L 8 U 3910/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 8 U 704/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3910/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.08.2015 wird zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung des Sozialgerichts Reutlingen wird abgeändert. Die Verhängung von Verschuldenskosten nach § 192 SGG wird aufgehoben. Im Übrigen trägt der Kläger seine außergerichtlichen Kosten in beiden Instanzen selbst.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Anerkennung der Beschwerden und krankhaften Veränderungen an der Halswirbelsäule als Folgen eines Arbeitsunfalls am 08.06.1995.

Der 1971 geborene Kläger erlitt am 08.06.1995 einen Autounfall. Sein damaliger Arbeitgeber, bei dem er zu diesem Zeitpunkt als Helfer im Bereich Fensterbau versicherungspflichtig beschäftigt war, gab in der Unfallanzeige vom 17.07.1995 an eine Rechtsvorgängerin der Beklagten (Bl. 25 der Verwaltungsakte) an, er könne keine Angaben zum Unfallhergang machen. Der Kläger habe die Arbeit am 09.06.1995 wieder aufgenommen. Die diesbezügliche Verwaltungsakte der Rechtsvorgängerin der Beklagten ist nicht mehr vorhanden.

Mit Schreiben vom 09.05.2011 (Bl. 5 der Verwaltungsakte) wandte sich der Kläger an die Berufsgenossenschaft der Bauwirtschaft, welche dieses zuständigkeitshalber an die Beklagte weiterleitete. Der Kläger gab hierin an, dass er am Unfalltag auf dem Rückweg von der Mittagspause zu seinem Arbeitgeber einen Autounfall erlitten habe. Hierbei habe sich das Auto mehrfach überschlagen. Es sei ein Totalschaden entstanden. Da bei ihm keine Verletzungen sichtbar gewesen seien, habe die Polizei ihn gehen lassen. Er habe diesen Vorgang seinem Arbeitgeber gemeldet, welcher ihm für den Rest des Tages frei gegeben habe. Am Abend habe er Schmerzen an Hals und Kopf bekommen, so dass er ein Krankenhaus aufgesucht habe. Dort sei er geröntgt worden. Da kein Bruch habe festgestellt werden können, habe man ihn wieder entlassen. Er habe wochenlang unter Schmerzen gelitten und sei bei Dr. B. und Orthopäde Dr. K. in Behandlung gewesen. Er sei jahrelang wegen Migräne mit Schmerzmitteln behandelt worden. 2008 habe man festgestellt, dass er unter einem Bandscheibenvorfall leide. Dieser sei durch ein CT bestätigt worden. Er bitte daher darum, einen Arbeitsunfall zu bestätigen.

Die Beklagte zog daraufhin das Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers (Bl. 38 ff., 196 der Verwaltungsakte) sowie Krankenblatt-Unterlagen und Befundberichte der behandelnden Ärzte bei.

Orthopäde Dr. K. teilte am 04.08.2011 mit, der Kläger sei in seiner Praxis nicht bekannt (Bl. 53 der Verwaltungsakte).

Dr. C. gab unter Vorlage eines Krankenblatts (Bl. 94/95 der Verwaltungsakte) an, der Kläger sei einmalig am 15.10.2011 bei ihm vorstellig gewesen.

Der Facharzt für Neurochirurgie Dr. H. übersandte zunächst Krankenblatt-Unterlagen und Befundberichte (Bl. 64 ff. der Verwaltungsakte). Unter anderem legte er den Entlassbericht der Reha-Klinik S. vom 18.07.2011 vor (Bl. 70 ff. der Akte), wo sich der Kläger in der Zeit vom 10.06.2011 bis 01.07.2011 in stationärer Behandlung befand. Aus den dort am 29.06.2011 angefertigten Röntgenbildern der Halswirbelsäule ergab sich ein Normalbefund, die Röntgenbilder der Lendenwirbelsäule zeigten insgesamt keine das Altersmaß wesentlich überschreitenden degenerativen Veränderungen. In dem ebenfalls übersandten Befundbericht des Facharztes für Neurologie Dr. N. vom 10.12.2010 (Bl. 87 der Verwaltungsakte) teilte dieser mit, bei dem Kläger bestünde eine linksseitige Zervikozephalgie unklarer Genese. Es gäbe kein Organkorrelat, welches die Beschwerden erklären könne. Bei der neurologischen Untersuchung habe sich eine allenfalls endgradig bewegungseingeschränkte Halswirbelsäule gefunden.

Die Hausärzte Dres. H.-W. und W. teilten mit Schreiben vom 12.08.2011 unter Vorlage von Befundberichten mit (Bl. 106 der Verwaltungsakte), der Kläger sei erstmals im Februar 1999 wegen Beschwerden im Bereich des Kopfes und der Wirbelsäule bei ihnen vorstellig gewesen. Weitere Behandlungen seien im März 2001, im Oktober 2004, im Juni 2007 sowie mehrfach in den Jahren 2008 bis 2011 erfolgt.

Der Facharzt für Innere Medizin Dr. R. gab an (Schreiben vom 22.10.2011, Bl. 216 der Verwaltungsakte), er habe für die Zeit vom 26.11.1999 bis 10.12.1999 wegen einer Zervikobrachialgie rechts eine Arbeitsunfähigkeit bescheinigt. Es habe sich ein Druckschmerz im Schultergürtel und in der unteren Halswirbelsäule rechts mit Ausstrahlung in den rechten Arm gezeigt.

Eine Anfrage bei der Polizeidirektion S. ergab, dass die dortigen Unterlagen aus dem Jahr 1995 bereits vernichtet worden sind (Bl. 51 der Verwaltungsakte).

Die Beklagte holte sodann eine Stellungnahme des beratenden Orthopäden Dr. G. ein, welcher mit Schreiben vom 09.02.2012 (Bl. 298 der Verwaltungsakte) mitteilte, dass nach Durchsicht der zur Verfügung gestellten Aktenunterlagen keine fassbaren Unfallfolgen, die objektiv erhoben bzw. diagnostiziert worden seien, gefunden werden könnten. Die Kernspintomographie-Bilder des Dr. Cl. vom 07.10.2008 zeigten lediglich Bandscheibenprotrusionen C5/6 und C6/7, jedoch keinen Bandscheibenvorfall. Auch aus der kernspintomographischen Untersuchung vom 08.03.2011 ergäben sich keine Bandscheibenvorfälle bzw. Neuroforamenstenosen. Eine ärztliche Untersuchung und Therapie im Anschluss an den Verkehrsunfall lasse sich nicht mehr nachvollziehen. Eine Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule aufgrund des Verkehrsunfalls hätte jedoch eine längere ärztliche Behandlung ergeben. Unfallfolgen ließen sich entsprechend nicht feststellen. Die Befunde zeigten keine traumatischen Verletzungen der Halswirbelsäule. Es fänden sich lediglich diskrete Zeichen einer beginnenden degenerativen Veränderung der Halswirbelsäule mit gering ausgeprägten Bandscheibenprotrusionen vorwiegend im distalen HWS-Drittel.

Mit Bescheid vom 24.02.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung einer Rente wegen des Unfalls vom 08.06.1995 ab (Bl. 307 der Verwaltungsakte). Der ursächliche Zusammenhang zwischen dem Unfall und den Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule könne sowohl mangels zeitlichem Zusammenhang als auch aufgrund von fehlenden objektivierbaren pathologischen Befunden nicht mit dem erforderlichen Grad der Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. Die unfallbedingt anzunehmende Stauchung der Halswirbelsäule sei innerhalb weniger Tage nach dem Unfall folgenlos ausgeheilt.

Hiergegen erhob der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2012 Widerspruch und führte zur Begründung an, dass er vor dem Unfallereignis völlig gesund gewesen sei. Erst nach dem Unfall hätten sich Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule sowie starke Kopfschmerzen und Schwindelzustände eingestellt. Er sei deswegen bei Dr. Schl. in Behandlung gewesen. Die Feststellung der Beklagten, dass eine solche erst ab 1997 erfolgt sei, erscheine daher unvollständig.

Die Beklagte forderte daraufhin einen Bericht mit Krankenblattunterlagen bei Dr. Schl. an, der mit Schreiben vom 21.03.2012 (Bl. 316 der Verwaltungsakte) mitteilte, dass er sich zwischenzeitlich im Ruhestand befinde und Karteikarten, die über 10 Jahre alt gewesen seien, vernichtet habe. Er habe noch EDV-Aufzeichnungen finden können, die jedoch unvollständig seien. Nach diesen Aufzeichnungen habe der Kläger in der Zeit vom 19.01.1995 bis 30.01.1995 Kurzwellenbestrahlungen erhalten. Am 19.01.1995 habe der Kläger offenbar über Schmerzen vom Nacken über die Schulter in die linke Hand ausstrahlend geklagt.

Mit Schreiben vom 09.05.2012 (Bl. 321 der Verwaltungsakte) widersprach der Kläger den Ausführungen des Dr. Schl ... Er sei bis zu dem Unfall am 08.06.1995 kerngesund gewesen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22.11.2012 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Der Unfall habe keine Folgen rentenberechtigenden Ausmaßes über die 26. Woche hinaus hinterlassen.

