Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 KR 921/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 85/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 wird aufgehoben. Die Klagen werden abgewiesen. Die Beklagte hat den Klägern die Hälfte der außergerichtlichen Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu erstatten. Im Berufungsverfahren sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach, ob der Kläger zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Kläger") und die Klägerin zu 2) (nachfolgend nur noch: "die Klägerin") als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") im Zeitraum 13. April 2012 bis 12. März 2013 versicherungspflichtig beschäftigt waren.
Die Beigeladene ist ein Meinungsforschungsinstitut. Der Kläger und die Klägerin sind Diplom-Sozialwissenschaftler und seit dem 13. April 2012 Gesellschafter der Beigeladenen mit zunächst jeweils 25 % des Stammkapitals. Je weitere 25 % hielten die Gesellschafter S G und J U, die in Australien bzw. Neuseeland wohnen. Am 13. April 2012 schlossen die Kläger jeweils mit der Beigeladenen einen Dienstvertrag über eine Tätigkeit als Geschäftsführer ab.
Sie beantragten im September 2012 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Nach entsprechender Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2012 gegenüber der Klägerin und mit Bescheid vom 9. November 2012 gegenüber dem Kläger fest, dass aufgrund abhängiger Beschäftigung eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliege. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich überstiegen werde.
Die Kläger erhoben jeweils Widerspruch und führten aus, mit ihrem 50 %-Anteil an der Beigeladenen habe die Familie F eine Sperrminorität. Diese gelte auch für Beschlüsse, welche ihre Dienstverhältnisse beträfen. Auch ordne die Gesellschafterversammlung ihnen nichts vor. Den übrigen Gesellschaftern fehlten zudem jegliche Branchenkenntnisse des deutschen und europäischen Marktes. Auch seien sie der deutschen Sprache nicht mächtig. Zuletzt liege die Geschäftsführervergütung deutlich unter dem Durchschnitt für Meinungsforschungsinstitute. Ihr unternehmerisches Risiko sei somit das niedrige Basis-Gehalt und der damit verbundene drohende Verlust eines am Markt erzielbaren höheren Einkommens.
Am 13. März 2013 hielten die Gesellschafter der Beigeladenen eine Gesellschafterversammlung ab. Nach dem neu eingeführten § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages stehen den geschäftsführenden Gesellschaftern RF und J F nunmehr gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ein Vetorecht zu. Gegen ihre Stimmen können Beschlüsse nicht gefasst werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2013 zurück.
Der Kläger beantragten am 21. Mai 2013 bei der Beklagten die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit und Versicherungsfreiheit für die Zeit ab dem 13. März 2013.
Der Kläger hat am 23. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) gegen den Bescheid vom 9. November 2012 erhoben.
Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8. November 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2013 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 ein Teilanerkenntnis abgegeben, soweit es den Zeitraum ab 13. März 2013 betrifft. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. In Ausführung des Teilanerkenntnisses hat die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2013 den Bescheid vom 9. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2013 für die Zeit ab 13. März 2013 zurückgenommen und festgestellt, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen für die Zeit ab 13. März 2013 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und insofern auch ab 13. März 2013 keine Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung vorliegt.
Die Klägerin hat am 10. Juli 2013 ebenfalls Klage eingereicht.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2013 hat die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen seit dem 13. März 2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Daher bestehe in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Das SG hat die Klagen mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Klagebegründung haben die Kläger ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt. Die Kläger seien auch im Zeitraum 13. April 2012 bis zum 12. März 2013 als Selbständige anzusehen. Sie seien völlig frei in Gestaltung von Art, Umfang, Ort und Dauer ihrer Tätigkeit, hätten keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Sie seien auch nicht wie fremde Arbeitskräfte in den Betriebsablauf der Beigeladenen eingegliedert. Sie hätten den Gewerberaummietvertrag für die Räumlichkeiten der Beigeladenen als Privatpersonen abgeschlossen. Das SG hat mit Urteil vom 21. Januar 2015 (zugestellt am 28. Januar 2015) den Bescheid der Beklagten vom 9. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2013 und des Bescheides vom 8. Juli 2013 abgeändert und festgestellt, dass der Kläger auch im Zeitraum vom 13. April 2012 bis zum 12. März 2013 aufgrund der für die Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer nicht der Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Es hat ferner den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2013 und des Bescheides vom 16. Juli 2013 abgeändert und entsprechendes auch für die Klägerin festgestellt. Es sei hier von Selbständigkeit auszugehen, obwohl die Dienstverträge für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen. Die Kläger hätten jedoch als Geschäftsführer in der GmbH schalten und walten können, wie sie es gewollt hätten und hätten über ein überragendes Fachwissen verfügt. Die Kläger seien faktisch keinen Weisungen der anderen Gesellschafter ausgesetzt gewesen, die in Australien bzw. Neuseeland ansässig seien und mit den deutschen Marktgegebenheiten nicht vertraut seien. Auch hätten die Kläger im Mietvertrag für die Gewerberäume im eigenen Namen geschlossen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 2. März 2015 (Montag). Zur Begründung trägt sie vor, die Kläger hätten im streitigen Zeitraum als Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität nicht die Rechtsmacht gehabt, weisungsfrei bei der Beigeladenen tätig zu sein. Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholen ihr Vorbringen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 12. September 2016 einverstanden erklärt.
