Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
9
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
S 46 SO 187/16 ER
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 9 SO 185/16 B ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Solange der Schulträger entgegen seiner Verpflichtung aus dem SchulG die Kosten für Hilfen außerhalb des Kernbereichs der pädagogischen Arbeit nicht übernimmt, hat der Sozialhilfeträger dafür aufzukommen.
Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016 wird zurückgewiesen. Der Antragsgegner trägt auch die außergerichtlichen Kosten des Antragstellers im Beschwerdeverfahren.
Gründe:
Die vom Antragsgegner am 6. Oktober 2016 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016, durch den der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung einer unterrichtsbegleitenden Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden in der Grundschule W in G zu gewähren, mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016 aufzuheben und den Antrag abzulehnen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) als auch ein Anordnungsgrund (im Sinne der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht sowohl eine Folgenabwägung vornehmen als auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 – juris).
Vorliegend vermag der Senat in Anbetracht der Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Dringlichkeit der Sache wegen des in Kürze ablaufenden Beschwerdezeitraums nicht abschließend zu klären, ob der Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine unterrichtsbegleitende Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 als Leistungen der Eingliederungshilfe weiterhin verlangen kann. Ein Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs erscheint möglich, jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos. Da allerdings erhebliche Belange des Antragstellers berührt sind, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) eine erfolgsunabhängige Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, um wesentliche Nachteile vom Antragsteller abzuwenden. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach dem hier anzuwendenden Maßstab überwiegend hinreichend glaubhaft gemacht.
Ob der Antragsteller die Eingangsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfüllt, lässt sich im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend klären. Wie auch das Sozialgericht in seinem Beschluss vom 14. September 2016 ausgeführt hat, spricht jedenfalls mehr dafür als dagegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Auch aus dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners folgt nichts anderes. Aus der sozialpädagogischen Stellungnahme des Fachdienstes Soziale Hilfen und Teilhabe vom 30. Dezember 2016 ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Antragstellers, der von dem Antragsgegner seit seinem 2. Lebensjahr Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die bekannten Einschränkungen bestehen, wie auch der Bericht der Schule vom 22. Dezember 2016 anschaulich beschreibt, vielmehr weiter.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gehören zu den Leistungen insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO bestimmt, dass die Hilfen auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher umfassen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Wie bereits § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris Rn. 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw. begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG, Urteil vom 22. März 2013 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 21 m.w.N.). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind.
Der Senat hat diesen Kernbereich pädagogischer Arbeit bisher im Lichte des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (SchulGSH) definiert. Dies hat aufgrund der in § 4 SchulGSH festgeschriebenen Verpflichtung der Schulen zur Inklusion ein sehr weitgehendes Verständnis des Kernbereichs pädagogischer Arbeit zur Folge (siehe hierzu die Beschlüsse des Senats vom 17. Februar 2014 – L 9 SO 222/13 B ER – juris und 15. April 2014 – L 9 SO 36/14 B ER – juris). Danach dürften die vorliegend von der Schulbegleitung erbrachten Hilfestellungen zu einem Großteil zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehören und einen Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner grundsätzlich ausschließen. In Anbetracht der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R -) wie sie überwiegend auch in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte vertreten wird, (LSG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 29; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2012 - L 7 SO 4186/12 ER-B – juris Rn. 15; Beschluss vom 3. Juni 2013 - L 7 SO 1931/13 ER-B – juris Rn. 13; Hessisches LSG, Beschluss vom 26. April 2012 - L 4 SO 297/11 B ER – juris Rn. 24 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. November 2010 - L 8 SO 193/08 – juris Rn. 24 f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 3. Juni 2010 - L 7 SO 19/09 B ER – juris Rn. 38 f.; Thüringer LSG, Beschluss vom 29. März 2012 - L 8 SO 1830/11 B ER – juris Rn. 13; siehe auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 12 B 1182/11 – juris RdNr. 12 sowie BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21/11 – juris -) neigt der Senat dazu, seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken und nicht mehr zwingend daran festzuhalten, dass die im SchulGSH festgeschriebene Verpflichtung zur inklusiven Beschulung nahezu deckungsgleich mit dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zu sehen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass der Schulträger bei einer Änderung der Rechtsprechung seinen Pflichten aus dem SchulGSH nicht mehr nachzukommen hätte und seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen müsste. Durch die gesetzliche Verpflichtung zur inklusiven Beschulung gehören vielmehr auch Bereiche zum Aufgabengebiet der Schule, die nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zuzuordnen sind und für die der Sozialhilfeträger derzeit nur aufgrund des tatsächlichen Ausfalls jener Leistungen seitens des Schulträgers einzustehen hätte. Eine etwaige vorrangige Verpflichtung des Schulträgers auch für diese außerhalb des pädagogischen Kernbereichs liegenden Aufgaben könnte der Sozialhilfeträger dann ggf. in einem gesonderten Verfahren nach Überleitung der aus dem Schulrecht resultierenden Ansprüche (§ 93 SGB XII) gegen den Schulträger geltend machen (siehe auch hierzu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R – Terminbericht 49/16 – abzurufen unter juris).
