S 38 AS 2261/16 ER

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
38
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 38 AS 2261/16 ER
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
1. Der Antragsgegnerin wird verpflichtet, dem Antragsteller ab Stellung des Antrags bei Gericht am 30.05.2016 vorläufig monatlich Leistungen in Höhe des Regelbedarfs nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften zu bewilligen. Sollte der Antragsteller Kosten der Unterkunft nachweisen, werden auch diese Kosten entsprechend berücksichtigt und. Die Leistungsbewilligung erfolgt bis zu einem Betrag in Höhe von 472,86 EUR vorläufig als Darlehen, und zwar Zug um Zug gegen Abtretung des entsprechenden Betrages, den der Antragsteller aus der Gothaer Lebensversicherung zu erwarten hat, an den Antragsgegner. Nachdem die 472,86 EUR erschöpft sind, wird der Antragsgegner verpflichtet, weiterhin vorläufig Leistungen für die Dauer von sechs Monaten (Regelbedarf und nachgewiesene Kosten der Unterkunft) als Zuschuss und ohne Berücksichtigung eines eventuell zwischenzeitlich ausgekehrten Betrages aus der Lebensversicherung zu bewilligen, falls der Antragsteller auf entsprechende Aufforderung die Leistungs¬voraussetzungen nachweist.

2. Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.

3. Der Antragsgegner trägt 1/3 der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Antragstellers.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten um die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II.

Der am 10.10.1983 geborene Antragsteller stellte erstmals im Oktober 2014 einen Antrag auf Leistungen nach dem SGB II. Damals legte er einen seit dem 01.08.2008 bestehenden Mietvertrag über eine Wohnung in der F.straße 17 in Duisburg Walsum. vor. Er verfügte über eine Lebensversicherung bei der Gothaer Lebensversicherung AG, die zum 01.10.2014 einen Rückkaufswert iHv 5093,00 EUR hatte. Die Antragsgegnerin versagte mit Bescheid vom 08.07.2014, der am 27.11.2014 lokal versandt wurde, Leistungen wegen fehlender Mitwirkung. Der hiergegen vom Antragsteller mit Schreiben vom 02.12.2014 erhobene Widerspruch, ist, soweit aus der Akte ersichtlich nicht beschieden.

Mit Schriftsatz vom 15.01.2015 wandte sich die Bevollmächtigte des Antragstellers an die Antragsgegnerin und wies auf den drohenden Wohnungsverlust hin.

Mit Versäumnisurteil des Amtsgerichts Duisburg-Hamborn vom 26.02.2015 wurde der Antragsteller zur Räumung seiner Wohnung verpflichtet. Ob das Urteil rechtskräftig wurde, ist unklar.

Vom 30.12.2014 bis zum 14.05.2015 war der Antragsteller bei der Fa. R. beschäftigt.

Unter dem 08.06.2015 teilte der Antragsteller mit, nur noch über ein Postfach in Dinslaken erreichbar zu sein. Wo er tatsächlich wohnte, ist unklar.

Mit Schriftsatz vom 09.10.2015 wandte sich ein anderer Bevollmächtigter an den Antragsgegner und wies auf erhebliche finanzielle Schwierigkeiten des Antragstellers hin. Mit Schreiben vom 21.10.2015 teilte der Antragsteller mit, er sei noch unter der Adresse F.straße 17 in Duisburg wohnhaft, jedoch nur unter der Postfachadresse postalisch zu erreichen. Wie lange er noch in der F.-straße wohne, wisse er nicht.

Mit Bescheid vom 29.10.2015 bewilligte der Antragsgegner für die Zeit vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 den Regelbedarf iHv 399,00 EUR vorläufig. Mit Schreiben vom 29.10.2015 forderte der Antragsgegner einen Nachweis über den Rückkaufswert der Lebensversicherung. Am 19.11.2015 ging bei dem Antragsgegner eine Bescheinigung des Vermieters des Klägers vom 06.11.2015 über die Wohnung in der F.-straße 17 ein. Danach lag die Miete am 06.11.2015 einschließlich der Vorauszahlungen für Betriebskosten und Warmwasser bei 316,22 EUR. Mit Schreiben vom 25.11.2015 übersandte der Antragsteller eine Bescheinigung der Gothaer Lebensversicherung AG vom 14.11.2015, nach der der Rückkaufswert der Lebensversicherung zum 01.12.2015 bei 6534,00 EUR lag. Welche Beträge zu diesem Zeitpunkt eingezahlt waren, ergab sich aus der Bescheinigung nicht. Gleichzeitig übersandte der Antragsteller eine Bescheinigung der Fernwärme Duisburg GmbH vom 06.11.2015, nach der der monatliche Abschlag 49,00 EUR betrug. Aus der auf der Rückseite enthaltenen separaten Aufstellung ergibt sich, dass der Abschlag nur in der Zeit Januar bis Juni 2015 bei 49,00 EUR lag. In den Folgemonaten bis Dezember 2015 lag er bei 73,00 EUR.

Mit Bescheid vom 30.12.2015 hob der Antragsgegner die Leistungsbewilligung ab dem 01.02.2016 wegen Wegfalls der Hilfebedürftigkeit auf. Der Rückkaufswert aus der Lebensversicherung iHv 6534,00 EUR zuzüglich 15,00 EUR aus Überschussanteilen sei verwertbar, soweit er das Schonvermögen iHv 4800,00 EUR (32 Lebensjahre x 150 EUR) übersteige.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 11.01.2016 Widerspruch und führte aus, sein Antrag aus Mitte 2014 sei bis heute nicht beschieden. Mietzahlungen habe der Antragsgegner zu keinem Zeitpunkt erbracht. Es seien ihm deshalb erhebliche Schulden wegen rückständiger Stromkosten, Mietschulden und Schulden für die Heizkosten entstanden. Den Betrag der Lebensversicherung habe er für seine Rente angelegt. Wenn er die Versicherung kündige, sei der vollständige Betrag im Hinblick auf seine Schulden verbraucht. Mit Schreiben vom 12.01.2016 übersandte der Antragsteller einen Weiterbewilligungsantrag, der noch nicht beschieden ist. Hierauf gab er eine Grundmiete iHv 316,22 EUR, Heizkosten iHv 73,00 EUR und Nebenkosten iHv 90,00 EUR an.

Mit Widerspruchsbescheid vom 02.02.2016 wies der Antragsgegner den Widerspruch zurück. Der im Bescheid vom 30.12.2015 angenommene Freibetrag iHv 4800,00 EUR sei um 750,00 EUR für den Freibetrag für notwendige Anschaffungen zu erhöhen, so dass sich insgesamt ein Freibetrag iHv 5550,00 EUR ergebe. Der Rückkaufswert liege mit 6534,00 EUR über diesem Betrag, so dass der Antragsteller über verwertbares Vermögen iHv 984,00 EUR verfüge und nicht Hilfebedürftig sei.

Hiergegen hat der Antragsteller unter dem 09.02.2016 Klage erhoben, die vor dem Sozialgericht Duisburg unter dem Aktenzeichen S 38 AS 537/16 geführt wird.

Mit dem am 30.05.2016 bei dem Sozialgericht eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung trägt der Antragsteller vor, er sei dank der Verweigerung des Jobcenters und der erfolgreichen Räumungsklage des Vermieters weiterhin nur über sein Postfach erreichbar. Er benötige unmittelbar Leistungen, da für ihn ein menschenunwürdiger und bedrohlicher Zustand bestehe. Er sei nicht in der Lage Lebensmittel zu kaufen, da ihm keine anderen Geldbestände zur Verfügung stünden. Seit Februar 2016 versuche er, die Lebensversicherung zu kündigen. Diesbezüglich gebe es jedoch Probleme hinsichtlich der Abrechnung, da die Gothaer Lebensversicherung AG noch offene Forderungen gegen ihn habe. Diese rührten teilweise daher, dass ein von ihm im Jahr 2015 gestellter Stundungsantrag nicht richtig bearbeitet worden sei. Er habe die Angelegenheit seinem Anwalt übergeben. Solange die Versicherung nicht ausgezahlt sei, könne er auch nicht davon leben. Sein Konto werde aufgrund von rückständigen Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung, verschiedenen Forderungen, die das Hauptzollamt geltend mache und weiteren Forderungen gepfändet, so dass die Auszahlung der Lebensversicherung nicht erfolgen könne, ohne dass der Betrag unmittelbar gepfändet sei. Zwischenzeitlich habe er das Konto auch gekündigt, so dass aus diesem Grund eine Auszahlung der Versicherung nicht möglich sei. Im Übrigen habe der Antragsgegner in der Vergangenheit rechtswidrig die Übernahme der Kosten der Unterkunft verweigert, wodurch ihm erhebliche Schulden entstanden seien. Die Verwertung eines Teils der Lebensversicherung stehe in keinem Verhältnis zu den Beträgen, die der Antragsgegner ihm noch schulde. Ein Vergleich, wie von dem Gericht im Termin am 19.07.2016 vorgeschlagen komme für ihn nicht in Betracht, da ihm Zahlungen seit Mitte 2014 zustünden. Auf den Schriftsatz vom 27.07.2016 wird Bezug genommen. Nach erneuter Ladung teilt der Antragsteller mit drei mittels Fax am 19.08.2016 übermittelten Schreiben mit, ein Darlehen sei für ihn keine Option, da es zurückbezahlt werden müsse. Er habe überschlägig Schulden für Mieten iHv 8500,00 EUR, für Heizkosten iHv 2000,00 EUR, für offene Stromforderungen iHv 1200,00 EUR und für rückständige Krankenkassenbeiträge iHv 1800,00 EUR. Auf die Schreiben wird Bezug genommen.

Der Antragsteller beantragt nach seinem schriftsätzlichen Vorbringen sinngemäß,

1. den Antragsgegner zu verpflichten, ihm auf seinen Antrag von Oktober 2014 unter Aufhebung des Bescheides vom 08.07.2014, der am 27.11.2014 lokal versandt wurde, die Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten sowie den Regelbedarf zur Sicherung des Lebensunterhalts zu bewilligen sowie
2. den Bescheid vom 30.12.2015 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 02.02.2016 aufzuheben und den bewilligten Regelbedarf iHv 399,00 EUR auch ab dem 01.02.2016 bis zum Ende des Bewilligungszeitraums am 30.06.2016 weiter zu bewilligen, und 3. den Antragsgegner zu verpflichten, ihm unter Abänderung des Bescheides vom 29.10.2015 für den Bewilligungszeitraum vom 01.07.2015 bis zum 30.06.2016 neben dem bewilligten Regelbedarf iHv 399,00 EUR die ihm entstandenen Kosten der Unterkunft einschließlich Heizkosten zu bewilligen und 4. den Antragsgegner zu verpflichten ihm auf seinen Weiterbewilligungsantrag vom 12.01.2016 den Regelbedarf nach Maßgabe der gesetzlichen Vorschriften sowie die Kosten der Unterkunft für die Grundmiete iHv 316,22 EUR, für die Heizkosten iHv 73,00 EUR und für die Nebenkosten iHv 90,00 EUR zu bewilligen.

Der Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Er ist der Ansicht, der Kläger habe nicht alles getan, um die Auszahlung der Lebensversicherung voranzutreiben. Aus diesem Grund komme eine Bewilligung als Darlehen nicht in Betracht. Zudem habe der Antragsteller keine Unterlagen darüber vorgelegt, aus welchem Grund die Auszahlung der Versicherung scheitere. Der Antragsteller habe die Möglichkeit, die fehlenden Unterlagen der Versicherung zu übersenden, so dass eine Auszahlung der Versicherungsleistung möglich werde.