Die Berufung hat Erfolg. Soweit die Beklagte nicht aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen für die Zeit ab 13. März 2013 die Klagen anerkannt hat, ist diese unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind für den von ihnen noch regelten Zeitraum rechtmäßig und verletzen die Kläger jeweils nicht in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung beantragen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 7a Abs. 2 SGB IV.
Mit Recht ist die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von Versicherungspflicht ausgegangen. Nach § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -).
Ausgangspunkt der Prüfung sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Auch wenn eine von den Beteiligten gewollte Selbständigkeit, wie sie sich der Vereinbarung von Dienstverträgen bzw. noch klarer Service Agreements entnehmen lässt, muss aber vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris-Rdnr. 17; Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris-Rdnr. 17).
An diesen Maßstäben gemessen waren die Kläger nach dem 13. April 2012 zunächst nicht selbstständig tätig. Die Beigeladene war und ist als GmbH eine eigene juristische Person. Die Kläger waren zwar jeweils am Gesellschaftskapital beteiligt, aber jeder für sich alleine zunächst nicht in der Lage, die Willensbildung in der Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen. Sie konnten als Einzelperson damit auch nicht verhindern, dass sie im Konfliktfalle Weisungen der Beigeladenen unterworfen gewesen wäre. Vor der Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Beschluss der Gesellschafter vom 13. März 2013 galten nämlich für die Gesellschafterversammlungs-Beschlüsse die im GmbH-Gesetz vorgesehenen normalen Regeln, wonach die Mehrheit der Stimmen maßgeblich ist. Dass die beiden anderen Gesellschafter in Übersee wohnen, hätte diese Wahrnehmung ihrer Stimmrechte zwar erschwert, aber nicht verhindert. Dass die Kläger zusammen auf 50% der Stimmanteile gekommen ist, ist nicht von rechtlicher Relevanz: Einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens beschränkten "Schönwetter-Selbständigkeit" kommt sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu (Urteile des BSG vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R- und vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R).
Ohne Belang ist auch, dass den Kläger als Geschäftsführern durch die Beigeladene in der streitgegenständlichen Zeit rein tatsächlich keine Weisungen erteilt worden sind. Entscheidend ist der rechtliche Bestand einer Rechtsmacht, mit der sie hätte verhindern können, dass ihnen Weisungen erteilt werden. Wollte man anders entscheiden, gäbe es, wie ausgeführt, Fälle der "Schönwetter-Selbständigkeit" in denen erst nach Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein müssen (Urteile des BSG vom 11. November 2015 – B 12 KR 2/14 R, - und - B 12 KR 10/14 R -). Entscheidend sind nicht die tatsächlichen Gegebenheiten, die sich im Laufe einer Tätigkeit entwickelt haben, sondern die jeweilige Rechtsmacht über die derjenige verfügt, dessen sozialversicherungsrechtlicher Status zu beurteilen ist. Dementsprechend hat das BSG auch die in der Vergangenheit vereinzelt vertretene Rechtsauffassung der sogenannten "Kopf- und Seele"–Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Urteil des BSG vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 KR 1/15 R –, zitiert nach juris).
Die Kläger haben schließlich auch nur eingeschränkt ein unternehmerisches Risiko getragen. Maßgebendes Kriterium für ein derartiges Risiko ist der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft, verbunden mit der Gefahr des Verlustes, so dass der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier eben nicht vor. Den Klägern stand eine monatliche fixe Vergütung zu. Dem Umstand, dass die Kläger persönlich Mieter der Geschäftsräume der Beigeladenen sind, kommt kein entscheidendes Gewicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Teilanerkenntnis der Beklagten im sozialgerichtlichen Verfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. oder 2 SGG liegen nicht vor.
Tatbestand:
Im Streit steht der Sache nach, ob der Kläger zu 1) (nachfolgend nur noch: "der Kläger") und die Klägerin zu 2) (nachfolgend nur noch: "die Klägerin") als Geschäftsführer der Beigeladenen zu 1) (nachfolgend nur noch: "die Beigeladene") im Zeitraum 13. April 2012 bis 12. März 2013 versicherungspflichtig beschäftigt waren.