Im Rahmen des hiergegen bei dem Sozialgericht Reutlingen (SG) am 11.12.2012 erhobenen Klageverfahrens (S 8 U 3478/12) hörte das SG die behandelnden Ärzte des Klägers schriftlich als sachverständige Zeugen an. Der Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. G. gab an (Bl. 374 ff. der Verwaltungsakte), dass er den Kläger erst ab September 1995 behandelt habe. Die Beschwerden ließen sich daher nicht als Unfallfolgen klassifizieren. Im Lauf der Behandlung habe der Kläger Beschwerden im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule angegeben, jedoch nicht im Bereich der Halswirbelsäule. Die Ärztin für Allgemeinmedizin Dr. B. teilte mit (Bl. 380 der Verwaltungsakte), sie habe den Kläger am 05.03.2008 und 06.03.2008 sowie am 29.12.2008 und 30.12.2008 in Vertretung der Dres. W. notfallmäßig behandelt. Weitere Unterlagen insbesondere zum Arbeitsunfall lägen ihr nicht vor.

Das Klageverfahren endete am 08.05.2012 mit einem Vergleich, wonach sich die Beklagte verpflichtete, auf Vorlage weiterer bzw. neuer medizinischer Unterlagen sowie bildgebender Aufnahmen seitens des Klägers einen Unfallzusammenhang zwischen dem Ereignis am 08.06.1995 und den von dem Kläger dargelegten Beschwerden an der Halswirbelsäule erneut zu prüfen.

Der Kläger legte der Beklagten daraufhin den Karteikartenauszug des Dr. G. für die Zeit vom 04.09.1995 bis 17.03.1999 vor – welchen dieser mit seiner Zeugenauskunft an das SG übersandt hatte – sowie eine Patienten-CD des Z.-Klinikums vom 06.07.2011 (Bl. 408 ff. der Verwaltungsakte), welche ebenfalls bereits im vorangegangenen Verwaltungsverfahren vorgelegen hatte.

Die Beklagte forderte sodann erneut Krankenblatt-Unterlagen bei Dr. G. an, welcher mit Schreiben vom 07.06.2013 mitteilte (Bl. 414 der Verwaltungsakte), der Kläger sei von ihm erstmals am 04.09.1995 behandelt worden. Radiologische Aufnahmen lägen ihm nicht vor. Überweisungen zu einem Orthopäden seien im September 1997 und im Juli 1998 erfolgt.

Die Beklagte holte sodann die beratungsärztliche Stellungnahme des Radiologen Prof. Dr. D. ein, der mit Schreiben vom 25.07.2013 angab, dass die am Tag nach dem Unfallereignis durchgeführte Röntgenuntersuchung keinen pathologischen Befund ergebe (Bl. 422 der Verwaltungsakte).

Mit Bescheid vom 16.08.2013 (Bl. 434 der Verwaltungsakte) lehnte die Beklagte die Anerkennung der vorgebrachten Beschwerden bzw. krankhaften Veränderungen an der Halswirbelsäule als Folgen des Arbeitsunfalls vom 08.06.1995 ab. Ein Anspruch auf Leistungen bestehe weiterhin nicht. Ein ursächlicher Zusammenhang zwischen den jetzt bestehenden Erkrankungen bzw. Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule und dem Unfallereignis vom 08.06.1995 könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit festgestellt werden.

Mit Schreiben vom 04.09.2013 erhob der Kläger hiergegen Widerspruch (Bl. 438 der Verwaltungsakten). Er sei nach dem Unfall von Dr. B. mit Spritzen und Schmerzmitteln behandelt worden. Wegen der durch den Unfall verursachten gesundheitlichen Veränderungen der Wirbelsäule befinde er sich bis heute in Behandlung. Aus den kernspintomographischen Aufnahmen ergäben sich Bandscheibenvorfälle.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.03.2014 (Bl. 467 der Verwaltungsakte) wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die nach dem Unfall gefertigten Röntgenaufnahmen vom 09.06.1995 zeigten keinerlei verletzungsspezifische Veränderungen. Die im Bereich der Halswirbelsäule vorliegenden Bandscheibenveränderungen seien erst viele Jahre nach dem Unfallereignis festgestellt worden, so dass ein ursächlicher Zusammenhang zwischen diesen Veränderungen und dem Unfallereignis mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht bestehe.

Am 20.03.2014 erhob der Kläger hiergegen Klage beim Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung führte er an, dass er nachweislich in unmittelbarem Zusammenhang mit dem Unfall in medizinischer Behandlung im Z.-Klinikum sowie bei seiner damaligen Hausärztin Dr. B. wegen einer HWS-Distorsion in Behandlung gewesen sei und letztendlich laufend bis zu den bildlich nachgewiesenen Bandscheibenverletzungen behandelt worden sei. Es gäbe daher ausreichend Brückensymptome, die auf eine Wirbelsäulenverletzung hindeuteten, bis diese dann bildgebend nachgewiesen worden sei.

Nach Ablehnung des Prozesskostenhilfeantrags mit Beschluss vom 24.09.2014 (Bl. 31 der SG-Akte) kündigte das SG mit Schreiben vom 09.03.2015 eine Entscheidung mittels Gerichtsbescheid gemäß § 105 Abs. 1 Satz Sozialgerichtsgesetz (SGG) an und wies darauf hin, dass im Fall einer streitigen Entscheidung die Auferlegung von Kosten missbräuchlicher Rechtsverfolgung in Betracht komme.

Mit Gerichtsbescheid vom 14.08.2015 wies das SG die Klage ab und legte dem Kläger Missbrauchskosten in Höhe von 300 Euro auf. Zur Begründung führte es an, dass sich ein Zusammenhang zwischen dem Geschehen am 08.06.1995 und dem im Jahr 2008 bei dem Kläger diagnostizierten Bandscheibenvorfall nicht hinreichend wahrscheinlich machen ließe. Bei der Verhängung der Missbrauchskosten sei zu berücksichtigen, dass der Kläger den Rechtsstreit trotz offensichtlicher Aussichtslosigkeit und angesichts eines entsprechenden PKH-Beschlusses sowie einer weiteren gerichtlichen Erläuterung mit Schreiben vom 09.03.2015 fortgesetzt habe.

Gegen den seinem damaligen Prozessbevollmächtigten am 19.08.2015 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 14.09.2015 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) erhoben. Zur Begründung führte er an, er sei nach dem am 08.06.1995 erlittenen Arbeitsunfall im Krankenhaus B. in Behandlung gewesen. Dort seien Röntgenbilder gefertigt worden, weil er seinen Kopf nicht mehr habe bewegen können. Von dort sei er zudem für zwei Wochen krankgeschrieben worden. Dies sei auch der AOK mitgeteilt worden. Es stimme daher nicht, dass er bereits am 09.06.1995 weiter gearbeitet habe. Es könne jeder Gutachter bestätigen, dass dies in diesem Zustand unmöglich gewesen wäre. Im Anschluss habe er sich bei Dr. B. in Behandlung befunden. Er verstehe nicht, warum diese angegeben habe, ihn nicht behandelt zu haben. Er sei dann durch Dr. G. an Dr. Schl. überwiesen worden. Die Bestrahlungen hätten im Januar 1996 stattgefunden und nicht wie von Dr. Schl. fälschlich angegeben im Januar 1995. Seit 1995 befinde er sich ununterbrochen in laufender Behandlung. Durch den Unfall sei zudem ein Schmerzsyndrom entstanden. Die Missbrauchskosten seien nicht gerechtfertigt. Er habe das Gericht darauf hingewiesen, dass alle Unterlagen bei der Beklagten vorlägen. Dr. G. und Dr. Schl. seien zu laden.

Er reichte u.a. ein orthopädisches Gutachten des Arztes für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Schm. vom 03.01.2013 zu den Akten, welches im Rentenverfahren von dem SG (S 12 R 869/12) erhoben worden ist.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 14.08.2015 aufzuheben sowie den Bescheid vom 16.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die Beschwerden und krankhaften Veränderungen der Halswirbelsäule als Folge des Arbeitsunfalls vom 08.06.1995 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, dass der Verkehrsunfall vom 08.06.1995 mit Bescheid vom 24.02.2012 als Arbeitsunfall anerkannt und eine HWS-Stauchung als Unfallfolge festgestellt worden sei. Im Übrigen werde auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen.

Im Rahmen des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 29.04.2016 hat der Kläger die Einholung eines Gutachtens gemäß § 109 SGG beantragt. Mit Schreiben vom 23.05.2016 (Bl. 62 der LSG-Akte) hat die vormals zuständige Berichterstatterin darauf hingewiesen, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien und für die Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG eine Frist bis zum 20.06.2016 gesetzt. Der Kläger hat mit Schreiben vom 24.05.2016 (Bl. 63 f. der LSG-Akte) mitgeteilt, dass er an seinem Antrag nach § 109 SGG nicht festhalte, aber um weitere Ermittlungen von Amts wegen bitte. Mit Schreiben vom 31.05.2016 (Bl. 65 der LSG-Akte) wies die vormals zuständige Berichterstatterin erneut daraufhin, dass weitere Ermittlungen von Amts wegen nicht beabsichtigt seien. Mit Schreiben vom 08.06.2016 (Bl. 66 der LSG-Akte) hat der Kläger erneut um weitere Ermittlungen von Amts wegen gebeten. Mit Schreiben vom 30.11.2016 (Bl. 69 ff. der LSG-Akte) hat der Kläger den Senat aufgefordert, nunmehr zu einem Entschluss zu kommen und das Urteil mitzuteilen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte sowie die beigezogenen Akten des SG und der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat die erstmals im Berufungsverfahren gestellten Anträge auf Gewährung von Verletztengeld und Verletztenrente (Schreiben des Klägers vom 08.02.2016) sowie auf Zahlung einer Abfindung (Schreiben des Klägers vom 24.05.2016), was nach Erklärung des Klägers in der mündlichen Verhandlung als rückwirkende Gewährung einer Verletztenrente ab Unfalltag gemeint war, nicht aufrechterhalten und insoweit die Klage zurückgenommen.

Gegenstand der Berufung war daher allein nur noch die begehrte Feststellung von Unfallfolgen. Soweit der Kläger die Anerkennung der Beschwerden und krankhaften Veränderungen an der Halswirbelsäule als Folgen eines Arbeitsunfalls am 08.06.1995 begehrt, ist die Berufung gemäß §§ 143, 144 zulässig, aber unbegründet. Der Bescheid vom 16.08.2013 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 06.03.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG ist nicht zu beanstanden. Der Senat lässt dahinstehen, ob das Feststellungsbegehren hinreichend konkret die begehrte Feststellung von Unfallfolgen umschreibt und die Berufung bereits deshalb unbegründet wäre, weil die vor dem SG erhobene Feststellungsklage mangels feststellungsfähiger abgrenzbarer Gesundheitsstörungen bereits unzulässig war.

Der Kläger hat jedenfalls keinen Anspruch auf Feststellung der von ihm geltend gemachten Gesundheitsstörungen als Unfallfolgen.

Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3, 6 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit; § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII). Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls i. S. des § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII ist danach in der Regel erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis – dem Unfallereignis – geführt hat und das Unfallereignis einen Gesundheits(-erst-)schaden oder den Tod des Versicherten verursacht (haftungsbegründende Kausalität) hat. Das Entstehen von längerandauernden Unfallfolgen aufgrund des Gesundheits(-erst-)schadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist nicht Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (ständige Rechtsprechung, vgl. stellvertretend BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R= SozR 4-2700 § 8 Nr. 17, B 2 U 40/05 R= UV-Recht Aktuell 2006, 419-422, B 2 U 26/04 R= UV-Recht Aktuell 2006, 497-509, alle auch in juris).

Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (st. Rspr. vgl. zuletzt BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr 15, jeweils Rdnr 11). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).

Die Theorie der wesentlichen Bedingung beruht ebenso wie die im Zivilrecht geltende Adäquanztheorie (vgl. dazu nur Heinrichs in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl. 2006, Vorb. v § 249 Rdnr. 57 ff m.w.N. sowie zu den Unterschieden BSGE 63, 277, 280 = SozR 2200 § 548 Nr. 91) auf der naturwissenschaftlich-philosophischen Bedingungstheorie als Ausgangsbasis. Nach dieser ist jedes Ereignis Ursache eines Erfolges, das nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg entfiele (conditio sine qua non). Aufgrund der Unbegrenztheit der naturwissenschaftlich-philosophischen Ursachen für einen Erfolg ist für die praktische Rechtsanwendung in einer zweiten Prüfungsstufe die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden bzw. denen der Erfolg zugerechnet wird, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen.

Bei mehreren Ursachen ist sozialrechtlich allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende (Mit-)Ursache auch wesentlich war, ist unerheblich. Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst hätte. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. zum Vorstehenden insgesamt BSG, Urteile vom 09.05.2006, a.a.O.).

Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Für die Feststellung des Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st. Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a. F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 a. F. RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteile vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R und B 2 U 26/04 R - a.a.O. m.w.N.). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).

Der Senat musste dabei nicht entscheiden, ob der Unfall am 08.06.1995, den der Kläger in der Mittagspause erlitten hat, tatsächlich als bei der Beklagten versicherter Arbeitsunfall in Gestalt eines Wegeunfalls stattgefunden hat, nachdem die Beklagte das Unfallgeschehen am 08.06.1995 mit Bescheid vom 24.02.2012 als Arbeitsunfall anerkannt und eine HWS-Stauchung als Unfallfolge festgestellt hat.

Gemessen an den dargestellten Grundsätzen liegt zur Überzeugung des Senats eine unfallbedingte Kausalität für die weiter geltend gemachten Gesundheitsstörungen (Beschwerden und krankhafte Veränderungen an der Halswirbelsäule) nicht vor.

Der Senat konnte dabei offenlassen, ob bei dem Kläger tatsächlich ein Bandscheibenvorfall, wie von Dr. Cl. diagnostiziert oder eine Bandscheibenprotrusion, wie vom Beratungsarzt der Beklagten Dr. G. angenommen, eingetreten ist. Es fehlt jedenfalls an einem Ursachenzusammenhang mit dem Unfallereignis am 08.06.1995.

Gegen einen solchen Ursachenzusammenhang spricht nach der Auffassung des Senats bereits der zeitliche Ablauf. Ein Bandscheibenvorfall C5/6 wurde bei dem Kläger erstmals 2008 von Dr. Cl. diagnostiziert. Die vom Kläger im Rahmen des Verwaltungsverfahrens vorgelegten röntgenologischen Aufnahmen vom 09.06.1995 enthalten, wie der Beratungsarzt der Beklagten Prof. Dr. D. nachvollziehbar dargestellt hat, keinerlei Hinweise auf eine verletzungsspezifische Schädigung im Bereich der Halswirbelsäule. Insbesondere zeigte sich ein regelrechtes Alignement sowie eine normale Höhe der Wirbelkörper und auch der Zwischenwirbelkörper. Spondylophyten ließen sich nicht feststellen. Als Unfallfolgen erscheinen Bandscheibenvorfälle jedoch stets mit begleitenden (zumindest minimalen) knöchernen oder Bandverletzungen im betroffenen Segment (Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, S. 461). Solche ließen sich bei dem Kläger jedoch gerade nicht feststellen.

Darüber hinaus ist im Zusammenhang mit dem Unfall auch keine weitergehende ärztliche Behandlung feststellbar. Dr. B. , die der Kläger als behandelnde Hausärztin angegeben hat, hat insoweit mitgeteilt, dass sie den Kläger lediglich am 05.03.2008 und 06.03.2008 sowie am 29.12.2008 und 30.12.2008 in Vertretung der Dres. W. notfallmäßig behandelt hat. Weitere Unterlagen insbesondere zum Arbeitsunfall lägen ihr nicht vor. Auch aus dem Vorerkrankungsverzeichnis der AOK lässt sich lediglich eine einmalige Behandlung am 09.06.1995 entnehmen. Das vom Kläger vorgelegte Schreiben der AOK vom 21.04.2016 bestätigt zwar im Nachhinein eine Arbeitsunfähigkeit am 09.06.1995 aufgrund der Diagnosen: HWS-Distorsion, BWS-Distorsion, die einer bestimmten Arztnummer zugeordnet worden ist, die nach einem handschriftlichen, auf dem Schreiben angebrachten Vermerk der Ärztin Dr. B. zuzuordnen sei. Dies widerspricht einerseits der eigenen Aussagen von Dr. B. , die eine frühere Behandlung des Klägers nicht bestätigt hat. Andererseits ist allein der im AOK-Schreiben vom 21.04.2016 genannten eintägigen Arbeitsunfähigkeit und den dort angeführten Diagnosen eine geeignete unfallbedingte Verletzung, die die vom Kläger geltend gemachten nachhaltigen Gesundheitsfolgen hätte bewirken können, nicht zu entnehmen. Eine substantielle Verletzung mit vorübergehenden Auswirkungen hat die Beklagte durch Feststellung des Arbeitsunfalls auch anerkannt. Eine über die Auswirkungen einer HWS Prellung/HWS-Distorsion hinausgehende Verletzung konnte der Senat auch nicht feststellen. Eine solche Verletzung im Bereich der Halswirbelsäule aufgrund eines Verkehrsunfalls hätte nach den nachvollziehbaren Angaben des Beratungsarztes der Beklagten Dr. G. eine längere ärztliche Behandlung mit ausführlicher Diagnostik und Therapieverordnung ergeben, die jedoch im vorliegenden Verfahren nicht nachvollziehbar ist. Auch eine Behandlung bei einem anderen Arzt im unmittelbaren Anschluss an den Unfall konnte der Senat nicht feststellen. Bei Dr. G. war der Kläger erstmals am 04.09.1995 vorstellig. Ausweislich der Patientenkartei bezog sich jedoch auch diese Behandlung auf eine andere Erkrankung. Nach der zeugenschaftlichen Angabe des Dr. G. im vorangegangenen Verfahren wurden bei ihm zu keinem Zeitpunkt Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule geltend gemacht.

Entgegen der Angaben des Klägers bestand im Zusammenhang mit dem Unfall auch keine längere Arbeitsunfähigkeitszeit. Eine solche wäre aber bei einer schwereren Verletzung zu erwarten. Der Kläger war jedoch ausweislich des Vorerkrankungsverzeichnisses der AOK lediglich einen Tag, nämlich am 09.06.1995, arbeitsunfähig. Entsprechendes teilte auch der Arbeitgeber in seiner Unfallanzeige sowie in seinem Schreiben vom 18.07.2011 mit, wobei er die Arbeitsunfähigkeit auf den Unfalltag am 08.06.1995 bezogen hatte und die Arbeitsaufnahme des Klägers auf den 09.06.1995 datierte.

Es bestehen mithin keinerlei belastbaren Hinweise auf eine Verursachung des Bandscheibenvorfalls durch den Unfall am 08.06.1995.

Auch weitere Gesundheitsstörungen im Bereich der Halswirbelsäule, die auf das Unfallereignis zurückgehen, liegen nicht vor. So gibt der Facharzt für Neurologie Dr. N. im Entlassbericht der Klinik für Psychiatrie, Gerontopsychiatrie und Neurologie - Neurologische Abteilung, wo der Kläger in der Zeit vom 27.04.2010 bis 06.05.2010 stationär behandelt wurde, an, in der Bildgebung und bei der elektroneurographischen Untersuchung hätten sich keine wegweisenden pathologischen Befunde gezeigt. Es fanden sich lediglich leichtgradige Bandscheibenprotrusionen und Spondylarthrosen und damit insgesamt eine unauffällige Befundkonstellation. Auch dem Befundbericht des Dr. N. vom 10.12.2010 ist zu entnehmen, dass sich bei der neurologischen Untersuchung allenfalls eine endgradig bewegungseingeschränkte Halswirbelsäule zeigte. Ein Organkorrelat, welches die Beschwerden erklären könnte, fand sich nicht. Zudem lassen sich den im Rahmen des stationären Aufenthalts in der Reha-Klinik S. am 29.06.2011 gefertigten Röntgenbilder keine Gesundheitsstörungen entnehmen. So zeigte das Röntgenbild der Halswirbelsäule einen lotgerechten siebenteiligen Aufbau sowie normal weite Zwischenwirbelräume und Intervertebralgelenke. Ausweislich des Befundberichtes des Facharztes für Neurochirurgie Dr. P. vom 28.06.2011, ergab auch eine kernspintomographische Untersuchung der Halswirbelsäule vom 08.03.2011 keine Bandscheibenvorfälle oder Neuroforamenstenosen. Im Rahmen eines stationären Aufenthalts in der Klinik für Psychiatrie, Gerontopsychiatrie und Neurologie - Neurologische Abteilung vom 09.10.2012 bis 12.10.2012 konnte trotz ausführlicher Diagnostik (CT vom 10.10.2012) außer degenerativen Veränderungen im Bereich der Halswirbelsäule keine Pathologie gefunden werden (Entlassbericht des Dr. N. vom 26.10.2012). Bei der Untersuchung durch den Arzt für Chirurgie, Orthopädie und Unfallchirurgie Dr. Schm. am 14.11.2012, welche im Rahmen eines Gutachtens für das SG (S 12 R 869/12) durchgeführt wurde, zeigte sich auf den Röntgenbildern der Halswirbelsäule ein regulärer altersentsprechender Befund. Die Bandscheibenräume waren normal weit. Alle dargestellten Wirbelkörper hatten eine reguläre Form. Eine vermehrte Sklerose der Grund- und Deckplatten war nicht ersichtlich, Spondylosen nicht vorhanden. Auch im Bereich der Brustwirbelsäule zeigte sich ein altersentsprechend normaler Befund. Insbesondere fand sich kein Anhalt einer stattgehabten knöchernen Verletzung. Klinisch fanden sich Schmerzen der Halswirbelsäule, die am ehesten durch muskuläre Probleme erklärt werden können.

Soweit der Kläger unter einem chronifizierten Schmerzsyndrom im Schulter-Nacken-Bereich leidet, besteht in Ermangelung abgrenzbarer Unfallfolgen auf orthopädischem oder unfallchirurgischem Fachgebiet jedenfalls auch kein Raum für die Annahme, dass es sich dabei um eine unfallbedingte Gesundheitsstörung handelt. Aus der vom Kläger vorgelegten Studie der Chirurgischen Klinik und Poliklinik G. der Universitätsklinik München, einer Dissertation von 2008, ist insoweit kein hinreichend wahrscheinlicher Unfallzusammenhang der vom Kläger erstmals im Mai 2011 gegenüber der Beklagten geltend gemachten Beschwerden abzuleiten. Die statistische Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Schmerzsymptomatik in Abhängigkeit von einer erlittenen HWS-Distorsion und deren Erstbehandlung ergibt keine aussagekräftigen Anhaltspunkte für den Unfallzusammenhang der vom Kläger geltend gemachten Beschwerden. Anknüpfungspunkt der statistischen Wahrscheinlichkeit der Entwicklung einer Schmerzsymptomatik ist auch nach der Studie die Art der HWS-Verletzung und der therapeutische Aufwand der Erstbehandlung, wozu der Senat mangels ärztlicher Dokumentation keine Feststellungen hat treffen können.

Zur Überzeugung des Senats steht nach alledem nicht fest, dass Gesundheitsschäden vorliegen, welche im Sinne einer wesentlichen Verursachung auf den Unfall am 08.06.1995 zurückgeführt werden können.

Von seinem im Rahmen des Termins zur Erörterung des Sachverhalts am 29.04.2016 gestellten Antrag auf Einholung eines Gutachtens nach § 109 SGG hat der Kläger mit Schriftsatz vom 24.05.2016 ausdrücklich Abstand genommen.

Der Senat sah sich auch nicht veranlasst, weitere Ermittlungen von Amts wegen durchzuführen. Der Sachverhalt ist vollständig aufgeklärt. Die vorliegenden ärztlichen Unterlagen haben dem Senat die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen vermittelt [§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG, § 412 Abs.1 Zivilprozessordnung (ZPO)].

Soweit der Kläger im Rahmen des Berufungsverfahrens zunächst beantragt hat, zu den von ihm eingereichten Unterlagen ein Gutachten einzuholen, um zu beweisen, dass durch den Unfall ein Erstschaden sowie Folgeschäden entstanden sind, hat er diesen Antrag nicht weiterverfolgt. Mit Schreiben vom 30.11.2016 hat er vielmehr gebeten, dass das Gericht nunmehr zu einem Entschluss kommen und ihm das Urteil mitteilen möge.

Der Senat war auch nicht gehalten, Dr. G. und Dr. Schl. als Zeugen in die mündliche Verhandlung zu laden, zumal der Kläger seinen entsprechenden Antrag ebenfalls nicht weiter verfolgt hat. Gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 414 ZPO kommen in Bezug auf sachverständige Zeugen die Vorschriften der §§ 373 ff. ZPO über den Zeugenbeweis zur Anwendung. Gemäß § 377 Abs. 3 Satz 3 ZPO ordnet das Gericht die Ladung des Zeugen an, wenn es dies zur weiteren Klärung der Beweisfragen für notwendig erachtet. Sowohl Dr. G. - dieser sogar mehrfach - und Dr. Schl. wurden im Verwaltungsverfahren, Dr. G. nochmals erneut im vorangegangen Klageverfahren S 8 U 3478/12, befragt. Es ist nicht ersichtlich, inwiefern eine weitere Befragung im Rahmen der mündlichen Verhandlung zur Sachverhaltsaufklärung beitragen könnte. Dr. G. hat in seiner schriftlichen Zeugenauskunft (Schreiben vom 19.01.2013) im Verfahren S 8 U 3478/12 erneut angegeben, dass eine Behandlung durch ihn erst ab dem 04.09.1995 durchgeführt worden sei. Im Laufe der Behandlung durch ihn habe der Kläger zwar über Beschwerden im Bereich der Brust- und Lendenwirbelsäule geklagt, jedoch nicht im Bereich der Halswirbelsäule. Aus der Auskunft des Dr. Schl. vom 21.03.2012 lässt sich jedenfalls entnehmen, dass eine Behandlung nicht in unmittelbaren Zusammenhang mit dem Unfall erfolgt ist. Weiter Unterlagen, als die bereits zu den Akten gereichten, liegen ihm nach seiner Auskunft nicht mehr vor.

Nach alledem war die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens beruht auf § 193 SGG. Insoweit hat der Senat die Kostenentscheidung des SG abgeändert und die Verurteilung des Klägers zur Zahlung von Missbrauchskosten im angefochtenen Gerichtsbescheid aufgehoben. Nach § 192 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG kann das Gericht einem Beteiligten ganz oder teilweise die Kosten auferlegen, die dadurch verursacht werden, dass der Beteiligte den Rechtsstreit fortführt, obwohl ihm vom Vorsitzenden die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung oder -verteidigung dargelegt worden und er auf die Möglichkeit der Auferlegung von Kosten bei Fortführung des Rechtsstreites hingewiesen worden ist. Abzustellen ist dabei auf die (objektivierte) Einsichtsfähigkeit eines vernünftigen Verfahrensbeteiligten und damit auf den "Einsichtigen" im Sinne der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (vgl. hierzu stellvertretend BVerfG, Beschluss vom 11.10.2001, Az. 2 BvR 1271/01 m.w.N.). Nach diesen Maßstäben hat der Senat bereits Zweifel, ob die erforderliche Belehrung durch das SG, mit der die Missbräuchlichkeit der Rechtsverfolgung darzulegen ist (vgl. BSG Urteil vom 12.12.2013 - B 4 AS 17/13 R-, juris), mit dem Hinweisschreiben des SG vom 09.03.2015 erfolgt ist, das nur Ausführungen zur fehlenden Erfolgsaussicht der Klage enthält, ohne die angenommene missbräuchliche Rechtsverfolgung näher darzulegen, etwa dass kein Arzt einen Unfallzusammenhang bestätigt hat, so dass jeder einsichtige Prozessführende die Beweislosigkeit seines Begehrens zu erkennen vermag. Jedenfalls konnte der Senat aufgrund des vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Eindrucks nicht die Überzeugung gewinnen, dass der Kläger und auch nicht die im Termin vor dem Senat anwesende und ihn unterstützende Ehefrau sich der prozessualen Lage bewusst waren. Sie haben trotz der richterlichen Hinweise in der mündlichen Verhandlung auf die von ihnen vorgelegten Unterlagen, insbesondere auf das AOK Schreiben vom 21.04.2016 und die Studie der Klinik G. , als ausreichende Beweismittel verwiesen. Der Senat konnte davon ausgehen, dass diese zur Überzeugung des Senats auch intellektuell bedingten Einschätzung der Prozesslage bereits vor dem SG vorgelegen hat. Demnach war die Verhängung von Mutwillenskosten nicht ermessensgerecht. Der Senat hat deshalb auch davon abgesehen, Missbrauchskosten für die Betreibung des Berufungsverfahrens zu verhängen.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved