L 9 SO 625/16 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 2 SF 234/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 9 SO 625/16 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Zur Abgrenzung des Umfangs der anwaltlichen Tätigkeit einer Rechtsanwältin, die gleichzeitig zur Betreuerin des Klägers mit dem Aufgabenkreis Wahrnehmung der Vermögensangelegenheiten, Wohnungsangelegenheiten und Behördenangelegenheiten bestellt ist, bei der Höhe der Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung.
Die Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Detmold vom 08.11.2016 wird als unzulässig verworfen. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Sozialgerichtes Detmold vom 08.11.2016 wird zurückgewiesen. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I. Die Beschwerde des Antragstellers, in dessen Namen die Beschwerdeführerin ebenfalls das Rechtsmittel eingelegt hat, ist bereits unstatthaft und damit als unzulässig zu verwerfen (vgl. Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 20.05.2015 - L 20 SO 466/14 B -, juris Rn. 29). Denn ihm fehlt die Beschwerdebefugnis. Die Festsetzung der aus der Staatskasse zu gewährenden Vergütung durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgt nur auf Antrag des beigeordneten Rechtsanwalts (§ 55 Abs. 1 S. 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG -). Erinnerungs- und damit auch beschwerdebefugt ist dementsprechend nach § 56 Abs. 1 S. 1 RVG allein der Rechtsanwalt (vgl. Hartung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Auflage 2013, § 56 Rn. 29; Hartmann, Kostengesetze, 45. Auflage 2015, § 55 und § 56 jeweils Rn. 4).

II. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist nach § 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Der Beschwerdegegenstand (d.h. die Differenz zwischen der mit 737,80 EUR festgesetzten und der mit der Beschwerde i.H.v. 1.987,30 EUR geltend gemachten Vergütung) übersteigt den Betrag von 200,00 EUR. Die Beschwerdefrist von zwei Wochen nach Zustellung des angefochtenen Beschlusses (§ 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 3 S. 3 RVG) ist eingehalten. Eine Nichtabhilfeentscheidung des Sozialgerichts (§ 56 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 1 RVG) liegt vor.

III. Die Beschwerde der Beschwerdeführerin ist jedoch unbegründet.

Der Senat nimmt nach eigener Prüfung und Überzeugungsbildung Bezug auf die zutreffenden Ausführungen im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 28.09.2015 und im angefochtenen Beschluss vom 08.11.2016 (§ 142 Abs. 2 Satz 3 Sozialgerichtsgesetz - SGG -) und weist lediglich ergänzend auf Folgendes hin:

Das Beschwerdevorbringen ist nicht geeignet, eine der Beschwerdeführerin günstigere Entscheidung zu rechtfertigen.

1. Nicht nachvollziehbar sind zunächst die Ausführungen zur Einigungs- und Erledigungsgebühr. Diese sind vorliegend nicht zusammen angefallen. Vielmehr berücksichtigt der Kostenfestsetzungsbeschluss zutreffend nur die Einigungsgebühr. Der Bescheid der Antragsgegnerin vom 01.07.2015 ist auf den Widerspruch des Antragstellers vom 04.07.2015 hin nicht - wie die Beschwerdeführerin vorgetragen hat - aufgehoben worden. Vielmehr hat die Antragsgegnerin in Umsetzung des Vergleiches den Bescheid vom 22.10.2015 erlassen, den die Beschwerdeführerin ausweislich ihrer Rechnung vom 31.10.2015 als Abhilfebescheid aufgefasst hat. Eine zusätzlich zur Einigung zu vergütende Erledigung im gerichtlichen Verfahren i. S. v. Ziffer 1006 Vergütungsverzeichnis zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz vermag der Senat darin nicht zu erkennen.

2. Das Beschwerdevorbringen vermischt zudem die Tätigkeiten der Beschwerdeführerin als Betreuerin und als Bevollmächtigte, obwohl im Rahmen der gesetzlichen Betreuung zu leistende Tätigkeiten nicht nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz berücksichtigungsfähig sind. Bezugspunkt für die Gebührenfestsetzung gemäß § 14 RVG ist allein die anwaltliche Tätigkeit (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 01.07.2009 - B 4 AS 21/09 R -, juris Rn. 29). Die Beschwerdeführerin ist hier sowohl Prozessbevollmächtigte als auch gesetzliche Vertreterin des Antragstellers, so dass der auf die Betreuertätigkeit entfallende Aufwand nicht gebührensteigernd berücksichtigt werden kann. Unter Beachtung der erforderlichen Abgrenzung lässt sich kein höherer als der im Kostenfestsetzungsbeschluss zuerkannte Anspruch feststellen.

