L 10 U 2958/13

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 2906/10
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 2958/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.06.2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung eines von ihm geschilderten Belastungszustandes am 27.03.2008 als Arbeitsunfall.

Der 1946 geborene Kläger war zum damaligen Zeitpunkt als (nicht am Unternehmen beteiligter) Geschäftsführer bei der G. + S. GmbH & Co. Präzisionsfertigung KG (nachfolgend: G+S) - einem Zulieferer der Automobilindustrie - beschäftigt. Er war verantwortlich für Vertrieb und Planung, insbesondere die Betreuung von Bestands- und Akquise von Neukunden, das Angebotswesen, die Prozessplanung, die Erweiterung der Fertigungstiefe und Hebung des technologischen Levels. Das Unternehmen befand sich, so die Angaben des Klägers (vgl. Bl. 105 f. VA, auch zum Nachfolgenden), in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Zusätzlich belastend war das autoritäre und zunehmend aggressive Verhalten des Mitgeschäftsführers Roland Schiele (nachfolgend: S), der den Kläger - neben anderen - für die wirtschaftlichen Probleme verantwortlich machte.

Im Verlauf des 27.03.2008 informierte ein Mitarbeiter den Kläger, dass ein neues Werk von G+S in C. durch den Ausfall eines Projekts gefährdet sei. Gegen Abend saß er am Schreibtisch des Verwaltungsgebäudes von G+S in St. Ingbert, als ihm von einem Mitarbeiter in den U. telefonisch mitgeteilt wurde, es gebe Anzeichen dafür, dass der Automobilhersteller G. M. (GM) G+S einen Auftrag mit einem langfristigen jährlichen Umsatz von 8,75 Mio. Dollar entziehe. Der Kläger ging - so seine Angaben - davon aus, dass nun die Firma, über deren Vermögen dann tatsächlich im April 2009 das Insolvenzverfahren eröffnet wurde, nicht mehr zu retten sei. All dies stresste den Kläger und führte bei ihm zu panikartigen Angstzuständen (Bl. 19, 120 SG-Akte). Um ca. 23 Uhr spürte er plötzlich ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich. Er fuhr in seine Wohnung nach A. (Frankreich) und ging gegen 24 Uhr zu Bett. Als sich ein Kribbeln im Nacken eingestellte, das Arme und Rücken herunterzog, nahm er - wie schon die Tage zuvor - Acetylsalicylsäure (ASS) ein und entschloss sich, ins Krankenhaus zu fahren. Es war mittlerweile 1 Uhr nachts, das Kribbeln hatte beide Hände, Brust und Rücken erreicht, als er auf dem Weg zur Haustüre plötzlich zusammenbrach, unfähig Hände, Beine und Füße zu bewegen.

In der Neurochirurgischen Klinik S. wurde - nach Durchführung einer Magnetresonanztomographie - ein epidurales und intradurales Hämatom in Höhe HWK7 und BWK1 bei sensomotorischer Querschnittsymptomatik ab C7-Dermatom und eine hochgradige Paraparese der unteren Extremitäten diagnostiziert (vgl. Entlassungsbericht vom 09.04.2008, Bl. 2 VA). Verblieben ist eine inkomplette Tetraplegie ab C6 bei atrophischen Paresen, eine Paraspastik der Beine und eine neurogene Blasenfunktionsstörung (vgl. Austrittsbericht Uniklinik Balgrist, Bl. 181 SG-Akte).

Mit Bescheid vom 03.12.2009 (Bl. 85 VA) lehnte die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 27.03.2008 als Arbeitsunfall ab. Ein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung bestehe nicht. Den Widerspruch wies sie nach Einholung der beratungsärztlichen Stellungnahme des Facharztes für Arbeitsmedizin und Innere Medizin Dr. K. (ein körperliches Trauma liege nicht vor, eine Stressreaktion als Ursache sei allenfalls möglich, vgl. Bl. 125 ff. VA) mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.2010 (Bl. 120 VA) zurück.

Am 13.07.2010 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben und zur Begründung u.a. auf das für ihn erstellte Gutachten des Facharztes für Nervenheilkunde, Psychosomatische Medizin und Psychotherapie Dr. P. verwiesen (Bl. 135 SG-Akte), wonach das akute spinale epidurale Hämatom auf den Stress zurückzuführen sei.

Auf Anfrage des Sozialgericht hat der Hausarzt und Internist Dr. Z. mitgeteilt, dass von Behandlungsbeginn im Jahr 1999 bis zum Ereignis vom 27.03.2008 nur sporadische Vorstellungen erfolgt seien (Diagnosen: Fettleber, kleine Nierenzysten links, leicht vergrößerte Prostata, diskrete Hypercholesterinämie, Sodbrennen, vertebragene Schmerzen, vorübergehende Durchfälle).

