivlegitimation. Das ergibt sich bereits daraus, dass der örtliche Träger bei einer Heranziehung nach § 6 Satz 2 AG SGB XII zwingend im Namen des zuständigen (hier überörtlichen) Trägers entscheidet. Für Leistungen bei Krankheit ist demgegenüber der örtliche Sozialhilfeträger, d.h. nicht der Beklagte, zuständig (§§ 97 Abs. 1, 98 Abs. 1 SGB XII).

Ein Anspruch des Klägers auf Erstattung von Kosten in Höhe von 2.319,87 EUR besteht nicht.

Nach § 15 Abs. 1 Satz 3 SGB IX ist der zuständige Rehabilitationsträger unter Beachtung der Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zur Erstattung der tatsächlichen Aufwendungen einer selbstbeschafften Leistung verpflichtet. Diese Regelung gilt indes nach § 15 Abs. 1 Satz 5 SGB IX nicht für die Träger der Sozialhilfe. Eine Erstattungspflicht besteht nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX nur, wenn der Rehabilitationsträger eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen kann oder er eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat.

Hier ist der Antrag des Klägers vom 22. November 2010 auf Übernahme von "Assistenzkosten an auswärtigen Orten während des Urlaubs des Assistenznehmers" für eine Kreuzfahrt auf dem Roten Meer mit drei nicht namentlich benannten Assistenzkräften vom 10. bis zum 17. März 2011 keine ausreichende Grundlage für einen Kostenerstattungsanspruch nach § 15 Abs. 1 Satz 4 SGB IX, da die Erstattungsforderung nicht die beantragte Leistung betrifft. Bereits auf Grund des zeitlichen Ablaufes wäre es dem Kläger ohne weiteres möglich gewesen, den Beklagten im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von seiner - zu einem anderen Reiseziel - angetretenen und im Ergebnis abgebrochenen Reise des Klägers mit K. B. und N. N. auf der Route Dubai, Muskat, Abu Dhabi, Khalifa Bin Salman, Dubai zu unterrichten. Zum Roten Meer gehören der Golf von Suez, Ägypten, der nördöstliche Teil des Golfs von Aqaba, Israel, Jordanien, Saudi-Arabien, die Meerenge im Süden zum Golf von Aden bzw. zum Indischen Ozean und die angrenzenden Staaten Eritrea, Dschibuti, Jemen und der Sudan. Muskat (im Sultanat Oman) liegt wie Abu Dhabi und Dubai (in den Vereinigten Arabischen Emiraten) nicht am Roten Meer. Khalifa Bin Salman (Manama) ist die Hauptstadt des Königreichs Bahrain am Persischen Golf. Bei dieser Differenzierung handelt es sich auch nicht um einen bloßen Formalismus, da am Roten Meer u.a. mit dem Sudan und dem nahe gelegenen Somalia Kriegs- und Krisengebiete liegen, für die das Auswärtige Amt regelmäßig seit Jahren besondere Reise- und Sicherheitshinweise erteilt. Im Übrigen gab der Kläger in seinem Antragsschreiben an, es sei eine Unterbringung in zwei Kabinen (einer Innenkabine und einer nicht näher bezeichneten weiteren Kabine) beabsichtigt, während die hier geltend gemachten Kosten eine Unterbringung in einer Außenkabine betreffen.

Der Senat hat im Ergebnis dem Kläger Glauben geschenkt, dass er - und insbesondere nicht seine Mutter - die Reisekosten selbst gezahlt hat, auch wenn nur für die Reiseversicherung Unterlagen vorgelegt worden sind, dass der Kläger selbst Zahlungen aus seinem Vermögen für die Kreuzfahrt der Assistentinnen geleistet hat. Für die mit der Entscheidung des Sozialgerichts vorgegebenen Kosten, über die noch im Berufungsverfahren zu entscheiden gewesen ist, hat der Senat indes auch einen erstattungsfähigen Anteil für die Reise der beiden Arbeitnehmerinnen in Höhe von 2.519,00 EUR nicht ermitteln können. Der Senat kann hier nicht auf die ursprüngliche Klageforderung des Klägers, in der auch ihn selbst betreffende Kosten enthalten sind, zurückgreifen, da das Sozialgericht ihm insoweit einen Anspruch auf Kostenerstattung nicht zugesprochen hat. Eine Abgrenzung der Kosten für die gebuchte Reise von den Kosten des Reiseabbruchs ergibt sich bereits aus der insoweit unterschiedlichen Zuständigkeit der Sozialhilfeträger. Die Kosten des Reiseabbruchs sind am ehesten den Kosten der Hilfe bei Krankheit (§ 48 SGB XII), nicht aber solchen der Eingliederungshilfe zuzuordnen. Für Leistungen der Hilfe bei Krankheit ist der Beklagte nicht passivlegitimiert. Bereits nach den allgemeinen Regelungen ist insoweit im Übrigen ein Erstattungsanspruch ausgeschlossen. Eine völkerrechtliche Vereinbarung zwischen Deutschland und dem Sultanat Oman über Sozialleistungen ist nicht erkennbar. Für Leistungen der Pflege und bei Krankheit im Rahmen der Sozialhilfe stellt § 24 SGB XII eine Sonderregelung für Deutsche mit gewöhnlichem Aufenthalt im Ausland dar und ist damit hier nicht einschlägig. Im Übrigen gilt das Territorialitätsprinzip, d.h. ein im Ausland entstehender Hilfebedarf ist nicht durch Mittel der Sozialhilfe nach dem SGB XII zu decken (vgl. zum BSHG: Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), Urteil vom 22. Dezember 1998 - 5 C 21/07 -, juris; für das SGB XII: LSG Hamburg, Beschluss vom 15. Juni 2005 - L 4 B 154/05 ER SO -, juris). Die hier dem Kläger entstandenen Kosten des Aufenthalts in Muskat und des Rücktransportes betreffen nicht die ursprünglich beantragte oder die gebuchte Urlaubsreise, sondern einen Hilfebedarf, der dadurch entstanden ist, dass er diese Urlaubsreise nicht hat fortführen können, und auf Grund seiner Erkrankung versorgt werden musste.

Zu den tatsächlichen Kosten der gebuchten Reise liegt dem Senat ein Nachweis über Zahlungen in Höhe von zweimal 671,56 EUR für zwei weitere Reisende aus der von dem Kläger abgeschlossenen Reisekostenrücktrittsversicherung vor. Ausgehend von dem Vortrag des Klägers kann ihm damit der vom Sozialgericht zugesprochene Erstattungsanspruch in Höhe von 1.343,12 EUR bereits mangels einer nachgewiesenen Kostenlast nicht zustehen. Soweit der Kläger diese Versicherungsleistungen primär anderen Ausgaben zurechnet, ist dies mit dem Nachrang der Sozialhilfe nicht zu vereinbaren. Denn die Zahlungen sind ausweislich der Abrechnung der URV nicht für einen krankheitsbedingten Rücktransport, sondern "auf Gesamtkosten des Reiseabbruchs" geleistet worden. Auch ein Anspruch auf Erstattung von Kosten in Höhe von 976,75 EUR (soweit man von dem durch das Sozialgericht für zutreffend erachteten Betrag einen Abzug von 1.343,12 EUR vornimmt) besteht für den Kläger nicht. Es kann damit dahinstehen, dass sich ausgehend von der Reservierungsbestätigung vom 25. Februar 2011 ein "Rest" in Höhe von 1.000,75 EUR ergeben würde (jeweils zweimal 640,00 EUR An- und Abreisepaket, 36,00 EUR Kerosinzuschlag, 28,00 EUR Luftverkehrssteuer, 35,00 EUR Treibstoffzuschlag sowie 794,00 EUR und 150,00 EUR "Urlaub auf der AIDAdiva" und Kosten der Reiseversicherung in Höhe von 44,00 EUR und 77,00 EUR = 2.543,00 EUR - 199,13 EUR - 1.343,12 EUR).

Der Senat sieht unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten auch einen Anspruch des Klägers auf eine erneute Entscheidung über seinen Antrag vom 22. November 2010 als nicht gegeben an.

Das Sozialgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass für die geltend gemachten Leistungen keine Rechtsgrundlage des Teilhaberechts besteht, die einen gebundenen Anspruch vorsieht.

Der Kläger hatte dem Grunde nach Anspruch auf Leistungen gegen den Beklagten nach den Vorschriften über die Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§§ 19 Abs. 3 Satz 1, 53 Abs. 1, 54 Abs. 1 SGB XII), welche in dem hier streitigen Zeitraum auch von dem Beklagten anerkannt und im Rahmen eines Persönlichen Budgets für eine Rund-um-die-Uhr-Pflege umgesetzt wurden. Der Kläger ist ein wesentlich körperlich behinderter Mensch im Sinne des § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII i.V.m. § 1 Nr. 1 EinglHV. Denn er ist durch die Folgen seiner Erkrankung durch die Muskelatrophie, welche die Bewegungsfähigkeit des Stütz- und Bewegungsapparates in erheblichem Umfang einschränkt, auch in erheblichem Umfang in seiner Teilhabefähigkeit beeinträchtigt. Der Senat stützt diese Feststellung auf die überzeugenden Ausführungen in dem den Gutachten des MDK Sachsen-Anhalt vom 8. Juni 2009 und die aufbauende amtsärztliche Stellungnahme der Ärztin im Amtsärztlichen Dienst Dr. G. vom 1. September 2005.

Über das "Ob" einer Teilhabe wird damit hier nicht gestritten. Vielmehr geht es ausschließlich darum, "wie" der Teilhabebedarf des Klägers zu decken ist. Diesbezüglich steht dem Beklagten ein Ermessen zu.

Die möglichen Leistungen der Eingliederungshilfe ergeben sich hier aus den §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX sowie § 54 Abs. 1 SGB XII. Art und Umfang der Eingliederungshilfe werden durch die auf der Grundlage von § 60 SGB XII erlassene EinglH-VO näher ausgestaltet. Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 SGB IX erbracht, die dem behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft ermöglichen oder sichern oder sie soweit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln vier bis sechs des SGB IX (dort geregelt sind: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden. Leistungen der Eingliederungshilfe sind nach § 55 Abs. 2 Nr. 7 SGB IX auch die in § 58 SGB IX genannten Hilfen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen Leben.

Im Rahmen der Bescheidung des Antrags des Klägers auf Eingliederungshilfe ist hier ein rechtlich relevanter Bedarf seiner Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft nicht fehlerhaft gewürdigt worden. Zutreffend hat das Sozialgericht insoweit darauf hingewiesen, dass auch Reisen eines wesentlich behinderten Menschen zur Verwirklichung der Teilhabe dienen können (vgl. OVG Lüneburg, Urteil vom 31. Oktober 2002 - 4 LB 286/02 -, juris; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 22. Juli 2016 - L 15 SO 73/16 B -, juris; Lachwitz/Schellhorn/Welti, HK-SGB IX, 3. Auflage 2010, § 58 RdNr. 4).

Zunächst ist davon auszugehen, dass sich der Antrag vom 22. November 2010 mit der durchgeführten Reise offenbar erledigt hat. Der Kläger hat einen Anspruch auf Bewilligung einer Reise an das Rote Meer nicht mehr weiterverfolgt, sondern die Erstattung der Kosten einer anderen Reise geltend gemacht.

Der Kläger hat im Übrigen den Beklagten nicht rechtzeitig über die tatsächlichen Umstände der Reise informiert, sodass es seinem Verantwortungsbereich zuzurechnen ist, dass der Beklagte sein Ermessen auf der Grundlage einer zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung überholten Sachlage getroffen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision im Sinne von § 160 Abs. 2 SGG liegen nicht vor. Es handelt sich um eine Einzelfallentscheidung auf gesicherter Rechtsgrundlage, ohne dass der Senat von einer Entscheidung der in § 160 Abs. 2 Nr. 2 SGG genannten Gerichte abweicht.
Rechtskraft
Aus
Saved