L 1 U 345/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 345/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts K. vom 10.12.2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Anerkennung ihrer Atemwegserkrankung als Berufskrankheit (BK) Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV).

Die Klägerin erlernte vom 01.09.1987 bis zum 15.02.1990 in der ehemaligen DDR den Beruf der Edelmetallfacharbeiterin (Spezialisierung Goldschmiedin) beim VEB Dienstleistungskombinat t, Edelschmiede C., und war in der Edelschmiede C. (bei der Handel- und Service GmbH) nach Abschluss ihrer Ausbildung noch bis Ende November 1990 beschäftigt. Zu ihren Aufgaben hat gemäß ihren Erstangaben gegenüber der Beklagten vom 17.05.2010 die Annahme, Reinigung, Reparatur und Neuanfertigung von Körperschmuck gehört. Sie gab an, dabei Umgang mit Säure (H2SO4), mit Renovirin, Oxydbeize sowie mit Polier- und Schleifpaste gehabt zu haben. Die genannten Tätigkeiten habe sie dann auch während der nachfolgenden Beschäftigung als Goldschmiedin und Kauffrau bei der Firma Juwelier T. in K. von Dezember 1990 bis Dezember 1998 ausgeübt. Danach sei sie von Januar 1999 bis April 1999 ohne Beschäftigung und mit der Einrichtung ihres eigenen Schmuckgeschäfts befasst gewesen. Mit ihrem eigenen Betrieb, der Firma P. Uhren, Schmuck und Accessoires in G., war sie bei der Beklagten vom 24.04.1999 bis zur Betriebsaufgabe am 31.10.2007 freiwillig versichert. Als Art der Beschäftigung gab sie, anders als bei den Vorbeschäftigungen, nur "Reinigen von Schmuck" an. Nach Aufgabe ihres eigenen Betriebes war sie ab November 2007 bis Februar 2011 ohne Beschäftigung. Danach war sie vom 01.03.2011 bis zum 07.04.2011 kurzzeitig als Verkäuferin in einem Schmuckgeschäft beschäftigt, beendete diese Beschäftigung jedoch wegen ausbleibender Lohnzahlung (Gutachten Dr. U. vom 08.08.2011, Bl. 88-6 Verwaltungsakte der Beklagten - VA). Im Anschluss arbeitete sie bis Dezember 2011 als Büroangestellte in einer Autowerkstatt (Gutachten Dr. U., a.a.O., ebenfalls Gutachten Prof. Dr. H. vom 28.04.2014, Bl. 147 ff. [Bl. 151] SG-Akte). Von Februar 2012 bis August 2013 war sie in einem Verlag beschäftigt. Inzwischen bezieht sie Erwerbsminderungsrente.

Im März 2010 zeigte der Arzt Dr. F. den Verdacht auf eine Berufskrankheit Nr. 4301/4302 an. Als Krankheitserscheinungen/Beschwerden bezeichnete er Atemnot und eine Schwellung der Nasenschleimhäute und Augen. Es bestehe ein gemischtförmiges Asthma bronchiale und eine allergische Rhinoconjunktivitis.

In ihren Erstangaben vom 17.05.2010 führte die Klägerin aus, ihre Beschwerden (betroffen seien Auge, Nase, Lunge und die Haut) seien erstmals am 09.09.1993 aufgetreten (Behandlung durch Dr. M.). Die Erkrankung habe ab 1993 bestanden. Die Ursache sei erst unklar gewesen, später sei es in Abständen zu Asthma-Anfällen und Allergien (Haut, Augen) beim Reinigen von Schmuck gekommen. Eine Nasenoperation habe keine Verbesserung erbracht. Bei dem HNO-Arzt Dr. V. habe sie eine Desensibilisierung durchführen lassen. Mit Krankheitsbericht vom 08.10.2010 teilte Dr. V. mit, die Klägerin habe ihn am 18.10.2001 erstmals in Anspruch genommen und habe über Dauerschnupfen sowie über Stirnkopfweh geklagt. Im Rahmen einer am 28.11.2001 durchgeführten Testung habe er eine Allergie gegen Hausstaubmilben festgestellt. Er habe eine chronische polypöse Sinusitis, eine Hausstaubmilbenallergie und ein allergisches Asthma bronchiale diagnostiziert. Der Arzt für Innere Medizin, Pneumologe und Allergologe Dr. M. teilte mit Krankheitsbericht vom 14.10.2010 mit, die Klägerin habe ihn im Juni 1999 erstmals in Anspruch genommen. Gemäß dem aktenkundigen Befundbericht vom 02.07.1999 (Bl. 52-5 VA) hat die Klägerin am 25.06.1999 über Schnupfen und Augenbrennen und zunehmend auch über Luftnot in der Nacht geklagt. Ein Prick-Test vom 25.06.1999 habe eine dreifach positive Reaktion auf Dermatophagoides pter. und Dermatophagoides far. ergeben. Ein Allergie-Labortest ergab bei "Hausstaubmilbe I" einen Wert von RAST 3, bei "Hausstaubmilbe II" einen Wert von RAST 4. Dr. M. diagnostizierte eine Rhinoconjunktivitis allergica mit mildem, exogen allergischem Asthma bronchiale bei Typ I-Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben. Der Internist Dr. W. berichtete mit Krankheitsbericht vom 23.11.2010 ebenfalls von einer seit 1999 laufenden Behandlung wegen einer bekannten Rhinoconjunktivitis allergica und allergischen Asthmas. Beigefügt war ein Entlassungsbericht des -B.-Klinikums R. vom 01.03.2007 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin dort vom 24.02. bis zum 01.03.2007 wegen einer Bronchiopneumonie bei infektexacerbiertem allergischem Asthma bronchiale mit respiratorischer Partialinsuffizienz. Die Klägerin habe angegeben, das Asthma bronchiale seit ca. sechs Jahren zu haben. Beim Pulmologen sei sie schon lange nicht mehr gewesen. Bei Bedarf nehme sie Aarane, das jetzt aber nicht geholfen habe. Unter Antibiose sei es zu einer allmählichen Besserung und einem Rückgang der Entzündungswerte gekommen.

Aktenkundig ist ebenfalls ein Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums Utersum auf Föhr über einen stationären Krankenhausaufenthalt der Klägerin dort vom 16.02.2010 bis zum 16.03.2010 wegen (u.a.) gemischtförmigem Asthma bronchiale. Gemäß der Eigenanamnese sei es ca. 2001 erstmals zu einer akuten Dyspnoeattacke am Arbeitsplatz gekommen. Zuvor hätten rezidivierende Rhinitis und Konjunktivitis bestanden, seither rezidivierende Dyspnoe wechselnder Intensität. Bei Polierarbeiten am Arbeitsplatz habe eine Symptomzunahme bestanden, außerdem auch bei Infektacerbationen. Eine Prick-Testung im September 2009 habe dreifach positive Reaktionen auf Milbe D. pter. und D. far. und Acarus siro und eine zweifach positive Reaktion auf Entenfedern erbracht, eine einfach positive auf Pferdehaar. Eine Hyposensibilisierung gegen Hausstaub im Jahr 2007 habe nach wenigen Monaten wegen Dyspnoe abgebrochen werden müssen. Die Atembeschwerden bestünden derzeit mit wechselnder Intensität und verstärkten sich bei Infektacerbationen oder Staubexposition.

Laut dem Bericht des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.09.2010 (Bl. 20-1 VA) über die selbstständige Beschäftigung der Klägerin von April 1999 bis Oktober 2007 habe sie sowohl Handel mit Uhren, Schmuck und Accessoires betrieben als auch selbst Schmuckstücke aus verschiedenen Metallen in der Werkstatt ihres Betriebes hergestellt. Der Betrieb habe aus einem Verkaufsraum mit separater Toilette bestanden, die Werkstatt habe sich in einer Nische links hinter der Eingangstür befunden. Es habe sich um eine offene Arbeitstheke gehandelt, wo die Kunden auch bei der Arbeit zusehen hätten können. Sie habe von 09.00 bis 19.00 Uhr geöffnet gehabt, unterbrochen von im Regelfall zwei Stunden Mittagspause. Am Samstag sei der Betrieb von 09.00 bis 14.00 Uhr geöffnet gewesen. Auf Verkauf und Beratung von Kunden seien ca. 25% der Arbeitszeit entfallen, auf Reparaturen und das Anfertigen von Schmuckstücken in der Werkstatt ca. 50% der Arbeitszeit. Die restliche Arbeitszeit sei auf das Reinigen von Schmuckstücken, Reinigungsarbeiten des Arbeitsraums und allgemeine Büroarbeiten entfallen. Eine Poliermaschine habe einen Filter und eine interne Absaugung gehabt. Das Silbertauchbad Renovirin sei für die Reinigung von Perlen, Korallen, Türkis und Bernstein verwendet worden. Es sei sehr oft benutzt worden. Sobald ein Schmuckstück gereinigt habe werden müssen oder fertig hergestellt gewesen sei, sei es im Einsatz gewesen. Auch die Ware im Verkaufsraum sei regelmäßig damit gereinigt worden. Boraxin sei beim Löten als Lötzusatz und Flussmittel bei jeder Lötung benutzt worden. Das Mittel sei ca. zehnmal täglich verwendet worden. Außerdem seien Schwefelsäure, Schwefelleber/Schwarzoxydbeize und Ammoniaksäure zum Einsatz gekommen. Nach Angabe der Klägerin seien die Atemprobleme hauptsächlich beim Umgang mit den Schleifmitteln und Polierpasten aufgetreten. Aus diesem Grund hätte sie verschiedene Schleifmittel und Polierpasten verschiedener Lieferanten ausprobiert. Die Krankheitssymptome wie z.B. Atemnot seien aber immer wieder aufgetreten und über die Jahre hinweg schlimmer geworden. Genannt habe die Klägerin insbesondere allergische Reaktionen, Atemnot und Augenentzündungen. Als Polierpasten seien meist Produkte von Menzerna verwendet worden. Aus Sicht der Klägerin habe sie eine besonders starke Reaktion bei der Verwendung des "Poliergrün" gehabt. Die Polierpasten seien zum Feinschleifen, Vorpolieren, Feinpolieren und zum Finish verwendet worden. Als Dauer für diese Arbeiten sei im Mittel ca. eine Stunde pro Tag angegeben worden. Während der Zeit ihrer Selbstständigkeit habe die Klägerin bei diesen Arbeiten eine Staubschutzmaske und eine Schutzbrille getragen. In der Zeit der Arbeitstätigkeit für die Firma T. habe sie keine Schutzausrüstung tragen dürfen, da der Unternehmer dies nicht gewollt habe. Eine mechanische Lüftungsanlage habe es im Betrieb der Klägerin nicht gegeben. Die Filter an der Poliermaschine habe sie selbst getauscht und dabei Mundschutz und Handschuhe getragen. Die Arbeitsaufgaben und Tätigkeiten als Goldschmiedin seien auch im Zeitraum von 1990 bis 1998, als die Klägerin bei der Firma T. als Goldschmiedin angestellt gewesen sei, etwa gleich gewesen.

Ausweislich des von der KKH-Allianz beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnisses vom 06.10.2010 habe am 05.07.1995 Arbeitsunfähigkeit wegen Bronchitis und Laryngitis bestanden, vom 27.02.1996 bis zum 03.01.1996 wegen eines akuten grippalen Infekts, ebenso (akuter Infekt, Migräne) vom 22.09. bis zum 25.09.1998. Vom 06.05. bis zum 10.05.2002 habe Arbeitsunfähigkeit wegen einer Nasenseptumdeviation bestanden, vom 24.02. bis zum 01.03.2007 wegen Asthma bronchiale.

Am 08.08.2011 erstattete im Auftrag der Beklagten der Internist, Facharzt für Lungen- und bronchialheilkunde, Allergologe und Umweltmediziner Dr. U. (Schwerpunktleiter Pneumologie/Allergologie der Rehaklinik in Bad D.) ein pneumologisch-allergologisches Gutachten über die Klägerin. Ihm gegenüber habe die Klägerin ausgeführt, in Kindheit und Jugend überhaupt keine Probleme von Seiten der Atemwege gehabt zu haben. Begonnen habe das Ganze ungefähr 1993 mit permanentem Juckreiz in der Nase, Niesattacken und Nasenlaufen. Es sei dann ein Allergietest (Pflastertest) veranlasst worden, der aber wegen einer starken Reaktion auf das Pflaster gar nicht ablesbar gewesen sei. Eine Behandlung sei zunächst nicht erfolgt, abgesehen davon, dass sie wegen Zugehens der Nase sehr viel Nasenspray zum Abschwellen der Schleimhaut benutzt habe. Erst ungefähr im Jahr 2000 sei sie zum HNO-Arzt (Dr. V.) geschickt worden mit Feststellung einer Hausstaubmilbenallergie nach erneuter Testung. Der Versuch einer Desensibilisierungsbehandlung mit Hausstaubmilbe über ein Dreivierteljahr habe immer zu starken Reaktionen der Haut mit Anschwellen des Arms auch bei niedriger Dosis geführt. Schließlich sei die Behandlung nach einem Asthmaanfall in der Praxis bei einer Injektion abgebrochen worden. Eine ungefähr in der gleichen Zeit durchgeführte Operation des Nasenseptums habe nur zu einer vorübergehenden Besserung über ca. zwei Jahre geführt. Das Asthma sei schon ein bisschen vor dem Asthmaanfall losgegangen. Ungefähr Mitte der Neunziger Jahre sei ein Kollege auf ihre Atemprobleme aufmerksam geworden. Sie sei deshalb aus eigenem Antrieb heraus beim Lungenfacharzt (Dres. H./M.) vorstellig geworden. Mit den dort verordneten Asthmasprays und dem Antiallergikum Ceterizin wegen der nasalen Beschwerden sei es ihr dann einigermaßen erträglich gewesen. Während der letzten Jahre vor dem Abbruch ihrer Tätigkeit als Goldschmiedin sei das Asthma immer schlimmer geworden. Sie habe insgesamt dreimal von ihrem Freund ins Krankenhaus gefahren werden müssen, und zwar meistens "nach dem Dienst", praktisch von der Arbeit weg. Asthmaanfälle habe sie praktisch nur beim Polieren bekommen. Es sei ihr aufgefallen, dass es ihr außerhalb der Arbeit und auch während der Arbeit, wenn sie nicht poliert habe, gut gegangen sei. Das Tauchbad mit Renovirin zum Reinigen habe ihr keine Probleme gemacht. Nach Beendigung ihrer Tätigkeit als Goldschmiedin und Geschäftsaufgabe habe sie nie mehr so schwere Asthmaanfälle gehabt, trotzdem aber weiter Beschwerden.

Dr. U. führte eine arbeitsplatzbezogene inhalative Provokationstestung innerhalb einer geschlossenen Glaskabine durch. Eingangs ließ er die Klägerin zehn Minuten lang Laktosestaub in einer offenen Schüssel zur Überprüfung einer unspezifischen Staub-Überempfindlichkeit aufwerfen. Dann bearbeitete die Klägerin Schmuck an einer mitgebrachten Schwabbel unter Verwendung der in Frage stehenden Polierpaste und mit entsprechender Staubentwicklung für die Dauer von 30 Minuten. Schließlich wurde 50 Minuten lang (mit fünfminütiger Unterbrechung) eine Filtermatte aus dem Poliermotor mit entsprechender Feinstaubbelastung in der Atemluft aufgeschüttelt. Während der Laktoseexposition sei starker Husten aufgetreten, starke Nasensekretion, starker Juckreiz im Augenbereich und mittelmäßiges Augentränen sowie leichter Juckreiz der Haut innerhalb von wenigen Minuten. Während der Schmuckbearbeitung am Schwabbel mit Polierpaste sei es schon in der ersten Minute zum reflektorischen Luftanhalten gekommen, im Verlauf dann subjektives "Zugehen", laryngealer inspiratorischer Stridor (Beobachtung des Gutachters) ohne über den Lungen hörbare Spastik sowie starker subjektiver Juckreiz im Gesicht. Während der Filtermattenstaub-Exposition aus dem Poliermotor sei es zunächst zu einer nur moderaten Augenreizung und leichtem Reizhusten gekommen, nach zehn Minuten dann zu einem starken Druckgefühl und Juckreiz in den Augen und zunehmendem Reizhusten sowie Fließschnupfen. Nach 13 Minuten beginnende Atemnot, permanentes Reiben der Augen, nach 17 Minuten starker Schnupfen, Schnäuzen, subjektiv vollständiges Zugehen der Nase und leichte Atemnot. Nach 40 Minuten hätten starkes Augentränen und starker Juckreiz im ganzen Gesicht bestanden, ein massives Druckgefühl im Bereich der Augen, die Nase sei nur subjektiv zu gewesen. Nach 50 Minuten leichte Atemnot bei durchweg anhaltenden sonstigen Beschwerden. 20 Minuten nach Provokationsende sei der Reizhusten verschwunden und die Atemnot beseitigt gewesen. Klinisch habe er zu keinem Zeitpunkt das Auftreten eines pulmonalen Obstruktionsgeräusches (Spastik, Giemen) festgestellt, auch nicht, wenn subjektiv Atemnot bestanden habe. Bei den Lungenfunktionswerten sei ein starker Abfall des sogenannten "FEV1"-Wertes mit einer ungenügenden Inspiration zu erklären. Die VC sei also mitarbeitsbedingt erniedrigt gewesen, somit auch alle anderen Volumina und Flussraten. Zu einem Abfall des FEV1-Wertes sei es sowohl nach Exposition gegenüber Laktose als auch während der arbeitsplatzbezogenen Provokation mit Polierpastenstaub und Filtermattenstaub gekommen. Grund sei die ungenügende Inspiration gewesen. Die totale Lungenkapazität (TLC) sei bei der Exposition gegenüber Laktose von 4,68 l auf 3,88 l abgefallen, während der arbeitsplatzbezogenen Exposition auf 3,38 l. Der Atemwiderstand sei zum Zeitpunkt des FEV1-Abfalls während der arbeitsplatzbezogenen Provokation mit Polierpastenstaub und Filtermattenstaub niedrig-normal gewesen, auch die Blutgase seien gegenüber dem Ausgangswert praktisch unverändert gewesen. Nur drei Stunden nach Provokationsende sei es einmalig zu einem geringfügigen Anstieg des Atemwiderstandes in einen Bereich gekommen, der auch an den beiden Vortagen außerhalb von Provokationsbedingungen schon vorgelegen habe. Auch der nasale Flow habe sich nur einmalig während der Filtermattenstaub-Exposition stärker reduziert um minus 75% gegenüber dem Ausgangswert gezeigt, jedoch schon eine halbe Stunde später und noch während der gleichen Exposition sei er wieder stark angestiegen und habe 20 Minuten nach Provokationsende im Bereich der Ausgangswerte gelegen. Es handle sich hier also nur um ein kurzfristig unspezifisch-reflektorisches Geschehen.

Dr. U. kam zu dem Ergebnis, dass die Provokationstestung zu unspezifisch-irritativen Reizerscheinungen an Schleimhäuten und Haut durch die Staubbelastungen, wie sie am früheren Arbeitsplatz vorgelegen hätten, geführt habe. Trotz ihres das subjektive Befinden stark beeinträchtigenden Charakters lasse sich eine allergietypische Reaktion im Bereich der oberen oder unteren Atemwege und insbesondere eine bronchial-obstruktive Sofort- oder Spätreaktion nicht einmal in Ansätzen erkennen. Die Verschlechterung der spirometrischen Werte sei bedingt durch eine von der Schleimhautreizung verursachte "reflektorische Einatemhemmung", aber nicht durch eine Obstruktion, wie sie beispielsweise im Rahmen der unspezifischen Metacholin-Provokation in hochgradiger Form objektiv (stark ansteigender Atemwiderstand) nachgewiesen worden sei. Die Provokationstestung sei somit absolut negativ im Sinne der Fragestellung einer allergischen bzw. obstruktiven Reaktion der Atemwege gewesen, trotz Auslösung der typischen Beschwerdesymptomatik im Sinne einer starken Schleimhautreizung. Die vorangehende Laktoseexposition habe gezeigt, dass auch ein vollkommen inerter, nicht-allergener und nicht aggressiver Staub, bei einer nur zehnminütigen Exposition zu einer ähnlichen Beschwerdesymptomatik führen könne. Dies sei typisch für eine "unspezifische" austauschbare Reizantwort.

In der Gesamtbeurteilung der allergologischen Untersuchungen hob Dr. U. hervor, dass er eine hochgradige Hausstaubmilbensensibilisierung sowohl im Pricktest als auch im Intracutantest festgestellt habe. Bei der nasalen Provokation habe diese ihre krankheitsauslösende Wirkung eindeutig gezeigt mit einer höchstgradig positiven Reaktion, welche am Folgetag die Folge gehabt habe, dass auch eine unspezifische Überempfindlichkeit der Nasenschleimhaut aufgetreten sei. Man könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon ausgehen, dass im Bereich des Bronchialsystems eine gleichermaßen schwere obstruktive Reaktion eingetreten wäre und dass die unspezifische Hyperreagibilität von der Milbenallergie analog zur Nase entscheidend getriggert worden sei. Die Hausstaubmilbenallergie sei bereits 1999 bei Dr. M. und im Jahr 2001 beim HNO-Arzt nachgewiesen worden. Auch im Serum seien damals schon sehr hohe Mengen von IgE-Antikörpern in RAST-Klasse 3 und 4 nachgewiesen worden. Demgegenüber lasse sich im Hauttest mit Stäuben und Polierpaste vom Arbeitsplatz keine Sensibilisierung nachweisen. Der Scratch-Test sei ein relativ sensibler Test. Es sei lediglich eine äußerst diskrete unspezifisch-irritative Rötung der Haut durch die Polierpaste festgestellt worden, welche nicht einer Sensibilisierung entspreche. In seiner zusammenfassenden Beurteilung wies Dr. U. darauf hin, dass bei der primären Manifestation der Erkrankung im Jahr 1999, welche vom Lungenfacharzt Dr. M. gut dokumentiert sei, bereits nicht nur eine mittelgradige obstruktive Ventilationsstörung, sondern auch eine hochgradige Hausstaubmilbenallergie vorgelegen habe, ohne dass die Vermutung bestanden habe, dass die Erkrankung einen Zusammenhang mit dem Beruf habe. Dies sei jedenfalls nicht dokumentiert. Die Hausstaubmilbenallergie müsse als der primäre Verursacher der Erkrankung angesehen werden, was sich bei der nasalen Provokationstestung in eindrücklicher Form bestätigt habe (totale Nasenblockade, starke klinische Reaktion, wie sie bei allen übrigen Provokationstests nicht aufgetreten sei). Nach aller Erfahrung könne man davon ausgehen, dass eine bronchiale Provokation mit dem Hausstaubmilbenextrakt zu einer schwerstgradigen obstruktiven Reaktion geführt hätte. Ein solcher Provokationstest verbiete sich allerdings bei einer derart klaren Befundlage und sei deshalb nicht durchgeführt worden. Die primär ursächliche Bedeutung der Hausstaubmilbenallergie lasse sich auch anhand der Aktenlage nicht anzweifeln. Er wies darüber hinaus darauf hin, dass in keinem der vorliegenden ärztlichen Berichte von Seiten des Lungenarztes oder eines HNO-Arztes eine eindeutige arbeitsplatzbezogene Problematik dokumentiert sei. Auch wenn dies nicht bedeuten müsse, dass keine Beschwerden am Arbeitsplatz vorgelegen hätten, bedeute dies zumindest, dass die Probleme außerhalb der beruflichen Tätigkeit genau so groß oder größer gewesen sein hätten müssen. Auch in der Arbeits- und Berufsanamnese des Reha-Zentrums U. vom Februar 2010 stehe noch nichts davon, dass die Geschäftsschließung aus gesundheitlichen Gründen notwendig gewesen sei, sondern es werde von umfangreichen Renovierungsarbeiten gesprochen. Auch sei dort im Zusammenhang mit den systemischen Cortisongaben die berufliche Tätigkeit nicht erwähnt. Die eigenanamnestisch geschilderte Symptomzunahme bei Polierarbeiten am Arbeitsplatz bedeute nicht, dass die berufliche Tätigkeit ursächlich für die zunehmende Krankheitssymptomatik sei. Es könne genauso gut sein, dass die im Beruf vorhandenen Reizstoffbelastungen auf Grundlage einer zunehmenden unspezifischen Überempfindlichkeit der Atemwege - hier als Sekundärfolge der Hausstaubmilbenallergie - stärkere Beschwerden im Sinne eines sogenannten Gelegenheitsreizes gemacht hätten, der im Prinzip auch austauschbar gegen andere Reizstoffbelastungen sei. Dafür spräche auch das Ergebnis des Provokationstestes gegenüber Laktosestaub. Eine atemwegsrelevante Sensibilisierung vom Soforttyp gegen die im Verdacht stehende Polierpaste habe bei der Scratchtestung nicht nachgewiesen werden können, sondern lediglich eine sehr schwache unspezifisch-irritative Rötung, während sich die Reagibilität des Hautorgans gegenüber Histamin als vollkommen normal und stark dargestellt habe. Dies mache eine allergisch verursachte berufsbedingte Asthmaerkrankung schon einmal äußerst unwahrscheinlich. Bei der arbeitsplatzbezogenen Provokationstestung seien bei der Exposition gegenüber Polierstaub äußerst starke subjektive Reizerscheinung im Bereich von Augen und oberen und unteren Atemwegen einschließlich Luftnot ausgelöst worden, ohne dass auch nur eine angedeutete Obstruktionsauslösung des Bronchialsystems oder eine signifikante nasale Obstruktion verursacht worden sei. Es sei lediglich zu einer reflektorischen Einatemhemmung gekommen, ohne dass eine Verschlechterung des Gasaustausches oder eine Atemwegsobstruktion nachweisbar gewesen seien. Das stehe im starken Kontrast zu der hochgradigen obstruktiven Reaktion bei der Metacholin-Provokation mit Auslösung einer massiven Atemwiderstandserhöhung als Ausdruck einer schweren unspezifischen Hyperreagibilität des Bronchialsystems. Das primäre Problem sei somit unzweifelhaft die starke Hausstaubmilbenallergie der oberen und unteren Atemwege mit einer hierdurch bedingten schweren unspezifischen Überempfindlichkeit der Atemwege. Nachdem sich diese Erkrankung in den letzten Jahren ihrer Berufstätigkeit als Goldschmiedin weiter verschlechtert habe mit einmal notwendiger stationärer Akutbehandlung im Rahmen einer schweren Infektexazerbation und mit immer wieder notwendigen systemischen Cortisonbehandlungen, sei die Reizbarkeit der Atemwegsschleimhäute und auch der Augen offenbar so groß geworden, dass die Klägerin die unspezifischen Reizungen durch die Stäube und Dämpfe bei der Goldschmiede-Tätigkeit offensichtlich nicht mehr habe ertragen können und die Tätigkeit aufgegeben habe. In einem derartigen Fall hätten die Berufsstoffe im versicherungsrechtlichen Sinn nur die Rolle sogenannter Gelegenheitsursachen von Beschwerden, aber keine für die Erkrankung an sich wesentliche ursächliche Bedeutung. Es lasse sich auch im zeitlichen Verlauf seit der Erstdiagnose der Erkrankung im Juli 1999 überhaupt keine prinzipielle Verschlechterung der lungenfunktionellen Situation feststellen, auch wenn die Symptomatik der unspezifischen Hyperreagibilität in den letzten Jahren der Goldschmiedetätigkeit wohl zugenommen habe, was aber am ehesten mit den Infekten und der Hausstaubmilbenallergie zusammenhänge. Die Erkrankung präsentiere sich jetzt, nach inzwischen aufgegebener beruflicher Tätigkeit als Goldschmiedin, immer noch in ähnlicher Form. Dr. U. kam bei der abschließenden Beantwortung der Beweisfragen zu dem Ergebnis, es handle sich bei der Klägerin um eine durch allergisierende Stoffe aus dem nicht beruflichen Bereich (Hausstaubmilben) verursachte objektive Atemwegserkrankung. Er diagnostizierte ein primär allergisches Asthma bronchiale i.V.m. einer allergischen Rhinopathie und Augenbindehautentzündung (Rhinoconjunktivitis) auf der Grundlage einer schon 1999 nachgewiesenen sehr starken Hausstaubmilbenallergie. Als deren Sekundärfolge habe sich eine starke unspezifische Überempfindlichkeit der oberen und unteren Atemwege entwickelt, die zu einer erhöhten Reizbarkeit der Atemwege gegenüber anderen (unspezifischen) Reizstoffen geführt habe. Eine Berufskrankheit liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 27.09.2011 lehnte hierauf die Beklagte die Anerkennung der Atemwegserkrankung der Klägerin als Berufskrankheiten Nr. 4301 und 4302 der Anlage zur BKV ab. Sie leide an einem Asthma bronchiale mit Rhinoconjunktivitis, welches auf einer Allergie gegenüber Hausstaubmilben zurückzuführen sei. Als Folge dieser Allergie und mehrfacher Infekte habe sich eine Überempfindlichkeit der oberen und unteren Atemwege entwickelt, die zu einer erhöhten Reizbarkeit der Atemwege gegenüber unspezifischen Reizstoffen geführt habe. Die beruflich relevanten Stäube und Dämpfe stellten derartige Reizstoffe dar, seien jedoch beliebig austauschbar gegen andere Reizstoffe.

Zur Begründung ihres am 13.10.2011 erhobenen Widerspruchs führte die Klägerin aus, ihre Atemwegserkrankungen hätten sich im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit entwickelt. Ihr Zustand habe sich ständig verschlechtert und die Atembeschwerden hätten in der Häufigkeit zugenommen. Es sei festgestellt worden, dass die Polierpaste, ein notwendiges Hilfsmittel bei der Ausführung ihrer beruflichen Tätigkeit, zu Atemnot und später zu Asthmaanfällen geführt habe. Ihre berufliche Tätigkeit sei aufgrund der stetigen Zunahme der Atembeschwerden aufgegeben worden, um eine weitere Verschlimmerung zu vermeiden. Obwohl die Tätigkeit seit Oktober 2007 nicht mehr ausgeübt worden sei, habe das letzte Testergebnis vom 28.03.2011 ergeben, dass sie heute noch auf die Polierpaste reagiere. Auch stimme die Behauptung nicht, dass die Reizstoffe beliebig austauschbar seien. Diese würden vom Arbeitgeber vorgegeben und seien nicht vom Arbeitnehmer wählbar gewesen. Zur weiteren Begründung führte sie mit Schreiben vom 04.12.2011 aus, die Atembeschwerden seien immer in Verbindung mit der Polierpaste und damit bei den Poliervorgängen aufgetreten. Selbst Kunden hätten miterleben können, dass sie Atemnot während des Poliervorganges bekommen habe. Dies habe sich bei ärztlichen Untersuchungen später als Asthma herausgestellt.

Mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück. Der während der Begutachtung durchgeführte Provokationstest habe zu einer unspezifisch-irritativen Reizerscheinung an Schleimhäuten und Haut durch die Staubbelastung, wie sie an ihrem früheren Arbeitsplatz vorgelegen habe, geführt. Eine allergietypische Reaktion im Bereich der oberen und unteren Atemwege und insbesondere eine bronchial-obstruktive Sofort- oder Spätreaktion habe nicht vorgelegen.

Gegen den am 19.01.2012 mittels Einschreiben zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid hat die Klägerin am 21.02.2012 Klage zum Sozialgericht K. (SG) erhoben. Es sei zumindest hinreichend wahrscheinlich, dass ihre Atemwegserkrankung durch ihre berufliche Tätigkeit als Goldschmiedin verursacht oder wesentlich verschlimmert worden sei.

Die Beklagte ist der Klage unter Berufung auf ihre angefochtenen Bescheide entgegengetreten.

Am 22.11.2012 hat der Ärztliche Direktor der Abteilung Pneumologie des Universitätsklinikums F., Prof. Dr. M., ein Gutachten erstattet und auf seinem Fachgebiet ein gemischtförmiges Asthma bronchiale mit Nachweis einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität und mehrfachem Nachweis einer Sensibilisierung gegenüber Hausstaub- und Vorratsmilben diagnostiziert. Eine aktuell bestehende zentrale Obstruktion sei nach inhalativer Medikation teilreversibel. Das Asthma bronchiale sei mit Wahrscheinlichkeit durch Einwirkungen wesentlich mitverursacht worden, denen die Klägerin durch ihre Berufstätigkeit als Goldschmiedin ausgesetzt gewesen sei. Dies sei insbesondere begründet durch die detaillierte und glaubhafte Schilderung der Klägerin, dass die Symptomatik erstmalig beim Kontakt mit dem Staub beim Schleifen und Polieren aufgetreten sei und nach Beendigung der Exposition eine deutliche Verbesserung zu verzeichnen gewesen sei. Daher liege eine Berufskrankheit nach BKV 4302 vor, wenn auch das Asthma bronchiale abgesehen von den beruflichen Einflüssen sicherlich durch die bestehende Hausstaubmilbenallergie der Klägerin mitbedingt sei. Zum Vorgutachten des Dr. U. sei zu bemerken, dass, wenn im Rahmen des Provokationstests zunächst Laktose in einer Schüssel aufgeworfen worden sei, um die unspezifische Empfindlichkeit der Atemwege zu überprüfen, dieser Aufbau völlig unzureichend sei, da keinerlei Dosis-Wirkungs-Beziehung daraus abgeleitet werden könne. Dies treffe ebenfalls auf den Provokationstest mit dem Arbeitsstoff zu. Hier sei Schmuck mit einem Schwabbel, der in eine Bohrmaschine eingespannt gewesen sei, bearbeitet worden, was nur einen behelfsmäßigen Nachbau der früheren Arbeitssituation darstelle. Seiner Ansicht nach sei die glaubhafte Schilderung der Klägerin, an den Beschwerden nur am Arbeitsplatz gelitten zu haben, höher zu bewerten. Zwar habe die Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben sicherlich zum Beschwerdebild beigetragen, allerdings sei die Symptomatik der Klägerin nicht typisch für ein durch Hausstaubmilben ausgelöstes allergisches Asthma. Insbesondere gebe sie keine Verschlechterung der Symptomatik seit Beginn der Heizperiode an. Aufgrund der klinischen Präsentation stehe daher im Vordergrund die irritativ-toxische Komponente, die als Berufskrankheit anzuerkennen sei.

Der Beratungsarzt der Beklagten, Dr. T., hat hiergegen eingewandt, dass arbeitsplatzbezogene Expositionstests bei Stoffgemischen wie Polierstäuben unbekannter Zusammensetzung regelmäßig in der von Dr. U. angewandten Weise durchgeführt würden. Naturgemäß könne es dort keine Dosis-Wirkungs-Beziehung geben, da dies nur bei einer Einzelsubstanz, einem isolierten Stoff, möglich sei. Nicht zu kritisieren sei auch die von Dr. U. durchgeführte Bewertung des arbeitsplatzbezogenen Expositionstests, der klinisch und lungenfunktionsanalytisch negativ und ohne Nachweis einer sensibilisierenden Wirkung der Polierstaubmischung gewesen sei. Die Ermittlungsergebnisse der Beklagten, wonach es sich um eine unspezifische Atemwegskrankheit (arbeitstechnische Voraussetzungen nicht gegeben) handele, würden indirekt bestätigt durch die lungenfachärztlichen Angaben, wonach es beim Mulchen im Garten zu einer Atemwegsreaktion gekommen sei, ebenso durch die Angaben der Rehaklinik Utersum und des HNO-Arztes Dr. V., wonach es auch bei Infektazerbation und auch außerhalb des Arbeitsplatzes durch Staubexposition zur Beschwerdeauslösung gekommen sei. Zwar könnten die Angaben der Klägerin nicht widerlegt werden, sie würden jedoch durch die ärztlichen Angaben bei fehlenden ausschließlich oder überwiegend arbeitsplatzbezogenen Beschwerden nicht gestützt.

Hierzu hat Prof. Dr. M. entgegnet, dass er die Klägerin im Hinblick auf die Sensibilisierung auf Hausstaubmilbenallergene nach jahreszeitlichen und ortsabhängigen Wechseln der Symptomatik gefragt habe. Es hätten sich keine Hinweise auf eine ursächliche Funktion des Hausstaubmilbenallergens ergeben. Auch die Maßnahmen zur Hausstaubmilbenminimierung in der Wohnung der Klägerin seien fruchtlos gewesen. Die stumme Sensibilisierung weise auf eine Empfänglichkeit hin und könne nicht als Beweis gewertet werden. Stumme Sensibilisierungen würden häufig beobachtet und ohne korrelierende Symptomatik wiesen sie bestenfalls auf eine Gefährdung hin und könnten nicht für eine Diagnose herangezogen werden. Arbeitsplatzsimulierende Untersuchungen wie die von Dr. U. seien in der Arbeitsmedizin zwar hilfreich, allerdings sei dessen Untersuchung nicht beweiskräftig, da eine exakte Dosierung nicht möglich sei und andere Umstände, wie die Belüftung und die Expositionsdauer, nicht klar reproduziert werden könnten. Wäre eine klar aplizierbare Dosis bekannt, die beim Gesunden keine Reaktion verursache, dann wäre der Vergleich mit arbeitsplatzsimulierenden Expositionen von größerer Aussagekraft. Im vorliegenden Fall scheine eine Überdosierung möglich, die über den mechanischen Reiz die Reaktion ausgelöst habe. Eine Messung am Arbeitsplatz mittels Peak-Flow-Protokoll sei eine wünschenswerte Messung in dieser Situation, die in anderen Ländern regelmäßig durchgeführt werde. Der Mangel an belastbaren Studien, die zeigten, dass die von Dr. U. gewählte diagnostische Methode beweiskräftig sei, könne nicht zum Nachteil der Klägerin genutzt werden. Der von ihr geschilderte Krankheitsverlauf sei glaubhaft gewesen und die Tatsache, dass die von ihr genannten Notfälle in den Krankenkassenunterlagen nicht dokumentiert seien, berechtige zu Zweifeln, die jedoch von der Klägerin auszuräumen seien.

Die Beklagte ist den Ausführungen von Prof. Dr. M. entgegengetreten. Dieser gehe nicht nachvollziehbar von einer klinisch stummen Hausstaub-Sensibilisierung aus und lasse die von der Klägerin selbst gegenüber den behandelnden Ärzten beschriebenen nächtlichen Beschwerden außer Acht. Zu verweisen sei auf den Bericht des behandelnden Pneumologen Dr. M. vom 02.07.1999 mit positivem RAST-Test auf Hausstaubmilben und nächtlicher Luftnot mit Zyrtec als Medikament für die nächtlichen Beschwerden. Im Übrigen belege das von der Beklagten als Anlage zur Stellungnahme vom 22.04.2013 vorgelegte Gutachten des Hautarztes und Allergologen Dr. K. vom 10.03.2012 zwei Versuche von Hyposensibilisierungen in den Jahren ca. 2001 und wohl erneut 2010. Erstattet hat Dr. K. das Gutachten in einem parallel anhängigen Verfahren zur Feststellung einer Berufskrankheit Nr. 5101 der Anlage zur BKV. Mit der Analyse allergischer Möglichkeiten und Reaktionen setze sich Dr. U. intensiver als Prof. Dr. M. auseinander. Die Reizerscheinungen im Bereich der Atemwege und Augen hätten sich in der Gesamtschau nur als unspezifische Reizerscheinungen einschätzen lassen, eine obstruktionsauslösende Wirkung von Arbeitsstoffen habe sich nicht nachweisen lassen. Der Arbeitsplatzbezug der Beschwerden sei bei Weitem nicht so deutlich und typisch im Sinne der BK-Nrn. 4301 und 4302, wie die Kurzanamnese des Prof. Dr. M. den Anschein erwecke. Die Hausstaubsensibilisierung sei entgegen dessen Annahme mit klinischen Erscheinungen verbunden. Insgesamt sprächen deutlich mehr Gründe gegen als für eine berufliche Ursache.

Hiergegen hat Prof. Dr. M. mit Stellungnahme vom 07.05.2013 u.a. eingewandt, dass die Klägerin ausführlich befragt worden sei und eine typische Symptomatik für ein durch Hausstaubmilbenallergen ausgelöstes Asthma bronchiale nicht erfragt habe werden können. Richtig sei, dass im Gutachten die Anamnese in Kenntnis der Akte kurz zusammengefasst worden sei. Die Klägerin sei allerdings zu diesen relevanten Details ausführlich befragt worden und sein damaliger Mitarbeiter Dr. M. und er hätten den Eindruck einer kongruenten Darstellung gewonnen, sodass die richtungsweisende Verschlimmerung eines irritativ-toxischen Asthma bronchiale (BK 4302) durch die Exposition am Arbeitsplatz verursacht worden sei.

Der daraufhin als sachverständiger Zeuge schriftlich angehörte Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. M. hat am 19.08.2013 ausgesagt, die Klägerin von Juni 1999 bis zuletzt Juni 2013 behandelt zu haben. Am 25.06.1999 sei sie in der Praxis vorstellig geworden wegen nächtlicher Atemnot, Nasenlaufen und Augenjucken. Am 04.07.2000 sei sie wegen heftiger lokaler Reaktionen auf einen Insektenstich (lokale Rötung, Schwellung) vorstellig geworden. Am 07.09.2000 und 06.09.2001 habe sie jeweils Rezepte für das Medikament Aarane DA abgeholt und sei danach erst wieder am 02.03.2007 vorstellig geworden.

Ebenfalls als sachverständiger Zeuge befragt hat der Internist Dr. W. im Schreiben vom 29.08.2013 ausgesagt, er habe die Klägerin bezüglich der Lungenerkrankung nur zur Verordnung von entsprechenden antiasthmatischen Medikamenten gesehen. Sie sei in der Hauptsache in der Praxis von Dr. M. betreut worden. Bezüglich der Atemnotanfälle vom 25.06.1999 könne er keine Auskunft geben. Er habe die Klägerin am 22.04.1999 in der Sprechstunde gesehen, dann wieder am 07.09.2000, als er um 03:15 Uhr zu einem Hausbesuch angefordert worden sei. Dabei habe die Klägerin heftige Hustenattacken und Atemnot bei bekanntem allergischem Asthma gehabt. Die Lunge sei auskultatorisch mäßig spastisch gewesen. Heftige Hustenattacken hätten die Untersuchung immer wieder unterbrochen. Es habe ein Reizhusten bestanden. Er habe daraufhin die Klägerin in der Lungenarztpraxis Dr. M. vorgestellt und sie dann bis August 2002 nicht mehr gesehen.

Nach Durchführung eines Termins zur mündlichen Verhandlung am 09.10.2013 hat das SG ein weiteres Gutachten bei dem Pneumologen Prof. Dr. H. (Thoraxklinik H.) eingeholt. In seinem Gutachten vom 28.04.2014 hat er die Diagnose eines exogen allergischen Asthma bronchiale gestellt und ist zu dem Ergebnis gekommen, dass ein Arbeitsplatzbezug mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit im Sinne einer Berufskrankheit nach Nr. 4302 nicht herzustellen sei. Das Asthma bronchiale sei auf dem Boden einer Hausstaubmilbenallergie zu erklären. Im Gutachten des Universitätsklinikums F. seien bei mit der Begutachtung durch Dr. U. vergleichbaren Befunden andere Schlüsse aus den Ergebnissen gezogen worden. Insbesondere werde die Anamnese anders gewertet als bei der Begutachtung durch Dr. U ... Die Annahme einer BK 4302 beruhe auf den anamnestischen Daten. Diesbezüglich zeige sich tatsächlich eine Diskrepanz der Angaben der Klägerin zu den Angaben in den vorhandenen Arztbriefen. Die Klägerin habe vor allem auf die Arbeitsplatzbezogenheit der Beschwerden abgehoben, in den Arztbriefen der betreuenden Pneumologen sei jedoch eher von nächtlichen Atemwegsbeschwerden die Rede gewesen. Es werde auch immer wieder von einer Verschlechterung der Beschwerden im Rahmen von Infekten berichtet, so insbesondere auch 2007, als eine Pneumonie vorgelegen habe. Unzweifelhaft sei das Bestehen eines Asthma bronchiale, welches durch eine vorhandene Hausstaubmilbenallergie unterhalten werde. Eine Verschlechterung der Atemwegssituation durch ungünstige berufliche Einflüsse (Staub, atemwegsreizende Stoffe) sei in jedem Fall anzunehmen. Das Vorliegen einer Berufskrankheit wurde verneint, eine MdE bestehe nicht, dem Gutachten von Dr. U. sei zuzustimmen.

Mit Urteil vom 10.12.2014 hat das SG die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, nach den Feststellungen des TAD (gemeint wohl: Präventionsdienstes) lägen die arbeitstechnischen Voraussetzungen in Bezug auf eine BK 4302 nicht vor. Im Übrigen ergebe sich aus dem Gutachten des Prof. Dr. H., dass ein exogen allergisches Asthma bronchiale vorliege, Grundlage dieser Erkrankung jedoch eine Hausstaubmilbenallergie sei. Ein Zusammenhang mit der beruflichen Exposition habe sich nicht mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit herstellen lassen. Von der Klägerin sei zwar in der mündlichen Verhandlung die Auffassung vertreten worden, dass eine Hausstaubmilbenallergie erst nach der beruflichen Exposition eingetreten sei. Ein solcher Zusammenhang sei jedoch dem Gutachten nicht zu entnehmen. Soweit die Klägerin darauf verwiesen habe, dass eine Pricktestung im Jahr 1993 keine Allergie gegen Hausstaubmilben erbracht habe, teile das Gericht die Wertung nicht, denn aus dem Gutachten des Dr. U. sei zu entnehmen, dass ein Allergietest (Prüfpflastertest) veranlasst worden sei, der aber wegen einer starken Reaktion auf das Pflaster nicht ablesbar gewesen sei. Eindeutig sei, dass bei der Klägerin spätestens ab 1999, und später bestätigt durch weitere Tests, auch durch Prof. Dr. M., bei der Klägerin eine Hausstaubmilbenallergie vorliege. Gegen einen Berufsbezug der Beschwerden spreche, dass die Krankheitsschübe der Klägerin zu Zeiten und Anlässen festzustellen seien, wo ein direkter Arbeitsplatzbezug nicht erkennbar sei. Zu nennen seien nächtliche Atemwegsbeschwerden und dass Dr. M. in seinem Schreiben vom 14.10.2010 als Auslöser einer allergischer Reaktion einen Kontakt mit Mulchen angebe. Der gegenteiligen Auffassung von Prof. M. schließe sich das Gericht nicht an, nachdem die dortige Auffassung auf den anamnestischen Daten beruhe, in den Arztauskünften aber ein Arbeitsplatzbezug der Beschwerden fehle.

Gegen das ihrem Bevollmächtigten am 22.12.2014 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 22.01.2015 Berufung eingelegt und zur Begründung darauf verwiesen, dass der Präventionsdienst der Beklagten einen Ermittlungsbericht lediglich zur BK Nr. 4301 erstellt habe, nicht aber zur BK Nr. 4302. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen dieser Berufskrankheit lägen vor. Bereits aus dem vorliegenden Ermittlungsbericht ergebe sich, dass die Klägerin Atemprobleme hauptsächlich beim Umgang mit den Schleifmitteln und Polierpasten der verschiedenen Lieferanten gehabt habe und dass diese zum Feinschleifen, Vorpolieren, Feinpolieren und zum Finish verwendet worden seien. Als Dauer für die Arbeiten sei im Mittel ca. eine Stunde pro Tag angegeben worden. Da die Beschwerden der Klägerin erstmals 1993 aufgetreten seien, sei davon auszugehen, dass die verwendeten Schleifmittel und Polierpasten Inhaltsstoffe hätten, die chemisch-irritativ oder toxisch im Sinne der Nr. 4302 BKV wirkten. Im Jahr 1993 sei eine Pricktestung durchgeführt worden, die keine Allergie gegen Hausstaubmilben erbracht habe. Das SG habe zu Unrecht den in Fotokopie vorgelegten Allergiepass vom 09.09.1993 nicht berücksichtigt, in welchem detailliert die Stoffe aufgeführt seien, gegen die die Klägerin bei den durchgeführten Testungen allergisch reagiert habe. Eine Allergie gegen Hausstaubmilben sei im Allergiepass nicht aufgeführt, weshalb davon auszugehen sei, dass damals auch keine Hausstaubmilbenallergie vorgelegen habe. Die glaubhafte Schilderung der Klägerin, an den Beschwerden nur am Arbeitsplatz gelitten zu haben, sei höher zu bewerten als das Ergebnis der Provokationstests, wie Prof. Dr. M. ausgeführt habe, da der Aufbau der Provokationstests völlig unzureichend gewesen sei. Inhalationstests seien in der Regel zur Diagnosestellung der BK Nr. 4302 auch nicht geeignet. Im Übrigen habe Prof. Dr. M. überzeugend dargelegt, dass nur eine stumme Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben vorgelegen habe. Die Klägerin habe trotz bestehender Beschwerden während der Arbeit immer "auf die Zähne gebissen" und weitergearbeitet und nur in absoluten Notfällen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen. Die berufsbedingt verursachten Beschwerden hätten sich mitunter während der Nacht so massiv verstärkt, dass sie ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen habe müssen.

Die Klägerin hat in der mündlichen Verhandlung vom 28.11.2016 folgende Beweisanträge gestellt: Durch Einholung eines weiteren Sachverständigengutachtens soll Beweis erhoben werden bzgl. der Tatsachen

1. vor Aufnahme der Ausbildung zur Goldschmiedin bzw. vor Aufnahme ihrer Berufstätigkeit hatte die Klägerin keine Hausstaubmilbenallergie, sondern allenfalls eine stumme Sensibilisierung im Sinne einer Empfänglichkeit/Gefährdung,

2. bei den in den von der Klägerin verwendeten Polierpasten enthaltenen Stoffen handelt es sich nicht nur um physikalisch wirkende Stoffe sondern um chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe,

3. erst die berufliche Exposition mit diesen Stoffen hat als wesentliche Bedingung das Asthma bronchiale ausgelöst,

4. bei der Klägerin besteht keine durch eine Hausstaubmilbenallergie sondern eine durch chemisch irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankung im Sinne der Nr. 4302 BKVO, die die Klägerin zur Aufgabe ihrer Tätigkeit als Goldschmiedin, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich war, gezwungen hat.

5. Antrag auf Vernehmung des Zeugen Thorsten Purrucker zu folgenden Beweisthema: Dass die Klägerin nur in Notfällen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen hat und trotz Asthmabeschwerden regelmäßig als Goldschmiedin gearbeitet hat.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts K. vom 10.12.2014 und den Bescheid der Beklagten vom 27.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2012 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bei der Klägerin eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Aus der nach Nachermittlungen vorgelegten Stellungnahme der Diplom-Chemikerin Dr. I. vom 07.12.2015 (Bl. 36 f. Senatsakte) ergebe sich, dass die Klägerin keiner gefährdenden Einwirkung ausgesetzt gewesen sei, die nach Art und vor allem dem Ausmaß geeignet gewesen sei, eine Berufskrankheit nach Nr. 4302 zu verursachen. Zwar habe die Klägerin in der Zeit bis April 1999 eine Stunde täglich Lötarbeiten verrichtet und beim Löten handle es sich, wenn es in einem ausreichenden Umfang ausgeübt werde, grundsätzlich um eine gefährdende Einwirkung nach Nr. 4302. Insgesamt spreche jedoch nach den übereinstimmenden Gutachten von Dr. U. und Prof. Dr. H. mehr gegen als für einen Zusammenhang im Sinne einer Berufskrankheit.

Laut Stellungnahme von Diplom-Chemikerin Dr. I. vom 07.12.2015 habe die Klägerin in ihrer Berufstätigkeit für die Firma T. ca. drei Stunden täglich Lötarbeiten verrichtet, der Zeitanteil für das eigentliche Löten habe aber bei ca. einer Stunde täglich gelegen. Die Haupttätigkeit habe im Schleifen und Polieren von Schmuckstücken bestanden, worauf im Tagesdurchschnitt zwei Stunden entfallen seien. Eine persönliche Schutzausrüstung sei nicht getragen worden. Demgegenüber seien während der selbstständigen Tätigkeit ab April 1999 bis Oktober 2007 auf Lötarbeiten nur noch eine Stunde (anstatt zuvor drei Stunden täglich) entfallen, auf Polier- und Schleifarbeiten ebenfalls eine Stunde. Außerdem habe die Klägerin jeweils eine Schutzmaske (Löten) bzw. eine Staubschutzmaske getragen. Während des Beschäftigungszeitraums von 1991 bis 1998 bei Juwelier T. habe durch die Tätigkeit des Lötens eine Gefährdung im Sinne der BK 4302 bestanden. Ob die tägliche einstündige Exposition allerdings ausreichend sei, um Erkrankungen im Sinne der angezeigten Berufskrankheit auszulösen, könne nur eine lungenfachärztliche Begutachtung klären. Während der Selbstständigkeit von April 1999 bis Oktober 2007 sei die Klägerin aufgrund der deutlich geringeren Exposition keiner Gefährdung im Sinne der BK 4302 ausgesetzt gewesen.

Die Klägerin hat nochmals eine Kopie ihres Allergiepasses vom September 1993 vorgelegt, ebenfalls die Kopie eines Berichtes des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. B. vom 09.05.1999, in welchem dieser ausgeführt hat, dass sich eine allergische Reaktion auf Duftstoff-Mix I, Thiuran-Mix und auf Polierpaste rot gezeigt habe, keine allergische Reaktion demgegenüber auf Gräser und Bäume (keine Pollenallergie), Tierhaare sowie auf Hausstaub und Milben erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 05.11.2015 hat der Senat der Klägerin Prozesskostenhilfe bewilligt.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten zur BK 4302 und BK 5101, die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die beigezogene SG-Akte S 6 U 1019/13 (BK 5101) Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den §§ 143, 144 und 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet.

Gegenstand des Verfahrens ist eine kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG). Mit ihrer Klage verfolgt die Klägerin das Ziel einer Aufhebung der Ablehnungsentscheidung der Beklagten vom 27.09.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19.01.2012 und zugleich deren Verpflichtung, eine BK nach Nr. 4302 der Anlage 1 zur BKV anzuerkennen. Dies ist zulässig, denn ein Versicherter, gegenüber dem ein T. der gesetzlichen Unfallversicherung durch Verwaltungsakt entschieden hat, dass ein Anspruch auf Feststellung einer bestimmten BK nicht gegeben ist, kann deren Vorliegen als Grundlage in Frage kommender Leistungsansprüche vorab im Wege einer Kombination von Anfechtungs- und Verpflichtungs- oder Feststellungsklage klären lassen (vgl. BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils RdNr. 11 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274; BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151).

Die Berufung ist nicht begründet. Das Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden. Das bei der Klägerin bestehende Asthma bronchiale ist keine BK Nr. 4302.

Rechtsgrundlage im vorliegenden Fall sind die Vorschriften des Siebten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VII), denn ein Asthma bronchiale wurde diagnostisch erstmals durch Dr. M. am 25.06.1999 gesichert. Die Tätigkeit als Goldschmiedin hat die Klägerin am 31.10.2007 aufgegeben. Ein potentieller Versicherungs- wie auch Leistungsfall liegt damit zeitlich nach dem Inkrafttreten des SGB VII am 1. Januar 1997 (Art 36 des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes, § 212 SGB VII), weshalb dessen Vorschriften Anwendung finden.

Versicherungsfälle im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). BKen sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates bezeichnet und die Versicherte bei einer der in den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII genannten Tätigkeiten erleiden (§ 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist die Bundesregierung ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre Arbeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie auch bestimmen kann, dass die Krankheiten nur dann Berufskrankheiten sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheiten ursächlich waren oder sein können. Von dieser Ermächtigung hat der Verordnungsgeber mit Erlass der Anlage 1 zur BKV, die eine Liste der BKen enthält, Gebrauch gemacht.

Für die Feststellung einer Listen-BK ist im Regelfall erforderlich, dass die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und die Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist nach der Rechtsprechung des BSG keine Voraussetzung einer Listen-BK (BSG, Urteil vom 15.09.2011 - B 2 U 22/10 R = NZS 2012, 151). Dabei gilt für die Überzeugungsbildung des Gerichts hinsichtlich der "versicherten Tätigkeit", der "Verrichtung", der "Einwirkungen" und der "Krankheit" der Beweisgrad des Vollbeweises, also der an Sicherheit grenzenden Wahrscheinlichkeit. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (BSG, Urteil vom 02.04.2009 - B 2 U 30/07 R = BSGE 103, 45 = SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4 BKV, jeweils Rn. 16 m.w.N. und - B 2 U 9/08 R = BSGE 103, 59 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 14 BKV, jeweils Rn. 9 m.w.N.; BSG, Urteil vom 05.07.2011 - B 2 U 17/10 R = BSGE 108, 274).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio-sine-qua-non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Diese Unterscheidung und Zurechnung erfolgt im Sozialrecht nach der Theorie der wesentlichen Bedingung. Nach dieser werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (grundlegend: Reichsversicherungsamt, AN 1912, S 930 f; übernommen vom BSG in BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f; st. Rspr., vgl. BSG vom 12. April 2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15, jeweils Rn. 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung (zusammenfassend BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, a.a.O., Rn. 15) folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte.

Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes und der zeitliche Ablauf des Geschehens – allerdings ist eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war – sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (vgl. BSGE 38, 127, 129 = SozR 2200 § 548 Nr. 4; BSG SozR 4-2200 § 589 Nr. 1, zusammenfassend BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, a.a.O., Rn. 16)

Für die Feststellung der Ursachenzusammenhänge genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (stRspr BSGE 19, 52 = SozR Nr 62 zu § 542 aF RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, a.a.O., Rn. 20).

Die BKV umschreibt den Tatbestand der Nr. 4302 wie folgt: "Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können."

Für die Prüfung der Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK Nr. 4302 ist der neueste anerkannte Stand des Erfahrungswissens zugrunde zu legen (vgl. im Einzelnen dazu BSG Urteil vom 24.07.2012 – B 2 U 9/11 R –, UV-Recht Aktuell 2013, 274-290, juris, Rn. 61 ff.).

Hiernach ist das Vorliegen einer obstruktiven Atemwegserkrankung im vorstehenden Sinne im Falle der Klägerin erwiesen. Bei der Klägerin besteht, was die Gutachter Dr. U., dessen Gutachten der Senat im Urkundsbeweis verwertet hat, Prof. Dr. M. und Prof. Dr. H. übereinstimmend diagnostiziert haben, ein Asthma bronchiale, welches zu den von der BK-Nr. 4302 umfassten Krankheitsbildern gehört (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Stand Mai 2016, M 4302, Anmerkung 2, S. 5; Reichenhaller Empfehlung der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung vom November 2012; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 8. Aufl. 2010, Seite 1059). Auch eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität, welche ein wesentliches Merkmal einer obstruktiven Atemwegserkrankung sowohl allergischer als auch nicht allergischer Genese darstellt und als wesentlicher Eigenschaftsbestandteil in die Begriffsdefinition der obstruktiven Atemwegserkrankung aufgenommen wurde (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, a.a.O., Seite 1061), wurde sowohl von Dr. U. (Seite 26 seines Gutachtens) als auch von Prof. Dr. M. (Seite 11 seines Gutachtens) nachgewiesen. Die Diagnose "Asthma bronchiale" wurde erstmals am 25.06.1999 durch den Lungenarzt Dr. M. gesichert.

Die Klägerin ist während ihrer Berufstätigkeit als Goldschmiedin für die Firma Juwelier T. von Dezember 1990 bis Dezember 1998 nachweislich auch chemisch-irritativen und toxischen Einwirkungen im Sinne der BK 4302 ausgesetzt gewesen. Neben Schweiß-, Schneid- und Gießrauch gehört Lötrauch zu den Stoffen, die am ehesten eine BK 4302 verursachen können (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4302, Anmerkung 3). Aus der Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 07.12.2015 geht hervor, dass aufgrund der beim Löten eingesetzten Lote und Flussmittel eine Vielzahl von Schadstoffen entsteht, u.a. atemwegsreizend wirkende Aldehyde. Dieser Stellungnahme entnimmt der Senat ferner, dass die Klägerin in ihrer Berufstätigkeit für die Firma T., während der sie keinerlei persönliche Schutzausrüstung getragen hat, ca. drei Stunden täglich Lötarbeiten verrichtet hat und der Zeitanteil für das eigentliche Löten bei durchschnittlich etwa einer Stunde täglich gelegen hat. Zwar hat sie auch während der selbständigen Tätigkeit als Goldschmiedin von April 1999 bis Oktober 2007 Lötarbeiten verrichtet. Allerdings war sie dort in deutlich geringerem Umfang Schadstoffen ausgesetzt, so dass die Exposition nicht ausreichend war, um eine Gefährdung im Sinne der BK-Nr. 4302 zu begründen. Auch insoweit stützt der Senat seine Überzeugung auf die Ausführungen von Dipl.-Chem. Dr. I. vom 07.12.2015. Hiernach haben die Lötarbeiten während der Selbständigkeit durchschnittlich nur eine Stunde (statt bis 1998 drei Stunden) der täglichen Arbeitszeit der Klägerin in Anspruch genommen, außerdem hat die Klägerin, was unstreitig ist, beim Löten eine Atemschutzmaske getragen. Soweit die Klägerin in ihrer Stellungnahme vom 25.07.2016 behauptet hat, während ihrer Selbständigkeit im selben Umfang wie bei ihrer Tätigkeit für Juwelier T. Lötarbeiten verrichtet zu haben, sieht der Senat dies nicht als glaubhaft an, hat doch die Klägerin in ihren unbefangen gemachten Erstangaben vom 17.05.2010, denen ein besonders hoher Beweiswert zukommt, selbst angegeben, bei den Beschäftigungsverhältnissen vor Aufnahme ihrer selbständigen Tätigkeit mit der Annahme, Reinigung, Reparatur und Neuanfertigung von Körperschmuck befasst gewesen zu sein, während sie die während ihrer Selbständigkeit ausgeübten Tätigkeiten nur als "Reinigen von Schmuck" umschrieben hat. Der Senat ist deshalb davon überzeugt, dass die Klägerin als Selbständige nicht im selben Umfang wie zuvor Schmuckstücke selbst hergestellt hat und die von Dr. I. zugrunde gelegten Annahmen zutreffend sind.

Nach Würdigung der Ergebnisse der vom Präventionsdienst der Beklagten durchgeführten Ermittlungen vermag der Senat zwar keinerlei Anhaltspunkte für eine chemisch-irritative oder toxische Wirkung der von der Klägerin verwendeten Polierpasten ("Polierrot", "Poliergrün") zu erkennen. Vielmehr spricht alles für eine rein physikalisch-irritative Wirkweise. Zur Beurteilung des Gefahrstoffpotentials ist zurückzugreifen auf die Begründungen für den Wert der maximalen Arbeitsplatzkonzentration (MAK-Wert) und die Einstufung des Stoffes nach dem Chemikaliengesetz (z.B. R37, atemwegsreizend), ferner auf toxikologische Daten und ihre Einstufung durch die Europäische Union als atemwegsreizend (Mehrtens/Brandenburg, a.a.O., M 4302, Anm. 3, S. 7). Gestützt auf die Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten vom 10.09.2010 geht der Senat davon aus, dass die Klägerin zwar Schleifmittel und Polierpasten verschiedener Lieferanten ausprobiert, überwiegend jedoch Produkte der Firma Menzerna verwendet hat. Es hat sich dabei um die Produkte Spezialrot XXSX S, Spezialrot SF und Intenxive Polish (333 green) gehandelt. Die darin enthaltenen Inhaltsstoffe sind nach den Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten inert (träge, reaktionsschwach) und wirken nicht chemisch-irritativ sondern nur physikalisch (irritativ). Laut der aktenkundigen Sicherheitsdatenblätter ist für die genannten Produkte Atemschutz bei guter Belüftung nicht erforderlich, außerdem ist laut den Sicherheitsdatenblättern weder eine Reizwirkung an Haut oder Auge, noch eine sensibilisierende Wirkung dieser Produkte bekannt. Letztlich kann dies aber offen bleiben. Es kommt auch nicht entscheidend darauf an, ob die Klägerin, wie von Dr. I. zugrunde gelegt, während ihrer Tätigkeit für die Firma T. durchschnittlich zwei Stunden pro Werktag geschliffen und poliert hat und während ihrer selbständigen Tätigkeit nur noch eine Stunde täglich oder, wie von der Klägerin im Schriftsatz vom 25.07.2016 behauptet, auch während ihrer selbständigen Tätigkeit zwei Stunden pro Werktag.

Selbst bei (unterstellt) chemisch-irritativer oder toxischer Wirkweise von Inhaltsstoffen der verwendeten Polierpasten und täglich zweistündiger Schleif- und Poliertätigkeit ist es nach Abwägung aller Umstände des Einzelfalls nicht wahrscheinlich, dass eine stattgehabte Exposition gegenüber chemisch-irritativ und toxisch wirkenden Stoffen die wesentliche Ursache für die Entstehung oder eine richtungsweisende Verschlimmerung der bei der Klägerin bestehenden obstruktiven Atemwegserkrankung war. Von gesundheitlichen Beschwerden beim Löten hat die Klägerin zu keinem Zeitpunkt berichtet. Die Angabe der Klägerin, wonach es bei Polierarbeiten immer wieder zu Atemwegsbeschwerden gekommen ist, sieht der Senat zwar als glaubhaft an und legt sie seiner Entscheidung zugrunde. Diese Angabe hat die Klägerin von Anfang an gemacht und bis zuletzt unverändert vorgetragen. Allerdings ist der Senat gestützt auf die Gutachten von Dr. U. und Prof. Dr. H. davon überzeugt, dass die wesentliche Ursache für die Entstehung des Asthma bronchiale eine sehr starke Allergie gegen Hausstaubmilben ist, als deren Sekundärfolge sich eine unspezifische Überempfindlichkeit der oberen und unteren Atemwege entwickelt hat, die zu einer erhöhten Reizbarkeit der Atemwege geführt hat, weshalb der unspezifische (physikalische) Reiz durch bei Polierarbeiten freigesetzten Staub die von der Klägerin stets hervorgehobenen subjektiven Beschwerden im Sinne von Hustenreiz und subjektiver Atemnot verursacht hat. Sämtlichen im Rahmen der Goldschmiedetätigkeit freigesetzten Berufsstoffen – Stäuben und Dämpfen – kommt deshalb nur die Rolle beliebig austauschbarer Gelegenheitsursachen zu, wie dies Dr. U., der Kenntnis davon hatte, dass die Klägerin im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit nicht nur Polierarbeiten, sondern auch Lötarbeiten vorgenommen hat, in seinem Gutachten ausgeführt hat. Der Senat sieht dessen Gutachten als schlüssig an. Wesentliches Indiz für die Richtigkeit der Schlussfolgerungen von Dr. U. ist der Umstand, dass nicht nur im Pricktest und im Intrakutantest stark positive allergische Reaktionen auf Hausstaubmilben nachgewiesen, sondern auch im Rahmen der nasalen Provokationstestung eine starke klinische Reaktion (starkes Nasenlaufen, mehrmaliges Nießen, Juckreiz am Gaumen und Zugehen der Nase bis hin zur totalen Nasenblockade) provoziert werden konnte, welche zu einer starken Entzündung der Nasenschleimhaut führte. Diese wiederum hatte zur Folge, dass es selbst bei unspezifischer, im Prinzip harmloser, Reizung durch das Lösemittel für die Allergenextrakte zu einer Überempfindlichkeitsreaktionen kam, die vor der milden Provokation nicht vorhanden war. Auch in Hauttest kam es zu einer lang anhaltenden entzündlichen Infiltration der Haut als Spätreaktion nach fünf und 24 Stunden. Hieraus hat Dr. U. überzeugend abgeleitet, dass es mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit bei entsprechender Provokation des Bronchialsystems zu einer gleichermaßen schweren obstruktive Reaktion gekommen wäre und primär die Hausstaubmilbenallergie zu einer starken anhaltenden Entzündung mit dadurch verursachter unspezifischer Überempfindlichkeit führt. Ein weiteres Indiz für die von Dr. U. vertretene Auffassung stellt das Ergebnis des von ihm durchgeführten arbeitsplatzbezogenen Inhalationstests dar, in dessen Verlauf es bei der Exposition gegenüber Lactosestaub bereits nach zehnminütiger Exposition jeweils zu einer ähnlichen Beschwerdesymptomatik (Hustenreiz, starke Nasensekretion, Juckreiz der Augen, Juckreiz der Haut/im Gesicht) gekommen ist wie bei der Exposition gegenüber Polierstäuben, ohne dass aber dabei eine bronchial-obstruktive Reaktion eingetreten ist. Dr. U. hat dies schlüssig als unspezifisch-irritative Reizerscheinungen an Schleimhäuten und Augen durch die Staubbelastungen, wie sie auch an den früheren Arbeitsplätzen vorgelegen haben, mithin als unspezifische – austauschbare – Reizantwort angesehen. Dazu passte auch das Ergebnis des Scratch-Tests mit Polierrot (unspezifisch-irritative Rötung).

In der Nichtberücksichtigung der starken klinischen Reaktion auf eine Exposition gegenüber Hausstaubmilben liegt zugleich ein wesentliches Schlüssigkeitsdefizit des Gutachtens von Prof. Dr. M ... Dieser geht, wie er in seinem Gutachten nur angedeutet, in der Stellungnahme vom 27.03.2013 (Bl. 55 SG-Akte) aber dann ausdrücklich klargestellt hat, von einer nur stummen Sensibilisierung gegenüber Hausstaubmilben aus, ohne sich mit den dargestellten Ergebnissen der von Dr. U. durchgeführten klinischen Tests im Einzelnen auseinander zu setzen, und begründet dies maßgeblich damit, dass ihm gegenüber die Klägerin keine Verschlechterung der Symptomatik bei Beginn der Heizperiode angegeben hat. Die Anamnese enthält hierzu nur den Satz: "Eine saisonale Abhängigkeit der Beschwerden bestünde nicht." Dies erscheint angesichts der klaren Ergebnisse der klinischen Tests, die Dr. U. durchgeführt hat, wenig überzeugend. Das Gutachten von Prof. Dr. M. enthält keine exakte Anamnese, sondern eine nur kursorische Zusammenfassung von Aktenlage und Äußerungen der Klägerin als Basis für seine Schlussfolgerungen.

Für die von Dr. U. und Prof. Dr. H. vertretene Auffassung spricht auch, dass die Fachärzte, die die Klägerin während der Berufsausübung zur Behandlung von Atemwegsbeschwerden aufgesucht hat, der Lungenfacharzt Dr. M. und der HNO-Arzt Dr. V., übereinstimmend eine Hausstaubmilbenallergie diagnostiziert und behandelt haben und sich in ihren ärztlichen Äußerungen keine Anhaltspunkte für eine mögliche berufliche Ursache für die Beschwerden der Klägerin finden. Zu verweisen ist insoweit auf den Bericht des Dr. M. vom 02.07.1999 über die Behandlung vom 25.06.1999 (Bl. 52-4 bis 52-5 VA) und dessen sachverständige Zeugenaussage vom 19.08.2013, wonach die Klägerin ihn am 25.06.1999 wegen nächtlicher Atemnot, Nasenlaufen und Augenjucken aufgesucht hat. Auch aus der Auskunft des Dr. V. vom 08.10.2010 (Bl. 39-1 ff. VA) ergeben sich keine Hinweise für berufsbezogene Beschwerden. Auch der Hausarzt Dr. W. hat in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem SG vom 29.08.2013 nur von einem Hausbesuch aufgrund einer nächtlichen Hustenattacke bei bekanntem allergischem Asthma berichtet. Ein Arbeitsplatzbezug der bestehenden Beschwerden lässt sich auch aus seinem Bericht nicht ableiten. Auch im stationären Entlassungsbericht des Hegau-Bodensee-Klinikums vom 01.03.2007 (Bl. 123 SG-Akte) findet sich kein Hinweis auf eine Berufsbezogenheit asthmatischer Symptome, dasselbe gilt für den Bericht von Dr. M. über die Weiterbehandlung nach Entlassung aus dem Klinikum vom 07.03.2007 (Bl. 124/125 SG-Akte). Erstmals ca. 2 ½ Jahre nach Aufgabe der selbständigen Tätigkeit als Goldschmiedin wurden während der Arbeit aufgetretene Symptome (Dyspnoeattacke am Arbeitsplatz 2001, dann rezidivierende Dyspnoe wechselnder Intensität; Symptomzunahme bei Polierarbeiten am Arbeitsplatz) ärztlich dokumentiert, und zwar im Reha-Entlassungsbericht des Reha-Zentrums U. auf F. vom 16.03.2010, von wo aus im März 2010 die BK-Verdachtsanzeige gestellt worden ist. Aus dieser Indizienlage hat Dr. U. nachvollziehbar abgeleitet, dass eine arbeitsplatzbezogene Symptomatik während der ausgeübten Tätigkeit als Goldschmiedin nicht im Vordergrund der Beschwerden gestanden hat, auch wenn der Senat es als glaubhaft ansieht, dass die Klägerin bei Polierarbeiten immer wieder Atemwegsbeschwerden bekommen hat und als zuletzt selbständige Goldschmiedin dennoch weiter ihrer Tätigkeit nachgegangen ist. Dass die ärztlich belegten nächtlichen Beschwerden sehr gut zu einer Hausstaubmilbenallergie passen, spricht ebenfalls für ein aufgrund einer Hausstauballergie entstandenes Asthma bronchiale. Dasselbe gilt für den Umstand, dass ein Jahr nach Berufsaufgabe, also im Oktober 2008, eine im Vergleich zum Vorbefund von März 2007 im Wesentlichen unveränderte Krankheitsaktivität bestand, belegt durch die Berichte von Dr. M. vom 07.03.2007, 20.10.2008 und 17.11.2008 (vgl. Gutachten Dr. U., Seite 42 = Bl. 88-21 VA).

Für die von der Klägerin vertretene Hypothese, dass sich eine Sensibilisierung gegen Hausstaubmilben erst im Gefolge einer Sensibilisierung gegen Berufsstoffe entwickelt haben soll, ist kein Beweis erbracht. Daraus, dass auf einem Allergiepass vom 09.09.1993 (Bl. 172 SG-Akte) als allergene Stoffe lediglich Holzteere, Thiuram Mix, Duftstoff Mix und Cocamidopropylbetain geannt sind, nicht aber Hausstaubmilben, lässt sich nicht ableiten, dass zum damaligen Zeitpunkt noch keine Hausstaubmilbenallergie bestanden hat. Es lässt sich wegen der Vernichtung der Arztunterlagen von Dr. M. nach Ablauf der 10-Jahres-Frist (vgl. Auskunft von Dr. Keller (Praxisnachfolgerin von Dr. M.) vom 28.09.2013, erstattet im Verfahren S 6 U 1019/13 vor dem SG K., Bl. 23 SG-Akte) weder feststellen, ob die Klägerin damals überhaupt auf Hausstaubmilbe getestet worden ist, noch welche Testverfahren Anwendung gefunden haben und welche Ergebnisse im Einzelnen die Testungen erbracht haben. Hinzu kommt, dass die Klägerin gegenüber Dr. U. angegeben hat, ein Pflastertest sei 1993 veranlasst worden, aber wegen der starken Reaktion auf das Pflaster gar nicht ablesbar gewesen. Eine von Dr. B. stammende Auskunft vom 09.05.1999(S. 63 Senatsakte), wonach keine allergische Reaktion auf Hausstaub und Milben bestanden habe, sieht der Senat durch den Befundbericht des Dr. M. vom 02.07.1999 über die Behandlung vom 25.06.1999 (Bl. 52-4 bis 52-5 VA) und das dort dokumentierte Ergebnis einer 3-fach positiven Reaktion auf Dermatophagoides pter. und Dermatophagoides far. als widerlegt an, zumal auch insoweit nicht ersichtlich ist, welche Testverfahren bei Dr. B. Anwendung gefunden haben und welche Ergebnisse im Einzelnen die Testungen erbracht haben.

Auf die Frage eines Unterlassungszwangs kam es hiernach nicht mehr entscheidend an.

Der Senat hat sich infolge der in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisanträge nicht zu weiteren Ermittlungen veranlasst gesehen. Die Behauptung, dass vor Aufnahme der Ausbildung zur Goldschmiedin bzw. vor Aufnahme ihrer Berufstätigkeit bei der Klägerin keine Hausstaubmilbenallergie bestanden hat, sondern allenfalls eine stumme Sensibilisierung (Beweisantrag Ziff. 1), hat der Senat als wahr unterstellt. Vor Sommer 1993, als die Klägerin Dr. M. aufgesucht hat und es zur Ausstellung des Allergiepasses vom 09.09.1993 kam, bestehen keine Hinweise auf das Auftreten allergischer Symptome bei der Klägerin. Nur ergänzend ist deshalb darauf hinzuweisen, dass ein Sachverständigengutachten kaum geeignet wäre, die unter Beweis gestellte Tatsache zu klären.

Die Behauptung, dass es sich bei den (im Beweisantrag nicht näher spezifizierten) Polierpasten, die die Klägerin verwendet hat, nicht nur um physikalisch wirkende, sondern um chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe gehandelt hat, wurde in der Kausalitätsbeurteilung zugunsten der Klägerin ebenfalls als zutreffend unterstellt, auch wenn der Senat keine Anhaltspunkte für eine über solche Wirkweise finden konnte. Nur ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die Bezeichnung "die von der Klägerin verwendeten Polierpasten" als Beweistatsache auch zu unbestimmt ist.

In den Beweisanträgen Ziff. 3 und 4 benennt die Klägerin keine Beweistatsache (vgl. zum Erfordernis einer bestimmten Tatsachenbehauptung BSG, Beschluss vom 12.12.2003 – B 13 RJ 179/03 BSozR 4-1500 § 160a Nr. 3, juris, Rn. 6), sondern umschreibt in eigenen Worten das nach ihrer Auffassung zutreffende Ergebnis der hier zu treffenden Kausalitätsbeurteilung (Ziff. 3) bzw. wiederholt die Tatbestandsvoraussetzungen der Nr. 4302 BKV (Ziff. 4). Damit wird deutlich, dass es der Klägerin bei diesen Anträgen nur darauf ankommt, ein bestimmtes Ergebnis der Kausalitätsbeurteilung zu erlangen. Entscheidungserhebliche Tatsachen hat sie damit nicht unter Beweis gestellt (BSG 12.12.2003 – B 13 RJ 179/03 B – a.a.O. Rn. 8). Darüber hinaus liegen bereits zwei überzeugende Gutachten vor (Gutachten Dr. U. und Gutachten Prof. Dr. H.), die sich mit der Kausalitätsfrage auseinandersetzen. Hält aber der Senat ein Gutachten für überzeugend, kann er den Antrag auf Einholung weiterer Gutachten zum selben Beweiskomplex zurückweisen (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG-Kommentar, 11. Auflage 2014, § 128 Rn. 7). Nur wenn ein Gutachten schwere Mängel aufweist, in sich widersprüchlich ist, von unzulässigen Voraussetzungen ausgeht oder Zweifel an der Sachkunde oder Sachdienlichkeit des Sachverständigen erweckt, könnte die Verpflichtung bestehen, ein weiteres Gutachten einzuholen (vgl. § 118 Abs. 1 SGG i.V.m. § 412 Abs. 1 der Zivilprozessordnung – ZPO, BSG, Beschluss vom 23.05.2006 – B 13 RJ 272/05 B –, Rn. 7, juris). Das aber ist hier nicht der Fall.

Soweit die Klägerin unter Beweisantritt behauptet hat, nur in Notfällen ärztliche Hilfe in Anspruch genommen zu haben und trotz "Asthmabeschwerden" regelmäßig als Goldschmiedin gearbeitet zu haben (Beweisantrag Ziff. 5), bedurfte es der beantragten Einholung eines Zeugenbeweises nicht, weil der Senat diesen Vortrag seiner Kausalitätsbeurteilung ohnehin zugrunde gelegt hat.

Im Ergebnis kann bei der Klägerin keine BK Nr. 4302 zur Anerkennung kommen, weshalb das Urteil des SG nicht zu beanstanden ist und die Berufung als unbegründet zurückzuweisen war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht.
Rechtskraft
Aus
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