Nach Hinweis des Sozialgerichts zum Streitgegenstand des Verfahrens und auf dessen Anregung haben die Beteiligten folgenden Verfahrensvergleich geschlossen (Bl. 223 SG-Akte): 1. Die Beteiligten sind sich einig, dass im anhängigen Klageverfahren ausschließlich darüber zu entscheiden ist, ob ein epidurales und intradurales Hämatom in Höhe HWK7 und BWK1 bei sensomotorischer Querschnittssymptomatik ab C7-Dermatom Folgen eines Arbeitsunfalls vom 27.03./28.03.2008 ist. 2. Die Beteiligten sind sich einig, dass nach rechtskräftiger Feststellung der Arbeitsunfallfolgen die Beklagte den Kläger über Leistungsansprüche (insbesondere Verletztengeldanspruch, Verletztenrentenanspruch) unter Verzicht auf die Einrede der Verjährung verbescheidet.

Das Sozialgericht hat ein Gutachten von Prof. Dr. M. , Ärztlicher Direktor der Klinik für Neurochirurgie am Universitätsklinikum T. , eingeholt, der es für wahrscheinlich gehalten hat, dass es auf Grund der extremen Stresssituation und der in den vorangegangenen Wochen aufgetretenen psychovegetativen Störungen entweder zu einem Sympathikus bedingten massiven Blutdruckanstieg oder infolge der berichteten abdominellen Beschwerden zu einem intraabdominellen Druckanstieg gekommen sei, der zunächst nur zu einer subklinischen Blutung aus den radikulomedullären Venen geführt habe. Durch die Einnahme von ASS sei es möglich, dass sich die Blutung weiter fortgesetzt und ausgedehnt habe. Die klinischen Ausfallerscheinungen seien direkt auf die Blutung zurückzuführen.

Das Sozialgericht hat mit Urteil vom 13.06.2013 den Bescheid vom 03.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 aufgehoben und die Beklagte antragsgemäß verurteilt, ein epidurales und intradurales Hämatom in Höhe HWK7 und BWK1 bei sensomotorischer Querschnittsymptomatik ab C7-Dermatom als Folge des Arbeitsunfalls vom 27.03.2008 anzuerkennen. Der Kläger habe in Ausübung seiner beruflichen Tätigkeit am 27.03.2008 einen Unfall erlitten. Äußere Einwirkungen stellten nicht nur unmittelbare physikalische, sondern auch mental vermittelte Kräfte dar. Die von dem Kläger dargestellten Abläufe (Stornierung eines für den Arbeitgeber bedeutsamen Auftrages sowie ein weiteres im "Feuer" stehendes Auftragsverhältnis) hätten für ihn einen außergewöhnlichen Stress dargestellt und am Unfalltag zu einem Kribbeln im Nacken als Erstmanifestation der später nachgewiesenen spinalen Blutung geführt. Der für die Anerkennung des Unfalls erforderliche Kausalzusammenhang sei zu bejahen.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 27.06.2013 zugestellte Urteil am 19.07.2013 Berufung eingelegt und unter Verweis auf die Stellungnahme ihres Beratungsarztes Dr. K. (Bl. 15 LSG-Akte) vorgetragen, aus dem Gutachten des Prof. Dr. M. gehe nicht hervor, was konkret zu dem epiduralen und intraduralen Hämatom geführt habe. Es sei auch nicht dazu Stellung genommen worden, dass der Kläger blutverdünnungsfördernde Arzneimittel schon vor dem Ereignis zu sich genommen habe.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 13.06.2013 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückzuweisen, die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 03.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010 zu verurteilen, das Ereignis vom 27.03.2008 als Arbeitsunfall anzuerkennen.

Er verweist auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. M. , auf die weitere von ihm vorgelegte Stellungnahme des Dr. P. (Bl. 25 ff. LSG-Akte) und das für ihn erstattete und von ihm vorgelegte neurologisch-psychiatrisch-schmerzwissenschaftliche Gutachten des Prof. Dr. H. (in der Literatur werde diskutiert, dass Blutdruckerhöhung und Stress Blutungen auslösen könnten, andere Ursachen seien ausgeschlossen, insbesondere sei die Einnahme von ASS für die Entstehung der Blutung ohne Belang, Bl. 104 ff. LSG-Akte).

Der Senat hat bei Prof. Dr. M. , Ärztlicher Direktor der Neurologischen Klinik des Universitätsklinikums H. , ein Gutachten nach Aktenlage eingeholt. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass die Ätiologie des spinalen epi- und intraduralen Hämatoms ungeklärt sei. Die spinale Blutung sei auch ohne Stressbelastung denkbar. Auf Antrag des Klägers hat der Senat gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Prof. Dr. M. (Bl. 138a LSG-Akte) eingeholt. In Zusammenschau der Befunde gebe es selbstverständlich idiopathische Fälle der epiduralen spinalen Blutung. Im Falle des Klägers habe aber eine spezielle Konstellation (druckbedingte Belastung in extremer Stresssituation in Zusammenhang mit einer Thrombozytenaggregationsstörung infolge der Einnahme von ASS) vorgelegen, die durchaus einen naturwissenschaftlichen Zusammenhang postulieren lasse. Ergänzend hat der Sachverständige Prof. Dr. M. (Bl. 150 LSG-Akte) zu den Gutachten des Prof. Dr. M. und des Prof. Dr. H. Stellung genommen, worauf eine Antwort des Prof. Dr. H. erfolgt ist (Bl. 200 LSG-Akte). Zuletzt hat der Kläger eine Stellungnahme des Chefarztes und Direktors des Zentrums für Paraplegie an der Universitätsklinik B. Prof. Dr. C. vorgelegt.

