Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 14 AL 708/15
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 2 AL 77/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung (nur) für die Zukunft aufheben durfte.
Die Beklagte bewilligte der am xxxxx 1982 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. August 2014 Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 3. August 2014 bis zum 1. August 2015. In dem diesem Bescheid zugrundeliegenden Antrag hatte die Klägerin angegeben, sie habe ihre Arbeitszeit wegen Kinderbetreuung zeitlich auf 20 bis 30 Stunden wöchentlich einzuschränken.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 wies die Beklagte die Klägerin auf das Ende des Alg-Anspruchs voraussichtlich am 1. August 2015 und die Möglichkeit eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II hin. Unter dem 3. August 2015 erstellte die Beklagte der Klägerin eine Entgeltbescheinigung, in der es hieß, die Alg-Zahlung sei wegen Erschöpfung des Anspruchs eingestellt worden. Die Beklagte erteilte der Klägerin mit Bescheid vom 15. Juli 2015 einen Bildungsgutschein für die Teilnahme an einem Fachkurs für professionelles Management im Non-profit-Bereich, außerbetrieblich im Fernunterricht und für die Maßnahmedauer von insgesamt sechs Monaten. Der Bildungsgutschein war mit dem Hinweis versehen, Alg werde in der Regel während der geförderten Maßnahme weitergezahlt, es sei denn, der Anspruch sei zu Beginn der Maßnahme erschöpft. Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Maßnahmebogens war die Maßnahme als berufsbegleitende Maßnahme mit einer Unterrichtszeit von 8 Stunden wöchentlich zugelassen. Die Klägerin nahm ab dem 1. August 2015 an der Maßnahme teil.
Mit Bescheid vom 10. August 2015 bewilligte die Beklagte Alg ab dem 1. August 2015 "bis auf weiteres"; mit einem weiteren Bescheid vom selben Datum erkannte sie für den 2. Februar 2016 Alg in gleicher Höhe zu. Mit Änderungsbescheiden vom 31. August 2015 und 25. September 2015 setzte sie die Leistungshöhe in der Zeit vom 1. September 2015 bis zum 31. Januar 2016 wegen anzurechnenden Einkommens herab und bewilligte für die Zeit ab dem 1. Februar 2016 wieder Alg "bis auf weiteres".
Mit Bescheid vom 28. September 2015 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 1. August 2015 mit der Begründung auf, die Klägerin habe sich selbst aus dem Leistungsbezug abgemeldet. Mit Schreiben vom selben Datum hörte sie wegen einer Erstattung der Leistungen für die Zeit vom 1. August 2015 bis zum 30. September 2015 an. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 Widerspruch ein und führte aus, sie habe sich nicht etwa selbst aus dem Leistungsbezug abgemeldet, sondern nehme an einer von der Beklagten anerkannten und finanzierten Weiterbildung teil, während derer – so zumindest die Auskunft des zuständigen Beraters – Alg weitergezahlt werde. Erst später (am 1. Oktober 2015) habe der zuständige Berater eingeräumt, er habe versehentlich etwas falsch angekreuzt.
Unter dem 7. Oktober 2015 erließ die Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, wonach die Klägerin ab dem 1. August 2015 Alg in wechselnder Höhe "bis auf weiteres" erhalten solle. Nach erneuter Anhörung der Klägerin und nach Erlass eines weiteren Änderungsbescheides vom 15. Oktober 2015, wonach Alg ab dem 1. Oktober 2015 "bis auf weiteres" nur in geringerer Höhe gezahlt werden solle, nahm die Beklagte die Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 28. Oktober 2015 mit Wirkung ab dem 1. November 2015 ganz zurück. Den aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2015 zurück und führte aus, ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung habe nicht bestanden, da auch durch eine berufsbegleitende Weiterbildung nicht die Voraussetzungen aus § 137 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) entfielen. Die Klägerin habe zwar auf den Bestand der Alg-Bewilligung vertrauen dürfen, jedoch sei dieses Vertrauen nicht schutzwürdig. Die Klägerin habe keine Leistungen zu erstatten und habe auch keine Vermögensdispositionen getroffen, die sie nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen habe die Beklagte sich hierbei von Art. 3 Grundgesetz, vom Rechtsstaatsprinzip sowie von den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit leiten lassen.
Die Klägerin hat am 23. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, ihr sei zugesichert worden, auch während der Weiterbildung einen Alg-Anspruch zu haben. Daher begreife sie nicht, wieso die Voraussetzungen für die Zahlung von Alg nicht mehr gegeben sein sollten. In ihrem Fall greife die Sonderregelung des § 144 Abs. 2 SGB III ein. Hiernach genüge es, wenn am Tag des Eintritts in die Maßnahme einen Anspruch auf Alg bestanden habe. Dies sei bei ihr am 1. August 2015 der Fall gewesen. Im Übrigen handele es sich bei dem Lehrgang auch nicht um eine berufsbegleitende Maßnahme. Der Zeitaufwand von 8 Stunden in der Woche gelte für die Regeldauer von einem Jahr. Da ihr die Teilhabe allerdings nur für sechs Monate bewilligt worden sei, habe sich der Aufwand entsprechend auf 16 Stunden wöchentlich erhöht.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben: Der Alg-Anspruch sei am 3. August 2014 für 360 Tage entstanden und daher bereits mit Ablauf des 1. August 2015 erschöpft gewesen. Eine Weiterzahlung von Alg habe daher auch nicht auf der Grundlage von § 139 SGB III erfolgen können. Ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach Maßgabe der §§ 136 Abs. 1 Nr. 2, 144 SGB III bestehe nicht, da die Klägerin an einer berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahme teilnehme. Dem Umstand, dass die Klägerin durch den seinerzeit zuständigen Arbeitsvermittler unrichtig beraten worden sei, habe die Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Rücknahme erst ab dem 1. November 2015 erfolgt sei.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. September 2016 (der Klägerin zugestellt am 9. September 2016) abgewiesen: Bei dem Fernlehrgang habe es sich um eine berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme gehandelt, während der kein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung bestanden habe. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Alg erschöpft gewesen. Dem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der Klägerin habe die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit erfolgt sei.
Die Klägerin hat am 7. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Sie beruft sich weiterhin auf § 144 SGB III, der darüber hinweghelfe, dass ihre Verfügbarkeit aufgrund der Teilnahme am Fernkurs eingeschränkt gewesen sei. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen berufsbegleitenden Maßnahmen und beruflicher Weiterbildung finde sich in dem insoweit einschlägigen § 81 SGB III nicht. Eine Berufstätigkeit wäre für sie als Mutter zweier Vorschulkinder neben dem ca. 16 Wochenstunden umfassenden Kurs ohnehin nicht in Betracht gekommen. Dass sie auch nach dem 1. November 2015 einen Alg-Anspruch gehabt habe, ergebe sich aus § 148 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 3 SGB III, wonach eine Minderung des Alg-Anspruchs unterbleibe, wenn sich dadurch eine Anspruchsdauer von weniger als einem Monat ergebe. Dies sei bei ihr der Fall gewesen, denn ihr Alg-Anspruch wäre ohne die Maßnahme bereits mit Ablauf des 1. August 2015 erschöpft gewesen. Wenn sie gewusst hätte, dass die gewählte Maßnahme nicht die Voraussetzungen einer Alg-Fortzahlung erfüllt habe, hätte sie sich für eine andere Form der Weiterbildung entschieden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. September 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2015 in Gestalt der Bescheide vom 7. Oktober 2015, 15. Oktober 2015 und 28. Oktober 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Senat hat die Berufung am 8. Februar 2017 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten, den Anspruch auf Alg mit Wirkung zum 1. November 2015 zurückzunehmen, sind rechtmäßig.
§ 45 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf, soweit er rechtswidrig ist.
Die Bewilligung von Alg für die Zeit nach Ablauf des 1. August 2015 ist rechtswidrig erfolgt. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf "reguläres" Alg bei Arbeitslosigkeit mehr, da dieser gemäß § 147 Abs. 1 und 2 SGB III in Verbindung mit § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mit Ablauf des 1. August 2015 durch Erfüllung erloschen war. Einen Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach den §§ 136 Abs. 1 Nr. 2, 144 hatte die Klägerin nicht.
Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung (das frühere Unterhaltsgeld nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage) hat, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall. § 144 Abs. 1 SGB III ist nicht etwa so zu verstehen, dass während einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung stets ein Anspruch auf Alg besteht. Vielmehr entbindet § 144 Abs. 1 SGB III lediglich von der in § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III normierten Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit als Voraussetzung der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Insbesondere tritt diese Rechtsfolge nicht etwa schon dann ein, wenn eine nach § 81 SGB III geförderte berufliche Weiterbildung vorliegt. Vielmehr setzt die Vorschrift – wie der Formulierung "allein wegen" zu entnehmen ist – einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Weiterbildung und der fehlenden Verfügbarkeit voraus. Somit scheidet ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung dann aus, wenn die Verfügbarkeit bereits aus anderen Gründen als der konkreten Weiterbildungsmaßnahme nicht gegeben ist und/oder wenn die Weiterbildungsmaßnahme als solche nicht geeignet ist, die Verfügbarkeit aufzuheben. Letzteres ist bei berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahmen der Fall (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 10/16, § 144 SGB III Rn. 8a). Der Klägerin ist somit zuzugeben, dass § 81 SGB III nicht zwischen berufsbegleitenden und anderen (insbesondere in Vollzeit stattfindenden) Maßnahmen differenziert. Dessen bedarf es allerdings auch nicht, denn die entsprechende Differenzierung ergibt sich aus dem in § 144 Abs. 1 SGB III vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen der Teilnahme an der Maßnahme und dem Entfallen der Voraussetzungen aus den §§ 137, 138 SGB III.
