L 16 R 876/16

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 17 R 4207/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 R 876/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe:

I.

Der in Slowenien lebende Kläger begehrt die rentenwirksame Anerkennung von Zeiten wegen im Deutschen Reich geleisteten Reichsarbeits- und Militärdienstes.

Der Kläger ist 1926 in Maribor (seinerzeit Königreich der Serben, Kroaten und Slowenen, heute Slowenien) geboren. Seit Ende des Zweiten Weltkrieges lebte er mit jugoslawischer Staatsangehörigkeit in der Volksrepublik Jugoslawien. Er besitzt die deutsche (Bescheid des Bundesverwaltungsamts vom 8. September 2010) und zwischenzeitlich slowenische Staatsangehörigkeit. Vom 1. Juli 1942 bis zum 31. Juli 1943 war er als Walzeranlehrling in K (heute Österreich) beschäftigt und wurde am 3. August 1945 zum Reichsarbeitsdienst bis Ende April 1944 und sodann zum Militärdienst von der deutschen Wehrmacht herangezogen. Nach erlittenen Verwundungen am 21. März 1945 wurde er ab 25. Mai 1945 zum Militärdienst in Jugoslawien einberufen und verbrachte nach der Entlassung im Mai 1948 sein anschließendes Ausbildungs- und Erwerbsleben (zuletzt als Ingenieur) durchgehend in der Volksrepublik Jugoslawien bzw. im späteren Slowenien.

Das Sozialgericht Frankfurt – S 11 V 591/76 – wies mit Urteil vom 14. Juni 1977 die auf eine Versorgung nach dem Bundesversorgungsgesetz gerichtete Klage des Klägers ab. Seit April 1988 bezieht der Kläger – mittlerweile vom slowenischen Rentenversicherungsträger – eine Altersrente (Bescheid des Pensionsversicherungsverbandes der Sozialistischen Republik Slowenien vom 20. September 1988). Für den Zeitraum 3. August 1943 bis 30. April 1944 und 30. Juni 1944 bis 12. Mai 1945 wurde er als Opfer der Kriegsgewalt für die Zeit der Zwangsmobilisierung in die deutsche Wehrmacht anerkannt; zugleich wurde ihm eine lebenslange Monatsrente ab 1. Februar 2010 zuerkannt (39,05 EUR; Bescheid vom 14. Januar 2010 der Verwaltungseinheit Maribor in Slowenien).

Am 14. Mai 2010 beantragte der Kläger die rentenwirksame Anerkennung der Zeit vom 1. Juli 1942 bis 9. Mai 1945 für die Zeit ab 1. April 1988. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 4. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2011 die Anerkennung der Zeiten vom 1. Juli 1942 bis 31. Juli 1943 und vom 25. Mai 1945 bis 25. Mai 1948 als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit ab, weil die persönlichen Voraussetzungen des § 1 des Fremdrentengesetzes (FRG) nicht vorlägen. Die Zeiten vom 3. August 1943 bzw. vom 1. Juli 1945 bis 8. Mai 1945 könnten nicht als Ersatzzeit vorgemerkt werden, weil die dafür erforderliche Eigenschaft als Versicherter nicht gegeben sei. Ein rechtswirksamer Beitrag, der auf die allgemeine Wartezeit anrechenbar wäre, sei nicht gezahlt worden. Die Zeiten seien in die Versicherungslast des slowenischen Versicherungsträgers übernommen worden.

Seine nachfolgende Klage hat das Sozialgericht Berlin (SG) mit Urteil vom 30. Mai 2016 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das nach Auslegung ermittelte Begehren des Klägers, die Feststellung des Zeitraums vom 1. Juli 1942 bis 9. Mai 1945 als rentenrechtlich wirksame Zeit anerkannt zu erhalten, sei unbegründet. Anwartschaften hinsichtlich des Zeitraums Juli 1942 bis Juli 1943 seien aufgrund entsprechender völkervertragsrechtlicher Vereinbarungen zunächst in die österreichische, dann in die jugoslawische und schließlich in die slowenische Rentenversicherung übernommen worden. Der Kläger habe auch keinen Anspruch auf Vormerkung der nachfolgenden Zeit. Weder der Reichsarbeitsdienst noch der Militärdienst in der Wehrmacht hätte der Versicherungspflicht unterlegen. Etwaige Bezüge seien nicht Entgelt im Sinne der Reichsversicherungsordnung (RVO) gewesen, so dass für sie keine Beiträge zu entrichten gewesen seien. Die Zeiten seien auch nicht als Ersatzzeit vorzumerken, weil kein Beitragsmonat in der gesetzlichen Rentenversicherung vorliege, nachdem die Versicherungslast, wie ausgeführt, auf den österreichischen, sodann jugoslawischen und schließlich slowenischen Versicherungsträger übergeleitet worden sei. Schließlich seien ausweislich des vom slowenischen Rentenversicherungsträger übersandten Versicherungsverlaufs die gegenständlichen Zeiträume – mit Ausnahme der Zeit vom 1. Mai 1944 bis 29. Juni 1944 – anerkannt worden.

Mit seiner sinngemäßen Berufung vom 14. Oktober 2016 gegen das am 10. Juni 2016 (vgl. Rückschein) zugestellte Urteil verfolgt der Kläger sein Begehren weiter und beantragt unter Hinweis auf seine deutsche Staatsbürgerschaft nach seinem Vorbringen,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 30. Mai 2016 und den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2011 aufzuheben und die Zeiten des Reichsarbeitsdienstes und Militärdienstes für die deutsche Wehrmacht vom 3. August 1943 bis 12. Mai 1945 als rentenrechtliche Zeit festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

II.