Die Beteiligten haben auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz und die vorgelegten Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144, 151 des SGG zulässige Berufung, über die der Senat auf Grund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist begründet. Das Sozialgericht hat zu Unrecht einen ursächlichen Zusammenhang zwischen der Stressbelastung am 27.03.2008 und dem epi- und subduralen Hämatom bejaht.

Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 03.12.2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.2010, allerdings nur insoweit, als die Beklagte die Anerkennung des Ereignisses vom 27.03.2008 als Arbeitsunfall ablehnte. Soweit die Beklagte mit diesen Bescheiden auch einen Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung verneinte, hat sich der Rechtsstreit durch Nr. 2 des in erster Instanz geschlossenen Verfahrensvergleichs erledigt (§ 101 Abs. 1 SGG). Prozessuales Begehren des Klägers ist somit allein die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles (in diesem Sinne bereits Nr. 2 des Klageantrages). Hieran ändert Nr. 1 des in erster Instanz geschlossenen Verfahrensvergleiches nichts. Denn schon seinem Wortlaut nach (" ... sind sich einig, dass ... ausschließlich darüber zu entscheiden ist, ob ein ... Hämatom ... Folge eines Arbeitsunfalls ... ist") regelt dieser Teil des Vergleichs nicht den prozessualen Gegenstand des Rechtsstreits, sondern den materiellen Prüfungsgegenstand. Dies ist auch rechtlich nachvollziehbar. Denn der Begriff des Arbeitsunfalles (hierzu sogleich) setzt den Eintritt eines Gesundheitserstschadens durch das angeschuldigte Ereignis voraus. Dem entsprechend gehen die Beteiligten übereinstimmend und zu Recht davon aus, dass im Vordergrund der materiellen Prüfung die Frage steht, ob das beim Kläger aufgetretene Hämatom im Bereich der HWS (i.S. eines Gesundheitserstschadens, nicht i.S. von Unfallfolgen) auf am 27.03.2008 aufgetretene und versicherte Einwirkungen zurückzuführen ist, ob also ein entsprechender ursächlicher Zusammenhang besteht. Hieran ändert die sprachlich ungenaue Formulierung im Vergleichstext - statt Gesundheitserstschaden Unfallfolge und statt Ereignis Arbeitsunfall - nichts. Andernfalls läge ein Zirkelschluss vor. Denn wenn ein Arbeitsunfall gesichert wäre, müsste über den ursächlichen Zusammenhang des allein als Gesundheitserstschaden in Betracht kommenden Hämatoms nicht entschieden werden. Soweit das Sozialgericht in dem dem Vergleichsvorschlag vorangegangenen Hinweis (Bl. 155 SG-Akte) von einer Unzulässigkeit des Klagantrages Nr. 2 ausgegangen ist, hat sich dies erkennbar auf das im Klageantrag Nr. 2 zusätzlich formulierte hilfsweise Begehren auf Feststellung einer Berufskrankheit bezogen. Denn nur insoweit ist die Klage - mangels Entscheidung der Beklagten über eine Berufskrankheit - unzulässig gewesen. Hinsichtlich des Vorliegens eines Arbeitsunfalls enthält der angefochtene Bescheid vom 03.12.2009 eine entsprechende ausdrückliche Entscheidung, so dass die Formulierung im gerichtlichen Hinweisschreiben "das Antragbegehren gemäß Ziffer 2" könne "nicht Streitgegenstand sein" insoweit offenkundig sprachlich unvollständig ist, als die Konkretisierung auf das "hilfsweise" Begehren versehentlich unterblieben ist. Schließlich würde eine Interpretation der Nr. 1 des Vergleichsvorschlages i.S. einer Änderung des prozessualen Begehrens auf Feststellung von Unfallfolgen zur Unzulässigkeit der Klage führen. Abgesehen davon, dass das Hämatom als Gesundheitserstschaden und nicht als Unfallfolge zu werten wäre, entschied die Beklagte ausweislich der Verfügungssätze in den angefochtenen Bescheiden weder über einen Gesundheitserstschaden noch über Unfallfolgen. Die entsprechenden Ausführungen sind allein Begründungselemente.

Soweit das Sozialgericht auf den von ihm angeregten Antrag des Klägers die Beklagte zur Anerkennung des Hämatoms verurteilt hat, ist dies - da das Gericht gemäß § 106 Abs. 1 SGG verpflichtet ist, auf sachdienliche Anträge hinzuwirken - verfahrensfehlerhaft. Denn dieser Antrag ist - wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt - nicht sachdienlich, weil er zu einer unzulässigen Klage führen würde. Im Rahmen des Berufungsverfahrens ist ein solcher Verfahrensfehler (ggf.) im Rahmen des vom Kläger beantragten Maßgabeurteils vom Senat zu heilen.

Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist auch im Übrigen zulässig. Nach der Rechtsprechung des BSG kann der Versicherte an Stelle gerichtlicher Feststellung (§ 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG, vgl. hierzu u.a. BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 46/03 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 3) auch die Verurteilung der Beklagten zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles als Element eines jeglichen Leistungsanspruchs im Wege der Verpflichtungsklage verlangen (Urteil vom 05.07.2011, B 2 U 17/10 R in SozR 4-2700 § 11 Nr. 1 mit weiteren Ausführungen zur Anspruchsgrundlage; speziell zur Anerkennung eines Arbeitsunfalles BSG, Urteil vom 15.05.2012, B 2 U 8/11 R in SozR 4-2700 § 2 Nr. 20).

Die Klage ist jedoch unbegründet. Die Entscheidung der Beklagten in angefochtenen Bescheid, "das" Ereignis vom 27.03.2008 (Kenntniserlangung von der Gefährdung des Werks in China und von Anzeichen für den Entzug eines großen Auftrags von GM und damit die Erkenntnis, die Firma werde in Insolvenz gehen) sei kein Arbeitsunfall, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für einen Arbeitsunfall ist danach in der Regel erforderlich (BSG, Urteil vom 30.01.2007, B 2 U 8/06 R in juris), dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von länger andauernden Unfallfolgen auf Grund des Gesundheitserstschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls.

Die anspruchsbegründenden Tatsachen, nämlich die versicherte Tätigkeit, die schädigende Einwirkung und die als Unfallfolge geltend gemachte Gesundheitsstörung müssen erwiesen sein, d.h. bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der genannten Tatsachen als erbracht angesehen werden können (vgl. u. a. BSG, Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 43/84 in SozR 2200 § 555a Nr. 1). Hingegen genügt hinsichtlich des ursächlichen Zusammenhangs zwischen der versicherten Tätigkeit und der schädigenden Einwirkung eine hinreichende Wahrscheinlichkeit (BSG, Urteil vom 09.05.2006, a.a.O. auch zum Nachfolgenden). Diese liegt vor, wenn bei vernünftiger Abwägung aller wesentlichen Gesichtspunkte des Einzelfalls mehr für als gegen einen Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden. Es genügt nicht, wenn der Ursachenzusammenhang nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Dabei ist zu beachten, dass der Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Denn es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde. Es reicht daher zur Begründung des ursächlichen Zusammenhangs nicht aus, gegen diesen Zusammenhang sprechende Umstände auszuschließen.

Der Kläger übte bei den hier in Rede stehenden Ereignissen am 27.03.2008 (Kenntniserlangung von der Gefährdung des Werks in C. und von Anzeichen für den Entzug eines großen Auftrags von GM) eine versicherte Tätigkeit gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII als angestellter Geschäftsführer von G+S aus. Bei den Ereignissen handelte es sich um Einwirkungen "von außen".

Durch das Merkmal der äußeren Einwirkung soll lediglich ausgedrückt werden, dass ein aus innerer Ursache, aus dem Menschen selbst kommendes Ereignis, nicht als Unfall anzusehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Der Gesundheitserstschaden kann (von außen) verursacht sein durch körperlich gegenständliche, aber auch durch geistig-seelische Einwirkungen in einem eng begrenzten Zeitraum (BSG, Urteil vom 02.02.1999, B 2 U 6/98 R; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 8/96; Urteil vom 18.03.1997, 2 RU 23/96; Urteil vom 04.12.1991, 2 RU 14/91; Beschluss vom 05.02.1980, 2 BU 31/79; jeweils in juris; Urteil vom 27.10.1987, 2 RU 35/87 in SozR 2200 § 589 Nr. 10; Sächsisches Landessozialgericht, Urteil vom 09.02.2006, L 2 U 69/03, in juris).

Zur Überzeugung des Senats war der Kläger durch die beiden geschilderten Ereignisse am 27.03.2008 einer akuten Stresssituation im Sinne einer geistig-seelischen Einwirkung ausgesetzt. So schilderte der Kläger konsistent und nachvollziehbar, dass er infolge dieser Informationen das "Aus" für die gesamte G+S Gruppe befürchtete (vgl. Bl. 99 Rs VA, Bl. 19, 120 SG-Akte). Auf Grund seiner Zuständigkeit als Geschäftsführer auch für die Prozessplanung hat der Senat auch keine Zweifel daran, dass der Kläger am 27.03.2008 befürchtete, von S für diese Umstände verantwortlich gemacht zu werden, was nicht zuletzt wegen des zunehmend aggressiven Verhaltens des S in der Vergangenheit zu einer panikartigen Angst bei dem Kläger führte. Die "Hiobsbotschaften" vom 27.03.2008 stellten eine geistig-seelische Einwirkung dar, insbesondere handelte es sich um ein zeitlich begrenztes Ereignis, weil sich die beiden Telefonanrufe am 27.03.2008 innerhalb einer Arbeitsschicht ereigneten (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1966, 2 RU 151/63 in SozR Nr. 3 zu § 1739 RVO).

Als Gesundheitserstschaden kommt (alleine) das beim Kläger aufgetretene epidurale und intradurale Hämatom in Höhe HWK7 und BWK1 in Betracht, das zu einer sensomotorischen Querschnittsymptomatik ab C7-Dermatom und einer hochgradigen Paraparese der unteren Extremitäten führte (Bl. 2 VA). Dem gegenüber stellt die Stressbelastung als solche - mangels erkennbarem Krankheitswert - keinen Gesundheitserstschaden dar.

Indessen verneint der Senat die Wahrscheinlichkeit eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Stressbelastung (Unfallereignis) und dem Hämatom (Gesundheitserstschaden), mithin die haftungsbegründende Kausalität.

Im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung gilt wie allgemein im Sozialrecht die Theorie der wesentlichen Bedingung (hierzu und zum Nachfolgenden BSG, Urteil vom 12.04.2005, B 2 U 27/04 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Diese setzt zunächst einen naturwissenschaftlichen Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und dem Gesundheitsschaden voraus. Es ist daher in einem ersten Schritt zu klären, ob der Gesundheitsschaden auch ohne das Unfallereignis eingetreten wäre. Ist dies der Fall, war das Unfallereignis für den Gesundheitsschaden schon aus diesem Grund nicht ursächlich. Andernfalls ist in einem zweiten, wertenden Schritt zu prüfen, ob das versicherte Unfallereignis für den Gesundheitsschaden wesentlich war. Denn als im Sinne des Sozialrechts ursächlich und rechtserheblich werden nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben. Dabei ist zunächst zu prüfen, ob neben der versicherten Ursache weitere Ursachen im naturwissenschaftlichen Sinn (erste Stufe) zum Gesundheitsschaden beitrugen. Gab es neben der versicherten Ursache noch andere, konkurrierende Ursachen (im naturwissenschaftlichen Sinn), z.B. Krankheitsanlagen, so war die versicherte Ursache wesentlich, sofern die unversicherte Ursache nicht von überragender Bedeutung war. Eine überwiegende oder auch nur gleichwertige Bedeutung der versicherten gegenüber der konkurrierenden Ursache ist damit für die Annahme des ursächlichen Zusammenhangs nicht Voraussetzung.

Vorliegend ist es bereits (erste Stufe der Kausalitätsprüfung) nicht hinreichend wahrscheinlich, sondern allenfalls möglich, dass es ohne die Stressbelastung durch die Ereignisse des 27.03.2008 bei dem Kläger nicht zu der epi- und intraduralen Blutung gekommen wäre. Der Senat schließt sich den Ausführungen von Prof. Dr. M. an.

Spinale Blutungen können im epi- und intraduralen Raum (d.h. im subduralen und subarachnoidalen) Raum lokalisiert sein, wobei es zu einer Blutung zwischen Dura mater (harter Hirn- bzw. Rückenmarkshaut) und Knochenhaut (Periost) des Wirbelkörpers kommt (vgl. Dr. K. , Bl. 126 VA). Durch die Größenzunahme der Einblutung kommt es zu zunehmendem Druck auf das umgebende Gewebe (Prof. Dr. H. , Bl. 124 LSG-Akte). In vielen Fällen (30 % bis über 40 %) lässt sich eine eindeutige Ursache dieser seltenen Erkrankung nicht feststellen (so im Wesentlichen übereinstimmend Dr. K. , Bl. 126 VA, Dr. P. , Bl. 139 SG-Akte, Prof. Dr. M. , Bl. 245 SG-Akte, Prof. Dr. M. , Bl. 44 LSG-Akte). Als Pathomechanismen werden in der wissenschaftlichen Literatur - bei Zusammenfassung der vorliegenden gutachterlichen Darstellungen (Dr. K. , Bl. 126 VA, Dr. P. , BL. 139 SG-Akte, Prof. Dr. M. , Bl. 245 SG-Akte, Prof. Dr. H. , Bl. 125 LSG-Akte, Prof. Dr. M. , Bl. 43 LSG-Akte, Prof. Dr. C. , Bl. 217a LSG-Akte) - beschrieben: Gefäßmissbildungen, Blutgerinnungsstörungen, auch medikamenteninduzierte Verminderungen der Blutgerinnung, Traumata, bösartige Bluterkrankungen, Bandscheibenvorfälle, Schwangerschaft, Paget-Erkrankung, systemischer Lupus Erythematodes, ankylosierende Spondylitis, rheumatoide Arthritis, Niesen, Hustenstoß, Erbrechen, Pressen beim Stuhlgang, Heben von Lasten, Geschlechtsverkehr, Aneurysmaruptur, Thrombosen, Amyloidose, Neoplasien, Kokainmissbrauch und Anstieg des intraabdominellen oder intrathorakalen Drucks Ferner wird als mögliche Ursache auch ein Bluthochdruck genannt (Dr. K. , Bl. 126 VA, Prof. Dr. M. , Bl. 245 SG-Akte, Prof. Dr. M. , Bl. 43 LSG-Akte), allerdings in der Literatur kontrovers diskutiert (Prof. Dr. M. , Bl. 46 LSG-Akte).

Insbesondere Prof. Dr. M. (Bl. 46 LSG-Akte) hat dargelegt, dass die Ursache des spinalen Hämatoms ungeklärt ist und sich insbesondere in der wissenschaftlichen Literatur keine Argumente, weder Studien noch Einzelfallberichte, finden, die für einen direkten Zusammenhang (ohne weitere vermittelnde Umstände, zur Frage einer Druckerhöhung bzw. eines Bluthochdrucks als mögliche Mitursache später) der akuten Stressbelastung - wie bei dem Kläger gegeben - mit der spinalen Blutung sprechen (so auch Dr. K. , Bl. 127 VA). Deshalb vermag der Senat die hinreichende Wahrscheinlichkeit einer Verursachung des Hämatoms unmittelbar durch die akute Stressbelastung nicht zu bejahen.

Die Ausführungen des Dr. P. , des Prof. Dr. M. und des Prof. Dr. H. überzeugen nicht.

Soweit letzterer wegen eines engen zeitlichen Zusammenhangs der ersten Symptome der spinalen Blutung in Form von Kribbeln am Nacken zum Kulminationspunkt der psychischen Ausnahmesituation den Kausalzusammenhang begründet, genügt ein solcher zeitlicher Zusammenhang alleine nicht. Der ursächliche Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinn kann nämlich nicht rein zeitlich begründet werden, sondern muss sachlich-inhaltlich nachvollziehbar sein. Dem entsprechend kann im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung auch nicht im Sinne eines Anscheinsbeweises aus dem Vorliegen einer bestimmten Einwirkung auf die berufliche Verursachung der Erkrankung geschlossen werden (BSG, Urteil vom 07.09.2004, B 2 U 34/03 R). Darüber hinaus verkennt der Gutachter, dass der Kläger die letzte "Hiobsbotschaft" über Anzeichen eines Ausstiegs von GM bereits gegen Abend des 27.03.2008 erhielt. Körperliche Beschwerden entwickelte er jedoch erst um ca. 23 Uhr. Entgegen der Ansicht des Prof. Dr. H. handelte es sich auch nicht um ein Kribbeln im Nacken, welches er als erste Symptome der spinalen Blutung qualifiziert, sondern um ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich (vgl. Bl. 110 VA). Erst gegen 24 Uhr stellte sich beim Kläger ein Kribbeln im Nacken ein. Die von Prof. Dr. H. angenommenen ersten Symptome waren daher gerade nicht zeitgleich oder in engem zeitlichen Zusammenhang zur größten psychischen Belastung gegen Abend aufgetreten.

Soweit Prof. Dr. H. unter Verweis auf wissenschaftliche Studien ausgeführt hat, dass große psychische Belastungen im Beruf mit einem erhöhten Risiko für ischämische Schlaganfälle und Blutungen im Zentralnervensystem einhergehen, insbesondere in Japan das Phänomen des "Karoshi" (Erkrankung oder Tod durch Stress und Überarbeitung) untersucht wurde, hat Prof. Dr. M. (Bl. 155 LSG-Akte) zutreffend darauf hingewiesen, dass im Rahmen der erwähnten Studien das Langzeitrisiko einer dauerhaften Stressbelastung und von langen Arbeitszeiten untersucht worden ist, also gerade nicht die Auswirkungen einer akuten Stressbelastung. Dem hat Prof. Dr. H. in seiner ergänzenden Stellungnahme (Bl. 202 LSG-Akte) auch nicht mehr widersprochen. Die Beklagte lehnte in dem streitgegenständlichen Bescheid aber lediglich die Anerkennung des Ereignisses vom 27.03.2008 als Arbeitsunfall ab. Alleine hierüber hat der Senat zu entscheiden. Die von Prof. Dr. H. angeführten langdauernden Stressbelastungen würden die Kriterien eines Arbeitsunfalls nicht erfüllen. Denn in Abgrenzung zu einer Berufskrankheit, die (von Ausnahmen abgesehen) typischerweise durch längere Expositionen entsteht, ist der Arbeitsunfall durch das schädigende Ereignis (vgl. § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII) gekennzeichnet. Dies ist von der Rechtsprechung dahingehend definiert, dass die Einwirkung innerhalb einer Arbeitsschicht erfolgt sein muss (BSG, Urteil vom 26.09.1961, 2 RU 191/59 in SozR Nr. 46 zu § 542 RVO; Urteil vom 30.04.1985, 2 RU 7/84, in juris; Urteil des Senats vom 16.06.2016, L 10 U 2544/13, in juris).

Prof. Dr. M. hat schließlich dargelegt, dass die von Prof. Dr. H. zitierte Einzelfallkasuistik (Kato Y. et al., Spontaneous spinal epidural hematoma with unusual hemiparesis alternating from one side to the other side) nicht Stress als Ursache eines epiduralen Hämatoms diskutiert, sondern wie Funktionsstörungen des Rückenmarks durch epidurale Hämatome entstehen. Diese Ausführungen des Prof. Dr. H. gehen somit an der vorliegenden Problematik vorbei.

Soweit ein ursächlicher Zusammenhang zwischen spinaler Blutung und einem durch die Stressbelastung vermittelten erhöhten Blutdruck (so Dr. P. , Prof. Dr. M. , Prof. Dr. H. , Prof. Dr. C. ), einem Bluthochdruck mit durch die Stressbelastung ausgelöster Blutdruckspitze (Prof. Dr. H. , Prof. Dr. C. ) oder einem erhöhten intraabdominellen Druck infolge der Stressbelastung (so alternativ Prof. Dr. M. ) angenommen wird, folgt auch hieraus im Falle des Klägers kein wahrscheinlicher ursächlicher Zusammenhang.

Dr. P. hat dargelegt, dass es durch die Stressbelastung, erhöhte Angst und den Panikzustand des Klägers zu einem "extrem" erhöhten Blutdruck und zu weiteren massiven Auswirkungen auf den Körper gekommen sei (Bl. 143 SG-Akte, Bl. 28 LSG-Akte), die ursächlich für die spinale Blutung gewesen seien. Zwar hat auch Prof. Dr. M. ausgeführt, dass die Rolle eines erhöhten Blutdrucks für die Entstehung einer spinalen Blutung kontrovers in der medizinischen Wissenschaft diskutiert wird. In der größten Metaanalyse (Kreppel D. et al., Spinal hematoma: a literature survey with meta-analysis of 613 patients) ist eine krisenhafte Blutdrucksteigerung als auslösender Faktor jedoch nicht aufgeführt worden (Bl. 157 LSG-Akte). Schon dies begründet Zweifel an einem ursächlichen Zusammenhang zwischen Blutdruck und spinaler Blutung. Entscheidend ist jedoch, dass bei dem Kläger ein extrem erhöhter Blutdruck im zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen gerade nicht dokumentiert wurde (Bl. 46 LSG-Akte). Dieser Einschätzung von Dr. M. schließt sich der Senat an, ergeben sich doch insbesondere aus dem Entlassungsbericht der Neurochirurgischen Klinik S. (Bl. 2 VA) überhaupt keine Hinweise auf einen erhöhten Blutdruck, schon gar nicht extremen Ausmaßes. Auch den Schilderungen des Klägers sind diesbezüglich keine Anhaltspunkte für einen erhöhten oder gar extrem erhöhten Blutdruck zu entnehmen. Er beschreibt vielmehr als erste körperliche Reaktion gegen 23 Uhr ein schmerzhaftes Ziehen im Nackenbereich. Zudem hat Dr. P. auch nicht dargelegt, auf Grund welcher Erkenntnisse er zu der Auffassung gelangt, dass mehr Stress bzw. eine darüber hinaus entstandene Angst und ein Panikzustand beim Kläger zu "extrem" hohem Blutdruck geführt haben soll. Er räumt schließlich selbst ein, dass die von ihm beschriebenen Prozesse massive Auswirkungen auf den Körper haben "können" (Bl. 28 LSG-Akte), mithin ein Zusammenhang der spinalen Blutung mit der Stressbelastung des Klägers allenfalls möglich ist.

Entsprechendes gilt hinsichtlich der Ausführungen des Prof. Dr. M. (Sympathikus bedingter massiven Blutdruckanstieg oder abdomineller Druckanstieg, Bl. 245 SG-Akte), der mangels entsprechend dokumentierter Befunde ebenfalls zuletzt (vgl. 139a LSG-Akte) formuliert hat, es sei "durchaus vorstellbar", dass eine Stresssituation eine Muskelanspannung verursacht, die einen intraabdominellen/intrathorakalen Druck aufbaut, so dass es zu einer spinalen Blutung kommt. Mehr als die Darstellung einer möglichen Ursache vermag der Senat aber auch insoweit nicht zu erkennen. Soweit sich der Sachverständige auf Angaben des Klägers über im März 2008 aufgetretene psychovegetative Störungen (Magenschmerzen) stützt, deuten diese abdominellen Beschwerden gerade nicht auf einen intraabdominellen Druckanstieg hin, worauf Prof. Dr. M. hingewiesen hat (Bl. 47 LSG-Akte). Auch in der Schilderung des Ereignisherganges durch den Kläger (Bl. 115 VA) finden sich für eine solche Drucksteigerung keine Hinweise. So gab der Kläger lediglich plötzliches schmerzhaftes Ziehen im Nacken, Kribbeln im Nacken, Hände, Brust und Rücken an. Hierin hat keiner der Gutachter Hinweise auf einen abdominellen Blutdruckanstieg gesehen. Mangels Nachweis eines intraabdominellen Druckanstieges sind somit auch die Ausführungen des Prof. Dr. M. zur Ursache der spinalen Blutung im vorliegenden Fall nicht überzeugend. Prof. Dr. M. ist im Übrigen von einer Blutung im venösen Gefäßbereich ausgegangen und hat nicht plausibel erläutert, weshalb ein arterieller Blutdruckanstieg unmittelbare Auswirkungen auf das venöse Gefäßsystem zeitigt, da zwischen den Arterien und Venen die kapillaren Gefäße (Kapilarbett) liegen, die zu einer starken Reduktion des Blutdrucks führen, worauf Dr. K. hingewiesen hat (Bl. 16 LSG-Akte).

Unter Verweis auf ein deutschsprachiges Standardlehrbuch der neurologischen Begutachtung (Widder, Begutachtung in der Neurologie) hat Prof. Dr. H. angegeben, dass eine Blutungsauslösung durch berufliche Belastung und unter Stress (z.B. Blutdruckerhöhung bei körperlich schwerem Arbeiten, beruflichem Stress) "möglich" ist (Bl. 127 LSG-Akte). Er legt aber nicht dar, weshalb er im vorliegenden Fall einen Zusammenhang für wahrscheinlich erachtet. Auch er hat nicht angegeben, aus welchen Umständen er bei dem Kläger eine Blutdruckerhöhung ableitet. Nicht ausreichend ist es, wenn Prof. Dr. H. darlegt, dass durch umfangreiche Untersuchungen alle gängigen anderen Ursachen im vorliegenden Fall ausgeschlossen werden konnten (Bl. 128 LSG-Akte), da der Ursachenzusammenhang zwischen Unfallereignis und Unfallfolgen positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 09.05.2006, B 2 U 1/05 R in SozR 4-2700 § 8 Nr. 17). Insbesondere gibt es keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache und einem rein zeitlichen Zusammenhang (ein solcher liegt hier ohnehin nur bedingt vor, vgl. oben) die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen - wie vorliegend - zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O.). Soweit Prof. Dr. H. auf eine Entscheidung des Sächsischen Landessozialgerichts vom 09.02.2006 (L 2 U 69/03, in juris) verwiesen hat, wonach eine besondere psychische Anspannung eine Stresssituation hervorgerufen und diese eine Hirnblutung ausgelöst habe, verkennt der Gutachter, dass das Sächsische Landessozialgericht in dem zu entscheidenden Fall das Vorliegen eines erhöhten Blutdrucks feststellte (juris, Rdnr. 8), was bei dem Kläger allerdings gerade nicht dokumentiert wurde.

Schließlich hat auch Prof. Dr. C. unter Verweis auf von ihm beigefügte Literatur lediglich dargelegt, dass akute Blutdruckerhöhungen zu einer spinalen Blutung führen können, eine solche Blutdruckerhöhung aber vorliegend nicht nachweisbar ist (Bl. 218a LSG-Akte). Damit beschreibt auch er lediglich die Möglichkeit eines kausalen Zusammenhangs.

Dr. K. geht für den Fall eines dauerhaften Bluthochdruckleidens davon aus, dass es bei größerer körperlicher Anstrengung, aber auch im Rahmen einer Stressreaktion zu extremen Blutdruckspitzen als Ursache einer spinalen Blutung kommen kann (Bl. 127 VA). Prof. Dr. H. (Bl. 205 LSG-Akte) sieht eine Korrelation zwischen psychischem Stress und der Entwicklung einer Hypertonie. Prof. Dr. C. (Bl. 217a LSG-Akte) weist auf in der Literatur beschriebene mögliche kausale Zusammenhänge zwischen Bluthochdruck und im Krankheitsverlauf aufgetretene spinale Blutungen hin. Vorliegend litt der Kläger bei bzw. vor dem Ereignis vom 27.03.2008 aber nicht unter einer Hypertonie, worauf Dr. K. (Bl. 127 VA) und - sich insoweit widersprechend - Prof. Dr. H. ("angeführten gängigen Ursachen sämtlich ausgeschlossen", Bl. 128 LSG-Akte) hingewiesen haben. Bestätigt wird dies durch den behandelnden Internisten Dr. Z. (Bl. 166, 225 SG-Akte), der bei nur sporadischer Vorstellung des Klägers seit Behandlungsbeginn 1999 die Diagnose einer Hypertonie nicht gestellt hat. Auch nach den Ereignissen vom 27.03.2008 ist eine Hypertonie nicht diagnostiziert worden (vgl. Entlassungsberichte Ruland Kliniken, Bl. 198, 205 SG-Akte). Mangels eines Bluthochdruckleidens ist es für den Senat somit nicht hinreichend wahrscheinlich, dass es zu einer Blutdruckspitze mit nachfolgender spinaler Blutung kam.

Damit bleibt es allenfalls möglich, dass die Stressbelastung am 27.03.2008 Conditio sine qua non für den Eintritt der spinalen Blutung gewesen ist. Insoweit kann offen bleiben, ob, in welchem zeitlichen Abstand vor dem 27.03.2008 und in welcher Menge der Kläger ASS zu sich nahm (vgl. Bl. 110 VA) und inwieweit dieser Umstand bei der spinalen Blutung mitwirkte (vgl. nur Dr. K. , Bl. 128 VA), da es auf das Vorliegen der zum Vollbeweis zu sichernden Mitursache nicht mehr ankommt.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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