Da die von der Schulbegleitung erbrachten Leistungen unter Zugrundelegung der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 22. März 2013 – B 8 SO 30/10 R – juris und Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R) nach summarischer Prüfung nicht zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehören, die Maßnahmen auch geeignet und erforderlich sind, den Schulbesuch des Antragstellers zu ermöglichen, zumindest jedenfalls zu erleichtern, eine Anrechnung des eventuell vorhandenen Einkommens und Vermögens des Antragstellers bzw. seiner Eltern nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht in Betracht kommt und die notwendige Schulbegleitung derzeit tatsächlich nicht vom Schulträger erbracht wird, stünde dem Antragsteller ein Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner zu. Einen Anordnungsanspruch, der in Anbetracht dieser eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hauptsacheverfahren voraussichtlich wohl erfolgreich erstritten werden könnte, nicht zu bejahen, würde dem Wesen des einsteiligen Rechtschutzes nicht gerecht werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senat über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch bei einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abschließend entscheidet, während er im Hauptsacheverfahren ggf. die Revision zulassen und damit dem Bundessozialgericht die Möglichkeit geben könnte, die Entscheidung zu überprüfen. Diese prozessuale Lage gebietet es – unabhängig von der Rechtsauffassung des Senats im Hauptsacheverfahren -, dem Antragsteller unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die begehrten Leistungen zuzusprechen.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Ein Abwarten einer abschließenden Entscheidung ist dem Antragsteller angesichts der bereits bestehenden Beeinträchtigungen und der Gefahr einer Verschlechterung seiner schulischen Integration auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlichen Belange der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz - GG -) und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) nebst dem Benachteiligungsverbot nach Art. 3 GG, das gerade auch die Teilhabe als behinderter Mensch umfasst, nicht zumutbar. Die Folgen einer Nichtgewährung der Schulbegleitung wiegen für den Antragsteller damit schwerer als diejenige eines Kostenausfalls im Falle des Obsiegens für den Antragsgegner.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Gründe:
Die vom Antragsgegner am 6. Oktober 2016 erhobene Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016, durch den der Antragsgegner im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet worden ist, dem Antragsteller für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 Eingliederungshilfe in Form der Bereitstellung einer unterrichtsbegleitenden Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden in der Grundschule W in G zu gewähren, mit dem Antrag,
den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 14. September 2016 aufzuheben und den Antrag abzulehnen,
hat keinen Erfolg.
Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Voraussetzung ist, dass sowohl ein Anordnungsanspruch (d. h. ein nach der Rechtslage gegebener Anspruch auf die einstweilig begehrte Leistung) als auch ein Anordnungsgrund (im Sinne der Eilbedürftigkeit einer vorläufigen Regelung) bestehen. Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch sind glaubhaft zu machen (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung – ZPO). Wegen des vorläufigen Charakters einer einstweiligen Anordnung soll durch sie eine endgültige Entscheidung in der Hauptsache grundsätzlich nicht vorweggenommen werden. Bei seiner Entscheidung kann das Gericht sowohl eine Folgenabwägung vornehmen als auch eine summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache anstellen. Drohen aber ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dann dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist allein anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden (BVerfG, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 1 BvR 596/05 – juris).
Vorliegend vermag der Senat in Anbetracht der Komplexität der Sach- und Rechtslage sowie der Dringlichkeit der Sache wegen des in Kürze ablaufenden Beschwerdezeitraums nicht abschließend zu klären, ob der Antragsteller die Übernahme der Kosten für eine unterrichtsbegleitende Hilfskraft im Umfang von bis zu zehn Wochenstunden für das 1. Halbjahr des Schuljahres 2016/2017 als Leistungen der Eingliederungshilfe weiterhin verlangen kann. Ein Erfolg des Hauptsacherechtsbehelfs erscheint möglich, jedenfalls nicht offensichtlich aussichtslos. Da allerdings erhebliche Belange des Antragstellers berührt sind, ist unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des BVerfG (a.a.O.) eine erfolgsunabhängige Güter- und Folgenabwägung vorzunehmen, um wesentliche Nachteile vom Antragsteller abzuwenden. Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund sind nach dem hier anzuwendenden Maßstab überwiegend hinreichend glaubhaft gemacht.
Ob der Antragsteller die Eingangsvoraussetzung des § 53 Abs. 1 Satz 1 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) erfüllt, lässt sich im vorliegenden Verfahren auf einstweiligen Rechtsschutz nicht abschließend klären. Wie auch das Sozialgericht in seinem Beschluss vom 14. September 2016 ausgeführt hat, spricht jedenfalls mehr dafür als dagegen. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat insoweit gemäß § 142 Abs. 2 Satz 3 SGG auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses. Auch aus dem Beschwerdevorbringen des Antragsgegners folgt nichts anderes. Aus der sozialpädagogischen Stellungnahme des Fachdienstes Soziale Hilfen und Teilhabe vom 30. Dezember 2016 ergeben sich keine neuen Erkenntnisse. Eine wesentliche Änderung in den gesundheitlichen Verhältnissen des Antragstellers, der von dem Antragsgegner seit seinem 2. Lebensjahr Leistungen der Eingliederungshilfe erhalten hat, ist für den Senat nicht ersichtlich. Die bekannten Einschränkungen bestehen, wie auch der Bericht der Schule vom 22. Dezember 2016 anschaulich beschreibt, vielmehr weiter.
Die Leistungen der Eingliederungshilfe werden durch § 54 Abs. 1 SGB XII i.V.m. §§ 26, 33, 41 und 55 SGB IX und die auf Grundlage der Ermächtigung des § 60 SGB XII erlassene Eingliederungshilfe-VO konkretisiert. Nach § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII gehören zu den Leistungen insbesondere Hilfen zu einer angemessenen Schulbildung, insbesondere im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht und zum Besuch weiterführender Schulen einschließlich der Vorbereitung hierzu; die Bestimmungen über die Ermöglichung der Schulbildung im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht bleiben unberührt. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO bestimmt, dass die Hilfen auch heilpädagogische sowie sonstige Maßnahmen zugunsten körperlich und geistig behinderter Kinder und Jugendlicher umfassen, wenn die Maßnahmen erforderlich und geeignet sind, dem behinderten Menschen den Schulbesuch im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht zu ermöglichen oder zu erleichtern.
Wie bereits § 53 Abs. 1 Satz 1 SGB XII verdeutlicht ("nach der Besonderheit des Einzelfalles"), liegt § 54 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XII i.V.m. § 12 Nr. 1 Eingliederungshilfe-VO ein individualisiertes Förderverständnis zugrunde (BSG, Urteil vom 29. September 2009 – B 8 SO 19/08 R – juris Rn. 22). Eine Unterscheidung der Maßnahmen nach ihrer Art, etwa nach pädagogischen oder nichtpädagogischen bzw. begleitenden, ist rechtlich nicht geboten, weil grundsätzlich alle Maßnahmen in Betracht kommen, die im Zusammenhang mit der Ermöglichung einer angemessenen Schulbildung geeignet und erforderlich sind, die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mildern (BSG, Urteil vom 22. März 2013 – B 8 SO 30/10 R – juris Rn. 21 m.w.N.). Deshalb können von der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers auch Maßnahmen umfasst werden, die zum Aufgabenbereich der Schulverwaltung gehören. Ausgeschlossen sind allerdings Maßnahmen, die dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit der Schule zuzuordnen sind.