Die Berufung ist unzulässig und war durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung (vgl § 158 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -) entsprechend zu verwerfen. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden.

Der Kläger hat die Frist für die Einlegung der Berufung von drei Monaten (§ 153 Abs. 1 iVm § 87 Abs. 1 SGG) nach Zustellung des Urteils nicht gewahrt, sondern um mehr als einen Monat überschritten (Zustellung am 10. Juni 2016, Eingang der Berufung beim SG am 14. Oktober 2016). Gründe für eine Wiedereinsetzung (§ 67 Abs. 1 und 2 Satz 4 SGG) sind weder vorgetragen noch aus den Akten ersichtlich.

Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Berufung des Klägers, mit der dieser seine erstinstanzlich erhobene kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage i.S.v. § 54 Abs. 2 SGG insoweit weiterverfolgt, als er die Anerkennung der Zeit seines Einsatzes beim Reichsarbeitsdienst und für die deutsche Wehrmacht vom 3. August 1943 bis 12. Mai 1945 begehrt, auch unbegründet wäre. Ein Anspruch auf die insofern rentenversicherungsrechtlich allein in Betracht kommende Anerkennung als Ersatzzeit gemäß § 250 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) besteht, wie vom SG zutreffend ausgeführt worden ist, nicht. Der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 4. November 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Mai 2011 ist rechtmäßig und beschwert den Kläger daher nicht. Ersatzzeiten sind beitragsfreie Zeiten iSv § 54 Abs. 4 SGB VI, mit denen Ersatz für Zeiten gewährt werden soll, für die dem Versicherten mit Rücksicht auf die besonderen, im Gesetz festgelegten Tatbestände die Entrichtung von Beiträgen regelmäßig nicht möglich oder wegen der mit diesen Zeiten verbundenen außergewöhnlichen Umstände nicht zu erwarten gewesen ist. Gemäß § 250 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI sind Ersatzzeiten ua Zeiten vor dem 1. Januar 1992, in denen Versicherungspflicht nicht bestanden hat und Versicherte nach vollendetem 14. Lebensjahr militärischen oder militärähnlichen Dienst im Sinne der §§ 2 und 3 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) aufgrund gesetzlicher Dienstpflicht oder Wehrpflicht oder während eines Krieges geleistet haben. Militärischer Dienst im Sinne des § 1 Abs. 1 BVG ist gemäß § 2 BVG jeder nach deutschem Wehrrecht geleistete Dienst als Soldat oder Wehrmachtbeamter. Als militärischer Dienst in diesem Sinne gilt auch der Reichsarbeitsdienst (§ 3 Abs. 1i BVG). Indes begründen Ersatzzeiten kein Versicherungsverhältnis, sondern setzen die Eigenschaft als "Versicherter" voraus. Die Tatbestandsvoraussetzung "Versicherter" ist aber nur dann erfüllt, wenn mindestens ein wirksamer Beitrag (Pflichtbeitrag oder freiwilliger Beitrag) zur deutschen Rentenversicherung gezahlt worden ist (vgl. LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 24. September 2009 – L 33 R 1230/08 – juris Rn. 39). Dies ist trotz der vom Kläger in der Zeit vom 1. Juli 1942 bis 31. Juli 1943 in K geleisteten, versicherungspflichtigen Beschäftigung als Walzanlehrling, deren Abbruch wegen Einrückung zur Deutschen Wehrmacht erfolgte, nicht der Fall. Denn wie vom SG zutreffend und ausführlich dargelegt worden ist, wurden entsprechende Rentenanwartschaften des Klägers, der am 1. Januar 1956 jugoslawischer Staatsbürger war, durch entsprechendes Völkervertragsrecht zunächst in die österreichische Rentenversicherung übernommen (Art. 24 Abs. 1 Nr. 2b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich über Sozialversicherung und Schlussprotokoll vom 7. Juli 1952 [BGBl. II 1952, 317, 321]), sodann in die jugoslawische Rentenversicherung (Abkommen zwischen der Republik Österreich und der Sozialistischen Föderativen Republik Jugoslawien über soziale Sicherheit vom 19. November 1965 [BGBl. 1966 für die Republik Österreich, 1509, 1526] iVm Art. 53 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Österreich vom 22. Dezember 1966 über Soziale Sicherheit und Ziffer 19 Buchstabe b Nr. 1a des Schlussprotokolls [BGBl. 1969, 1233, 1249]) und schließlich in den slowenischen Rentenversicherungsträger mit der Unabhängigkeit Sloweniens 1991. Demensprechend sind entsprechende Versicherungszeiten ("Zavarovalna doba") vom 1. Juli 1942 bis 31. Juli 1943 (1 Jahr und 1 Monat) im dem vom slowenischen Rentenversicherungsträger der Beklagten übersandten Versicherungsverlauf eingestellt. Wie in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen im Übrigen verwiesen wird (vgl. § 153 Abs. 2 SGG) schließlich ausgeführt worden ist, richtet sich die rentenversicherungsrechtliche Bewertung dieser bzw. der noch geltend gemachten Zeiten nach slowenischem Recht.

Die Kostenentscheidung beruht auf der entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Gründe für eine Zulassung der Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved