Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 81 KR 1980/10
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 9 KR 213/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Zwei in demselben biotechnologischen Herstellungsprozess produzierte und wirkstoffidentische Arzneimittel sind „wirkstoffgleich“ im Sinne von § 130a Abs. 3b SGB V.
2. Für eine offene, sich über den Wortlaut des Gesetzes hinweg-setzende Rechtsfortbildung bedarf es schwerwiegender Gründe, die sich am Gedanken der Rechtssicherheit und am System der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) messen lassen müssen. Ein Gericht darf den Wortlaut eines Parlamentsgesetzes nur dann über den methodischen Kunstgriff der teleologischen Reduktion beschnei¬den, wenn der Regelungsirrtum des Gesetzgebers evident ist und verfassungsrechtliche Wertentscheidungen dies gebieten.
2. Für eine offene, sich über den Wortlaut des Gesetzes hinweg-setzende Rechtsfortbildung bedarf es schwerwiegender Gründe, die sich am Gedanken der Rechtssicherheit und am System der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) messen lassen müssen. Ein Gericht darf den Wortlaut eines Parlamentsgesetzes nur dann über den methodischen Kunstgriff der teleologischen Reduktion beschnei¬den, wenn der Regelungsirrtum des Gesetzgebers evident ist und verfassungsrechtliche Wertentscheidungen dies gebieten.
Die Berufungen der Klägerinnen gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 werden zurückgewiesen. Die Klägerinnen tragen die Kosten des Rechtsstreits jeweils zur Hälfte. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass von ihnen vertriebene Arzneimittel nicht der Abschlagspflicht gemäß § 130a Abs. 3b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegen.
Die Klägerin zu 1) vertreibt das Insulinpräparat Huminsulin® in Deutschland. In einem Lizenz- und Liefervertrag hat sie es der Klägerin zu 2) gestattet, das Insulinpräparat unter dem Handelsnamen Berlinsulin® ebenfalls in Deutschland zu vertreiben. Der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Die Präparate verfügen über ein jeweils eigenes Markenzeichen. Beide Präparate werden von konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin zu 1) in demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang produziert. Nur die Klägerin zu 1) verfügt über die Zellkultur, aus der der Wirkstoff hergestellt wird.
Die Fachinformation für Huminsulin® (Stand: November 2009) gibt als Darreichungsformen an: Huminsulin Normal 100: Injektionslösung in einer Durchstechflasche.
Huminsulin Normal für Pen 3 ml: Injektionslösung in einer Patrone.
Huminsulin Normal Pen: Injektionslösung in einem Fertigpen.
Huminsulin Basal (NPH) 100: Injektionssuspension in einer Durchstechflasche.
Huminsulin Basal (NPH) 100 für Pen 3 ml und Huminsulin Profil III für Pen 3 ml: Injektionssuspension in einer Patrone.
Huminsulin Basal (NPH) 100 Pen und Huminsulin Profil III Pen: Injektionssuspension in einem Fertigpen.
Berlinsulin® wird laut Fachinformation (Stand: Januar 2009) in der Darreichungsform "Injektionslösung in einer Patrone" vertrieben.
Die Originalzulassungen von Huminsulin® und Berlinsulin® beruhen jeweils auf einem vollständigen und eigenständigen Arzneimitteldossier, jedoch auf inhaltlich identischen Zulassungsunterlagen. Die Klägerinnen sind jeweils Zulassungsinhaberinnen für das von ihnen vertriebene Arzneimittel. Seit mindestens 2006 besteht kein Unterlagen- bzw. Patentschutz mehr. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass Berlinsulin® kein Generikum bzw. Biosimilar von Huminsulin® ist.
§ 130a Abs. 3b SGB V (eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung [AVWG] vom 26. April 2006, BGBl. I S. 984, in Kraft seit 1. Mai 2006) lautet:
(3b) Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel erhalten die Krankenkassen ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer; für preisgünstige importierte Arzneimittel gilt Absatz 3a Satz 5 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. Januar 2007 vorgenommen wird, vermindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrages der Preissenkung; wird der Preis innerhalb der folgenden 36 Monate erhöht, erhöht sich der Abschlag nach Satz 1 um den Betrag der Preiserhöhung ab der Wirksamkeit der Preiserhöhung bei der Abrechnung mit der Krankenkasse. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt. Absatz 3a Satz 7 bis 10 gilt entsprechend. Satz 2 gilt nicht für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis nach Satz 1 im Zeitraum von 36 Monaten vor der Preissenkung erhöht worden ist; Preiserhöhungen vor dem 1. Dezember 2006 sind nicht zu berücksichtigen. Für ein Arzneimittel, dessen Preis einmalig zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 1. April 2007 erhöht und anschließend gesenkt worden ist, kann der pharmazeutische Unternehmer den Abschlag nach Satz 1 durch eine ab 1. April 2007 neu vorgenommene Preissenkung von mindestens 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer ablösen, sofern er für die Dauer von zwölf Monaten ab der neu vorgenommenen Preissenkung einen weiteren Abschlag von 2 vom Hundert des Abgabepreises nach Satz 1 gewährt.
Nach der Einführung dieser Regelung kennzeichneten die Klägerinnen Huminsulin® und Berlinsulin® zunächst nicht als abschlagspflichtig, weil es sich ihrer Auffassung nach um biologische und am Markt solitäre Arzneimittel handele.
Im August 2008 veröffentlichten die Vorgängerverbände des Beklagten, die Spitzenverbände der Krankenkassen, einen unter Beteiligung der Verbände der Apotheker und der pharmazeutischen Industrie erstellten "Leitfaden zur Definition des Generikaabschlags nach § 130a Abs. 3b SGB V" (im Folgenden: "Leitfaden") zur Umsetzung des Generikaabschlags. Darin enthalten sind u.a. folgende Formulierungen:
Es kommt nicht darauf an, ob die betreffenden Arzneimittel aufgrund der besonderen Zulassungsvorschriften für Generika (§§ 24a und 24b AMG) im Markt sind. Auch wenn die betreffenden Arzneimittel völlig unabhängig voneinander jeweils auf der Basis von Volldossiers eigenständige Zulassungen erhalten haben, sind sie abschlagspflichtig, sofern es mindestens zwei patentfreie wirkstoffgleiche Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen sind.
Zu 3. Biologische Arzneimittel ( ) Ebenso besteht Abschlagspflicht für biologische Arzneimittel, die mit gleichen Ausgangsstoffen im selben Herstellungsprozess eines Herstellungsbetriebes hergestellt werden. ( )
Zu. 4. Solitäres Fertigarzneimittel ( ) Wenn zu einem patentfreien Originalarzneimittel nur Importarzneimittel am Markt sind, unterliegen die Arzneimittel nicht dem Generikaabschlag. Es gibt zwar einen generikafähigen Markt, jedoch keinen Generikawettbewerb. ( ) Bringen zwei Anbieter patenfreie wirkstoffgleiche Arzneimittel mit den gleichen Warenzeichen im Rahmen des Mitvertriebs in Verkehr, sind die Arzneimittel nicht abschlagspflichtig. Sind zu einem patentfreien Wirkstoff Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen von ausschließlich einem Anbieter im Handel, nehmen diese Arzneimittel eine solitäre Stellung ein und sind somit nicht abschlagspflichtig. Eine Abschlagspflicht wird erst dann begründet, wenn mindestens zwei Anbieter Arzneimittel mit dem betreffenden patentfreien Wirkstoff in Verkehr bringen.
Auf dieser Grundlage vertrat die Seite der Krankenkassen die Auffassung, Huminsulin® und Berlinsulin® seien abschlagspflichtig nach § 130a Abs. 3b SGB V.
Die Klägerinnen entschlossen sich im Juni 2009 [(Klägerin zu 1)] bzw. im März 2009 [(Klägerin zu 2)], die Kennzeichnung von Huminsulin® und Berlinsulin® vorläufig und entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung dahin zu ändern, dass diese als nach § 130a Abs. 3b SGB V abschlagpflichtige Arzneimittel behandelt werden und meldeten die Arzneimittel der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (im Folgenden: IFA GmbH) als abschlagpflichtig. Die IFA GmbH ist als Informationsdienstleister für den deutschen Pharmamarkt eine gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker. Danach führten die Klägerinnen rückwirkend seit Januar 2009 den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V für Huminsulin® und Berlinsulin® ab. Zugleich zahlten sie rückständige Abschläge für die Zeit ab dem 1. Juli 2006 nach.
Die Klägerin zu 1) vertreibt Huminsulin® außerdem unter dem Handelsnamen Huminsulin® Kwikpen™ als Einweginjektionsgerät zur subkutanen Anwendung ("neue Generation des Fertigpen"). Die Fachinformation verzeichnet als Darreichungsform insoweit Injektionssuspension bzw. Injektionslösung in einem Fertigpen. Die Klägerin zu 1) meldete Huminsulin® Kwikpen™ zunächst als am Markt solitäres Arzneimittel, welches nicht der Abschlagspflicht unterfalle, änderte die Kennzeichnung jedoch nachfolgend ab Februar 2011 unter Vorbehalt dahingehend, dass eine Abschlagspflicht bestehe. Huminsulin® Kwikpen™ verfügt über eine eigene Zulassungsnummer und stellt nach Ansicht der Klägerin zu 1) eine eigenständige Darreichungsform des Medikaments dar.
Am 10. Mai 2010 hat die Klägerin zu 1) Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben, um das Nichtbestehen einer Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Huminsulin® feststellen zu lassen. Von dort ist der Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen worden. Am 25. Juli 2011 hat die Klägerin zu 1) ihre Klage dahingehend erweitert, dass auch die Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Huminsulin® Kwikpen™ und Humalog®, ein Insulinanalogon, begehrt wird.
Am 16. März 2011 hat die Klägerin zu 2) vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Am 19. April 2013 hat auch die Klägerin zu 2) ihre Klage um den Antrag auf Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Liprolog®, ein zu Humalog® wirkstoffidentisches Insulinanalogon, erweitert.
Die Klägerinnen haben im Klageverfahren die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit § 130a Abs. 3b SGB V einen Abschlag nur für patentfreie Originalarzneimittel und Generika gewollt. Bei ihren Arzneimitteln Huminsulin® und Berlinsulin® handele es sich hingegen um zwei Originale. Die die Abschlagspflicht rechtfertigende Rabattpraxis gebe es bei ihren Originalpräparaten nicht. Nach den Voraussetzungen im "Leitfaden" seien die Arzneimittel der Klägerinnen ebenfalls nicht abschlagspflichtig: Biosimilars seien nicht auf dem Markt, die Medikamente hätten eine solitäre Stellung. Die von der Beklagten formulierten Ausnahmen zur solitären Marktstellung bewirkten eine Ungleichbehandlung von Co-Promotion, dem Inverkehrbringen unter gleichem Namen, und Co-Marketing, dem hier gegebenen Inverkehrbringen des gleichen Produktes unter unterschiedlichen Marken. Zudem bestehe auch für Importarzneimittel zu Originalarzneimitteln keine Abschlagspflicht. Bei Huminsulin® Kwikpen™ handele es sich um ein solitäres Arzneimittel, da diese Darreichungsform nur von der Klägerin zu 1) angeboten werde. Humalog® und Liprolog® seien dasselbe Arzneimittel und unterlägen schließlich schon deshalb nicht der Abschlagspflicht, da die Klägerinnen nicht pharmazeutische Unternehmer im Sinne des Gesetzes seien.
Mit Urteil vom 31. Mai 2013 [der Klägerin zu 1) zugestellt am 21. Juni 2013, der Klägerin zu 2) zugestellt am 5. Juli 2013] hat das Sozialgericht Berlin die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Alle streitigen Arzneimittel unterlägen der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V. Die Präparate Huminsulin® und Berlinsulin® seien "patentfrei und wirkstoffgleich" im Sinne der gesetzlichen Regelung. Allerdings sei die vom Gesetzgeber gewählte Begrifflichkeit nicht ausreichend, um die nach dem gesetzgeberischen Willen abschlagspflichtigen von den abschlagsfreien Arzneimitteln abzugrenzen. Der Gesetzgeber habe deutlich gemacht, eine Regelung für den generikafähigen Markt treffen zu wollen. Es sei insoweit nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in seinem Leitfaden nach § 130a Abs. 3b Satz 4 i.V.m. Abs. 3a Satz 9 a.F. bzw. Satz 10 n.F. SGB V alle patentfreien und wirkstoffgleichen Arzneimittel der Abschlagspflicht unterwerfe, die zu einander wie Generika in direktem Wettbewerb stünden. Denn beabsichtigt sei mit dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V, Gewinnmöglichkeiten in einer Marktsituation abzuschöpfen, die durch eine Konkurrenz gleicher Produkte gekennzeichnet sei und daher Rabattspielräume im Absatzkampf ermögliche. Eine solche Konkurrenzsituation am Markt liege mit dem praktizierten Co-Marketing vor. Zudem betone der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/194, S. 11 linke Spalte oben), dass "in vielen, jedoch nicht in allen Fällen ( ) die Arzneimittel im generikafähigen Markt auch dadurch bestimmt werden (können), dass sie aufgrund von bestimmten Zulassungsvorschriften für Generika im Markt sind". Neben dem Markt der Generika seien damit auch andere Anwendungsfelder von § 130a Abs. 3b SGB V erfasst. Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung zu anderen Vertriebsstrukturen entstehe dadurch nicht. Durch die Wahl verschiedener Marken- und Warenzeichen führten die Klägerinnen nämlich eine Konkurrenzsituation herbei, die die Abschlagspflicht unabhängig von tatsächlicher Rabattgewährung rechtfertige. Gegeben sei ein Wettbewerb zweier in der Außendarstellung unterschiedlicher Produkte. Im Übrigen sei ohne Belang, ob der "Leitfaden" gegebenenfalls andere Produktgruppen zu Unrecht von der Abschlagspflicht ausnehme, so etwa Importarzneimittel, denn eine Gleichbehandlung im Unrecht könnten die Klägerinnen nicht beanspruchen. Abschlagspflichtig nach § 130a Abs. 3b SGB V sei auch der Huminsulin® Kwikpen™. Mit Huminsulin® und Berlinsulin® seien patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel auf dem Markt. Die von der Klägerin zu 1) angebotene Form des Fertigpen mache das Präparat nicht zu einem solitären Fertigarzneimittel. Denn die Klägerin zu 1) verwende insoweit nur ein besonderes Behältnis für die Darreichung, während Wirkstoff und Darreichungsart identisch seien. Letzteres sei entscheidend. In Zusammenhang mit § 130a Abs. 3b SGB V komme es auf den Wirkstoff an. Eine Umgehung der Norm dürfe nicht durch minimale Änderungen in der Darreichungsform ermöglicht werden. Seit Dezember 2010 unterlägen schließlich auch Humalog® und Liprolog® der Abschlagspflicht, denn die Klägerinnen fungierten auch insoweit als pharmazeutische Unternehmer im Sinne von § 130a Abs. 3b SGB V, obwohl sie nicht Inhaberinnen der Arzneimittelzulassung seien.
Mit den am 22. Juli 2013 (Montag) erhobenen Berufungen verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 das Verfahren getrennt. Der die Arzneimittel Humalog® und Liprolog® betreffende Teil des Rechtstreits wird unter dem Aktenzeichen L 9 KR 563/16 fortgeführt.
Die Klägerin zu 1) hat im vorliegenden Verfahren die notwendige Beiladung der rund 130 Krankenkassen angeregt, die den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V für die streitigen Arzneimittel gegenüber den Apotheken berechnen. Eine Entscheidung über die Berufung könne auch gegenüber den Krankenkassen nur einheitlich ergehen. Insoweit könne nichts anderes gelten als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall B 1 KR 18/12 R. Den Klägerinnen könne nach einem Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit nicht zugemutet werden, weitere Prozesse gegen die gesetzlichen Krankenkassen zu führen. Davon abgesehen sei der Zwangsabschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V nur auf Generika und ihre Referenzarzneimittel zu erheben. Seine Anwendung auf die streitgegenständlichen Präparate erzeuge Wertungswidersprüche und sei ungerecht. Geboten sei eine restriktive Anwendung der Vorschrift auf solche Arzneimittel, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Abschlages gemeint habe, nämlich Generika und ihre Referenzarzneimittel. Originalarzneimittel ohne Generika fielen nicht in den Anwendungsbereich der Regelung, an deren bloßem Wortlaut man nicht haften bleiben dürfe. Soweit der "Leitfaden" anderes regele, sei dies verfassungswidrig und entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Der Huminsulin® Kwikpen™ sei ein solitäres Arzneimittel, denn sein Einwegcharakter bringe besondere Gebrauchsvorteile. Das Sozialgericht habe insoweit den Begriff der Darreichungsform fehlinterpretiert.
Die Klägerin zu 2) bringt im Wesentlichen vor: Berlinsulin® unterfalle nicht dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V. Der Wortlaut des Gesetzes sei in erheblichem Maße auslegungsbedürftig, denn was "wirkstoffgleich" bedeute, erschließe sich nicht ohne Weiteres. "Wirkstoffidentisch" sei jedenfalls nicht "wirkstoffgleich". Aus der Gesetzgebungsgeschichte sei eindeutig zu schließen, dass der Gesetzgeber eine Regelung nur für Generika und ihre Referenzarzneimittel habe treffen wollen. Das Sozialgericht interpretiere die Gesetzesbegründung unrichtig. Der "Leitfaden" erweitere die gesetzliche Grundaussage und sei daher unwirksam; zudem führten seine Regelungen zu einer willkürlichen Schlechterstellung von im Co-Marketing vertriebenen Präparaten.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Arzneimittel Huminsulin® und Huminsulin® KwikPenTM zu keinem Zeitpunkt der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b) SGB V unterfielen bzw. unterfallen und dass die Klägerin zu 1) nicht verpflichtet war bzw. ist, den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu zahlen.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 aufzuheben sowie festzustellen, dass das Arzneimittel Berlinsulin® zu keinem Zeitpunkt der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b) SGB V unterfiel bzw. unterfällt und dass die Klägerin zu 2) nicht verpflichtet war bzw. ist, den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Eine Beiladung einzelner Krankenkassen sei nicht rechtlich geboten, weil das Verfahren lediglich eine Vorfrage zu einer etwaigen Leistungspflicht der Klägerinnen betreffe. Die Rechtssphäre von Krankenkassen sei hier nicht unmittelbar berührt. Im Übrigen habe das Sozialgericht die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V gelte nicht ausschließlich für Generika und ihre Referenzarzneimittel. Der Wortlaut des Gesetzes sei weit gefasst und erfasse die Vertriebssituation von Huminsulin® und Berlinsulin®, denn diese seien patentfrei und wirkstoffgleich. In der vom Sozialgericht zutreffend zitierten Passage der Gesetzesbegründung habe auch der Gesetzgeber den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V nicht auf Generika und ihre Referenzarzneimittel begrenzen wollen. Gedeckt sei diese Sichtweise vom Zweck des Gesetzes, der von dem Willen getragen sei, zuvor an Apotheken geleistete Rabatte den Krankenkassen zugutekommen zu lassen und so zur finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung beizutragen. Der Begriff "Generikaabschlag" grenze nur ab zum "Herstellerabschlag" nach § 130a Abs. 1 SGB V und umfasse lediglich den Hauptanwendungsbereich von § 130a Abs. 3b SGB V. Der "Leitfaden" sei verbindlich, gemeinsam erarbeitet auch mit den Verbänden der pharmazeutischen Industrie und sehe die Einbeziehung von Arzneimitteln wie Huminsulin® und Berlinsulin® in den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V vor. Die Abschlagspflicht umfasse auch den Huminsulin® Kwikpen™, denn mit ihm werde Huminsulin® lediglich in einem anderen Behältnis vertrieben.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen haben keinen Erfolg.
A. Die Feststellungsklagen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind zulässig. Die Frage, ob die streitgegenständlichen Arzneimittel dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegen, betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14ff.). Der Gesetzgeber hat ein besonderes Verfahren für die praktische Abwicklung des den pharmazeutischen Unternehmern auferlegten Abschlags nach § 130a Abs. 1 SGB V (Herstellerabschlag) vorgesehen. Dieses Verfahren gilt über die Verweisung in § 130a Abs. 3b Satz 4 SGB V auf Abs. 3a Satz 7 bis 10 (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 2010, BGBl. I 983, in Kraft ab 30. Juli 2010; bis dahin § 130a Abs. 3a Satz 5 bis 8) auch für die praktische Abwicklung des Abschlags nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V. Nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen den Herstellerabschlag von den Apotheken. Die pharmazeutischen Unternehmer müssen den Apotheken diesen Aufwand ersetzen § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V. In der Praxis wird der Herstellerabschlag über die Apothekenrechenzentren abgewickelt, über die fast alle niedergelassenen Apotheker abrechnen. Der Apotheker reicht seine taxierten Rezepte bei seinem Apothekenrechenzentrum ein. Auf den Rezepten ist insbesondere die so genannte Pharmazentralnummer (PZN) als maschinenlesbares Kennzeichen aufgetragen (vgl. § 300 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die PZN ist das Kennzeichen, das die Arzneimittelpackungen eindeutig identifiziert. Die Apothekenrechenzentren wandeln die Rezeptdaten in eine elektronische Form um und übermitteln diese an die Krankenkassen (§ 300 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen überweisen sodann innerhalb von zehn Tagen die abgerechneten Rezeptbeträge abzüglich der gesetzlichen Abschläge nach § 130 SGB V (Apothekenrabatt) und § 130a SGB V (Herstellerabschlag und Generikaabschlag) an das Apothekenrechenzentrum. Dieses fordert Ersatz für die "verauslagten" Abschläge nach § 130a SGB V für alle von ihm vertretenen Apotheken bei den jeweiligen pharmazeutischen Unternehmern an (vgl. insoweit die vom Bundessozialgericht am 2. Juli 2013 entschiedene Streitsache B 1 KR 18/12 R) und leitet die Beträge an die einzelnen Apotheken weiter. Über diesen Weg erhält sodann die Apotheke den vollen Rezeptbetrag (abzüglich des Apothekenrabattes nach § 130 SGB V) und der pharmazeutische Unternehmer erbringt auf diese Art und Weise die Abschläge nach § 130a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3b Satz 1 SGB V.
Eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmern besteht daher bei der Abwicklung der Abschläge nach § 130a SGB V nicht. Vielmehr erfolgt die Abwicklung in den beiden Leistungsbeziehungen Krankenkasse / Apotheker und Apotheker / pharmazeutischer Unternehmer. Nachteil dieser gesetzlichen Konstruktion ist, dass es zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen keine direkte Ebene gibt, auf welcher der Streit über das Bestehen einer Abschlagspflicht nach § 130a SGB V ausgetragen werden kann (vgl. Schneider injurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 130a Rdnr27).
Dieses Abrechnungssystem kann nur funktionieren, wenn zu den einzelnen PZNn die richtigen Daten hinterlegt sind. Grundlage sind die von dem pharmazeutischen Unternehmer an die IFA GmbH übermittelten Stammdaten (vgl. § 131 Abs. 4 SGB V), die dann letztlich über mehrere Verarbeitungsschritte in der "Lauer-Taxe" ausgewiesen werden. Auch wenn § 131 Abs. 4 SGB V mehrfach den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) als bedeutende Organisation in dem Abrechnungswesen erwähnt, werden alle maßgeblichen Schritte faktisch durch den in § 131 Abs. 4 Satz 1 SGB V ebenfalls genannten Beklagten durchgeführt. Die hervorgehobene Funktion des Beklagten in diesem Datenverkehr spiegelt insbesondere § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V wider, der vorsieht, dass der Beklagte "das Nähere" (zu den Abschlägen und deren Abwicklung) regelt. Der Beklagte übernimmt daher für die gesetzliche Krankenversicherung die Aufgabe, alle relevanten Verfahrensregelungen für den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu treffen und auch über Einstufungsfragen zu entscheiden. Dabei dient der von ihm erstellte "Leitfaden" mit den Teilen A (Erläuterungen zur Zulassung von Generika), B (Kriterien zur Abschlagspflicht) und C (Verfahrensabsprachen zur Produktkennzeichnung) u.a. der Beschreibung von Fällen, die nicht der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V unterfallen sollen.
Da der Beklagte bei seiner Tätigkeit entscheidend von den durch die pharmazeutische Industrie übermittelten Daten abhängig war, hat er diese in der Folgezeit überprüft und zu diesem Zwecke Fehlerkontrollverfahren durchgeführt. Die Ergebnisse des Fehlerkontrollverfahrens zu Huminsulin®, Huminsulin® Kwikpen™ und Berlinsulin® sind Ursache des vorliegenden Rechtsstreits.
Infolge der Maßnahmen des Beklagten zur Ausgestaltung der zum 1. April 2006 eingeführten Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, die sich auf die Preisfestsetzung und die Einkunftsmöglichkeiten der Klägerinnen auswirken, besteht zwischen ihnen und dem Beklagten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (§ 69 Abs. 1 SGB V), das eine dem Feststellungsinteresse unterliegende Rechtsfrage aufwirft, die mit vorliegendem Rechtsstreit abschließend geklärt werden kann.
Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG besteht, weil im Falle des Erfolgs der Klage die abgeführten Abschläge rückabzuwickeln sind (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, Rdnr. 18).
Gleichwohl hat der Senat von einer Beiladung gegebenenfalls erstattungspflichtiger Krankenkassen abgesehen. Weil – wie gezeigt – zwischen diesen und den Klägerinnen keine unmittelbare Leistungsbeziehung besteht, liegt kein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG vor, denn der Rechtsstreit betrifft die Vorfrage der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, so dass nicht die Rede davon sein kann, dass die Entscheidung auch den Krankenkassen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Insofern liegt der Fall auch anders als der vom Bundessozialgericht am 2. Juli 2013 entschiedene (B 1 KR 18/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13), in dem über die Klage eines Apothekenrechenzentrums gegen einen pharmazeutischen Hersteller zu urteilen war; dort waren alle betroffenen Krankenkassen beizuladen, denn das Rechenzentrum beanspruchte von dem Hersteller genau den Betrag, den die beizuladenden Krankenkassen vom Rechenzentrum einforderten. Damit füllte das Rechenzentrum seine Rolle als Bindeglied zwischen pharmazeutischen Herstellern und Krankenkassen aus. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Von einer einfachen Beiladung der von der Klägerin zu 1) benannten rund 130 Krankenkassen nach § 75 Abs. 1 SGG hat der Senat abgesehen, weil eine solche Vielzahl von Prozessbeteiligten eine sachgerechte Handhabung des Verfahrens stark erschwert und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erzeugt hätte.
B. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Die drei streitigen Arzneimittel unterlagen und unterliegen der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, so dass die Klägerinnen verpflichtet waren und verpflichtet sind, den Abschlag zu entrichten.
1. Nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer.
Neben diesem Abschlag wird zudem für alle von § 130a Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB V erfassten Fertigarzneimittel der Herstellerabschlag erhoben. Dieser betrug nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V 6 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers bis zum 31. Juli 2010 und nach § 130a Abs. 1a Satz 1 SGB V 16 % des Abgabepreises im Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013. Anschließend galt zunächst wieder ein Herstellerabschlag von 6 %, der sodann durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 27. März 2014 (BGBl. I 261) mit Wirkung ab 1. April 2014 auf 7 % erhöht worden ist.
Nach § 130a Abs. 1a Satz 2 SGB V galt der erhöhte Herstellerabschlag von 16 % allerdings nicht für die patentfreien, wirkstoffgleichen Arzneimittel nach § 130b Abs. 3b Satz 1 SGB V. Damit waren die Abschläge für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel und die sonstigen von § 130a Abs. 1 erfassten Fertigarzneimittel - abgesehen von möglichen Ausnahmen nach § 130a Abs. 1a Satz 4 bis 8, Abs. 3 oder Abs. 3b Satz 2 bis 6 SGB V - in der Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 mit 16 % grundsätzlich der Höhe nach identisch.
2. Huminsulin® und Berlinsulin® sind von der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V erfasst, denn es handelt sich um "patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel" im Sinne der Vorschrift.
a) Das Merkmal der Patentfreiheit wird von den Beteiligten nicht kontrovers betrachtet. Unstreitig besteht für Huminsulin® und Berlinsulin® mindestens seit dem Jahr 2006 kein Unterlagen- bzw. Patentschutz mehr.
b) Zur Überzeugung des Senats sind die beiden Präparate auch wirkstoffgleich.
aa) Beide Präparate werden in demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang produziert, so dass sie sogar, was unstreitig ist, als wirkstoffidentisch bezeichnet werden können. Nach allgemeinem Sprachverständnis geht die "Identität" noch weiter als die "Gleichheit" zweier Stoffe, so dass eine Wirkstoffidentität erst recht das Erfordernis der Wirkstoffgleichheit erfüllt: "Identisch" bedeutet "vollkommen gleich" (vgl. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/identisch). Der die Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V in Gang setzende Wortlaut der Norm ist damit – aus Sicht des Senats ohne jeden vernünftigen Zweifel – erfüllt.
bb) Dieses Ergebnis ist zwanglos mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar. Zwar hatte der Gesetzgeber im Wesentlichen den "generikafähigen Markt" im Blick, als er die Regelung in § 130a Abs. 3b SGB V schuf (vgl. BT-Drs. 16/194, Seite 10 r.Sp. unten). Dem Abschlag unterliegen sollten aber "alle patentfreien wirkstoffgleichen Arzneimittel, für die es mindestens zwei wirkstoffgleiche Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen gibt". "In der Regel" seien dies die patentfreien Arzneimittel in den Festbetragsgruppen nach § 35 SGB V. Den seinerzeitigen Spitzenverbänden der Krankenlassen wurde aber zugleich die Befugnis eingeräumt, das Nähere zu regeln und dabei auch "weitere patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel benennen, für welche der Abschlag gilt". Ausdrücklich heißt es sodann in der Gesetzesbegründung (a.a.O., S. 11, li. Sp. oben): "In vielen, jedoch nicht in allen Fällen, können die Arzneimittel im generikafähigen Markt dadurch bestimmt werden, dass sie aufgrund von bestimmten Zulassungsvorschriften für Generika am Markt sind." In Würdigung all dessen kommt der Senat zu demselben Ergebnis wie das Sozialgericht in seiner mit den Berufungen angegriffenen Entscheidung: Schon die Gesetzesbegründung ließ eine Erstreckung des Abschlags auf patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel zu, bei denen es sich nicht um Generika im eigentlichen Sinne handelt.
Das ist auch sachgerecht. Denn die hier streitigen Präparate Huminsulin® und Berlinsulin® stehen genauso mit einander im Wettbewerb wie ein Generikum und sein Referenzarzneimittel. Das liegt auf der Hand und wird ausdrücklich auch von der Klägerin zu 2) in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2016 eingeräumt. Insgesamt zieht die am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung nicht nur ein eindeutiges Ergebnis nach sich; dieses Ergebnis ist auch plausibel und fügt sich in die Intention des Gesetzgebers.
cc) Unabhängig davon ist juristisch-methodisch kein Raum dafür, am eindeutigen Ergebnis der Wortauslegung vorbei zu einem anderen Resultat zu finden, indem der von den Klägerinnen vertretenen historischen Auslegung fallentscheidendes Gewicht beigemessen wird, wonach es Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, ausschließlich Generika und ihre Referenzarzneimittel unter den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu fassen.
(1) Maßgeblich ist nämlich stets der objektive, sich im Wortlaut einer Norm manifestierende Inhalt des Gesetzes; der Wortsinn stellt die Grenze der Auslegung dar (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1992, 1 BvR 698/89, zitiert nach juris, dort Rdnr. 96; Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2009, B 11 AL 32/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 unter Hinweis auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 324 und 366; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 9. Aufl. 2005, S. 47). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Januar 2011, 1 BvR 918/10, zitiert nach juris, dort Rdnr. 53).
Hinsichtlich der Auslegung eines Gesetzes unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung hat das Bundesverfassungsgericht insoweit ausgeführt (u.a. Urteil vom 16. Februar 1983, 2 BvE 1/83 u.a., zitiert nach juris, dort Rdnr. 124 m.w.N.): "Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden sollen, als sie auf einen `objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen´ ( ). Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen ( )"
(2) Eine teleologische Reduktion der in § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V enthaltenen Regelung ist dem Senat vor diesem Hintergrund verschlossen. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten unter anderem dann zu, wenn die Vorschrift nach ihrem Normtext Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt. Liegt eine solche Lücke vor, ist sie durch Hinzufügung einer dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden Einschränkung zu schließen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Mai 2014, 5 C 27/13, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22 unter Hinweis auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 375 f.). Für eine offene, sich über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzende Rechtsfortbildung bedarf es schwerwiegender Gründe, die sich am Gedanken der Rechtssicherheit und am System der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) messen lassen müssen. Ein Gericht darf daher den Wortlaut eines Parlamentsgesetzes nur dann über den methodischen Kunstgriff der teleologischen Reduktion beschneiden, wenn der Regelungsirrtum des Gesetzgebers evident ist und verfassungsrechtliche Wertentscheidungen dies gebieten (vgl. Zippelius, a.a.O., S. 71).
Hieran gemessen kann von einer "planwidrigen Gesetzeslücke" keine Rede sein, schon gar nicht von einer evidenten, offensichtlich ungerechten Fehlregelung. § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V ist nicht etwa versehentlich zu weit gefasst, sondern gibt nur wieder, was der Intention des Gesetzgebers entspricht (vgl. oben bb).
dd) Angesichts all dessen tritt die rechtliche Bedeutung des unter Beteiligung der pharmazeutischen Industrie erstellten und der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden "Leitfadens zur Definition des Generikaabschlags nach § 130a Abs. 3b SGB V" in den Hintergrund. Aus den im Tatbestand zitierten Passagen ergibt sich, dass Präparate wie Huminsulin® und Berlinsulin® von der Abschlagspflicht erfasst sein sollen. Die im Leitfaden enthaltenen Regelungen entsprechen damit dem im Gesetz enthaltenen Handlungsbefehl. Der Beklagte hat insoweit seiner Aufgabe genügt, in dem Leitfaden die gesetzlichen Vorgaben nachzuzeichnen, ohne den Tatbestand der Norm selbständig und mit normativer Kraft zu erweitern (vgl. insoweit Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27).
Ohne rechtlichen Belang ist es, ob der Leitfaden andere Konstellationen rechtmäßig von der Abschlagspflicht ausnimmt, etwa Importarzneimittel. Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit darauf hingewiesen, dass Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 17. Januar 1979, 1 BvL 25/77, zitiert nach juris, dort Rdnr. 59).
Allerdings hat der Senat im Rahmen der stets vorzunehmenden Willkürkontrolle nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu prüfen, ob der Beklagte zu Lasten der Klägerinnen allein gegenüber den von ihnen vertriebenen Präparaten verschärfte Maßstäbe angelegt hat, während er in dem Leitfaden andere Konstellationen weniger strengen Maßstäben unterzieht (vgl. Urteil des Senats vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL [Lacteol®], zitiert nach juris, dort Rdnr. 79).
Eine willkürliche Schlechterstellung der Klägerinnen vermag der Senat indessen nicht zu erkennen. Soweit der Leitfaden eine Abschlagspflicht verneint, wenn zwei Anbieter ein identisches Präparat unter dem gleichen Warenzeichen anbieten, erscheint dies sachgerecht, weil hier schon keine zwei Arzneimittel in Verkehr gebracht werden, wie § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V es voraussetzt. Auch erscheint eine besondere Behandlung von Importarzneimitteln angesichts deren besonderer Marktposition plausibel, zumal Importe und Originalarzneimittel in der Regel über identische Warenzeichen verfügen. Willkürfrei und gesetzeskonform durfte der Leitfaden daher regeln, dass eine Abschlagspflicht erst entsteht, wenn zwei Anbieter Produkte mit verschiedenen Warenzeichen anbieten, weil erst dann eine Wettbewerbssituation vorliegt.
3. Zu Recht hat das Sozialgericht auch entschieden, dass das Produkt Huminsulin® Kwikpen™ von der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V erfasst ist.
Mit diesem Produkt hat die Klägerin zu 1) keine neue Darreichungsform auf den Markt gebracht, die es rechtfertigen würde, es als Solitärarzneimittel zu behandeln. Mit dem Kwikpen vertreibt die Klägerin zu 1) Huminsulin® als Einwegprodukt. Der Wirkstoff ist und bleibt Huminsulin®. Die Darreichungsform "Injektionslösung in einem Fertigpen" ist gleichermaßen in den Fachinformationen von Huminsulin® und von Huminsulin® Kwikpen™ vorgesehen. Der Kwikpen stellt lediglich ein spezielles Behältnis dar, aus dem heraus Huminsulin® per Injektion verabreicht wird. Es kann für die Frage der Abschlagspflicht keinen Unterschied machen, ob derselbe Wirkstoff über ein Einweggerät injiziert wird oder über ein mehrfach verwendbares Gerät, in das jeweils frische Patronen einzugeben sind. Der mit dem Einweggerät nach dem Vorbringen der Klägerin zu 1) entstehende Gebrauchsvorteil rechtfertigt es nicht, dem Kwikpen die Stellung eines Solitärarzneimittels einzuräumen.
4. Eine Entscheidung zur Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V für die Arzneimittel Humalog® und Liprolog® wird der Senat nach weiteren Ermittlungen zum Sachverhalt in der abgetrennten Streitsache L 9 KR 563/16 treffen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 und 159 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 100 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Tatbestand:
Die Klägerinnen begehren die Feststellung, dass von ihnen vertriebene Arzneimittel nicht der Abschlagspflicht gemäß § 130a Abs. 3b Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) unterliegen.
Die Klägerin zu 1) vertreibt das Insulinpräparat Huminsulin® in Deutschland. In einem Lizenz- und Liefervertrag hat sie es der Klägerin zu 2) gestattet, das Insulinpräparat unter dem Handelsnamen Berlinsulin® ebenfalls in Deutschland zu vertreiben. Der Wirkstoff und die Zusammensetzung beider Präparate sind identisch. Die Präparate verfügen über ein jeweils eigenes Markenzeichen. Beide Präparate werden von konzernverbundenen Unternehmen der Klägerin zu 1) in demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang produziert. Nur die Klägerin zu 1) verfügt über die Zellkultur, aus der der Wirkstoff hergestellt wird.
Die Fachinformation für Huminsulin® (Stand: November 2009) gibt als Darreichungsformen an: Huminsulin Normal 100: Injektionslösung in einer Durchstechflasche.
Huminsulin Normal für Pen 3 ml: Injektionslösung in einer Patrone.
Huminsulin Normal Pen: Injektionslösung in einem Fertigpen.
Huminsulin Basal (NPH) 100: Injektionssuspension in einer Durchstechflasche.
Huminsulin Basal (NPH) 100 für Pen 3 ml und Huminsulin Profil III für Pen 3 ml: Injektionssuspension in einer Patrone.
Huminsulin Basal (NPH) 100 Pen und Huminsulin Profil III Pen: Injektionssuspension in einem Fertigpen.
Berlinsulin® wird laut Fachinformation (Stand: Januar 2009) in der Darreichungsform "Injektionslösung in einer Patrone" vertrieben.
Die Originalzulassungen von Huminsulin® und Berlinsulin® beruhen jeweils auf einem vollständigen und eigenständigen Arzneimitteldossier, jedoch auf inhaltlich identischen Zulassungsunterlagen. Die Klägerinnen sind jeweils Zulassungsinhaberinnen für das von ihnen vertriebene Arzneimittel. Seit mindestens 2006 besteht kein Unterlagen- bzw. Patentschutz mehr. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass Berlinsulin® kein Generikum bzw. Biosimilar von Huminsulin® ist.
§ 130a Abs. 3b SGB V (eingeführt durch das Gesetz zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung [AVWG] vom 26. April 2006, BGBl. I S. 984, in Kraft seit 1. Mai 2006) lautet:
(3b) Für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel erhalten die Krankenkassen ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer; für preisgünstige importierte Arzneimittel gilt Absatz 3a Satz 5 entsprechend. Eine Absenkung des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer, die ab dem 1. Januar 2007 vorgenommen wird, vermindert den Abschlag nach Satz 1 in Höhe des Betrages der Preissenkung; wird der Preis innerhalb der folgenden 36 Monate erhöht, erhöht sich der Abschlag nach Satz 1 um den Betrag der Preiserhöhung ab der Wirksamkeit der Preiserhöhung bei der Abrechnung mit der Krankenkasse. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 30 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt. Absatz 3a Satz 7 bis 10 gilt entsprechend. Satz 2 gilt nicht für ein Arzneimittel, dessen Abgabepreis nach Satz 1 im Zeitraum von 36 Monaten vor der Preissenkung erhöht worden ist; Preiserhöhungen vor dem 1. Dezember 2006 sind nicht zu berücksichtigen. Für ein Arzneimittel, dessen Preis einmalig zwischen dem 1. Dezember 2006 und dem 1. April 2007 erhöht und anschließend gesenkt worden ist, kann der pharmazeutische Unternehmer den Abschlag nach Satz 1 durch eine ab 1. April 2007 neu vorgenommene Preissenkung von mindestens 10 vom Hundert des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer ablösen, sofern er für die Dauer von zwölf Monaten ab der neu vorgenommenen Preissenkung einen weiteren Abschlag von 2 vom Hundert des Abgabepreises nach Satz 1 gewährt.
Nach der Einführung dieser Regelung kennzeichneten die Klägerinnen Huminsulin® und Berlinsulin® zunächst nicht als abschlagspflichtig, weil es sich ihrer Auffassung nach um biologische und am Markt solitäre Arzneimittel handele.
Im August 2008 veröffentlichten die Vorgängerverbände des Beklagten, die Spitzenverbände der Krankenkassen, einen unter Beteiligung der Verbände der Apotheker und der pharmazeutischen Industrie erstellten "Leitfaden zur Definition des Generikaabschlags nach § 130a Abs. 3b SGB V" (im Folgenden: "Leitfaden") zur Umsetzung des Generikaabschlags. Darin enthalten sind u.a. folgende Formulierungen:
Es kommt nicht darauf an, ob die betreffenden Arzneimittel aufgrund der besonderen Zulassungsvorschriften für Generika (§§ 24a und 24b AMG) im Markt sind. Auch wenn die betreffenden Arzneimittel völlig unabhängig voneinander jeweils auf der Basis von Volldossiers eigenständige Zulassungen erhalten haben, sind sie abschlagspflichtig, sofern es mindestens zwei patentfreie wirkstoffgleiche Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen sind.
Zu 3. Biologische Arzneimittel ( ) Ebenso besteht Abschlagspflicht für biologische Arzneimittel, die mit gleichen Ausgangsstoffen im selben Herstellungsprozess eines Herstellungsbetriebes hergestellt werden. ( )
Zu. 4. Solitäres Fertigarzneimittel ( ) Wenn zu einem patentfreien Originalarzneimittel nur Importarzneimittel am Markt sind, unterliegen die Arzneimittel nicht dem Generikaabschlag. Es gibt zwar einen generikafähigen Markt, jedoch keinen Generikawettbewerb. ( ) Bringen zwei Anbieter patenfreie wirkstoffgleiche Arzneimittel mit den gleichen Warenzeichen im Rahmen des Mitvertriebs in Verkehr, sind die Arzneimittel nicht abschlagspflichtig. Sind zu einem patentfreien Wirkstoff Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen von ausschließlich einem Anbieter im Handel, nehmen diese Arzneimittel eine solitäre Stellung ein und sind somit nicht abschlagspflichtig. Eine Abschlagspflicht wird erst dann begründet, wenn mindestens zwei Anbieter Arzneimittel mit dem betreffenden patentfreien Wirkstoff in Verkehr bringen.
Auf dieser Grundlage vertrat die Seite der Krankenkassen die Auffassung, Huminsulin® und Berlinsulin® seien abschlagspflichtig nach § 130a Abs. 3b SGB V.
Die Klägerinnen entschlossen sich im Juni 2009 [(Klägerin zu 1)] bzw. im März 2009 [(Klägerin zu 2)], die Kennzeichnung von Huminsulin® und Berlinsulin® vorläufig und entgegen ihrer eigenen Rechtsauffassung dahin zu ändern, dass diese als nach § 130a Abs. 3b SGB V abschlagpflichtige Arzneimittel behandelt werden und meldeten die Arzneimittel der Informationsstelle für Arzneimittelspezialitäten GmbH (im Folgenden: IFA GmbH) als abschlagpflichtig. Die IFA GmbH ist als Informationsdienstleister für den deutschen Pharmamarkt eine gemeinsame Clearingstelle der pharmazeutischen Industrie, des pharmazeutischen Großhandels und der Apotheker. Danach führten die Klägerinnen rückwirkend seit Januar 2009 den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V für Huminsulin® und Berlinsulin® ab. Zugleich zahlten sie rückständige Abschläge für die Zeit ab dem 1. Juli 2006 nach.
Die Klägerin zu 1) vertreibt Huminsulin® außerdem unter dem Handelsnamen Huminsulin® Kwikpen™ als Einweginjektionsgerät zur subkutanen Anwendung ("neue Generation des Fertigpen"). Die Fachinformation verzeichnet als Darreichungsform insoweit Injektionssuspension bzw. Injektionslösung in einem Fertigpen. Die Klägerin zu 1) meldete Huminsulin® Kwikpen™ zunächst als am Markt solitäres Arzneimittel, welches nicht der Abschlagspflicht unterfalle, änderte die Kennzeichnung jedoch nachfolgend ab Februar 2011 unter Vorbehalt dahingehend, dass eine Abschlagspflicht bestehe. Huminsulin® Kwikpen™ verfügt über eine eigene Zulassungsnummer und stellt nach Ansicht der Klägerin zu 1) eine eigenständige Darreichungsform des Medikaments dar.
Am 10. Mai 2010 hat die Klägerin zu 1) Klage vor dem Sozialgericht Gießen erhoben, um das Nichtbestehen einer Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Huminsulin® feststellen zu lassen. Von dort ist der Rechtsstreit an das Sozialgericht Berlin verwiesen worden. Am 25. Juli 2011 hat die Klägerin zu 1) ihre Klage dahingehend erweitert, dass auch die Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Huminsulin® Kwikpen™ und Humalog®, ein Insulinanalogon, begehrt wird.
Am 16. März 2011 hat die Klägerin zu 2) vor dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben. Das Sozialgericht hat die beiden Verfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Am 19. April 2013 hat auch die Klägerin zu 2) ihre Klage um den Antrag auf Feststellung der fehlenden Abschlags- und Kennzeichnungspflicht für Liprolog®, ein zu Humalog® wirkstoffidentisches Insulinanalogon, erweitert.
Die Klägerinnen haben im Klageverfahren die Auffassung vertreten, der Gesetzgeber habe mit § 130a Abs. 3b SGB V einen Abschlag nur für patentfreie Originalarzneimittel und Generika gewollt. Bei ihren Arzneimitteln Huminsulin® und Berlinsulin® handele es sich hingegen um zwei Originale. Die die Abschlagspflicht rechtfertigende Rabattpraxis gebe es bei ihren Originalpräparaten nicht. Nach den Voraussetzungen im "Leitfaden" seien die Arzneimittel der Klägerinnen ebenfalls nicht abschlagspflichtig: Biosimilars seien nicht auf dem Markt, die Medikamente hätten eine solitäre Stellung. Die von der Beklagten formulierten Ausnahmen zur solitären Marktstellung bewirkten eine Ungleichbehandlung von Co-Promotion, dem Inverkehrbringen unter gleichem Namen, und Co-Marketing, dem hier gegebenen Inverkehrbringen des gleichen Produktes unter unterschiedlichen Marken. Zudem bestehe auch für Importarzneimittel zu Originalarzneimitteln keine Abschlagspflicht. Bei Huminsulin® Kwikpen™ handele es sich um ein solitäres Arzneimittel, da diese Darreichungsform nur von der Klägerin zu 1) angeboten werde. Humalog® und Liprolog® seien dasselbe Arzneimittel und unterlägen schließlich schon deshalb nicht der Abschlagspflicht, da die Klägerinnen nicht pharmazeutische Unternehmer im Sinne des Gesetzes seien.
Mit Urteil vom 31. Mai 2013 [der Klägerin zu 1) zugestellt am 21. Juni 2013, der Klägerin zu 2) zugestellt am 5. Juli 2013] hat das Sozialgericht Berlin die Klagen abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Alle streitigen Arzneimittel unterlägen der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V. Die Präparate Huminsulin® und Berlinsulin® seien "patentfrei und wirkstoffgleich" im Sinne der gesetzlichen Regelung. Allerdings sei die vom Gesetzgeber gewählte Begrifflichkeit nicht ausreichend, um die nach dem gesetzgeberischen Willen abschlagspflichtigen von den abschlagsfreien Arzneimitteln abzugrenzen. Der Gesetzgeber habe deutlich gemacht, eine Regelung für den generikafähigen Markt treffen zu wollen. Es sei insoweit nicht zu beanstanden, dass der Beklagte in seinem Leitfaden nach § 130a Abs. 3b Satz 4 i.V.m. Abs. 3a Satz 9 a.F. bzw. Satz 10 n.F. SGB V alle patentfreien und wirkstoffgleichen Arzneimittel der Abschlagspflicht unterwerfe, die zu einander wie Generika in direktem Wettbewerb stünden. Denn beabsichtigt sei mit dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V, Gewinnmöglichkeiten in einer Marktsituation abzuschöpfen, die durch eine Konkurrenz gleicher Produkte gekennzeichnet sei und daher Rabattspielräume im Absatzkampf ermögliche. Eine solche Konkurrenzsituation am Markt liege mit dem praktizierten Co-Marketing vor. Zudem betone der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 16/194, S. 11 linke Spalte oben), dass "in vielen, jedoch nicht in allen Fällen ( ) die Arzneimittel im generikafähigen Markt auch dadurch bestimmt werden (können), dass sie aufgrund von bestimmten Zulassungsvorschriften für Generika im Markt sind". Neben dem Markt der Generika seien damit auch andere Anwendungsfelder von § 130a Abs. 3b SGB V erfasst. Eine rechtswidrige Ungleichbehandlung zu anderen Vertriebsstrukturen entstehe dadurch nicht. Durch die Wahl verschiedener Marken- und Warenzeichen führten die Klägerinnen nämlich eine Konkurrenzsituation herbei, die die Abschlagspflicht unabhängig von tatsächlicher Rabattgewährung rechtfertige. Gegeben sei ein Wettbewerb zweier in der Außendarstellung unterschiedlicher Produkte. Im Übrigen sei ohne Belang, ob der "Leitfaden" gegebenenfalls andere Produktgruppen zu Unrecht von der Abschlagspflicht ausnehme, so etwa Importarzneimittel, denn eine Gleichbehandlung im Unrecht könnten die Klägerinnen nicht beanspruchen. Abschlagspflichtig nach § 130a Abs. 3b SGB V sei auch der Huminsulin® Kwikpen™. Mit Huminsulin® und Berlinsulin® seien patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel auf dem Markt. Die von der Klägerin zu 1) angebotene Form des Fertigpen mache das Präparat nicht zu einem solitären Fertigarzneimittel. Denn die Klägerin zu 1) verwende insoweit nur ein besonderes Behältnis für die Darreichung, während Wirkstoff und Darreichungsart identisch seien. Letzteres sei entscheidend. In Zusammenhang mit § 130a Abs. 3b SGB V komme es auf den Wirkstoff an. Eine Umgehung der Norm dürfe nicht durch minimale Änderungen in der Darreichungsform ermöglicht werden. Seit Dezember 2010 unterlägen schließlich auch Humalog® und Liprolog® der Abschlagspflicht, denn die Klägerinnen fungierten auch insoweit als pharmazeutische Unternehmer im Sinne von § 130a Abs. 3b SGB V, obwohl sie nicht Inhaberinnen der Arzneimittelzulassung seien.
Mit den am 22. Juli 2013 (Montag) erhobenen Berufungen verfolgen die Klägerinnen ihr Begehren weiter.
Der Senat hat mit Beschluss vom 14. Dezember 2016 das Verfahren getrennt. Der die Arzneimittel Humalog® und Liprolog® betreffende Teil des Rechtstreits wird unter dem Aktenzeichen L 9 KR 563/16 fortgeführt.
Die Klägerin zu 1) hat im vorliegenden Verfahren die notwendige Beiladung der rund 130 Krankenkassen angeregt, die den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V für die streitigen Arzneimittel gegenüber den Apotheken berechnen. Eine Entscheidung über die Berufung könne auch gegenüber den Krankenkassen nur einheitlich ergehen. Insoweit könne nichts anderes gelten als in dem vom Bundessozialgericht entschiedenen Fall B 1 KR 18/12 R. Den Klägerinnen könne nach einem Obsiegen im vorliegenden Rechtsstreit nicht zugemutet werden, weitere Prozesse gegen die gesetzlichen Krankenkassen zu führen. Davon abgesehen sei der Zwangsabschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V nur auf Generika und ihre Referenzarzneimittel zu erheben. Seine Anwendung auf die streitgegenständlichen Präparate erzeuge Wertungswidersprüche und sei ungerecht. Geboten sei eine restriktive Anwendung der Vorschrift auf solche Arzneimittel, die der Gesetzgeber bei Schaffung des Abschlages gemeint habe, nämlich Generika und ihre Referenzarzneimittel. Originalarzneimittel ohne Generika fielen nicht in den Anwendungsbereich der Regelung, an deren bloßem Wortlaut man nicht haften bleiben dürfe. Soweit der "Leitfaden" anderes regele, sei dies verfassungswidrig und entspreche nicht dem Willen des Gesetzgebers. Der Huminsulin® Kwikpen™ sei ein solitäres Arzneimittel, denn sein Einwegcharakter bringe besondere Gebrauchsvorteile. Das Sozialgericht habe insoweit den Begriff der Darreichungsform fehlinterpretiert.
Die Klägerin zu 2) bringt im Wesentlichen vor: Berlinsulin® unterfalle nicht dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V. Der Wortlaut des Gesetzes sei in erheblichem Maße auslegungsbedürftig, denn was "wirkstoffgleich" bedeute, erschließe sich nicht ohne Weiteres. "Wirkstoffidentisch" sei jedenfalls nicht "wirkstoffgleich". Aus der Gesetzgebungsgeschichte sei eindeutig zu schließen, dass der Gesetzgeber eine Regelung nur für Generika und ihre Referenzarzneimittel habe treffen wollen. Das Sozialgericht interpretiere die Gesetzesbegründung unrichtig. Der "Leitfaden" erweitere die gesetzliche Grundaussage und sei daher unwirksam; zudem führten seine Regelungen zu einer willkürlichen Schlechterstellung von im Co-Marketing vertriebenen Präparaten.
Die Klägerin zu 1) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 aufzuheben sowie festzustellen, dass die Arzneimittel Huminsulin® und Huminsulin® KwikPenTM zu keinem Zeitpunkt der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b) SGB V unterfielen bzw. unterfallen und dass die Klägerin zu 1) nicht verpflichtet war bzw. ist, den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu zahlen.
Die Klägerin zu 2) beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 31. Mai 2013 aufzuheben sowie festzustellen, dass das Arzneimittel Berlinsulin® zu keinem Zeitpunkt der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b) SGB V unterfiel bzw. unterfällt und dass die Klägerin zu 2) nicht verpflichtet war bzw. ist, den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu zahlen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufungen zurückzuweisen.
Eine Beiladung einzelner Krankenkassen sei nicht rechtlich geboten, weil das Verfahren lediglich eine Vorfrage zu einer etwaigen Leistungspflicht der Klägerinnen betreffe. Die Rechtssphäre von Krankenkassen sei hier nicht unmittelbar berührt. Im Übrigen habe das Sozialgericht die Klagen zu Recht abgewiesen. Die Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V gelte nicht ausschließlich für Generika und ihre Referenzarzneimittel. Der Wortlaut des Gesetzes sei weit gefasst und erfasse die Vertriebssituation von Huminsulin® und Berlinsulin®, denn diese seien patentfrei und wirkstoffgleich. In der vom Sozialgericht zutreffend zitierten Passage der Gesetzesbegründung habe auch der Gesetzgeber den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V nicht auf Generika und ihre Referenzarzneimittel begrenzen wollen. Gedeckt sei diese Sichtweise vom Zweck des Gesetzes, der von dem Willen getragen sei, zuvor an Apotheken geleistete Rabatte den Krankenkassen zugutekommen zu lassen und so zur finanziellen Stabilität der gesetzlichen Krankenversicherung beizutragen. Der Begriff "Generikaabschlag" grenze nur ab zum "Herstellerabschlag" nach § 130a Abs. 1 SGB V und umfasse lediglich den Hauptanwendungsbereich von § 130a Abs. 3b SGB V. Der "Leitfaden" sei verbindlich, gemeinsam erarbeitet auch mit den Verbänden der pharmazeutischen Industrie und sehe die Einbeziehung von Arzneimitteln wie Huminsulin® und Berlinsulin® in den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V vor. Die Abschlagspflicht umfasse auch den Huminsulin® Kwikpen™, denn mit ihm werde Huminsulin® lediglich in einem anderen Behältnis vertrieben.
Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.
Entscheidungsgründe:
Die Berufungen haben keinen Erfolg.
A. Die Feststellungsklagen nach § 55 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) sind zulässig. Die Frage, ob die streitgegenständlichen Arzneimittel dem Abschlag nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V unterliegen, betrifft ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten (vgl. hierzu und zum Folgenden: Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 14ff.). Der Gesetzgeber hat ein besonderes Verfahren für die praktische Abwicklung des den pharmazeutischen Unternehmern auferlegten Abschlags nach § 130a Abs. 1 SGB V (Herstellerabschlag) vorgesehen. Dieses Verfahren gilt über die Verweisung in § 130a Abs. 3b Satz 4 SGB V auf Abs. 3a Satz 7 bis 10 (i.d.F. des Gesetzes zur Änderung krankenversicherungsrechtlicher und anderer Vorschriften vom 24. Juli 2010, BGBl. I 983, in Kraft ab 30. Juli 2010; bis dahin § 130a Abs. 3a Satz 5 bis 8) auch für die praktische Abwicklung des Abschlags nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V. Nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen den Herstellerabschlag von den Apotheken. Die pharmazeutischen Unternehmer müssen den Apotheken diesen Aufwand ersetzen § 130a Abs. 1 Satz 3 SGB V. In der Praxis wird der Herstellerabschlag über die Apothekenrechenzentren abgewickelt, über die fast alle niedergelassenen Apotheker abrechnen. Der Apotheker reicht seine taxierten Rezepte bei seinem Apothekenrechenzentrum ein. Auf den Rezepten ist insbesondere die so genannte Pharmazentralnummer (PZN) als maschinenlesbares Kennzeichen aufgetragen (vgl. § 300 Abs. 3 Nr. 1 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 SGB V). Die PZN ist das Kennzeichen, das die Arzneimittelpackungen eindeutig identifiziert. Die Apothekenrechenzentren wandeln die Rezeptdaten in eine elektronische Form um und übermitteln diese an die Krankenkassen (§ 300 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Die Krankenkassen überweisen sodann innerhalb von zehn Tagen die abgerechneten Rezeptbeträge abzüglich der gesetzlichen Abschläge nach § 130 SGB V (Apothekenrabatt) und § 130a SGB V (Herstellerabschlag und Generikaabschlag) an das Apothekenrechenzentrum. Dieses fordert Ersatz für die "verauslagten" Abschläge nach § 130a SGB V für alle von ihm vertretenen Apotheken bei den jeweiligen pharmazeutischen Unternehmern an (vgl. insoweit die vom Bundessozialgericht am 2. Juli 2013 entschiedene Streitsache B 1 KR 18/12 R) und leitet die Beträge an die einzelnen Apotheken weiter. Über diesen Weg erhält sodann die Apotheke den vollen Rezeptbetrag (abzüglich des Apothekenrabattes nach § 130 SGB V) und der pharmazeutische Unternehmer erbringt auf diese Art und Weise die Abschläge nach § 130a Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3b Satz 1 SGB V.
