L 9 R 142/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 13 R 2881/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 142/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die 1961 geborene Klägerin hat keinen Beruf erlernt und war zuletzt als Reinigungskraft und Altenpflegehelferin versicherungspflichtig beschäftigt. Seit 2011 ist die Klägerin arbeitsunfähig krank bzw. arbeitslos. Vom 01.12.2011 bis 30.06.2012 bezog sie eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Diese Rente war ihr aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs in einem Verfahren vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG (S 11 R 3446/11)) gewährt worden. Seit 01.10.2013 bezieht sie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II).

Die Klägerin beantragte am 28.08.2014 erneut bei der Beklagten die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente.

Die Klägerin wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 02.10.2014 von der Fachärztin für Chirurgie Dr. L. untersucht. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 15.10.2014 folgende Diagnosen: 1. Mäßig verminderte Belastbarkeit der Rumpfwirbelsäule b.Z.n. Implantation einer Bandscheibenprothese L5/S1 2009, aktuell auftretende Zeichen einer Wurzelschädigung links 2. Leicht verminderte Belastbarkeit d. HWS b.Z.n. operat. Versteif. C5-C7 sowie BS-Prothese C4/C5 2011 m. end-/mittelgrad. Funktionseinb. ohne neurol. Ausfälle o. Wurzelreizzeichen 3. Depressive Verstimmung, bisher keine fachärztliche Vorstellung, aktuell keine Therapie Es sei weiterhin ein über sechsstündiges Leistungsvermögen für leichte, überwiegend sitzende Tätigkeiten festzustellen. Eine überdauernde quantitative Leistungsminderung resultiere aus den Beschwerden und Beeinträchtigungen derzeit nicht. Auszuschließen seien jedoch wirbelsäulenbelastende Tätigkeiten, d.h. Arbeiten in Wirbelsäulenzwangshaltungen (einschließlich Überkopfarbeiten), häufiges Bücken, Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten sowie mehr als nur ausnahmsweise mittelschwere Tätigkeiten. Auszuschließen seien auch Nachtschicht und besonderer Zeitdruck. Die zuletzt ausgeübten Tätigkeiten als Reinigungskraft bzw. Altenpflegehelferin entsprächen nicht mehr dem Leistungsvermögen der Versicherten.

Die Beklagte lehnte daraufhin den Rentenantrag der Klägerin mit Bescheid vom 22.10.2014 ab. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Sie könne noch mindestens sechs Stunden täglich unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes erwerbstätig sein.

Hiergegen wurde Widerspruch erhoben und ein Attest des behandelnden Orthopäden Dr. S. vorgelegt, in dem dieser angab, dass nach seiner Einschätzung aufgrund der bestehenden chronischen Beschwerden und Einschränkungen nicht von einer vollen Erwerbsfähigkeit auszugehen sei.

Die Klägerin wurde daraufhin im Auftrag der Beklagten am 28.05.2015 von der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. untersucht. Diese stellte in ihrem Gutachten vom 03.06.2015 folgende Diagnosen: 1. L5-Wurzelreizsyndrom li. bei neu nachgewiesenem Nucleus pulposus- Prolaps L4/5 (transforaminal) bei Z.n. operativer Intervention in Höhe L5/ S1 2009 2. Cervicobrachialgie li. bei Z.n. Fusions-OP HWK 5- HWK 7 2011 ohne sensomotorische Defizite 3. Spannungskopfschmerz 4. Diskrete Anpassungsstörung 5. Gemischte Hyperlipoproteinämie Die Klägerin könne noch leichte bis mittelschwere Tätigkeiten in wechselnder Körperhaltung mindestens sechs Stunden täglich verrichten. Es sollten dabei Tätigkeiten mit häufigem Bücken, mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten, in Zwangshaltungen, mit erhöhter Unfallgefahr, die Ersteigung von Treppen und Leitern, Tätigkeiten unter Zeitdruck und mit häufig wechselnden Arbeitszeiten vermieden werden. Die Gehstrecke sei rentenrelevant nicht eingeschränkt. Fahrtauglichkeit bestehe. Die zuletzt ausgeübte Tätigkeit als Raumpflegerin sei nicht mehr leidensgerecht.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20.08.2015 zurück. Unter Berücksichtigung aller bei der Klägerin vorliegenden Gesundheitsstörungen und den sich daraus ergebenden funktionellen Einschränkungen bei der Ausübung von Erwerbstätigkeit seien keine Auswirkungen ersichtlich, die das Leistungsvermögen der Klägerin für Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt zeitlich einschränkten. Es liege daher weder volle noch teilweise Erwerbsminderung vor. Ein Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit bestehe nur für vor dem 02.01.1961 geborene Versicherte.