Das Gericht hat eine Auskunft der Gothaer Lebensversicherung AG eingeholt. Diese hat mit Schreiben vom 13.06.2016 mitgeteilt, dass der Antragsteller die Lebensversicherung am 12.01.2016 gekündigt habe und die Kündigung zum 01.11.2015 wirksam geworden sei. Zum 01.11.2015 habe der Rückkaufswert einschließlich Gewinnbeteiligung 6479,00 EUR betragen. Nach der Leistungsabrechnung kamen noch stille Reserven iHv 11,51 EUR hinzu, so dass der Gesamtbetrag der Leistungen bei 6490,51 EUR lag. Dem standen Forderungen der Gothaer Lebensversicherung AG iHv 467,65 EUR entgegen, so dass es zu einem Auszahlungsbetrag iHv 6022,86 EUR käme. Dem stünden eingezahlte Beiträge iHv 7843,40 EUR entgegen. Die Auszahlung sei noch nicht erfolgt, da die zur Auszahlung erforderlichen Unterlagen bislang nicht eingereicht worden seien. Auf ergänzende Nachfrage des Gerichts hat die Gothaer Lebensversicherung AG mit Schreiben vom 20.06.2016, auf das Bezug genommen wird, mitgeteilt, welche Unterlagen fehlen. Hierzu gehörte unter anderem ein auf den Namen des Versicherungsnehmers geführtes Auszahlungskonto.

Das Gericht hat am 19.07.2016 einen Erörterungstermin durchgeführt, zu dem der Kläger nicht erschienen ist, da ihn die Ladung nicht rechtzeitig erreicht hat. In dem Termin hat die Vorsitzende einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, den der Antragsgegner angenommen hat. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen. Der Antragsteller hat den Vergleichsvorschlag nicht angenommen. Eine erneute Ladung zum 19.08.2016 erfolgte mit Verfügung vom 29.07.2016 und wurde am 01.08.2016 abgesandt. Die Ladung erfolgte, um dem Antragsteller die Rechtslage zu verdeutlichen. In der Ladung war ein Hinweis enthalten, dass die Kosten für die Anreise (jedoch keine Taxikosten) auf Antrag erstattet werden. Der Antrag sei unmittelbar nach Erhalt der Ladung zu übersenden. Der Antragsteller meldete sich erst mit Fax vom 19.08.2016 und teilte mit, er könne nicht zum Termin erscheinen, da er die Taxikosten nicht tragen könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, den der beigezogenen Akte S 38 AS 537/16 sowie auf den Inhalt der Akte des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

Der zulässige Antrag ist aus dem im Tenor ersichtlichen Umfang begründet und im Übrigen unbegründet.

Gemäß § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht auf Antrag, der gemäß § 86b Abs. 3 SGG bereits vor Klageerhebung zulässig ist, zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis eine einstweilige Anordnung treffen, wenn diese Regelung notwendig erscheint, um wesentliche Nachteile abzuwenden. Voraussetzung hierfür ist zum einen das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs, also ein rechtlicher Anspruch auf die begehrte Maßnahme, zum anderen ein Anordnungsgrund, d.h. die Notwendigkeit einer Eilentscheidung. Gemäß § 86b Abs. 2 S. 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO] sind Anordnungsgrund und Anordnungsanspruch glaubhaft zu machen. Für die Glaubhaftmachung genügt es, wenn die tatsächlichen Voraussetzungen von Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund überwiegend wahrscheinlich sind (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 08.08.2001 - B 9 V 23/01 B). Ob ein Anordnungsanspruch und ein Anordnungsgrund vorliegen, ist in der Regel durch summarische Prüfung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu ermitteln (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss vom 29.07.2003 - 2 BvR 311/03). Können ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes unzumutbare und anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen entstehen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, sind die Erfolgsaussichten der Hauptsache nicht nur summarisch, sondern abschließend zu prüfen. Scheidet eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren aus, ist auf der Grundlage einer an der Gewährung effektiven Rechtsschutzes orientierten Folgenabwägung zu entscheiden (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, 10. Auflage 2012, § 86b Rn. 29 a m.w.N.).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben liegt einerseits Eilbedürftigkeit vor, da der Kläger behauptet, dass die Lebensversicherung noch nicht ausgezahlt sei und er über keine finanziellen Mittel mehr verfüge. Andererseits besteht hinsichtlich eines materiellen Anspruchs erheblicher Klärungsbedarf. Denn es ist unklar bzw nicht nachgewiesen, wo der Antragsteller tatsächlich wohnt, wovon er lebt, aus welchem Grund er die Auszahlung der Lebensversicherung nicht forciert, ob Mietrückstände bestehen und seit wann. Gerade hinsichtlich der Kosten der Unterkunft ist für das Gericht nicht nachvollziehbar, ob der Antragsteller durchgehend seine Wohnung in der Frankenstraße bewohnt hat und ob und in welcher Höhe aus der Vergangenheit und gegenwärtig Mietrückstände bestehen. Und inwieweit eine erneute Räumungsklage droht. Ferner ist nicht nachvollziehbar, aus welchem Grund der Antragsteller eine Postfachanschrift angibt, wenn er eine Wohnung in der Frankenstraße bewohnt. Unklar ist zudem, aus welchem Grund der Antragsteller kein neues Konto eröffnet, um die Auszahlung der Lebensversicherung zu erreichen.

Das Gericht hat deshalb eine Folgenabwägung vorgenommen und hierbei insbesondere berücksichtigt, dass Leistungen für die Vergangenheit in einem Verfahren auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, das nur zur Abwendung einer aktuellen Notlage dient, nicht gewährt werden können. Das bedeutet, dass die ausgelegten Anträge keine Aussicht auf Erfolg haben können, soweit sie die Zeit vor dem Eingang des Antrags bei Gericht am 30.05.2016 betreffen. Insoweit ist der Antragsteller auf ein reguläres Klageverfahren nach Erhalt der entsprechenden Widerspruchsbescheide zu verweisen. Erst in diesen Hauptsacheverfahren kann eine endgültige Klärung erreicht werden, wobei dann auch darüber zu entscheiden sein wird, ob der Betrag iHv 472,86 EUR tatsächlich als Darlehen oder als Zuschuss zu bewilligen war. Das Gericht weist zur Vermeidung einer Untätigkeitsklage darauf hin, dass der Widerspruch des Antragstellers gegen den Bescheid vom 08.07.2014, der am 27.11.2014 lokal versandt wurde, noch nicht beschieden ist. Ferner hat der Antragsteller spätestens mit Fax vom 12.01.2016 eine Mietbescheinigung übersandt. Daraus dürfte zu entnehmen sein, dass er Kosten der Unterkunft – auch für die Vergangenheit - begehrte. Hierüber ist noch nicht entschieden. Auch der Weiterbewilligungsantrag des Antragstellers vom 12.01.2016 ist noch nicht beschieden.

In der Sache ist unklar, ob es sich bei der Lebensversicherung um verwertbares Vermögen handelt, ob die Verwertung möglich ist oder ob die Verwertung offensichtlich unwirtschaftlich ist. Der Antragsgegner hat es insofern versäumt, eine Prüfung nach § 12 Abs 3 Nr 6 SGB II im Hinblick auf eine offensichtliche Unwirtschaftlichkeit der Verwertung vorzunehmen. Bei eingezahlten Beiträgen iHv 7843,40 EUR, einem Rückkaufswert einschließlich zusätzlicher Beteiligungen iHv 6490,51 EUR und einem Auszahlungsbetrag iHv nur 6022,86 EUR kommt eine solche Unwirtschaftlichkeit insbesondere auch deshalb in Betracht, weil nur ein ganz geringer Anteil der Lebensversicherung tatsächlich verwertbares Vermögen ist. Für das Gericht steht unter Berücksichtigung der im einstweiligen Anordnungsverfahren eingeholten Auskünfte der Gothaer Lebensversicherung fest, dass von dem Auszahlungsbetrag iHv 6022,86 EUR unter Berücksichtigung der Freibeträge nach § 12 Abs 2 Nrn 1 und 4 SGB II iHv insgesamt 5550,00 EUR (4800,00 EUR für 32 Lebensjahre x 150 EUR zuzüglich 750,00 EUR) allenfalls ein Betrag iHv 472,86 EUR (6022,86 EUR abzüglich 5550,00 EUR) berücksichtigungsfähig wäre. Insofern hätte der Antragsteller jedenfalls nach Verbrauch dieses Betrages wieder einen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II.

Die abschließende Klärung, ob es sich tatsächlich um verwertbares Vermögen handelt, bleibt dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Das Gericht hat es vorliegend für ausreichend erachtet, lediglich bis zu dem Betrag iHv 472,86 EUR dinglich gesicherte Leistungen als Darlehen (§ 24 Abs 5 SGB II) zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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