Eine unmittelbare Leistungsbeziehung zwischen den Krankenkassen und den pharmazeutischen Unternehmern besteht daher bei der Abwicklung der Abschläge nach § 130a SGB V nicht. Vielmehr erfolgt die Abwicklung in den beiden Leistungsbeziehungen Krankenkasse / Apotheker und Apotheker / pharmazeutischer Unternehmer. Nachteil dieser gesetzlichen Konstruktion ist, dass es zwischen pharmazeutischen Unternehmen und Krankenkassen keine direkte Ebene gibt, auf welcher der Streit über das Bestehen einer Abschlagspflicht nach § 130a SGB V ausgetragen werden kann (vgl. Schneider injurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 130a Rdnr27).
Dieses Abrechnungssystem kann nur funktionieren, wenn zu den einzelnen PZNn die richtigen Daten hinterlegt sind. Grundlage sind die von dem pharmazeutischen Unternehmer an die IFA GmbH übermittelten Stammdaten (vgl. § 131 Abs. 4 SGB V), die dann letztlich über mehrere Verarbeitungsschritte in der "Lauer-Taxe" ausgewiesen werden. Auch wenn § 131 Abs. 4 SGB V mehrfach den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) als bedeutende Organisation in dem Abrechnungswesen erwähnt, werden alle maßgeblichen Schritte faktisch durch den in § 131 Abs. 4 Satz 1 SGB V ebenfalls genannten Beklagten durchgeführt. Die hervorgehobene Funktion des Beklagten in diesem Datenverkehr spiegelt insbesondere § 130a Abs. 3a Satz 10 SGB V wider, der vorsieht, dass der Beklagte "das Nähere" (zu den Abschlägen und deren Abwicklung) regelt. Der Beklagte übernimmt daher für die gesetzliche Krankenversicherung die Aufgabe, alle relevanten Verfahrensregelungen für den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu treffen und auch über Einstufungsfragen zu entscheiden. Dabei dient der von ihm erstellte "Leitfaden" mit den Teilen A (Erläuterungen zur Zulassung von Generika), B (Kriterien zur Abschlagspflicht) und C (Verfahrensabsprachen zur Produktkennzeichnung) u.a. der Beschreibung von Fällen, die nicht der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V unterfallen sollen.
Da der Beklagte bei seiner Tätigkeit entscheidend von den durch die pharmazeutische Industrie übermittelten Daten abhängig war, hat er diese in der Folgezeit überprüft und zu diesem Zwecke Fehlerkontrollverfahren durchgeführt. Die Ergebnisse des Fehlerkontrollverfahrens zu Huminsulin®, Huminsulin® Kwikpen™ und Berlinsulin® sind Ursache des vorliegenden Rechtsstreits.
Infolge der Maßnahmen des Beklagten zur Ausgestaltung der zum 1. April 2006 eingeführten Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, die sich auf die Preisfestsetzung und die Einkunftsmöglichkeiten der Klägerinnen auswirken, besteht zwischen ihnen und dem Beklagten ein öffentlich-rechtliches Rechtsverhältnis (§ 69 Abs. 1 SGB V), das eine dem Feststellungsinteresse unterliegende Rechtsfrage aufwirft, die mit vorliegendem Rechtsstreit abschließend geklärt werden kann.
Ein berechtigtes Interesse an der Feststellung im Sinne von § 55 Abs. 1 SGG besteht, weil im Falle des Erfolgs der Klage die abgeführten Abschläge rückabzuwickeln sind (so ausdrücklich Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, Rdnr. 18).
Gleichwohl hat der Senat von einer Beiladung gegebenenfalls erstattungspflichtiger Krankenkassen abgesehen. Weil – wie gezeigt – zwischen diesen und den Klägerinnen keine unmittelbare Leistungsbeziehung besteht, liegt kein Fall der notwendigen Beiladung nach § 75 Abs. 2 SGG vor, denn der Rechtsstreit betrifft die Vorfrage der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, so dass nicht die Rede davon sein kann, dass die Entscheidung auch den Krankenkassen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Insofern liegt der Fall auch anders als der vom Bundessozialgericht am 2. Juli 2013 entschiedene (B 1 KR 18/12 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 13), in dem über die Klage eines Apothekenrechenzentrums gegen einen pharmazeutischen Hersteller zu urteilen war; dort waren alle betroffenen Krankenkassen beizuladen, denn das Rechenzentrum beanspruchte von dem Hersteller genau den Betrag, den die beizuladenden Krankenkassen vom Rechenzentrum einforderten. Damit füllte das Rechenzentrum seine Rolle als Bindeglied zwischen pharmazeutischen Herstellern und Krankenkassen aus. Der vorliegende Fall ist damit nicht vergleichbar. Von einer einfachen Beiladung der von der Klägerin zu 1) benannten rund 130 Krankenkassen nach § 75 Abs. 1 SGG hat der Senat abgesehen, weil eine solche Vielzahl von Prozessbeteiligten eine sachgerechte Handhabung des Verfahrens stark erschwert und unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand erzeugt hätte.
B. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klagen abgewiesen. Die drei streitigen Arzneimittel unterlagen und unterliegen der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V, so dass die Klägerinnen verpflichtet waren und verpflichtet sind, den Abschlag zu entrichten.
1. Nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V erhalten die Krankenkassen für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel ab dem 1. April 2006 einen Abschlag von 10 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer.
Neben diesem Abschlag wird zudem für alle von § 130a Abs. 1 Satz 5 und 6 SGB V erfassten Fertigarzneimittel der Herstellerabschlag erhoben. Dieser betrug nach § 130a Abs. 1 Satz 1 SGB V 6 % des Abgabepreises des pharmazeutischen Unternehmers bis zum 31. Juli 2010 und nach § 130a Abs. 1a Satz 1 SGB V 16 % des Abgabepreises im Zeitraum vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013. Anschließend galt zunächst wieder ein Herstellerabschlag von 6 %, der sodann durch das Vierzehnte Gesetz zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch vom 27. März 2014 (BGBl. I 261) mit Wirkung ab 1. April 2014 auf 7 % erhöht worden ist.
Nach § 130a Abs. 1a Satz 2 SGB V galt der erhöhte Herstellerabschlag von 16 % allerdings nicht für die patentfreien, wirkstoffgleichen Arzneimittel nach § 130b Abs. 3b Satz 1 SGB V. Damit waren die Abschläge für patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel und die sonstigen von § 130a Abs. 1 erfassten Fertigarzneimittel - abgesehen von möglichen Ausnahmen nach § 130a Abs. 1a Satz 4 bis 8, Abs. 3 oder Abs. 3b Satz 2 bis 6 SGB V - in der Zeit vom 1. August 2010 bis zum 31. Dezember 2013 mit 16 % grundsätzlich der Höhe nach identisch.
2. Huminsulin® und Berlinsulin® sind von der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V erfasst, denn es handelt sich um "patentfreie, wirkstoffgleiche Arzneimittel" im Sinne der Vorschrift.
a) Das Merkmal der Patentfreiheit wird von den Beteiligten nicht kontrovers betrachtet. Unstreitig besteht für Huminsulin® und Berlinsulin® mindestens seit dem Jahr 2006 kein Unterlagen- bzw. Patentschutz mehr.
b) Zur Überzeugung des Senats sind die beiden Präparate auch wirkstoffgleich.
aa) Beide Präparate werden in demselben biotechnologischen Herstellungsvorgang produziert, so dass sie sogar, was unstreitig ist, als wirkstoffidentisch bezeichnet werden können. Nach allgemeinem Sprachverständnis geht die "Identität" noch weiter als die "Gleichheit" zweier Stoffe, so dass eine Wirkstoffidentität erst recht das Erfordernis der Wirkstoffgleichheit erfüllt: "Identisch" bedeutet "vollkommen gleich" (vgl. http://www.duden.de/suchen/dudenonline/identisch). Der die Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V in Gang setzende Wortlaut der Norm ist damit – aus Sicht des Senats ohne jeden vernünftigen Zweifel – erfüllt.
bb) Dieses Ergebnis ist zwanglos mit dem Zweck des Gesetzes vereinbar. Zwar hatte der Gesetzgeber im Wesentlichen den "generikafähigen Markt" im Blick, als er die Regelung in § 130a Abs. 3b SGB V schuf (vgl. BT-Drs. 16/194, Seite 10 r.Sp. unten). Dem Abschlag unterliegen sollten aber "alle patentfreien wirkstoffgleichen Arzneimittel, für die es mindestens zwei wirkstoffgleiche Arzneimittel mit unterschiedlichen Warenzeichen gibt". "In der Regel" seien dies die patentfreien Arzneimittel in den Festbetragsgruppen nach § 35 SGB V. Den seinerzeitigen Spitzenverbänden der Krankenlassen wurde aber zugleich die Befugnis eingeräumt, das Nähere zu regeln und dabei auch "weitere patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel benennen, für welche der Abschlag gilt". Ausdrücklich heißt es sodann in der Gesetzesbegründung (a.a.O., S. 11, li. Sp. oben): "In vielen, jedoch nicht in allen Fällen, können die Arzneimittel im generikafähigen Markt dadurch bestimmt werden, dass sie aufgrund von bestimmten Zulassungsvorschriften für Generika am Markt sind." In Würdigung all dessen kommt der Senat zu demselben Ergebnis wie das Sozialgericht in seiner mit den Berufungen angegriffenen Entscheidung: Schon die Gesetzesbegründung ließ eine Erstreckung des Abschlags auf patentfreie und wirkstoffgleiche Arzneimittel zu, bei denen es sich nicht um Generika im eigentlichen Sinne handelt.
Das ist auch sachgerecht. Denn die hier streitigen Präparate Huminsulin® und Berlinsulin® stehen genauso mit einander im Wettbewerb wie ein Generikum und sein Referenzarzneimittel. Das liegt auf der Hand und wird ausdrücklich auch von der Klägerin zu 2) in ihrem Schriftsatz vom 12. Januar 2016 eingeräumt. Insgesamt zieht die am Wortlaut der Norm orientierte Auslegung nicht nur ein eindeutiges Ergebnis nach sich; dieses Ergebnis ist auch plausibel und fügt sich in die Intention des Gesetzgebers.
cc) Unabhängig davon ist juristisch-methodisch kein Raum dafür, am eindeutigen Ergebnis der Wortauslegung vorbei zu einem anderen Resultat zu finden, indem der von den Klägerinnen vertretenen historischen Auslegung fallentscheidendes Gewicht beigemessen wird, wonach es Absicht des Gesetzgebers gewesen sei, ausschließlich Generika und ihre Referenzarzneimittel unter den Abschlag nach § 130a Abs. 3b SGB V zu fassen.
(1) Maßgeblich ist nämlich stets der objektive, sich im Wortlaut einer Norm manifestierende Inhalt des Gesetzes; der Wortsinn stellt die Grenze der Auslegung dar (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 20. Oktober 1992, 1 BvR 698/89, zitiert nach juris, dort Rdnr. 96; Bundessozialgericht, Urteil vom 7. Oktober 2009, B 11 AL 32/08 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 17 unter Hinweis auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Aufl. 1991, S. 324 und 366; Zippelius, Juristische Methodenlehre, 9. Aufl. 2005, S. 47). Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (vgl. Bundesverfassungsgericht, Beschluss vom 25. Januar 2011, 1 BvR 918/10, zitiert nach juris, dort Rdnr. 53).
Hinsichtlich der Auslegung eines Gesetzes unter Bezugnahme auf die Gesetzesbegründung hat das Bundesverfassungsgericht insoweit ausgeführt (u.a. Urteil vom 16. Februar 1983, 2 BvE 1/83 u.a., zitiert nach juris, dort Rdnr. 124 m.w.N.): "Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt ausgesprochen, dass die Gesetzesmaterialien mit Vorsicht, nur unterstützend und insgesamt nur insofern herangezogen werden sollen, als sie auf einen `objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen´ ( ). Der sogenannte Wille des Gesetzgebers bzw. der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten kann hiernach bei der Interpretation insoweit berücksichtigt werden, als er auch im Text Niederschlag gefunden hat. Die Materialien dürfen nicht dazu verleiten, die subjektiven Vorstellungen der gesetzgebenden Instanzen dem objektiven Gesetzesinhalt gleichzusetzen ( )"
(2) Eine teleologische Reduktion der in § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V enthaltenen Regelung ist dem Senat vor diesem Hintergrund verschlossen. Die Befugnis zur Korrektur des Wortlauts einer Vorschrift steht den Gerichten unter anderem dann zu, wenn die Vorschrift nach ihrem Normtext Sachverhalte erfasst, die sie nach dem erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht erfassen soll. In einem solchen Fall ist eine zu weit gefasste Regelung im Wege der teleologischen Reduktion auf den ihr nach Sinn und Zweck zugedachten Anwendungsbereich zurückzuführen. Ob eine planwidrige Gesetzeslücke vorliegt, ist nach dem Plan des Gesetzgebers zu beurteilen, der dem Gesetz zugrunde liegt. Liegt eine solche Lücke vor, ist sie durch Hinzufügung einer dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden Einschränkung zu schließen (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 22. Mai 2014, 5 C 27/13, zitiert nach juris, dort Rdnr. 22 unter Hinweis auf Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 5. Aufl. 1983, S. 375 f.). Für eine offene, sich über den Wortlaut des Gesetzes hinwegsetzende Rechtsfortbildung bedarf es schwerwiegender Gründe, die sich am Gedanken der Rechtssicherheit und am System der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 3 Grundgesetz) messen lassen müssen. Ein Gericht darf daher den Wortlaut eines Parlamentsgesetzes nur dann über den methodischen Kunstgriff der teleologischen Reduktion beschneiden, wenn der Regelungsirrtum des Gesetzgebers evident ist und verfassungsrechtliche Wertentscheidungen dies gebieten (vgl. Zippelius, a.a.O., S. 71).
Hieran gemessen kann von einer "planwidrigen Gesetzeslücke" keine Rede sein, schon gar nicht von einer evidenten, offensichtlich ungerechten Fehlregelung. § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V ist nicht etwa versehentlich zu weit gefasst, sondern gibt nur wieder, was der Intention des Gesetzgebers entspricht (vgl. oben bb).
dd) Angesichts all dessen tritt die rechtliche Bedeutung des unter Beteiligung der pharmazeutischen Industrie erstellten und der gerichtlichen Kontrolle unterliegenden "Leitfadens zur Definition des Generikaabschlags nach § 130a Abs. 3b SGB V" in den Hintergrund. Aus den im Tatbestand zitierten Passagen ergibt sich, dass Präparate wie Huminsulin® und Berlinsulin® von der Abschlagspflicht erfasst sein sollen. Die im Leitfaden enthaltenen Regelungen entsprechen damit dem im Gesetz enthaltenen Handlungsbefehl. Der Beklagte hat insoweit seiner Aufgabe genügt, in dem Leitfaden die gesetzlichen Vorgaben nachzuzeichnen, ohne den Tatbestand der Norm selbständig und mit normativer Kraft zu erweitern (vgl. insoweit Bundessozialgericht, Urteil vom 30. September 2015, B 3 KR 1/15 R, zitiert nach juris, dort Rdnr. 27).
Ohne rechtlichen Belang ist es, ob der Leitfaden andere Konstellationen rechtmäßig von der Abschlagspflicht ausnimmt, etwa Importarzneimittel. Zu Recht hat das Sozialgericht insoweit darauf hingewiesen, dass Gleichbehandlung im Unrecht grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (st. Rspr. des Bundesverfassungsgerichts, vgl. nur Beschluss vom 17. Januar 1979, 1 BvL 25/77, zitiert nach juris, dort Rdnr. 59).
Allerdings hat der Senat im Rahmen der stets vorzunehmenden Willkürkontrolle nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes zu prüfen, ob der Beklagte zu Lasten der Klägerinnen allein gegenüber den von ihnen vertriebenen Präparaten verschärfte Maßstäbe angelegt hat, während er in dem Leitfaden andere Konstellationen weniger strengen Maßstäben unterzieht (vgl. Urteil des Senats vom 10. Dezember 2014, L 7 KA 79/12 KL [Lacteol®], zitiert nach juris, dort Rdnr. 79).
Eine willkürliche Schlechterstellung der Klägerinnen vermag der Senat indessen nicht zu erkennen. Soweit der Leitfaden eine Abschlagspflicht verneint, wenn zwei Anbieter ein identisches Präparat unter dem gleichen Warenzeichen anbieten, erscheint dies sachgerecht, weil hier schon keine zwei Arzneimittel in Verkehr gebracht werden, wie § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V es voraussetzt. Auch erscheint eine besondere Behandlung von Importarzneimitteln angesichts deren besonderer Marktposition plausibel, zumal Importe und Originalarzneimittel in der Regel über identische Warenzeichen verfügen. Willkürfrei und gesetzeskonform durfte der Leitfaden daher regeln, dass eine Abschlagspflicht erst entsteht, wenn zwei Anbieter Produkte mit verschiedenen Warenzeichen anbieten, weil erst dann eine Wettbewerbssituation vorliegt.
3. Zu Recht hat das Sozialgericht auch entschieden, dass das Produkt Huminsulin® Kwikpen™ von der Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b SGB V erfasst ist.
Mit diesem Produkt hat die Klägerin zu 1) keine neue Darreichungsform auf den Markt gebracht, die es rechtfertigen würde, es als Solitärarzneimittel zu behandeln. Mit dem Kwikpen vertreibt die Klägerin zu 1) Huminsulin® als Einwegprodukt. Der Wirkstoff ist und bleibt Huminsulin®. Die Darreichungsform "Injektionslösung in einem Fertigpen" ist gleichermaßen in den Fachinformationen von Huminsulin® und von Huminsulin® Kwikpen™ vorgesehen. Der Kwikpen stellt lediglich ein spezielles Behältnis dar, aus dem heraus Huminsulin® per Injektion verabreicht wird. Es kann für die Frage der Abschlagspflicht keinen Unterschied machen, ob derselbe Wirkstoff über ein Einweggerät injiziert wird oder über ein mehrfach verwendbares Gerät, in das jeweils frische Patronen einzugeben sind. Der mit dem Einweggerät nach dem Vorbringen der Klägerin zu 1) entstehende Gebrauchsvorteil rechtfertigt es nicht, dem Kwikpen die Stellung eines Solitärarzneimittels einzuräumen.
4. Eine Entscheidung zur Abschlagspflicht nach § 130a Abs. 3b Satz 1 SGB V für die Arzneimittel Humalog® und Liprolog® wird der Senat nach weiteren Ermittlungen zum Sachverhalt in der abgetrennten Streitsache L 9 KR 563/16 treffen.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit §§ 154 Abs. 2 und 159 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung i.V.m. § 100 Abs. 1 der Zivilprozessordnung. Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der Senat die Revision zugelassen, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
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