Am 07.09.2015 hat die Klägerin Klage zum Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben. Zur Begründung hat sie vorgetragen, sie leide seit Jahren unter massiven und äußerst schmerzhaften Rückenbeschwerden. Im Jahr 2014 sei erneut ein Bandscheibenvorfall diagnostiziert worden. Seither hätten sich die Beschwerden weiter verstärkt. Sie könne sich kaum bewegen und kaum schmerzfrei liegen, sitzen oder längere Zeit stehen. Ohne die Einnahme massiver und hoch dosierter Schmerzmedikamente sei der Alltag der Klägerin kaum zu bewältigen. Das SG hat zunächst die behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen befragt. Dr. B., Arzt für Allgemeinmedizin, hat angegeben, dass er die Klägerin regelmäßig etwa zwei bis drei Mal pro Quartal behandle. Er halte wegen der Schmerzen an der Wirbelsäule und der Schulter auch leichte Tätigkeiten nicht mehr sechs Stunden und mehr täglich für möglich. Der Facharzt für Orthopädie Dr. S. hat mitgeteilt, dass er aufgrund der chronischen Beschwerden an der Hals- und Lendenwirbelsäule eine Tätigkeit nur noch drei bis vier Stunden täglich für möglich erachte. Das SG hat zudem von Amts wegen ein orthopädisches Gutachten bei Dr. M. und ein neurologisch-psychiatrisch-schmerzmedizinisches Gutachten bei Prof. Dr. R. eingeholt.

Dr. M. hat die Klägerin am 06.04.2016 untersucht und in seinem Gutachten vom 07.04.2016 folgende Diagnosen gestellt: 1. Funktionsstörung der Hals- und Lendenwirbelsäule nach Versteifungsoperation C5 und C7 und Einbringen einer Bandscheibenprothese L5/S1, zum Zeitpunkt der Untersuchung seitens der Hals- und Lendenwirbelsäule kein Hinweis auf Nervenwurzelreizsymptomatik 2. reversible Funktionsstörung (Blockierungen) der unteren und mittleren Brustwirbelsäule Aufgrund der objektiv nachweisbaren Funktionsstörung von Hals- und Lendenwirbelsäule könnten der Klägerin keine wirbelsäulenbelastenden Tätigkeiten zugemutet werden. Dies beziehe sich auf schwere und mittelschwere körperliche Arbeiten, Tragen von Lasten über 5 kg, dauerndes Gehen, Stehen und Sitzen, häufiges Bücken, stereotype Bewegungsabläufe des Schultergürtels. Somit könne die Klägerin leichte körperliche Tätigkeiten möglichst im Wechselrhythmus zwischen Gehen, Stehen und Sitzen unter Berücksichtigung der qualitativen Einschränkungen sechs Stunden und mehr täglich verrichten. Die bisherige Tätigkeit als Altenpflegerin bzw. Putzfrau sei nicht mehr leidensgerecht. Betriebsunübliche Pausen seien nicht erforderlich. Die Klägerin sei sowohl in der Lage, viermal täglich einen Fußweg von 500 m in maximal 20 Minuten zurückzulegen, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen, als auch einen Pkw zu führen.

Prof. Dr. R. hat die Klägerin am 22.06.2016 untersucht und in seinem Gutachten vom 31.08.2016 folgende Diagnosen gestellt: 1. leichtgradige anhaltende somatoforme Schmerzstörung 2. leichte Nervenwurzelschädigung S1 links 3. Verschleißerscheinungen bzw. Funktionsstörungen der Wirbelsäule Die Klägerin könne noch leichte körperliche Arbeiten ohne Akkord- oder Fließbandtätigkeiten durchführen. Sie solle keine Lasten mehr mit einem Gewicht von mehr als zehn Kilogramm heben oder tragen. Die genannten Tätigkeiten sollten vorzugsweise im Wechsel zwischen Gehen, Stehen und Sitzen ausgeführt werden. Zwangshaltungen der Wirbelsäule, wie z.B. Bücken, sei nicht mehr möglich, ebenso knieende Tätigkeiten und Arbeiten auf Leitern oder Gerüsten. Arbeiten unter Exposition von Kälte, Wärme, Staub, Gasen, Dämpfen und Nässe sollten vermieden werden, ebenso Nachtschichtarbeiten. Publikumsverkehr sei ebenfalls wie Tätigkeiten mit besonderer geistiger Beanspruchung und mit hoher und höherer Verantwortung noch zumutbar. Bei Beachtung der genannten Einschränkungen könne die Klägerin Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich, ja sogar acht Stunden täglich verrichten. Betriebsunübliche Pausen und Arbeitsbedingungen seien nicht nötig. Die Wegefähigkeit sei gegeben, die Klägerin habe bei einer Gangprüfung eine Gehstrecke von 500 m in 11 Minuten zurückgelegt und es seien keine wesentlichen Störungen bei einer weiteren Gangprüfung im Untersuchungszimmer aufgefallen.