Treffen Betreuung und Bevollmächtigung - wie hier - gleichzeitig in einer Person zusammen, ist zwar eine genaue Trennung zwischen denjenigen der Übernahme der Betreuung einerseits und der Rechtsvertretung andererseits zuzuordnenden Tätigkeiten schwierig. Auszugehen ist allerdings davon, was im Fall eines Auseinanderfallens beider Tätigkeiten üblich ist.

Bei unter gesetzlicher Betreuung stehenden Rechtsuchenden läuft die Kommunikation im Vorfeld gerichtlicher Verfahren und während ihres Laufes hauptsächlich zwischen dem Betreuer und dem Bevollmächtigen ab. Der Rechtssuchende selbst wendet sich regelmäßig an seinen Betreuer. Dieser wiederum beschafft erforderliche Informationen und Unterlagen von ihm oder anderen Stellen. Die Kommunikation zwischen Berufsbetreuer und Bevollmächtigtem ist nach allgemeiner Lebenserfahrung im Regelfall nicht überdurchschnittlich aufwendig.

Eine krankheitsbedingt mangelhafte Mitarbeit bzw. Mitwirkung des Rechtssuchenden sowie häufige Kontaktaufnahmen sind im Zusammenhang mit der Betreuertätigkeit zu sehen. Sie sind nicht mandatsbedingt. Auch die Sicherstellung der zwischenzeitlichen Versorgung des Antragstellers bis zu dem Vergleichsabschluss fällt ebenfalls eindeutig in den Aufgabenbereich eines Betreuers. Die geschilderten zeitintensiven "auffangenden", zwecks Erreichung einer Mitwirkung notwendigen Gespräche sind jedenfalls nicht der Tätigkeit eines Bevollmächtigten zuzuordnen. Vielmehr prägen diese insbesondere bei Menschen mit dem Krankheitsbild des Antragstellers die Betreuertätigkeit.

Soweit die Beschwerdeführerin auf zusätzlichen Aufwand durch eine - nach ihren Angaben - sehr weitreichende und zeitintensive Unterstützung des Herrn I bei der Fertigung einer Eidesstattlichen Versicherung hinweist, ist zunächst die aufgrund der beschriebenen Personenidentität schon entstandene Zeitersparnis zu berücksichtigen, die sie dadurch hatte, dass sie eine solche Versicherung einer dritten Betreuungsperson nicht erstellen und mit dieser besprechen musste. Der Senat lässt dahinstehen, ob die Inkorporation in die Antragsschrift zulässig ist. Zudem ist nicht ersichtlich, dass es einer Eidesstattlichen Versicherung des Herrn I bedurft hätte. Schließlich lässt das als Eidesstattliche Versicherung bezeichnete Dokument eine besondere rechtliche Mühewaltung nicht erkennen: Das als Stellungnahme überschriebene Schreiben weist im Briefkopf die juristische Person DRK Soziale Dienste P gGmbH und als deren Organ den Geschäftsführer auf. Unterschrieben ist die Stellungnahme dann mit dem Zusatz i.A. von dem Sozialarbeiter I. Da eine juristische Person selbst nicht eidesfähig ist, der Geschäftsführer oder sein Stellvertreter erkennbar keine Erklärung abgegeben haben und der Sozialarbeiter I nicht als natürliche Person, sondern nur "im Auftrag" unterzeichnet hat, liegt überhaupt keine Versicherung an Eides statt vor.

3. Der von der Beschwerdeführerin jeweils mit dem gewählten Ansatz von 550,00 Euro ausgeschöpfte Gebührenrahmen ist maßlos übersetzt. Dieser wäre nur dann gerechtfertigt, wenn die Rechtsbesorgung im Fall des Antragstellers unter Berücksichtigung aller Umstände des § 14 RVG zu den denkbar aufwendigsten Verfahren vor den Sozialgerichten zählen würde. Das ist nicht der Fall, im Übrigen auch nicht ansatzweise dargetan.

III. Das Verfahren ist gerichtsgebührenfrei, eine Kostenerstattung findet nicht statt (§ 56 Abs. 2 Satz 2, 3 RVG).

IV. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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