Der Senat hat diesen Kernbereich pädagogischer Arbeit bisher im Lichte des Schleswig-Holsteinischen Schulgesetzes (SchulGSH) definiert. Dies hat aufgrund der in § 4 SchulGSH festgeschriebenen Verpflichtung der Schulen zur Inklusion ein sehr weitgehendes Verständnis des Kernbereichs pädagogischer Arbeit zur Folge (siehe hierzu die Beschlüsse des Senats vom 17. Februar 2014 – L 9 SO 222/13 B ER – juris und 15. April 2014 – L 9 SO 36/14 B ER – juris). Danach dürften die vorliegend von der Schulbegleitung erbrachten Hilfestellungen zu einem Großteil zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehören und einen Anspruch des Antragstellers gegen den Antragsgegner grundsätzlich ausschließen. In Anbetracht der Entwicklung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R -) wie sie überwiegend auch in der Rechtsprechung der Landessozialgerichte vertreten wird, (LSG NRW, Beschluss vom 20. Dezember 2013 – L 9 SO 429/13 B ER – juris Rn. 29; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 7. November 2012 - L 7 SO 4186/12 ER-B – juris Rn. 15; Beschluss vom 3. Juni 2013 - L 7 SO 1931/13 ER-B – juris Rn. 13; Hessisches LSG, Beschluss vom 26. April 2012 - L 4 SO 297/11 B ER – juris Rn. 24 f.; LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 25. November 2010 - L 8 SO 193/08 – juris Rn. 24 f.; Sächsisches LSG, Beschluss vom 3. Juni 2010 - L 7 SO 19/09 B ER – juris Rn. 38 f.; Thüringer LSG, Beschluss vom 29. März 2012 - L 8 SO 1830/11 B ER – juris Rn. 13; siehe auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - 12 B 1182/11 – juris RdNr. 12 sowie BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 – 5 C 21/11 – juris -) neigt der Senat dazu, seine bisherige Rechtsprechung zu überdenken und nicht mehr zwingend daran festzuhalten, dass die im SchulGSH festgeschriebene Verpflichtung zur inklusiven Beschulung nahezu deckungsgleich mit dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zu sehen ist. Dies bedeutet aber nicht, dass der Schulträger bei einer Änderung der Rechtsprechung seinen Pflichten aus dem SchulGSH nicht mehr nachzukommen hätte und seinen gesetzlichen Auftrag nicht mehr erfüllen müsste. Durch die gesetzliche Verpflichtung zur inklusiven Beschulung gehören vielmehr auch Bereiche zum Aufgabengebiet der Schule, die nicht dem Kernbereich der pädagogischen Arbeit zuzuordnen sind und für die der Sozialhilfeträger derzeit nur aufgrund des tatsächlichen Ausfalls jener Leistungen seitens des Schulträgers einzustehen hätte. Eine etwaige vorrangige Verpflichtung des Schulträgers auch für diese außerhalb des pädagogischen Kernbereichs liegenden Aufgaben könnte der Sozialhilfeträger dann ggf. in einem gesonderten Verfahren nach Überleitung der aus dem Schulrecht resultierenden Ansprüche (§ 93 SGB XII) gegen den Schulträger geltend machen (siehe auch hierzu BSG, Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R – Terminbericht 49/16 – abzurufen unter juris).
Da die von der Schulbegleitung erbrachten Leistungen unter Zugrundelegung der nunmehr gefestigten Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG, Urteil vom 22. März 2013 – B 8 SO 30/10 R – juris und Urteil vom 9. Dezember 2016 – B 8 SO 8/15 R) nach summarischer Prüfung nicht zum Kernbereich der pädagogischen Arbeit gehören, die Maßnahmen auch geeignet und erforderlich sind, den Schulbesuch des Antragstellers zu ermöglichen, zumindest jedenfalls zu erleichtern, eine Anrechnung des eventuell vorhandenen Einkommens und Vermögens des Antragstellers bzw. seiner Eltern nach § 92 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 SGB XII nicht in Betracht kommt und die notwendige Schulbegleitung derzeit tatsächlich nicht vom Schulträger erbracht wird, stünde dem Antragsteller ein Leistungsanspruch gegen den Antragsgegner zu. Einen Anordnungsanspruch, der in Anbetracht dieser eindeutigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Hauptsacheverfahren voraussichtlich wohl erfolgreich erstritten werden könnte, nicht zu bejahen, würde dem Wesen des einsteiligen Rechtschutzes nicht gerecht werden. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund, dass der Senat über die Beschwerde im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes auch bei einer Abweichung von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts abschließend entscheidet, während er im Hauptsacheverfahren ggf. die Revision zulassen und damit dem Bundessozialgericht die Möglichkeit geben könnte, die Entscheidung zu überprüfen. Diese prozessuale Lage gebietet es – unabhängig von der Rechtsauffassung des Senats im Hauptsacheverfahren -, dem Antragsteller unter dem Gesichtspunkt der Folgenabwägung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren die begehrten Leistungen zuzusprechen.
Ein Anordnungsgrund liegt ebenfalls vor. Ein Abwarten einer abschließenden Entscheidung ist dem Antragsteller angesichts der bereits bestehenden Beeinträchtigungen und der Gefahr einer Verschlechterung seiner schulischen Integration auch unter Berücksichtigung seiner grundrechtlichen Belange der Menschenwürde (Art. 1 Grundgesetz - GG -) und des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG) nebst dem Benachteiligungsverbot nach Art. 3 GG, das gerade auch die Teilhabe als behinderter Mensch umfasst, nicht zumutbar. Die Folgen einer Nichtgewährung der Schulbegleitung wiegen für den Antragsteller damit schwerer als diejenige eines Kostenausfalls im Falle des Obsiegens für den Antragsgegner.
Die Kostenentscheidung folgt aus einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
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