Mit Schreiben vom 11.10.2016 hat die Klägerin vorgetragen, dass der Gutachter Prof. Dr. R. sich nicht ausreichend mit den von ihren behandelnden Ärzten abgegebenen Leistungseinschätzungen auseinandergesetzt habe. Das Gutachten sei zudem widersprüchlich, wenn es einerseits von einer leichtgradig ausgeprägten somatoformen Schmerzstörung ausgehe, aber andererseits aufgrund der Chronifizierung eine Besserung des Leistungsvermögens ausschließe. Das SG hat die Klage mit Urteil vom 24.11.2016 abgewiesen. Die näher dargelegten Voraussetzungen für die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente lägen nicht vor. Die Klägerin sei weder voll noch teilweise erwerbsgemindert. Dies ergebe sich im Wesentlichen aus den im Gerichtsverfahren von Amts wegen eingeholten Gutachten von Dr. M. und Prof. Dr. R. sowie der Einschätzungen der im Verwaltungsverfahren beauftragten Gutachter Dr. Lang und Dr. E. Weder die Erkrankungen auf orthopädischem Fachgebiet noch die auf psychiatrischem Fachgebiet schränkten das Leistungsvermögen der Klägerin auch zeitlich ein. Es bestünden lediglich qualitative Einschränkungen. So könne die Klägerin keine schweren und mittelschweren Tätigkeiten mehr verrichten. Nicht mehr möglich seien zudem das Tragen von Lasten über 5 kg, dauerndes Gehen, Stehen und Sitzen, häufiges Bücken, stereotype Bewegungsabläufe des Schultergürtels, Arbeiten auf Leitern und Gerüsten sowie Wirbelsäulenzwangshaltungen. Leichte Tätigkeiten seien aber noch möglich. Die Einschätzung der behandelnden Ärzte sei angesichts der von vier Gutachtern festgestellten nur leichten körperlichen Einschränkungen nicht nachvollziehbar. Zweifel am Vorliegen der Wegefähigkeit bestünden nicht.

Gegen das der Klägerin am 19.12.2016 zugestellte Urteil hat diese mit einem am 11.01.2017 beim SG eingegangenen Schreiben Berufung eingelegt. Die Beweiswürdigung des SG sei völlig einseitig. Es stütze sich allein auf die eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R., Dr. M., Dr. L. und Dr. E. Die Einschätzungen der behandelnden Ärzte würden nicht ausreichend gewürdigt. Den Einschätzungen der Gutachter, die die Klägerin nur einmal gesehen hätten, werde unkritisch und ohne nachvollziehbare Begründung gefolgt. Das Gutachten Prof. Dr. R. weise zudem Widersprüche auf. So habe dieser angegeben, dass die Hals- und Lendenwirbelsäule enggradig schmerzhaft eingeschränkt sei, komme dann aber zu dem Ergebnis, dass die Klägerin nur an einer leichtgradig anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leide. Ergänzend hat die Klägerin in zwei weiteren Schreiben ausgeführt, dass das SG sich nicht mit den Ausführungen der Klägerin auseinandergesetzt habe, und der Gutachter Prof. Dr. R. die Klägerin mit seiner Leistungseinschätzung letztlich zur Simulantin abstemple. Eine konkrete Auseinandersetzung mit diesem Gutachten sei bislang nicht erfolgt.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 24. November 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 22.Oktober 2014 sowie den Widerspruchsbescheid vom 20. August 2015 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihr ab dem 1. September 2015 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung verweist sie auf den Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren sowie die Ausführungen im angefochtenen Urteil.

Mit Verfügungen vom 31.01.2017 und 08.02.2017 sind die Beteiligten darauf hingewiesen worden, dass beabsichtigt ist, die Berufung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zurückzuweisen. Die Beteiligten haben Gelegenheit zur Stellungnahme erhalten.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe liegen nicht vor (§ 144 SGG). Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht – nach vorheriger Anhörung der Beteiligten – die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zu dem Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Die Beteiligten sind auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das angefochtene Urteil des SG vom 24.11.2016 und der Bescheid vom 22.10.2014 sowie der Widerspruchsbescheid vom 20.08.2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Das SG hat in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils zutreffend die rechtlichen Grundlagen für die hier von der Klägerin beanspruchte Rente wegen voller und teilweiser Erwerbsminderung (§ 43 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI)) dargelegt und zutreffend ausgeführt, dass ein Anspruch auf Rente wegen voller oder teilweiser Erwerbsminderung nicht besteht, weil die Klägerin noch wenigstens sechs Stunden täglich für leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig ist. Der Senat schließt sich dem nach eigener Prüfung uneingeschränkt an, sieht deshalb gemäß § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend ab und weist die Berufung aus den Gründen des angefochtenen Urteils zurück.

Ergänzend ist lediglich auszuführen, dass der Senat nach der Gesamtwürdigung der vorliegenden ärztlichen Unterlagen und auch unter Berücksichtigung des Vortrags im Berufungsverfahren nicht festzustellen vermag, dass das Leistungsvermögen der Klägerin auf unter sechs Stunden täglich für körperlich leichte Tätigkeiten herabgesunken ist. Der Schwerpunkt der Erkrankungen liegt auf dem orthopädischen und psychiatrischen Fachgebiet, wobei die Klägerin insbesondere unter Wirbelsäulenbeschwerden und einer anhaltenden somatoformen Schmerzstörung leidet.

Die Erkrankungen und die daraus gefolgerte Leistungseinschränkung ergeben sich im Wesentlichen aus den vom SG eingeholten Gutachten von Prof. Dr. R. und Dr. M. Die Ausführungen der Gutachter sind schlüssig, widerspruchsfrei und nachvollziehbar. Der Senat hat daher keinen Anlass, an der Vollständigkeit der erhobenen Befunde und an der Richtigkeit der daraus gefolgerten Leistungsbeurteilung zu zweifeln. Beide Gutachter haben den Krankheitsverlauf ausführlich geschildert, sind den Beschwerden nachgegangen und haben die Klägerin sorgfältig und umfassend untersucht.

Prof. Dr. R. hat insbesondere eine umfassende Anamnese erhoben, die Klägerin nach ihrem Tagesablauf befragt, hat verschiedene neurologische Untersuchungen und psychiatrische Tests durchgeführt. Auffällig war hier, dass sich im Rahmen der Selbststeinschätzung keinerlei Hinweise auf eine Depression haben finden lassen und auch die Tests zur Informationsverarbeitung Ergebnisse im Normbereich zeigten, was gegen eine schmerzbedingte kognitive Beeinträchtigung spricht. Der Senat kann zudem auch entgegen des Vortrages der Klägerin keine Widersprüchlichkeiten in diesem Gutachten erkennen. Soweit zunächst angegeben wurde, das Gutachten setze sich nicht mit den früheren Gutachten, insbesondere den Angaben des Dr. B., der nur noch ein unter dreistündiges Leistungsvermögen gesehen habe, auseinander, verkennt der Bevollmächtigte der Klägerin, dass Dr. B. nicht wie Prof. Dr. R. als Sachverständiger beauftragt wurde, sondern lediglich als sachverständiger Zeuge befragt wurde. Beide Ärzte haben daher unterschiedliche Rollen im Verfahren, wobei die Angaben des behandelnden Hausarztes weniger der Leistungseinschätzung als der Mitteilung der bislang erhobenen Befunde und Diagnosen und erfolgten Behandlungen dienen soll. Darüber hinaus hat der Gutachter sich sehr wohl mit den Aussagen der behandelnden Ärzte auseinandergesetzt (vgl. Bl. 28 f. seines Gutachtens) und für den Senat nachvollziehbar und überzeugend dargelegt, warum deren Leistungseinschränkungen nicht zu folgen ist. Der Senat kann auch keine Widersprüchlichkeit darin erkennen, dass der Gutachter eine enggradig schmerzhafte Beweglichkeit der Hals- und Lendenwirbelsäule festgestellt hat und als Diagnose eine leichtgradig ausgeprägte Schmerzstörung genannt hat, daraus aber keine Leistungseinschränkung ableitet. Hierbei war zunächst zu berücksichtigen, dass für die Frage einer Erwerbsminderung nicht diagnostizierte Erkrankungen maßgebend sind, sondern allein aus vorhandenen Erkrankungen folgende funktionelle Einschränkungen. Die aufgrund der Beschwerden an der Wirbelsäule gegebenen Funktionsbeeinträchtigungen hat der Gutachter ausführlich dargestellt und bei den bei der Klägerin zu berücksichtigenden qualitativen Einschränkungen berücksichtigt. Er hat sodann nachvollziehbar erläutert, warum sich hieraus nicht auch eine zeitliche Leistungseinschränkung ableiten lässt.