Die Beigeladene ist ein Meinungsforschungsinstitut. Der Kläger und die Klägerin sind Diplom-Sozialwissenschaftler und seit dem 13. April 2012 Gesellschafter der Beigeladenen mit zunächst jeweils 25 % des Stammkapitals. Je weitere 25 % hielten die Gesellschafter S G und J U, die in Australien bzw. Neuseeland wohnen. Am 13. April 2012 schlossen die Kläger jeweils mit der Beigeladenen einen Dienstvertrag über eine Tätigkeit als Geschäftsführer ab.
Sie beantragten im September 2012 bei der Beklagten die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Nach entsprechender Anhörung stellte die Beklagte mit Bescheid vom 8. November 2012 gegenüber der Klägerin und mit Bescheid vom 9. November 2012 gegenüber dem Kläger fest, dass aufgrund abhängiger Beschäftigung eine Versicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung vorliege. In der Krankenversicherung bestehe Versicherungsfreiheit, weil die maßgebliche Jahresarbeitsentgeltgrenze voraussichtlich überstiegen werde.
Die Kläger erhoben jeweils Widerspruch und führten aus, mit ihrem 50 %-Anteil an der Beigeladenen habe die Familie F eine Sperrminorität. Diese gelte auch für Beschlüsse, welche ihre Dienstverhältnisse beträfen. Auch ordne die Gesellschafterversammlung ihnen nichts vor. Den übrigen Gesellschaftern fehlten zudem jegliche Branchenkenntnisse des deutschen und europäischen Marktes. Auch seien sie der deutschen Sprache nicht mächtig. Zuletzt liege die Geschäftsführervergütung deutlich unter dem Durchschnitt für Meinungsforschungsinstitute. Ihr unternehmerisches Risiko sei somit das niedrige Basis-Gehalt und der damit verbundene drohende Verlust eines am Markt erzielbaren höheren Einkommens.
Am 13. März 2013 hielten die Gesellschafter der Beigeladenen eine Gesellschafterversammlung ab. Nach dem neu eingeführten § 7 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrages stehen den geschäftsführenden Gesellschaftern RF und J F nunmehr gegen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung ein Vetorecht zu. Gegen ihre Stimmen können Beschlüsse nicht gefasst werden.
Die Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 24. April 2013 zurück.
Der Kläger beantragten am 21. Mai 2013 bei der Beklagten die Feststellung einer selbständigen Tätigkeit und Versicherungsfreiheit für die Zeit ab dem 13. März 2013.
Der Kläger hat am 23. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) gegen den Bescheid vom 9. November 2012 erhoben.
Die Beklagte hat den Widerspruch der Klägerin gegen den Bescheid vom 8. November 2012 mit Widerspruchsbescheid vom 14. Juni 2013 zurückgewiesen.
Die Beklagte hat mit Schriftsatz vom 2. Juli 2013 ein Teilanerkenntnis abgegeben, soweit es den Zeitraum ab 13. März 2013 betrifft. Der Kläger hat dieses Teilanerkenntnis angenommen. In Ausführung des Teilanerkenntnisses hat die Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2013 den Bescheid vom 9. November 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2013 für die Zeit ab 13. März 2013 zurückgenommen und festgestellt, dass die Tätigkeit als Geschäftsführer der Beigeladenen für die Zeit ab 13. März 2013 nicht im Rahmen einer abhängigen Beschäftigung ausgeübt wird und insofern auch ab 13. März 2013 keine Versicherungspflicht aufgrund einer abhängigen Beschäftigung vorliegt.
Die Klägerin hat am 10. Juli 2013 ebenfalls Klage eingereicht.
Mit Bescheid vom 16. Juli 2013 hat die Beklagte festgestellt, dass die Tätigkeit der Klägerin als Gesellschafter-Geschäftsführerin der Beigeladenen seit dem 13. März 2013 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt werde. Daher bestehe in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Das SG hat die Klagen mit Beschluss vom 16. Oktober 2013 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden.
Zur Klagebegründung haben die Kläger ihr vorgerichtliches Vorbringen wiederholt. Die Kläger seien auch im Zeitraum 13. April 2012 bis zum 12. März 2013 als Selbständige anzusehen. Sie seien völlig frei in Gestaltung von Art, Umfang, Ort und Dauer ihrer Tätigkeit, hätten keinen Anspruch auf Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und keinen Anspruch auf bezahlten Urlaub. Sie seien auch nicht wie fremde Arbeitskräfte in den Betriebsablauf der Beigeladenen eingegliedert. Sie hätten den Gewerberaummietvertrag für die Räumlichkeiten der Beigeladenen als Privatpersonen abgeschlossen. Das SG hat mit Urteil vom 21. Januar 2015 (zugestellt am 28. Januar 2015) den Bescheid der Beklagten vom 9. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 24. April 2013 und des Bescheides vom 8. Juli 2013 abgeändert und festgestellt, dass der Kläger auch im Zeitraum vom 13. April 2012 bis zum 12. März 2013 aufgrund der für die Beigeladenen ausgeübten Tätigkeit als Geschäftsführer nicht der Sozialversicherungspflicht in der Rentenversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung unterlag. Es hat ferner den Bescheid der Beklagten vom 8. November 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. Juni 2013 und des Bescheides vom 16. Juli 2013 abgeändert und entsprechendes auch für die Klägerin festgestellt. Es sei hier von Selbständigkeit auszugehen, obwohl die Dienstverträge für ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis sprächen. Die Kläger hätten jedoch als Geschäftsführer in der GmbH schalten und walten können, wie sie es gewollt hätten und hätten über ein überragendes Fachwissen verfügt. Die Kläger seien faktisch keinen Weisungen der anderen Gesellschafter ausgesetzt gewesen, die in Australien bzw. Neuseeland ansässig seien und mit den deutschen Marktgegebenheiten nicht vertraut seien. Auch hätten die Kläger im Mietvertrag für die Gewerberäume im eigenen Namen geschlossen.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten vom 2. März 2015 (Montag). Zur Begründung trägt sie vor, die Kläger hätten im streitigen Zeitraum als Minderheitsgesellschafter ohne Sperrminorität nicht die Rechtsmacht gehabt, weisungsfrei bei der Beigeladenen tätig zu sein. Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 21. Januar 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger und die Beigeladene zu 1) beantragen,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie wiederholen ihr Vorbringen.
Entscheidungsgründe:
Es konnte im schriftlichen Verfahren und durch den Berichterstatter alleine nach §§ 155 Abs. 3, 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entschieden werden. Alle Beteiligten haben sich mit dieser Vorgehensweise im Erörterungstermin am 12. September 2016 einverstanden erklärt.
Die Berufung hat Erfolg. Soweit die Beklagte nicht aufgrund der Änderung des Gesellschaftsvertrages der Beigeladenen für die Zeit ab 13. März 2013 die Klagen anerkannt hat, ist diese unbegründet. Die angefochtenen Bescheide sind für den von ihnen noch regelten Zeitraum rechtmäßig und verletzen die Kläger jeweils nicht in eigenen Rechten.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 7a Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV). Nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten eine Entscheidung über das Vorliegen einer Beschäftigung beantragen. Die Zuständigkeit der Beklagten ergibt sich aus § 7a Abs. 2 SGB IV.
Mit Recht ist die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden von Versicherungspflicht ausgegangen. Nach § 1 Nr. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch, und § 25 Abs. 1 Satz 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch unterliegen Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung.
Die danach für den Eintritt von Versicherungspflicht in den Zweigen der Sozialversicherung und nach dem Recht der Arbeitsförderung erforderliche Beschäftigung wird in § 7 Abs. 1 SGB IV definiert. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind nach § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers. Abzugrenzen ist die eine Versicherungspflicht begründende abhängige Beschäftigung von einer selbständigen Tätigkeit. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) liegt Beschäftigung vor, wenn die Tätigkeit in persönlicher Abhängigkeit erbracht wird. Dieses Merkmal ist bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb gegeben, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und mit seiner Tätigkeit einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung erfassenden Weisungsrecht unterliegt. Dabei kann sich die Weisungsgebundenheit insbesondere bei Diensten höherer Art zu einer funktionsgerecht dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess verfeinern. Dagegen ist eine selbständige Tätigkeit durch ein eigenes Unternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen freie Gestaltung von Tätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob eine abhängige Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit vorliegt, richtet sich danach, welche der genannten Merkmale bei Betrachtung des Gesamtbildes der Verhältnisse überwiegen (Urteile des BSG vom 25. April 2012 – B 12 KR 24/10 R – und Urteil vom 12. November 2015 – B 12 KR 10/14 R -).
Ausgangspunkt der Prüfung sind die für die Tätigkeit maßgeblichen vertraglichen Vereinbarungen. Auch wenn eine von den Beteiligten gewollte Selbständigkeit, wie sie sich der Vereinbarung von Dienstverträgen bzw. noch klarer Service Agreements entnehmen lässt, muss aber vor den tatsächlichen Verhältnissen bestehen können. Denn das Entstehen von Versicherungspflicht ergibt sich aus dem Gesetz und kann nicht Gegenstand einzelvertraglicher Vereinbarungen sein. Entscheidend für das Vorliegen einer abhängigen Beschäftigung ist deswegen die tatsächliche Ausgestaltung der Verhältnisse, welcher gegebenenfalls sogar stärkeres Gewicht als abweichenden vertraglichen Regelungen zukommen kann (Urteil des BSG vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 13/07 R – juris-Rdnr. 17; Urteil vom 24. Januar 2007 – B 12 KR 31/06 R – juris-Rdnr. 17).
An diesen Maßstäben gemessen waren die Kläger nach dem 13. April 2012 zunächst nicht selbstständig tätig. Die Beigeladene war und ist als GmbH eine eigene juristische Person. Die Kläger waren zwar jeweils am Gesellschaftskapital beteiligt, aber jeder für sich alleine zunächst nicht in der Lage, die Willensbildung in der Gesellschaft entscheidend zu beeinflussen. Sie konnten als Einzelperson damit auch nicht verhindern, dass sie im Konfliktfalle Weisungen der Beigeladenen unterworfen gewesen wäre. Vor der Änderung des Gesellschaftsvertrags durch Beschluss der Gesellschafter vom 13. März 2013 galten nämlich für die Gesellschafterversammlungs-Beschlüsse die im GmbH-Gesetz vorgesehenen normalen Regeln, wonach die Mehrheit der Stimmen maßgeblich ist. Dass die beiden anderen Gesellschafter in Übersee wohnen, hätte diese Wahrnehmung ihrer Stimmrechte zwar erschwert, aber nicht verhindert. Dass die Kläger zusammen auf 50% der Stimmanteile gekommen ist, ist nicht von rechtlicher Relevanz: Einer nur auf Zeiten eines harmonischen Zusammenwirkens beschränkten "Schönwetter-Selbständigkeit" kommt sozialversicherungsrechtlich keine entscheidende Bedeutung zu (Urteile des BSG vom 29. August 2012 – B 12 KR 25/10 R- und vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R).
Ohne Belang ist auch, dass den Kläger als Geschäftsführern durch die Beigeladene in der streitgegenständlichen Zeit rein tatsächlich keine Weisungen erteilt worden sind. Entscheidend ist der rechtliche Bestand einer Rechtsmacht, mit der sie hätte verhindern können, dass ihnen Weisungen erteilt werden. Wollte man anders entscheiden, gäbe es, wie ausgeführt, Fälle der "Schönwetter-Selbständigkeit" in denen erst nach Beendigung der Tätigkeit anhand des bisherigen Ausbleibens von Weisungen festgestellt werden könnte, ob es sich um eine selbständige Tätigkeit oder abhängige Beschäftigung gehandelt hat. Das stünde indessen im Widerspruch zu dem Erfordernis der Vorhersehbarkeit sozialversicherungsrechtlicher und beitragsrechtlicher Tatbestände, die schon zu Beginn der Tätigkeit gegeben sein müssen (Urteile des BSG vom 11. November 2015 – B 12 KR 2/14 R, - und - B 12 KR 10/14 R -). Entscheidend sind nicht die tatsächlichen Gegebenheiten, die sich im Laufe einer Tätigkeit entwickelt haben, sondern die jeweilige Rechtsmacht über die derjenige verfügt, dessen sozialversicherungsrechtlicher Status zu beurteilen ist. Dementsprechend hat das BSG auch die in der Vergangenheit vereinzelt vertretene Rechtsauffassung der sogenannten "Kopf- und Seele"–Rechtsprechung ausdrücklich aufgegeben (Urteil des BSG vom 29. Juli 2015 – B 12 KR 23/13 R und B 12 KR 1/15 R –, zitiert nach juris).
Die Kläger haben schließlich auch nur eingeschränkt ein unternehmerisches Risiko getragen. Maßgebendes Kriterium für ein derartiges Risiko ist der Einsatz von Kapital oder der eigenen Arbeitskraft, verbunden mit der Gefahr des Verlustes, so dass der Erfolg des Einsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel ungewiss ist. Ein derartiger Sachverhalt liegt hier eben nicht vor. Den Klägern stand eine monatliche fixe Vergütung zu. Dem Umstand, dass die Kläger persönlich Mieter der Geschäftsräume der Beigeladenen sind, kommt kein entscheidendes Gewicht zu.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und berücksichtigt das Teilanerkenntnis der Beklagten im sozialgerichtlichen Verfahren.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. oder 2 SGG liegen nicht vor.
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