S 13 AS 2159/11

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
13
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 13 AS 2159/11
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Bescheid vom 6. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 wird aufgehoben und der Beklagte verpflichtet, dem Kläger Leistungen zur Sicherung seines Lebensunterhalt in Höhe von 2.248,05 Euro für die Zeit vom 1. Juni 2010 bis zum 30. November 2010 zu gewähren. 2. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. 3. Der Beklagte erstattet dem Kläger die ihm entstandenen notwendigen außer gerichtlichen Kosten zu ¾.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über den Leistungsanspruch des Klägers nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II –, insbesondere darüber, ob Zahlungen der Eltern des Klägers als Einkommen zu berücksichtigen sind.

Der am xxxxx 1962 geborene Kläger beantragte am 15. Juni 2009 Leistungen nach dem SGB II. Mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebt seine Ehefrau S.G ... Der Kläger war zuvor Geschäftsleiter bei der Firma B. GmbH & Co. KG H ... Nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses bezog der Kläger zunächst Arbeitslosengeld nach dem Dritten Buch Sozialgesetzbuch – SGB III –. Auch die Ehefrau des Klägers bezog Arbeitslosengeld nach dem SGB III. Ab dem 15. Juni 2009 erhielt sie Gründungszuschuss. Mit Bewilligungsbescheid vom 8. Juli 2009 wurden der Bedarfsgemeinschaft Leistungen bewilligt, und zwar für die Zeit vom 15. Juni 2009 bis zum 30. November 2009, zunächst ohne Anrechnung des der Ehefrau des Klägers bewilligten Gründungszuschusses. Am 9. Dezember 2009 kam es gegenüber der Ehefrau des Klägers zu einem Aufhebungs- und Erstattungsbescheid über 6.536,50 Euro wegen der Berücksichtigung des Gründungszuschusses, gegen den Widerspruch eingelegt wurde.

Der Weiterbewilligungsantrag des Klägers vom 30. November 2009 für den Zeitraum vom 1. Dezember 2009 bis 31. März 2010 wurde mit Bescheid vom 6. Dezember 2009 abgelehnt. Über den hiergegen eingelegten Widerspruch wurde zunächst nicht entschieden. Am 23. Juli 2010 wurde Untätigkeitsklage vor dem Verwaltungsgericht Hamburg erhoben, welches durch Verweisungsbeschluss vom 18. August 2010 den Rechtsstreit an das Sozialgericht Hamburg abgab (S 13 AS 3542/10). Während der Untätigkeitsklage erließ der Beklagte Bescheide vom 3. November 2010 und vom 5. November 2010 für die Leistungszeiträume vom 1. Dezember 2009 bis 31. März 2010, in welchem allerdings nur die Zuschüsse zur Kranken- und Pflegeversicherung gewährt und der Widerspruch im Übrigen mit Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2010 als unbegründet zurückgewiesen wurde, und für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 31. Mai 2010. Inhaltlich trug der Kläger zum Widerspruchsbescheid vom 17. Dezember 2010 erst am 8. Februar 2011 vor, so dass nach richterlichem Hinweis die Untätigkeitsklage für erledigt erklärt wurde.

Mit Schreiben vom 7. März 2010 teilte der Kläger unter anderem mit, dass er Zahlungen seiner Eltern als Darlehen erhalte, da er und seine Frau seit November 2009 kein Geld mehr durch den Beklagten erhielten.

Am 22. November 2010 stellte der Kläger nach Einräumung der Möglichkeit der verspäteten Antragstellung einen Antrag auf Weiterbewilligung von Leistungen ab dem 1. Juni 2010 bis zum 30. November 2010.

Mit Bescheid vom 6. Dezember 2010 wurde dieser Antrag abgelehnt. Der Beklagte führte aus, es läge keine Hilfebedürftigkeit im Sinne der §§ 9, 11 SGB II vor. Es bestehe daher kein Anspruch auf Leistungen. Hilfebedürftigkeit liege vor, soweit der eigene Lebensunterhalt und der Lebensunterhalt der in Bedarfsgemeinschaft zusammenlebenden Personen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Mitteln gesichert werden könnten. Dabei sei Einkommen in dem Monat zu berücksichtigen, in dem es zufließe. Grundsätzlich werde Einkommen auf alle Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft verteilt.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein. Er führte im Wesentlichen aus, er habe keinerlei Kontrollmöglichkeiten, aufgrund welcher Zahlen der Bescheid basiere. Die Höhe der Miete sei nicht korrekt berechnet worden. Außerdem habe der Beklagte wieder die 300,- Euro, die eine zweckgebundene Leistung zur sozialen Absicherung sei, angerechnet. Er habe außerdem Anspruch auf einen Zuschlag bis zum 320,- Euro im Monat nach § 24 SGB II, der auch nicht berücksichtigt worden sei. Die Einkommenssituation habe sich im Vergleich zum April bzw. Mai 2010 nicht gebessert. Außerdem könne der Beklagte anhand der Kontoauszüge sehen, dass seine Eltern monatliche Unterstützung geleistet hätten. Die Miete habe bezahlt werden müssen und der Beklagte habe mit großer Verzögerung erst Leistungen gewährt. Ohne die Unterstützung wäre die Wohnung nicht haltbar gewesen. Es falsch, die Unterstützung der Eltern als Einkommen anzurechnen. Auch gehe der Beklagte fehlerhafterweise davon aus, dass der Kläger im September Einkommen in Höhe von 403,70 Euro aus selbständiger Tätigkeit gehabt habe. Ausweislich der vorgelegten Kontoauszüge habe dieses Geld nicht im September 2010 zur Verfügung gestanden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 14. April 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Der Beklagte führte im Wesentlichen aus, ein Leistungsanspruch für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 30. November 2010 bestehe nicht. Es sei einem Gesamtbedarf in Höhe von 1.516,06 Euro zu berücksichtigendes Einkommen gegenüber zu stellen. Der Bedarfsgemeinschaft habe aus den monatlichen Unterstützungsleistungen der Eltern des Klägers im strittigen Zeitraum insgesamt einen Betrag in Höhe von 7.100,- Euro erhalten. Daraus sei ein monatliches Durchschnittseinkommen zu bilden. Bei einem Bewilligungszeitraum von sechs Monaten ergebe sich ein monatliches sonstiges Einkommen in Höhe von 1.183,33 Euro. Außerdem sei auch der Überschuss aus der gewerblichen Tätigkeit der Ehefrau des Klägers hinzuzurechnen. Unter Berücksichtigung der Vorschriften zur Einkommensermittlung sowie der abzuziehenden Anrechnungsbeträge habe die Ehefrau aus Selbständigkeit ein monatliches Einkommen in Höhe von 340,72 Euro bzw. ab Oktober 2010 236,92 Euro. Dieses übersteige bereits den Gesamtbedarf, da sich ein Gesamteinkommen von 1.524,05 Euro errechne. Aber es sei auch das Einkommen des Klägers zu berücksichtigen, welches er in den Monaten Juni bis August 2010 aus nichtselbständiger Tätigkeit erzielt habe, und zwar in Höhe von netto 478,65 Euro. Dieses Einkommen sei bis September 2010 zu berücksichtigen. Aber auch in den Monaten Oktober und November seien Einkünfte des Klägers anzurechnen. Seit dem 10. August 2010 habe der Kläger ein Gewerbe angemeldet. Aufgrund der eingereichten EKS sei für den Zeitraum von September 2010 bis November 2010 Einkommen festzustellen. Monatlich errechne sich ein durchschnittliches Einkommen in Höhe von 401,78 Euro, welches um die Freibeträge zu bereinigen sei. Es verbleibe ein anzurechnendes Einkommen in Höhe von 241,42 Euro. Das Gesamteinkommen betrage demnach 1.661,67 Euro. Da auch die Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in voller Höhe dabei bereits abgesetzt worden seien gem. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 SGB II, komme ein weiterer Zuschuss nicht mehr in Betracht.

Der Kläger hat sich hiergegen am 13. Mai 2011 im Rahmen der zu der Zeit noch vor dem Sozialgericht Hamburg anhängigen Untätigkeitsklage S 13 AS 3542/10 gewandt.

Mit Trennungsbeschluss vom 24. Juni 2011 hat das Sozialgericht dieses Verfahren abgetrennt und unter S 13 AS 2159/11 geführt. Der Kläger führt aus, die Überweisungen der Eltern seien nicht als Einkommen zu werten. Dies habe das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 17. Juni 2010 (B 14 AS 46/09 R) ausgeführt. Danach hätten Zuwendungen Dritter dann außer Betracht zu bleiben, wenn diese Unterstützungsleistungen vorläufig angeboten hätten, weil der Grundsicherungsträger nicht rechtzeitig gezahlt habe. Es komme darauf an, ob es sich um ein rückzahlungspflichtiges Darlehen handele. Es werde auf die Darlehensvereinbarung zwischen dem Kläger und seinen Eltern verwiesen. Dabei sei zu beachten, dass der Kläger juristischer Laie sei und sich bei dem Darlehensvertrag der üblichen Wortwahl bedient habe, um die Zahlung durch die Eltern anzuzeigen. So liege der Fall hier. Außerdem habe der Kläger im Zeitraum vom 1. September 2010 bis 30. November 2010 sehr wohl Umsatzsteuer entrichtet, und zwar in Höhe von 186,66 Euro.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid vom 6. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, dem Kläger Leistungen nach dem SGB II in Höhe der gesetzlichen Leistungen zu bewilligen, und zwar ohne Berücksichtigung der darlehensweisen Zahlungen durch die Eltern des Klägers sowie unter Abzug der für den Zeitraum vom 1. September 2010 bis zum 30. November 2010 gezahlten Umsatzsteuervorauszahlung in Höhe von 186,66 Euro.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er bezieht sich auf die Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden. Zudem führt er aus, die Umsatzsteuervorauszahlung sei nicht berücksichtigt worden, weil sich bereits ohne das Einkommen des Klägers kein Leistungsanspruch errechne. Die als Darlehensgabe gezahlten Unterstützungsleistungen der Eltern würden nicht glaubhaft erscheinen. Der Kläger habe mit Schreiben vom 30. Januar 2011 auf die Unterstützungszahlungen der Eltern hingewiesen. Von einem Darlehen sei nicht die Rede gewesen. Selbst wenn ein Darlehensvertrag geschlossen worden sei, bestünden an der Ernsthaftigkeit der Abrede erhebliche Zweifel. Eine echte Rückzahlungsvereinbarung sei nicht getroffen worden. Die Formulierung "in einer Summe oder in monatlichen Raten, sobald das Jobcenter geleistet habe" sei zu unbestimmt. Dieses bedeute, wenn das Jobcenter nicht leiste, müsse der Kläger demnach auch das Darlehen nicht zurückzahlen. Außerdem sei fraglich, warum trotz Leistungsbewilligung in Höhe von 2.732,00 Euro am 8. November 2010 keine Teilzahlung an den Darlehensgeber erfolgt sei. Auch in vorherigen Angaben des Klägers zu Bareinzahlungen von 900,- Euro am 29. Dezember 2009 (vor Abschluss des Vertrages) und am 1. Februar 2010 in Höhe von 650,- Euro hätte es keinen Hinweis auf ein Darlehen gegeben. Der Kläger habe lediglich auf Unterstützungsleistungen durch seine Eltern hingewiesen, die er bei Besuchen erhalten habe.

Dem Gericht haben neben der Gerichtsakte auch die Verwaltungsvorgänge des Beklagten vorgelegen. Auch die Verfahrensakte S 13 AS 3542/10 hat das Gericht beigezogen. Sie waren Gegenstand der Beratung. Für weitere Einzelheiten zum Sachverhalt wird hierauf Bezug genommen. Im Termin der mündlichen Verhandlung hat das Gericht Beweis erhoben durch Anhörung des Vaters des Klägers. Für das Beweisthema wird auf den Beweisbeschluss verwiesen. Für die vom Zeugen gemachten Ausführungen wird auf das Sitzungsprotokoll vom 7. September 2012 Bezug genommen. Das Gericht hat eine Proberechnung von dem Beklagten eingeholt. Diese hat der Kläger inhaltlich nicht beanstandet. Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ohne (weitere) mündliche Verhandlung gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Entscheidungsgründe:

Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung entscheiden, denn die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung im sog. schriftlichen Verfahren gem. § 124 Abs. 2 SGG einverstanden erklärt.

Die zulässige Klage ist zum überwiegenden Teil begründet.

Die Klage ist zulässig. Sie wurde frist- und formgerecht erhoben.

Die Klage ist auch zum überwiegenden Teil begründet.

Der Bescheid vom 6. Dezember 2010 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 14. April 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Er hat einen Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – SGB II – für den Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 30. November 2010 in Höhe von insgesamt 2.248,05 Euro. Weitere Ansprüche sind aber für den im Streit stehenden Zeitraum nicht gegeben, so dass die Klage im Übrigen abzuweisen ist.

Der Kläger hat einen Anspruch auf Leistungen. Im Zeitraum vom 1. Juni 2010 bis zum 30. November 2010 lagen die Anspruchsvoraussetzungen vor. Die allein im Streit stehende Bedürftigkeit im Sinne des § 9 SGB II war gegeben und ist nicht bereits dadurch entfallen, dass dem Kläger und seiner mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Ehefrau Unterstützungszahlungen durch die Eltern des Klägers gewährt wurden. Dieses hat die Probeberechnung des Beklagten für diesen Zeitraum ergeben, die inhaltlich vom Kläger nicht mehr beanstandet wird.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG. Die Quotelung ergibt sich aus dem Verhältnis zwischen Obsiegen und Unterliegen. Dabei hat das Gericht sich von dem Gedanken leiten lassen, dass der Klageantrag nach der nicht mehr beanstandeten Probeberechnung nicht mehr angepasst wurde.
Rechtskraft
Aus
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