Dr. M. hat Funktionsprüfungen und Beweglichkeitsmessungen der Wirbelsäule und der oberen und unteren Gliedmaße vorgenommen, die Klägerin anatomisch genau inspiziert und vermessen, sowie von der Klägerin mitgebrachte Kernspintomographieaufnahmen ausgewertet. Der Senat schließt sich dessen Einschätzung in vollem Umfang an, zumal die Klägerin gegen dieses Gutachten bislang nichts vorgetragen hat.

Gestützt wird diese Leistungseinschätzung von den beiden im Verwaltungsverfahren eingeholten Gutachten von Dr. E. und Dr. L., die urkundsbeweislich verwertet werden. Auch hier wird jeweils noch von einem Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden für zumindest leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgegangen.

Wie das SG sieht auch der Senat die Angaben der sachverständigen Zeugen durch die von Amts wegen im SG-Verfahren eingeholten Gutachten sowie die beiden Gutachten aus dem Verwaltungsverfahren als widerlegt an. Wie bereits oben ausgeführt, kommen einem gerichtlich bestellten Sachverständigen und einem sachverständigen Zeugen unterschiedliche Aufgaben im Verfahren zu. Zudem ist insbesondere die Einschätzung von Dr. B. zum Leistungsvermögen sehr knapp gehalten, enthält keine Begründung und nennt keine funktionellen Einschränkungen, was für eine sozialmedizinische Leistungsbeurteilung jedoch unerlässlich ist. Der behandelnde Orthopäde Dr. S. nennt zwar einzelne funktionelle Einschränkungen, stützt diese aber im Wesentlichen auf den subjektiven Beschwerdevortrag der Klägerin. Eine Leistungseinschätzung auf Grundlage subjektiver Schmerzschilderungen belegt jedoch noch keine teilweise oder volle Erwerbsminderung.

Anhaltspunkte dafür, dass die Erwerbsfähigkeit der Klägerin aufgrund einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes - beispielsweise wegen eingeschränkter Wegefähigkeit - beeinträchtigt ist, liegen nicht vor. Sowohl Dr. M. als auch Prof. Dr. R. haben die Wegefähigkeit bejaht, wobei Prof. Dr. R. seine Angaben sogar auf eine Gangprüfung stützt, bei der die Klägerin 500 m in elf Minuten, also deutlich weniger als in den geforderten 20 Minuten, zurücklegen konnte. Warum ihr dies nicht vier Mal am Tag möglich sein soll, kann der Senat nicht erkennen.

Es liegt bei der Klägerin auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor, die die Benennung einer Verweisungstätigkeit erfordern würde. Ob eine Verweisungstätigkeit benannt werden muss, ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach den Umständen des Einzelfalles festzustellen (vgl. BSG, Urteil vom 23.05.2006 - B 13 RJ 38/05 R - juris Rn. 23 m.w.N., und zuletzt Urteil vom 19.10.2011 - B 13 R 78/09 R - , dokumentiert in juris und in NZS 2012, 302). Die bei der Klägerin bestehenden, oben genannten qualitativen Einschränkungen entsprechen im Wesentlichen dem Leistungsbild einer leichten Tätigkeit und sind nicht so vielfältig, als dass sie sämtliche in Betracht kommenden Tätigkeiten ausschließen würden. Auch besteht keine besonders ungewöhnliche oder schwerwiegende Leistungseinschränkung (wie z.B. die Einarmigkeit oder die Nichtbenutzbarkeit der Hände). Die Klägerin kann mit dem bei ihr vorliegenden Leistungsbild noch die meisten körperlichen Tätigkeiten, die bei ungelernten Tätigkeiten gefordert werden (wie z.B. Zureichen, Abnehmen, Transportieren, Reinigen, Bedienen von Maschinen, Kleben, Sortieren, Verpacken, Zusammensetzen von Teilen, usw.), verrichten.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit, denn sie wurde am 24.06.1961 und damit nach dem maßgeblichen Stichtag des § 240 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI geboren.

Weitere Ermittlungen von Amts wegen waren nicht geboten. Insbesondere sah sich der Senat nicht dazu veranlasst, erneut die behandelnden Ärzte der Klägerin zu befragen oder ein weiteres Gutachten einzuholen, da sich aus dem Vortrag der Klägerin im Berufungsverfahren nicht entnehmen lässt, dass sich ihr Gesundheitszustand seit den im letzten Jahr durchgeführten Begutachtungen wesentlich verschlechtert hat.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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