L 13 R 1742/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
13
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 5 R 4277/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 13 R 1742/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteils des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. April 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich noch gegen die teilweise Rücknahme eines die Gewährung von Regelaltersrente (RAR) bewilligenden Bescheids ab 1. Januar 2015.

Die 1969 geschlossene Ehe des 1945 geborenen Klägers mit der 1949 geborenen H. A., später H. H. (H.H.) wurde durch rechtskräftiges Urteil des Amtsgerichts K. - Familiengericht - (FamG), Az. xx F xx/xx, am 8. Januar 1981 geschieden. Zugleich wurden vom Versicherungskonto des Klägers bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA), jetzt Deutsche Rentenversicherung Bund (Beklagte) Rentenanwartschaften in Höhe von monatlich 100,45 DM bezogen auf den 31. Mai 1978 auf das Konto der H.H. bei der Landesversicherungsanstalt Baden, jetzt Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (DRV BW), übertragen.

Auf den Antrag auf Gewährung von RAR vom 16. April 2010, zu welchem der Kläger u.a. angab, ein Versorgungsausgleich sei durchgeführt worden und die geschiedene Ehefrau lebe noch, bewilligte die Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 14. Juni 2010 RAR ab dem 1. April 2010, wobei sie bei der Rentenberechnung ohne Berücksichtigung (Kürzung) des erfolgten Versorgungsausgleichs 25,6728 persönliche Entgeltpunkte (EPe) zu Grunde legte. Auf den in den Akten der Beklagten enthaltenen Ausdruck des Bescheides wird bezüglich dessen weiteren Inhalts verwiesen. Eine Neuberechnung der RAR erfolgte mit Bescheid vom 7. September 2010, allerdings nur im Hinblick auf eine Änderung des Krankenversicherungsverhältnisses ab 1. Juli 2010 und wiederum ohne Berücksichtigung des erfolgten Versorgungsausgleichs.

Nach Eingang einer Mitteilung der DRV BW vom 18. August 2014 über die Gewährung einer RAR an H.H. ab 1. November 2014 stellte die Beklagte fest, dass bei der Berechnung der RAR des Klägers der Versorgungsausgleich nicht berücksichtigt worden war.

Sie hörte dann den Kläger mit Schreiben vom 17. November 2014 an und teilte mit, fälschlicherweise sei die bewilligte RAR bisher ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs berechnet worden, weswegen sie neu festzustellen sei. Infolge der Übertragung von Rentenanwartschaften durch das Urteil des FamG vom 8. Januar 1981 habe sich die Summe der zu berücksichtigenden persönlichen EPe verringert. Die sich aus dem Versorgungsausgleich ergebende Minderung der Rentenanwartschaften sei ab Rentenbeginn 1. April 2010 zu berücksichtigen. Es sei beabsichtigt, den Rentenbescheid mit Wirkung ab 1. April 2010 (teilweise) zurückzunehmen, die richtig berechnete Rente in Höhe von 673,95 EUR ab 1. Januar 2015 laufend zu bezahlen und die Überzahlung für die Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2014 in Höhe von 6.296,28 EUR zurückzufordern. Die Voraussetzungen des § 45 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) für eine Rücknahme seien nach Lage der Akten erfüllt, weil an der Herstellung des rechtmäßigen Zustandes ein überwiegendes öffentliches Interesse bestehe. Für die beabsichtigte Entscheidung könne von Bedeutung sein, ob dies, insbesondere hinsichtlich der Rückforderung, zu einer unbilligen Härte führe, vor allem, ob u.a. auf Grund der bisherigen Rentenzahlungen Dispositionen getroffen worden seien, die nur unter erheblichen finanziellen Nachteilen rückgängig gemacht werden könnten. Der Kläger erhalte Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Sie verweise im Übrigen auf die beiliegenden Berechnungsanlagen. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das schriftliche Anhörungsschreiben vom 17. November 2014 verwiesen.

Nachdem sich der Kläger nicht geäußert hatte, nahm die Beklagte mit Bescheid vom 7. Januar 2015 den Rentenbescheid vom 14. Juni 2010 hinsichtlich der Rentenhöhe (teilweise) zurück, berechnete die Rente ab 1. April 2010 neu und verfügte eine Erstattung durch den Kläger in Höhe von 6.294,28 EUR. Ab 1. Januar 2015 werde die Rente in Höhe von 673,95 EUR gezahlt. Zur Begründung führte sie u.a. aus, durch das Urteil des FamG vom 8. Januar 1981 seien vom Versicherungskonto des Klägers Rentenanwartschaften auf das Versicherungskonto seiner früheren Ehefrau übertragen worden. Dies führe zu einem Abschlag bei der Summe seiner persönlichen EPe von 25,6721 um 3,7190 EPE auf 21,9538 EPe. Hierdurch verringere sich der Rentenanspruch ab 1. April 2010. Näheres ergebe sich aus der Anlage zum Bescheid. Die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X seien auch für eine rückwirkende Rücknahme des Bewilligungsbescheids erfüllt, denn der Kläger habe gewusst oder jedenfalls wissen müssen, dass die Rentenberechnung von Anfang an fehlerhaft gewesen sei. Angesichts der Hinweise im Bescheid vom 14. Juni 2010 habe er erkennen können, dass der Versorgungsausgleich irrtümlich nicht berücksichtigt worden sei. Bei Ausübung des gebotenen Ermessens bestehe auch kein Anlass, von der Rücknahme der Bewilligung abzusehen. Das Gebot einer sachgerechten Mittelverwendung habe höheres Gewicht als die persönlichen Interessen des Klägers. Die bis 31. Dezember 2014 überzahlte Rente in Höhe von insgesamt 6.296,28 EUR müsse der Kläger gemäß § 50 SGB X erstatten.

Mit seinem am 7. Februar 2015 erhobenen Widerspruch machte der Kläger im Wesentlichen geltend, ihm sei keine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Bei der Berechnung des Ausgleichsanspruchs im Scheidungsverfahren, in dem beide Parteien anwaltlich vertreten gewesen seien, habe er zu keinem Zeitpunkt mitgewirkt. Er sei davon ausgegangen, dass der Versorgungsausgleich nach Rechtskraft des Scheidungsurteils erfolgt sei. Wenn dies nicht geschehen sei, liege das nicht an ihm. Vielmehr hätte sich seine frühere Ehefrau rechtzeitig um die Durchführung des Versorgungsausgleichs kümmern müssen, weswegen deren "Forderung" aus dem Urteil vom 8. Januar 1981 "verjährt" sei. Die Beklagte hätte "der Forderung nicht mehr stattgeben dürfen".

Die Beklagte half dem Widerspruch mit Bescheid vom 4. Juni 2015 insofern teilweise ab, als sie auf die Erstattung überzahlter Rente für die Zeit vom 1. April 2010 bis 31. Dezember 2014 in Höhe von insgesamt 6.296,28 EUR verzichtete. Im Übrigen wies sie den Widerspruch bezüglich der teilweisen Rücknahme der Bewilligung ab 1. Januar 2015 mit Widerspruchsbescheid vom 23. November 2015 zurück. Die Voraussetzungen für eine Rücknahme des Bescheids und eine Rückforderung für die Vergangenheit lägen zwar nicht vor, weswegen auch einen Rückzahlung des Betrags von 6.296,28 EUR ausscheide. Es verbleibe jedoch bei einer Rücknahme für die Zeit ab 1. Januar 2015 und faktisch bei der Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, der rechtskräftig sei und nicht der Verjährung unterliege. Wegen der Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Deswegen hat der Kläger am 24. Dezember 2015 Klage beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und geltend gemacht, der Ausgleichsanspruch sei, soweit er sich gegen ihn richte, verjährt. Er habe die Rentenbewilligung als richtig und endgültig ansehen dürfen, zumal ihm hierdurch auch die Möglichkeit genommen sei, "auf die Rente rechtzeitig entsprechend einzuwirken".

Mit Urteil vom 4. April 2016 hat das SG die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe zu Recht die Bewilligung von RAR mit Wirkung zum 1. Januar 2015 teilweise zurückgenommen. Insofern werde auf die zutreffende Begründung des Bescheids vom 7. Januar 2015 in Gestalt des Bescheids vom 4. Juni 2015 sowie die Widerspruchsbescheids vom 23. November 2015 verwiesen und von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe weitgehend abgesehen. Entgegen der Auffassung des Klägers sei der Versorgungsausgleich nicht verjährt. Die Entscheidung des FamG mit Übertragung von Rentenanwartschaften habe gestaltende Wirkung. Mit Rechtskraft des Urteils seien die übertragenen Rentenanwartschaften auf den ausgleichsberechtigten Ehegatten übergegangen. Eines weiteren Vollzugs durch den Rentenversicherungsträger habe es nicht bedurft. Vor diesem Hintergrund bestehe auch kein Raum für eine etwaige Verjährung.

Gegen das am 7. April 2016 zugestellte Urteil hat der Kläger am 6. Mai 2016 Berufung eingelegt. Er macht geltend, die Beklagte sammle über Jahrzehnte die Daten der Versicherten ohne deren Zutun und bzw. deren Kontrollmöglichkeiten. Mitteilungen über den Rentenverlauf und die Höhe der Rente müssten regelmäßig von den Versicherten hingenommen werden. Für die Altersversorgung sei die laufende Information von eminenter Bedeutung. Ein Versicherter werde aus dieser Information seine Maßnahmen zur Alterssicherung vornehmen. Er müsse darauf vertrauen können, dass alle die Rentenhöhe beeinflussenden Daten berücksichtigt seien. Diese Fürsorgepflicht sei dem Rentenversicherungsträger aufzulegen. Wenn dieser eine Altersrente der Höhe nach feststelle und sie über fünf Jahre zahle, müsse sie weiterhin Bestand haben. Die Rentenversicherung müsse sich die von ihr zu vertretenden Fehler und Versäumnisse anrechnen lassen.

Der Kläger beantragt zum Teil sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 4. April 2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 7. Januar 2015 in der Gestalt des Bescheids vom 4. Juni 2015 und des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2015 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie macht geltend, ein Anspruch auf Auszahlung einer ungekürzten Rente ab 1. Januar 2015 bestehe nicht. Das rechtskräftige Urteil des FamG vom 8. Januar 1981 sei umzusetzen gewesen. Eine Rechtsgrundlage, nach der eine dauerhafte Aussetzung des Versorgungsausgleichs auch für die Zukunft erfolgen könne, sei nicht ersichtlich. Der Kläger habe am 13. April 1981 eine Mitteilung über den durchgeführten Versorgungsausgleich erhalten. Auf Grund dessen und des Urteils des FamG sei ihm bekannt gewesen, dass und in welcher Höhe sich der Versorgungsausgleich auf die Renten auswirken werde. Der Rentenbescheid vom 14. Juni 2010 habe dagegen keinerlei Ausführungen zum Versorgungsausgleich enthalten, insbesondere sei offensichtlich keine Kürzung hinsichtlich der ermittelten EPe vorgenommen worden. In den Anlagen 4 und 6 dieses Bescheids sei konkret dargestellt, wie sich die persönlichen EPe von 25,6728, welche wiederum der Rentenberechnung ungekürzt zugrunde gelegt worden seien, zusammensetzten. Damit sei für den Kläger ohne weiteres ersichtlich gewesen, dass die Entscheidung zum Versorgungsausgleich des FamG nicht umgesetzt worden sei. Den Adressaten eines Bewilligungsbescheids treffe die Obliegenheit, diesen zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Sie gehe davon aus, dass der Kläger den Rentenbewilligungsbescheid vollständig gelesen und verstanden habe. Auf Grund der Entscheidung des FamG habe der Kläger gewusst, dass Rentenanwartschaften übertragen worden seien. Er habe damit rechnen müssen, dass die künftige Rente nur in gekürzter Höhe zustehe, zumal den an einem Scheidungsverfahren beteiligten und anwaltlich vertretenen Ehegatten die Folgen des Versorgungsausgleichs stets hinreichend bekannt sein dürften. Bei Durchsicht des Rentenbewilligungsbescheides hätte dem Kläger ins Auge springen müssen, dass der Versorgungsausgleich nicht mit einem einzigen Wort erwähnt worden sei. Auch einem rentenversicherungsrechtlichen Laien hätte es sich aufdrängen müssen, dass - wenn der Malus aus dem Versorgungsausgleich von der Rente abgezogen worden sei - dies an irgendeiner Stelle dargestellt werde.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte über die Berufung des Klägers, der im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesend oder vertreten war, verhandeln und entscheiden, da er auf diese Möglichkeit in der Terminmitteilung hingewiesen worden ist.

Die gemäß §§ 143, 144, 151 SGG zulässige Berufung des Klägers hat keinen Erfolg, denn die Neuberechnung der Rente für die strittige Zeit ab 1. Januar 2015 durch die Beklagte unter Berücksichtigung des durchgeführten Versorgungsausgleichs ist nicht zu beanstanden.

Streitig ist vorliegend nur noch, ob die Beklagte die Rente ab 1. Januar 2015 zu Recht mit Bescheid vom 7. Januar 2015 in Gestalt des Bescheids vom 4. Juni 2015 sowie des Widerspruchsbescheids vom 23. November 2015 unter Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs, der durch das Urteil FamG K. vom 8. Januar 1981 durchgeführt worden ist, für die Zukunft neu berechnet hat.

Die Klage ist als reine Anfechtungsklage zulässig, denn wenn die Bescheide aufgehoben würden, verbliebe es bei der bisherigen Berechnung der Rentenhöhe. Die Klage und damit die Berufung sind insoweit hinsichtlich der streitigen Zeit aber nicht begründet.

Rechtsgrundlage für die teilweise Rücknahme des RAR bewilligenden Bescheids vom 14. Juni 2010 für die Zeit ab 1. Januar 2015 ist § 45 SGB X.

Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat, rechtswidrig ist, darf er gemäß § 45 Abs. 1 Satz 1 SGB X, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des Abs. 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist (§ 45 Abs. 2 Satz 1 SGB X).

Nach § 45 Abs. 2 Satz 2 SGB X ist das Vertrauen in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich gemäß § 45 Abs. 2 Satz 3 SGB X der Begünstigte nicht berufen, soweit 1. er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, 2. der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder 3. er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.

Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Abs. 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden (§ 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X), wobei dies nicht gilt, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen (§ 45 Abs. 3 Satz 2 SGB X). Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Abs. 2 zurückgenommen werden, wenn 1. die Voraussetzungen des Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder 2. der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde. Nur in den Fällen von Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen (§ 45 Abs. 4 Satz 1 SGB X). Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsache tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen (§ 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X). § 44 Abs. 3 gilt gemäß § 45 Abs. 5 SGB X entsprechend.

Gemessen daran war die Beklagte befugt, den Bescheid vom 14. Juni 2010 mit Wirkung vom 1. Januar 2015 zurückzunehmen und die Rente neu zu berechnen.

Der Bescheid vom 14. Juni 2010 war bei seinem Erlass insoweit rechtswidrig, als die Beklagte bei der Rentenberechnung den Versorgungsausgleich und die durch die Entscheidung des FamG vom 8. Januar 1981 erfolgte Übertragung von Rentenanwartschaften vom Versicherungskonto des Klägers auf das der H.H. nicht berücksichtigt hat und anstelle von 21,9538 EPen, die bei Abzug der auf den Versorgungsausgleich entfallenden 3,7190 EPe zu Grunde zu legen gewesen wären, fehlerhaft 25,6728 EPe berücksichtigt hat. Infolge dessen hat die Beklagte rechtsfehlerhaft dem Kläger ab 1. Juli 2010 eine monatliche Rente von 698,30 EUR (zuzüglich eines Zuschusses zur Krankenversicherung von 48,88 EUR [Bescheid vom 7. September 2010]), jeweils erhöht durch die gesetzlichen Rentenanpassungen, gewährt, wohingegen - bei Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs - ab 1. April 2010 eine monatliche Rente nur in Höhe von 597,14 EUR und ab 1. Januar 2015 nur in Höhe von 628,10 EUR zusteht. Die Berechnung zur Höhe der der durch den Versorgungsausgleich in Abzug zu bringenden EPe durch die Beklagte ist insoweit zutreffend erfolgt. Berechnungsfehler sind nicht ersichtlich und nicht feststellbar. Insoweit verweist der Senat auf die Darstellung im Bescheid vom 7. Januar 2015.

Bei dem rechtswidrigen Rentenbescheid vom 14. Juni 2010 handelt es sich auch um einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung.

Gegen die Neuberechnung der Rente kann auch nicht die Einrede der Verjährung bezüglich des Versorgungsausgleichs erhoben werden, da dieser durch die Übertragung der Rentenanwartschaften in der Entscheidung des FamG rechtskräftig durchgeführt worden ist und sich die Berechnung der Rente des Klägers im Übrigen aus den gesetzlichen Bestimmungen, wonach auf das Versicherungskonto der H.H. übertragene EPe bei ihm nicht mehr berücksichtigt werden können, ergibt.

Tatsächliche oder rechtliche Gründe, die es gebieten würden, dem Kläger weiterhin die Rente ohne Berücksichtigung des Versorgungsausgleichs zu gewähren, sind weder dargetan, noch ersichtlich. Insbesondere sind keinerlei Gesichtspunkte für einen Vertrauensschutz ersichtlich.

Die Frist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X von zwei Jahren für die Rücknahme des Rentenbescheids vom 14. Juni 2010 steht hier nicht entgegen, denn die Rücknahme ist in diesem Fall gemäß § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X bis zum Ablauf von zehn Jahren nach der Bekanntgabe des rechtswidrigen begünstigende Verwaltungsakts mit Dauerwirkung möglich, weil die Voraussetzungen des § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 SGB X gegeben sind. Es kann dahinstehen, ob der Kläger die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids erkannt hat, denn er erkannte sie zumindest infolge grober Fahrlässigkeit nicht.

Grob fahrlässig handelt, wer die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt (§ 45 Abs. 2 Nr. 3 SGB X). Der Betroffene muss schon einfachste, ganz naheliegende Überlegungen nicht angestellt und deshalb nicht beachtet haben, was im gegebenen Falle jedem einleuchten muss (vgl. u.a. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 19. Februar 1986, 7 RAr 55/84, in Juris). Es ist auf die persönliche Urteils- und Kritikfähigkeit, das Einsichtsvermögen und das Verhalten des Betroffenen sowie die besonderen Umstände des Falles abzustellen (BSG, Urteil vom 19. Februar 1986 a.a.O. und Urteil vom 16. März 2005, B 11a/11 AL 41/03 R, in Juris).

Gemessen daran war die Beklagte berechtigt, den Bescheid vom 14. Juni 2010 auch noch am 7. Januar 2015 zurückzunehmen. Der Kläger wusste auf Grund der Entscheidung des FamG und der Mitteilung der Beklagten vom 13. April 1981, dass der Versorgungsausgleich durchgeführt worden war und zu einer Minderung seiner Rente führen würde. Er war im Scheidungsverfahren, wie von ihm selbst angegeben, durch einen Rechtsanwalt vertreten und machte Angaben zu seinem Rentenversicherungsverhältnis für die Durchführung des Versorgungsausgleichs (vgl. dazu die Rentenakten der Beklagten). Dass er über die Folgen des Versorgungsausgleichs von seinem Rechtsanwalt nicht aufgeklärt worden wäre, ist nicht nachvollziehbar, räumt er doch ein, dass er auch davon ausging, dass der Versorgungsausgleich mit der Rechtskraft des Scheidungsurteils erfolgt war. Dies ergibt sich auch daraus, dass er bei dem Rentenantrag angegeben hat, dass der Versorgungsausgleich durchgeführt worden war und die Ausgleichsberechtigte noch lebte. Es musste ihm deshalb ohne weiteres einleuchten, dass seine Rente unter Zugrundelegung einer geringeren Zahl von EPen bzw. Kürzung seiner erworbenen EPe oder jedenfalls in irgendeiner Weise vermindert sein würde. Der Rentenbescheid enthielt jedoch weder Ausführungen zu den Auswirkungen eines Versorgungsausgleichs oder eine andere Regelung hierzu, noch enthielt er eine Kürzung der EPe als Folge des Versorgungsausgleichs, so dass unter Berücksichtigung seiner persönlichen Urteils- und Kritikfähigkeit sowie seines Einsichtsvermögens und besonderen Umstände des Falles für ihn hätte erkennbar sein müssen, dass der Versorgungsausgleich rechtsfehlerhaft unberücksichtigt geblieben war. Insofern oblag es ihm auch, den Rentenbescheid vom 14. Juni 2010 vollständig zu lesen und zur Kenntnis zu nehmen. Hätte er dies getan, hätte er erkennen müssen, dass der Versorgungsausgleich unberücksichtigt geblieben war. Dafür, dass er hierzu intellektuell nicht in der Lage gewesen ist, ergeben sich für den Senat keine Anhaltspunkte. Vielmehr zeigt sich auch im vorliegenden Verfahren, dass er in der Lage ist und war, juristisch - wenn auch im Ergebnis unzutreffend - zu argumentieren, in dem er sich auf Verjährung beruft und Vertrauensschutz geltend macht. Auch ist er gemäß den Unterlagen in den Verwaltungsakten über das Verfahren zum Versorgungsausgleich Absolvent eines betriebswirtschaftlichen Seminars für Kaufleute beim Berufsfortbildungswerk des DGB (7. Oktober 1974 bis 7. Februar 1975 mit 350 Unterrichtsstunden) und beruflich als Organisator tätig gewesen. Deshalb hat er die Rechtswidrigkeit des Rentenbescheids infolge grober Fahrlässigkeit nicht erkannt, so dass der Rentenbescheid noch innerhalb der laufenden Zehn-Jahres-Frist für die Zukunft zurückgenommen werden konnte.

Im Übrigen sind Gründe für die Annahme von Vertrauensschutz auch weder dargetan, noch ersichtlich. Soweit der Kläger geltend macht, er sei durch die unterbliebene frühere Information durch die Beklagte gehindert gewesen, für eine zusätzliche Altersversorgung zu sorgen, ist schon nicht ersichtlich, inwiefern er hieran zum Zeitpunkt des Erlasses des Rentenbescheids vom 14. Juni 2010, als er bereits 65 Jahre alt war, dem insofern maßgeblichen Zeitpunkt, gehindert gewesen sein soll. Dass er nach Erhalt und auf Grund des Rentenbescheids sowie im Vertrauen auf dessen Richtigkeit Dispositionen getroffen hat, die nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig zu machen wären, ist weder dargetan, noch ersichtlich. Im Übrigen war er seit 1981 informiert, dass der Versorgungsausgleich durchgeführt war und zu einer Minderung seiner Rentenanwartschaft führte.

Vor Erlass des Bescheids vom 7. Januar 2015 hat die Beklagte den Kläger zur beabsichtigten Entscheidung mit Schreiben vom 17. November 2014 ordnungsgemäß angehört und ihre Entscheidung dann in Ausübung des ihr eingeräumten Interesses unter Darlegung aller entscheidungserheblicher Ermessensgesichtspunkte getroffen. Insoweit wir auf den angefochtenen Bescheid und den Widerspruchsbescheid verwiesen.

Da das SG demnach zu Recht die Klage abgewiesen hat, weist der Senat die Berufung zurück.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Im Rahmen des dem Senat nach § 193 SGG eingeräumten Ermessens war für den Senat maßgeblich, dass der Kläger mit der Rechtsverfolgung ohne Erfolg geblieben ist und die Beklagte keinen Anlass zur Klageerhebung gegeben hat. Der Senat hält es auch im Falle einer Zurückweisung des Rechtsmittels für erforderlich, nicht nur über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zu entscheiden, sondern auch über die Kosten der vorausgehenden Instanz (so Lüdtke, Kommentar zum SGG, 4. Aufl., § 193 SGG Rdnr. 8; erkennender Senat, Urteil vom 19. November 2013, L 13 R 1662/12, veröffentlicht in Juris; a.A. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Kommentar zum SGG, 11. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 2a; Hintz/Lowe, Kommentar zum SGG, § 193 SGG Rdnr. 11; Jansen, Kommentar zum SGG, 4. Auflage, § 193 SGG Rdnr. 4).

Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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