Im vorliegenden Fall lässt sich auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht feststellen, dass sie allein wegen der zum 1. August 2015 begonnenen Maßnahme nicht mehr verfügbar gewesen wäre. Verfügbar ist gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Selbst wenn der Fernkurs – wie die Klägerin vorträgt – mit einem Zeitaufwand von 16 Stunden wöchentlich verbunden war, schloss dies insbesondere nicht die Möglichkeit aus, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Hierbei kann sich die Klägerin nicht der Sache nach mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich der Arbeitsvermittlung in zeitlicher Hinsicht nur eingeschränkt (20 bis 30 Stunden wöchentlich) zur Verfügung gestellt. Ist die leistungsberechtigte Person nur bereit, Teilzeitbeschäftigungen auszuüben, so schließt dies gemäß § 139 Abs. 4 Satz 1 SGB III die Verfügbarkeit nicht aus (wenn sich die Arbeitsbereitschaft auf Teilzeitbeschäftigungen erstreckt, die versicherungspflichtig sind, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassen und den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes entsprechen). Steht somit eine den Anforderungen aus § 139 Abs. 4 Satz 1 SGB III entsprechende Beschränkung auf Teilzeittätigkeiten der Feststellung von Verfügbarkeit als einer Anspruchsvoraussetzung für das Alg nicht entgegen, so kann dieser – gleichsam "verfügbarkeitsneutrale" – Umstand nicht zugleich die Voraussetzungen erfüllen helfen, unter denen Alg trotz fehlender Verfügbarkeit geleistet wird. Im Übrigen verlangt § 144 Abs. 1 SGB III ausdrücklich, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das Alg allein wegen der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nicht erfüllt sind. Ein Zusammenwirken dieser Teilnahme mit anderen – hier familiären – Umständen genügt nicht.
Auch mit ihrem Hinweis auf § 144 Abs. 2 SGB III dringt die Klägerin nicht durch. Die Vorschrift betrifft bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des ersten Satzteils lediglich Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war. Sie ermöglicht, dass Arbeitnehmer auch unmittelbar nach dem Ende ihrer Beschäftigung im Wege des § 81 SGB III gefördert werden können, ohne dass zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Förderung eine Zeit des Alg-Bezugs liegen müsste. Wurde vor Beginn der Maßnahme bereits Alg bezogen, so gilt für den Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung allein § 144 Abs. 1 SGB III (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2014, § 144 SGB III Rn. 15).
Ob einem Anspruch auf Alg über den 1. August 2015 hinaus auch die Erschöpfung (hier nach § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 147 Abs. 1 und 2 SGB III) des mit Bescheid vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. August 2014 für die Zeit bis zum 1. August 2015 zuerkannten Alg-Anspruchs entgegenstand, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Für eine solche Sichtweise spricht der Wortlaut des nicht zwischen "regulärem" Alg und Alg bei Weiterbildung differenzierenden § 147 SGB III, der allerdings durch die (freilich auch nicht eindeutigen) Vorschriften in § 148 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 3 SGB III relativiert wird. Auch wenn sich eine Verlängerung des Alg-Anspruchs über die in § 147 SGB III normierte Dauer hinaus (ausdrücklich dafür etwa SG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juli 2015 – S 5 AL 488/15, juris, Rn. 18 m.w.N.; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 10/16, § 144 SGB III Rn. 5) damit begründen lässt, der Gesetzgeber habe mit dem Aufgehen des Unterhaltsgeldes in den rechtlichen Strukturen des Alg keinen leistungsrechtlichen Nachteil verbinden wollen (so die Begründung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drs. 15/1515, S. 82 zu § 117), lässt sich allgemein fragen, ob die bestenfalls fragmentarische gesetzliche Regelung hierzu eine ausreichende Grundlage dafür bietet, die Bezugsdauer erheblich weiter auszudehnen als in § 147 SGB III vorgesehen. Jedenfalls hätte der Anspruch der Klägerin auch bei einer denkbar versichertenfreundlichen Gesetzesauslegung ihren Alg-Anspruch um höchstens einen Monat verlängert, der jedoch zum 1. November 2015 längst abgelaufen gewesen wäre.
Auch die einschränkenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X stehen der Rücknahme der Alg-Bewilligung – auch wenn unstreitig kein Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt – nicht entgegen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Hierbei greift die Regelvermutung des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X, wonach das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, nicht zugunsten der Klägerin ein. Da Alg gemäß § 337 Abs. 2 SGB III monatlich nachträglich ausgezahlt wird, konnte die Klägerin die Leistungen, die ihr für November 2015 und spätere Monate bewilligt worden waren, bei Erlass des Bescheides vom 28. Oktober 2015 noch nicht – wie § 45 Abs. 2 Satz 2 erste Alternative es voraussetzt – verbraucht haben. Auch für eine Vermögensdisposition im Sinne der zweiten Tatbestandsalternative ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Der Vortrag der Klägerin, sie hätte sich ansonsten für eine andere Form der Weiterbildung entschieden, mit der die Voraussetzungen einer Fortzahlung von Alg sicher erfüllt gewesen wären, genügt auch unter Zugrundelegung eines weiten Begriffs der Vermögensdisposition unter Einschluss auch mittelbarer wirtschaftlicher Auswirkungen (dazu Merten in Hauck/Noftz, SGB, 08/16, § 45 SGB X, Rn. 54) nicht.
Auch im Rahmen der nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X vorzunehmenden Interessenabwägung sprechen überwiegende Gründe für das auf Seiten der Beklagten bestehende Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse. Hierbei ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die rechtswidrige Alg-Bewilligung auf einem Verschulden der Beklagten beruht. Abgesehen davon, dass selbst grobes behördliches Verschulden eine Rücknahme nicht schlechthin ausschließt (BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 – B 7 AL 18/01 B, juris, Rn. 15), ist das Verschulden seinem Grade nach jedenfalls nicht als grob einzuschätzen. Der seinerzeit zustände Sachbearbeiter hat verkannt, dass die Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 SGB III im vorliegenden Einzelfall wegen des zeitlichen Umfangs der Maßnahme nicht vorgelegen hatten. Anders wäre es, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Bewilligung schon daraus ergäbe, dass die in § 147 SGB III vorgesehene Höchstdauer erschöpft war. Da jedoch – wie bereits dargestellt – eine Verlängerung der Alg-Bezugsdauer durch den Bezug von Alg bei beruflicher Weiterbildung in Rechtsprechung und Literatur angenommen wird, lässt sich dieser Gesichtspunkt nicht zugunsten der Klägerin anführen. Ein einfaches Verschulden der Behörde an der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheides stellt indes im Rahmen der Prüfung von § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X den Regelfall dar und indiziert kein Überwiegen von Vertrauensschutz (Merten, a.a.O., Rn. 89). Weiterhin ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass bei (rechtswidrig) für einen längeren Zeitraum gewährten laufenden Leistungen das Rücknahmeinteresse in der Regel hoch einzuschätzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 – 9a RVg 2/84, BSGE 60, 147 = juris, Rn. 29). Dieser Gesichtspunkt greift insbesondere deswegen, weil die Beklagte zuletzt (mit Bescheid vom 15. Oktober 2015) Alg "bis auf weiteres" bewilligt hatte. Zugunsten der Klägerin ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich noch während des Rücknahmeverfahrens widersprüchlich verhalten hatte, denn selbst nach Erlass des (im Vergleich zum Änderungsbescheid vom 28. Oktober 2015 sehr viel weitergehenden) Rücknahmebescheides vom 28. September 2015 hatte sie wiederholt Alg bewilligt (vgl. zur Abwägungsrelevanz behördlicher Bekräftigungen der rechtswidrigen Entscheidung Merten, a.a.O., Rn. 95 m.w.N.). Allerdings tritt dieser Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung deswegen zurück, weil die Beklagte die Rücknahme folgerichtig auf die Zeit nach Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Oktober 2015 beschränkt hat. Jedenfalls nach Erlass des Bescheides vom 28. Oktober 2015 konnte die Klägerin nicht mehr davon ausgehen, sie werde weiterhin Alg erhalten.
Die Beklagte hat auch das ihr eingeräumte Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie war sich des ihr eingeräumten Ermessens ersichtlich bewusst, hat den Besonderheiten des Einzelfalles – wie insbesondere der Umstand zeigt, dass sie die Regelungswirkung der Rücknahmeentscheidung auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. September 2015 erheblich reduziert hat – Rechnung getragen und sich hierbei auch von sachgemäßen Erwägungen leiten lassen.
Die Beklagte hat weiterhin unproblematisch die Frist aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X eingehalten. Auf das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen einer Rücknahme auch für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 SGB X) kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Beklagte die Bewilligung von Arbeitslosengeld (Alg) mit Wirkung (nur) für die Zukunft aufheben durfte.
Die Beklagte bewilligte der am xxxxx 1982 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. August 2014 Arbeitslosengeld (Alg) für die Zeit vom 3. August 2014 bis zum 1. August 2015. In dem diesem Bescheid zugrundeliegenden Antrag hatte die Klägerin angegeben, sie habe ihre Arbeitszeit wegen Kinderbetreuung zeitlich auf 20 bis 30 Stunden wöchentlich einzuschränken.
Mit Schreiben vom 22. Juni 2015 wies die Beklagte die Klägerin auf das Ende des Alg-Anspruchs voraussichtlich am 1. August 2015 und die Möglichkeit eines Anspruchs auf Arbeitslosengeld II hin. Unter dem 3. August 2015 erstellte die Beklagte der Klägerin eine Entgeltbescheinigung, in der es hieß, die Alg-Zahlung sei wegen Erschöpfung des Anspruchs eingestellt worden. Die Beklagte erteilte der Klägerin mit Bescheid vom 15. Juli 2015 einen Bildungsgutschein für die Teilnahme an einem Fachkurs für professionelles Management im Non-profit-Bereich, außerbetrieblich im Fernunterricht und für die Maßnahmedauer von insgesamt sechs Monaten. Der Bildungsgutschein war mit dem Hinweis versehen, Alg werde in der Regel während der geförderten Maßnahme weitergezahlt, es sei denn, der Anspruch sei zu Beginn der Maßnahme erschöpft. Ausweislich des in der Verwaltungsakte der Beklagten enthaltenen Maßnahmebogens war die Maßnahme als berufsbegleitende Maßnahme mit einer Unterrichtszeit von 8 Stunden wöchentlich zugelassen. Die Klägerin nahm ab dem 1. August 2015 an der Maßnahme teil.
Mit Bescheid vom 10. August 2015 bewilligte die Beklagte Alg ab dem 1. August 2015 "bis auf weiteres"; mit einem weiteren Bescheid vom selben Datum erkannte sie für den 2. Februar 2016 Alg in gleicher Höhe zu. Mit Änderungsbescheiden vom 31. August 2015 und 25. September 2015 setzte sie die Leistungshöhe in der Zeit vom 1. September 2015 bis zum 31. Januar 2016 wegen anzurechnenden Einkommens herab und bewilligte für die Zeit ab dem 1. Februar 2016 wieder Alg "bis auf weiteres".
Mit Bescheid vom 28. September 2015 hob die Beklagte die Bewilligung von Alg ab dem 1. August 2015 mit der Begründung auf, die Klägerin habe sich selbst aus dem Leistungsbezug abgemeldet. Mit Schreiben vom selben Datum hörte sie wegen einer Erstattung der Leistungen für die Zeit vom 1. August 2015 bis zum 30. September 2015 an. Die Klägerin legte mit Schreiben vom 5. Oktober 2015 Widerspruch ein und führte aus, sie habe sich nicht etwa selbst aus dem Leistungsbezug abgemeldet, sondern nehme an einer von der Beklagten anerkannten und finanzierten Weiterbildung teil, während derer – so zumindest die Auskunft des zuständigen Beraters – Alg weitergezahlt werde. Erst später (am 1. Oktober 2015) habe der zuständige Berater eingeräumt, er habe versehentlich etwas falsch angekreuzt.
Unter dem 7. Oktober 2015 erließ die Beklagte einen weiteren Änderungsbescheid, wonach die Klägerin ab dem 1. August 2015 Alg in wechselnder Höhe "bis auf weiteres" erhalten solle. Nach erneuter Anhörung der Klägerin und nach Erlass eines weiteren Änderungsbescheides vom 15. Oktober 2015, wonach Alg ab dem 1. Oktober 2015 "bis auf weiteres" nur in geringerer Höhe gezahlt werden solle, nahm die Beklagte die Alg-Bewilligung mit Bescheid vom 28. Oktober 2015 mit Wirkung ab dem 1. November 2015 ganz zurück. Den aufrecht erhaltenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. November 2015 zurück und führte aus, ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung habe nicht bestanden, da auch durch eine berufsbegleitende Weiterbildung nicht die Voraussetzungen aus § 137 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) entfielen. Die Klägerin habe zwar auf den Bestand der Alg-Bewilligung vertrauen dürfen, jedoch sei dieses Vertrauen nicht schutzwürdig. Die Klägerin habe keine Leistungen zu erstatten und habe auch keine Vermögensdispositionen getroffen, die sie nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen könne. Im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen habe die Beklagte sich hierbei von Art. 3 Grundgesetz, vom Rechtsstaatsprinzip sowie von den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit leiten lassen.
Die Klägerin hat am 23. November 2015 Klage erhoben und zur Begründung ausgeführt, ihr sei zugesichert worden, auch während der Weiterbildung einen Alg-Anspruch zu haben. Daher begreife sie nicht, wieso die Voraussetzungen für die Zahlung von Alg nicht mehr gegeben sein sollten. In ihrem Fall greife die Sonderregelung des § 144 Abs. 2 SGB III ein. Hiernach genüge es, wenn am Tag des Eintritts in die Maßnahme einen Anspruch auf Alg bestanden habe. Dies sei bei ihr am 1. August 2015 der Fall gewesen. Im Übrigen handele es sich bei dem Lehrgang auch nicht um eine berufsbegleitende Maßnahme. Der Zeitaufwand von 8 Stunden in der Woche gelte für die Regeldauer von einem Jahr. Da ihr die Teilhabe allerdings nur für sechs Monate bewilligt worden sei, habe sich der Aufwand entsprechend auf 16 Stunden wöchentlich erhöht.
Die Beklagte ist bei ihrer Auffassung geblieben: Der Alg-Anspruch sei am 3. August 2014 für 360 Tage entstanden und daher bereits mit Ablauf des 1. August 2015 erschöpft gewesen. Eine Weiterzahlung von Alg habe daher auch nicht auf der Grundlage von § 139 SGB III erfolgen können. Ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach Maßgabe der §§ 136 Abs. 1 Nr. 2, 144 SGB III bestehe nicht, da die Klägerin an einer berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahme teilnehme. Dem Umstand, dass die Klägerin durch den seinerzeit zuständigen Arbeitsvermittler unrichtig beraten worden sei, habe die Beklagte bereits dadurch Rechnung getragen, dass die Rücknahme erst ab dem 1. November 2015 erfolgt sei.
Das Sozialgericht hat die Klage durch Gerichtsbescheid vom 7. September 2016 (der Klägerin zugestellt am 9. September 2016) abgewiesen: Bei dem Fernlehrgang habe es sich um eine berufsbegleitende Weiterbildungsmaßnahme gehandelt, während der kein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung bestanden habe. Darüber hinaus sei der Anspruch auf Alg erschöpft gewesen. Dem schutzwürdigen Vertrauen auf Seiten der Klägerin habe die Beklagte dadurch Rechnung getragen, dass die Aufhebung für die Zukunft und nicht auch für die Vergangenheit erfolgt sei.
Die Klägerin hat am 7. Oktober 2016 Berufung eingelegt. Sie beruft sich weiterhin auf § 144 SGB III, der darüber hinweghelfe, dass ihre Verfügbarkeit aufgrund der Teilnahme am Fernkurs eingeschränkt gewesen sei. Die von der Beklagten zugrunde gelegte Unterscheidung zwischen berufsbegleitenden Maßnahmen und beruflicher Weiterbildung finde sich in dem insoweit einschlägigen § 81 SGB III nicht. Eine Berufstätigkeit wäre für sie als Mutter zweier Vorschulkinder neben dem ca. 16 Wochenstunden umfassenden Kurs ohnehin nicht in Betracht gekommen. Dass sie auch nach dem 1. November 2015 einen Alg-Anspruch gehabt habe, ergebe sich aus § 148 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 3 SGB III, wonach eine Minderung des Alg-Anspruchs unterbleibe, wenn sich dadurch eine Anspruchsdauer von weniger als einem Monat ergebe. Dies sei bei ihr der Fall gewesen, denn ihr Alg-Anspruch wäre ohne die Maßnahme bereits mit Ablauf des 1. August 2015 erschöpft gewesen. Wenn sie gewusst hätte, dass die gewählte Maßnahme nicht die Voraussetzungen einer Alg-Fortzahlung erfüllt habe, hätte sie sich für eine andere Form der Weiterbildung entschieden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 7. September 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 28. September 2015 in Gestalt der Bescheide vom 7. Oktober 2015, 15. Oktober 2015 und 28. Oktober 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 12. November 2015 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt die angegriffene Entscheidung.
Der Senat hat die Berufung am 8. Februar 2017 mündlich verhandelt. Auf das Sitzungsprotokoll wird verwiesen. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Prozessakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte und auch im Übrigen zulässige, insbesondere form- und fristgerechte (§ 151 SGG) Berufung ist unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Entscheidungen der Beklagten, den Anspruch auf Alg mit Wirkung zum 1. November 2015 zurückzunehmen, sind rechtmäßig.
§ 45 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) bestimmt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 der Vorschrift ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden darf, soweit er rechtswidrig ist.
Die Bewilligung von Alg für die Zeit nach Ablauf des 1. August 2015 ist rechtswidrig erfolgt. Die Klägerin hatte keinen Anspruch auf "reguläres" Alg bei Arbeitslosigkeit mehr, da dieser gemäß § 147 Abs. 1 und 2 SGB III in Verbindung mit § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III mit Ablauf des 1. August 2015 durch Erfüllung erloschen war. Einen Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung nach den §§ 136 Abs. 1 Nr. 2, 144 hatte die Klägerin nicht.
Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung (das frühere Unterhaltsgeld nach der bis zum 31. Dezember 2004 geltenden Rechtslage) hat, wer die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Alg bei Arbeitslosigkeit allein wegen einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung nicht erfüllt. Dies war bei der Klägerin nicht der Fall. § 144 Abs. 1 SGB III ist nicht etwa so zu verstehen, dass während einer nach § 81 SGB III geförderten beruflichen Weiterbildung stets ein Anspruch auf Alg besteht. Vielmehr entbindet § 144 Abs. 1 SGB III lediglich von der in § 138 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 5 SGB III normierten Anspruchsvoraussetzung der Verfügbarkeit als Voraussetzung der Arbeitslosigkeit im Sinne des § 137 Abs. 1 Nr. 1 SGB III. Insbesondere tritt diese Rechtsfolge nicht etwa schon dann ein, wenn eine nach § 81 SGB III geförderte berufliche Weiterbildung vorliegt. Vielmehr setzt die Vorschrift – wie der Formulierung "allein wegen" zu entnehmen ist – einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Weiterbildung und der fehlenden Verfügbarkeit voraus. Somit scheidet ein Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung dann aus, wenn die Verfügbarkeit bereits aus anderen Gründen als der konkreten Weiterbildungsmaßnahme nicht gegeben ist und/oder wenn die Weiterbildungsmaßnahme als solche nicht geeignet ist, die Verfügbarkeit aufzuheben. Letzteres ist bei berufsbegleitenden Weiterbildungsmaßnahmen der Fall (Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 10/16, § 144 SGB III Rn. 8a). Der Klägerin ist somit zuzugeben, dass § 81 SGB III nicht zwischen berufsbegleitenden und anderen (insbesondere in Vollzeit stattfindenden) Maßnahmen differenziert. Dessen bedarf es allerdings auch nicht, denn die entsprechende Differenzierung ergibt sich aus dem in § 144 Abs. 1 SGB III vorausgesetzten Kausalzusammenhang zwischen der Teilnahme an der Maßnahme und dem Entfallen der Voraussetzungen aus den §§ 137, 138 SGB III.
Im vorliegenden Fall lässt sich auch nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin nicht feststellen, dass sie allein wegen der zum 1. August 2015 begonnenen Maßnahme nicht mehr verfügbar gewesen wäre. Verfügbar ist gemäß § 138 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, wer den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung steht. Den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit steht gemäß § 138 Abs. 5 SGB III zur Verfügung, wer 1. eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für sie oder ihn in Betracht kommenden Arbeitsmarktes ausüben kann und darf, 2. Vorschlägen der Agentur für Arbeit zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann, 3. bereit ist, jede Beschäftigung im Sinne der Nummer 1 anzunehmen und auszuüben, und 4. bereit ist, an Maßnahmen zur beruflichen Eingliederung in das Erwerbsleben teilzunehmen. Selbst wenn der Fernkurs – wie die Klägerin vorträgt – mit einem Zeitaufwand von 16 Stunden wöchentlich verbunden war, schloss dies insbesondere nicht die Möglichkeit aus, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des für die Klägerin in Betracht kommenden Arbeitsmarktes auszuüben. Hierbei kann sich die Klägerin nicht der Sache nach mit Erfolg darauf berufen, sie habe sich der Arbeitsvermittlung in zeitlicher Hinsicht nur eingeschränkt (20 bis 30 Stunden wöchentlich) zur Verfügung gestellt. Ist die leistungsberechtigte Person nur bereit, Teilzeitbeschäftigungen auszuüben, so schließt dies gemäß § 139 Abs. 4 Satz 1 SGB III die Verfügbarkeit nicht aus (wenn sich die Arbeitsbereitschaft auf Teilzeitbeschäftigungen erstreckt, die versicherungspflichtig sind, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassen und den üblichen Bedingungen des für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarktes entsprechen). Steht somit eine den Anforderungen aus § 139 Abs. 4 Satz 1 SGB III entsprechende Beschränkung auf Teilzeittätigkeiten der Feststellung von Verfügbarkeit als einer Anspruchsvoraussetzung für das Alg nicht entgegen, so kann dieser – gleichsam "verfügbarkeitsneutrale" – Umstand nicht zugleich die Voraussetzungen erfüllen helfen, unter denen Alg trotz fehlender Verfügbarkeit geleistet wird. Im Übrigen verlangt § 144 Abs. 1 SGB III ausdrücklich, dass die Anspruchsvoraussetzungen für das Alg allein wegen der Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme nicht erfüllt sind. Ein Zusammenwirken dieser Teilnahme mit anderen – hier familiären – Umständen genügt nicht.
Auch mit ihrem Hinweis auf § 144 Abs. 2 SGB III dringt die Klägerin nicht durch. Die Vorschrift betrifft bereits nach dem eindeutigen Wortlaut des ersten Satzteils lediglich Konstellationen, in denen der Arbeitnehmer vor Eintritt in die Maßnahme nicht arbeitslos war. Sie ermöglicht, dass Arbeitnehmer auch unmittelbar nach dem Ende ihrer Beschäftigung im Wege des § 81 SGB III gefördert werden können, ohne dass zwischen dem Ende der Beschäftigung und dem Beginn der Förderung eine Zeit des Alg-Bezugs liegen müsste. Wurde vor Beginn der Maßnahme bereits Alg bezogen, so gilt für den Anspruch auf Alg bei beruflicher Weiterbildung allein § 144 Abs. 1 SGB III (Öndül in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB III, 2014, § 144 SGB III Rn. 15).
Ob einem Anspruch auf Alg über den 1. August 2015 hinaus auch die Erschöpfung (hier nach § 148 Abs. 1 Nr. 1 SGB III i.V.m. § 147 Abs. 1 und 2 SGB III) des mit Bescheid vom 28. Juli 2014 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 18. August 2014 für die Zeit bis zum 1. August 2015 zuerkannten Alg-Anspruchs entgegenstand, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Für eine solche Sichtweise spricht der Wortlaut des nicht zwischen "regulärem" Alg und Alg bei Weiterbildung differenzierenden § 147 SGB III, der allerdings durch die (freilich auch nicht eindeutigen) Vorschriften in § 148 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 3 SGB III relativiert wird. Auch wenn sich eine Verlängerung des Alg-Anspruchs über die in § 147 SGB III normierte Dauer hinaus (ausdrücklich dafür etwa SG Karlsruhe, Urteil vom 20. Juli 2015 – S 5 AL 488/15, juris, Rn. 18 m.w.N.; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB, 10/16, § 144 SGB III Rn. 5) damit begründen lässt, der Gesetzgeber habe mit dem Aufgehen des Unterhaltsgeldes in den rechtlichen Strukturen des Alg keinen leistungsrechtlichen Nachteil verbinden wollen (so die Begründung der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zum Entwurf eines Dritten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt, BT-Drs. 15/1515, S. 82 zu § 117), lässt sich allgemein fragen, ob die bestenfalls fragmentarische gesetzliche Regelung hierzu eine ausreichende Grundlage dafür bietet, die Bezugsdauer erheblich weiter auszudehnen als in § 147 SGB III vorgesehen. Jedenfalls hätte der Anspruch der Klägerin auch bei einer denkbar versichertenfreundlichen Gesetzesauslegung ihren Alg-Anspruch um höchstens einen Monat verlängert, der jedoch zum 1. November 2015 längst abgelaufen gewesen wäre.
Auch die einschränkenden Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 SGB X stehen der Rücknahme der Alg-Bewilligung – auch wenn unstreitig kein Ausschluss schutzwürdigen Vertrauens nach § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X vorliegt – nicht entgegen. Nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X darf ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Hierbei greift die Regelvermutung des § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X, wonach das Vertrauen in der Regel schutzwürdig ist, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann, nicht zugunsten der Klägerin ein. Da Alg gemäß § 337 Abs. 2 SGB III monatlich nachträglich ausgezahlt wird, konnte die Klägerin die Leistungen, die ihr für November 2015 und spätere Monate bewilligt worden waren, bei Erlass des Bescheides vom 28. Oktober 2015 noch nicht – wie § 45 Abs. 2 Satz 2 erste Alternative es voraussetzt – verbraucht haben. Auch für eine Vermögensdisposition im Sinne der zweiten Tatbestandsalternative ist nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich. Der Vortrag der Klägerin, sie hätte sich ansonsten für eine andere Form der Weiterbildung entschieden, mit der die Voraussetzungen einer Fortzahlung von Alg sicher erfüllt gewesen wären, genügt auch unter Zugrundelegung eines weiten Begriffs der Vermögensdisposition unter Einschluss auch mittelbarer wirtschaftlicher Auswirkungen (dazu Merten in Hauck/Noftz, SGB, 08/16, § 45 SGB X, Rn. 54) nicht.
Auch im Rahmen der nach § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X vorzunehmenden Interessenabwägung sprechen überwiegende Gründe für das auf Seiten der Beklagten bestehende Interesse an der Herstellung rechtmäßiger Verhältnisse. Hierbei ist zugunsten der Klägerin zu berücksichtigen, dass die rechtswidrige Alg-Bewilligung auf einem Verschulden der Beklagten beruht. Abgesehen davon, dass selbst grobes behördliches Verschulden eine Rücknahme nicht schlechthin ausschließt (BSG, Beschluss vom 21. Juni 2001 – B 7 AL 18/01 B, juris, Rn. 15), ist das Verschulden seinem Grade nach jedenfalls nicht als grob einzuschätzen. Der seinerzeit zustände Sachbearbeiter hat verkannt, dass die Voraussetzungen von § 144 Abs. 1 SGB III im vorliegenden Einzelfall wegen des zeitlichen Umfangs der Maßnahme nicht vorgelegen hatten. Anders wäre es, wenn sich die Rechtswidrigkeit der Bewilligung schon daraus ergäbe, dass die in § 147 SGB III vorgesehene Höchstdauer erschöpft war. Da jedoch – wie bereits dargestellt – eine Verlängerung der Alg-Bezugsdauer durch den Bezug von Alg bei beruflicher Weiterbildung in Rechtsprechung und Literatur angenommen wird, lässt sich dieser Gesichtspunkt nicht zugunsten der Klägerin anführen. Ein einfaches Verschulden der Behörde an der Rechtswidrigkeit des zurückgenommenen Bescheides stellt indes im Rahmen der Prüfung von § 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X den Regelfall dar und indiziert kein Überwiegen von Vertrauensschutz (Merten, a.a.O., Rn. 89). Weiterhin ist zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass bei (rechtswidrig) für einen längeren Zeitraum gewährten laufenden Leistungen das Rücknahmeinteresse in der Regel hoch einzuschätzen ist (vgl. BSG, Urteil vom 25. Juni 1986 – 9a RVg 2/84, BSGE 60, 147 = juris, Rn. 29). Dieser Gesichtspunkt greift insbesondere deswegen, weil die Beklagte zuletzt (mit Bescheid vom 15. Oktober 2015) Alg "bis auf weiteres" bewilligt hatte. Zugunsten der Klägerin ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Beklagte sich noch während des Rücknahmeverfahrens widersprüchlich verhalten hatte, denn selbst nach Erlass des (im Vergleich zum Änderungsbescheid vom 28. Oktober 2015 sehr viel weitergehenden) Rücknahmebescheides vom 28. September 2015 hatte sie wiederholt Alg bewilligt (vgl. zur Abwägungsrelevanz behördlicher Bekräftigungen der rechtswidrigen Entscheidung Merten, a.a.O., Rn. 95 m.w.N.). Allerdings tritt dieser Gesichtspunkt im Rahmen der gebotenen Gesamtabwägung deswegen zurück, weil die Beklagte die Rücknahme folgerichtig auf die Zeit nach Bekanntgabe des Bescheides vom 28. Oktober 2015 beschränkt hat. Jedenfalls nach Erlass des Bescheides vom 28. Oktober 2015 konnte die Klägerin nicht mehr davon ausgehen, sie werde weiterhin Alg erhalten.
Die Beklagte hat auch das ihr eingeräumte Rücknahmeermessen fehlerfrei ausgeübt. Sie war sich des ihr eingeräumten Ermessens ersichtlich bewusst, hat den Besonderheiten des Einzelfalles – wie insbesondere der Umstand zeigt, dass sie die Regelungswirkung der Rücknahmeentscheidung auf den Widerspruch gegen den Bescheid vom 28. September 2015 erheblich reduziert hat – Rechnung getragen und sich hierbei auch von sachgemäßen Erwägungen leiten lassen.
Die Beklagte hat weiterhin unproblematisch die Frist aus § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X eingehalten. Auf das Vorliegen der besonderen Voraussetzungen einer Rücknahme auch für die Vergangenheit (§ 45 Abs. 4 SGB X) kommt es im vorliegenden Fall nicht an.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
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