L 7 SO 871/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
7
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 SO 355/17 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 SO 871/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Karlsruhe vom 23. Februar 2017 wird als unzulässig verworfen.

Außergerichtliche Kosten auch des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.

Gründe:

1. Die Beschwerde des Klägers, mit der er – wie auch schon erstinstanzlich vor dem Sozialgericht Karlsruhe (SG) – die Verpflichtung des Antragsgegner, ihm vorläufig Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) in Höhe von 654,85 EUR zu gewähren, begehrt, ist unzulässig.

a) Die Beschwerde ist gemäß § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen, wenn in der Hauptsache die Berufung der Zulassung bedürfte. Die Berufung bedarf gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG der Zulassung in dem Urteil des Sozialgerichts oder auf Beschwerde durch Beschluss des Landessozialgerichts, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 1. bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750 EUR oder 2. bei einer Erstattungsstreitigkeit zwischen juristischen Personen des öffentlichen Rechts oder Behörden 10.000 EUR nicht übersteigt. Das gilt gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG nicht, wenn die Berufung wiederkehrende oder laufende Leistungen für mehr als ein Jahr betrifft.

b) Der also maßgebliche Betrag von 750,00 EUR wird nicht überschritten. Der Kläger hat – stets anwaltlich vertreten – sowohl vor dem SG als auch in der Beschwerdebegründungsschrift vom 11. März 2017 (nur) beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, ihm vorläufig Leistungen nach dem SGB XII in Höhe von 654,85 EUR zu gewähren. Einen Hinweis auf das Begehren einer wiederholten, etwa monatlichen Leistungsgewährung findet sich im Antrag nicht. Angesichts der anwaltlichen Vertretung des Klägers besteht keine Grundlage und kein Anlass, den ausdrücklich gestellten Antrag in einer Weise umzudeuten, die zur einer Überschreitung eines Betrages von 750,00 EUR führt.

2. Nur vorsorglich weist der Senat darauf hin, dass die Beschwerde des Klägers aber auch nicht begründet ist. Dabei kann offen bleiben, ob dies bereits darauf beruht, dass dem geltend gemachten Begehren des Klägers die Rechtskraft des gegenüber den Beteiligten ergangenen Beschlusses des Senats vom 22. November 2016 (L 7 SO 3921/16 ER-B) entgegensteht. Denn jedenfalls sind die Voraussetzungen für den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht glaubhaft gemacht.

a) Nach § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG sind einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Glaubhaftmachung liegt vor, wenn das Vorliegen eines Anordnungsanspruchs und eines Anordnungsgrunds überwiegend wahrscheinlich sind. Dabei dürfen sich die Gerichte bei der Beurteilung der Sach- und Rechtslage an den Erfolgsaussichten der Hauptsache orientieren (Bundesverfassungsgericht [BVerfG], Beschluss des Ersten Senats vom 13. April 2010 – 1 BvR 216/07 – juris Rdnr. 64; BVerfG, Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats vom 6. August 2014 – 1 BvR 1453/12 – juris Rdnr. 9). Eine Folgenabwägung ist nur ausnahmsweise zulässig, wenn eine Prüfung der materiellen Rechtslage nicht möglich ist (BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. September 2016 – 1 BvR 1335/13 – juris Rdnr. 20; Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 3).

Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund stehen nicht isoliert nebeneinander; es besteht vielmehr eine Wechselbeziehung der Art, dass die Anforderungen an den Anordnungsanspruch mit zunehmender Eilbedürftigkeit bzw. Schwere des drohenden Nachteils (dem Anordnungsgrund) zu verringern sind und umgekehrt (vgl. Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29. Januar 2007 – L 7 SO 5672/06 ER-B – juris Rdnr. 2). Ist die Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, so ist der Antrag auf einstweilige Anordnung ohne Rücksicht auf den Anordnungsgrund grundsätzlich abzulehnen, weil ein schützenswertes Recht nicht vorhanden ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris Rdnr. 4). Ist die Klage in der Hauptsache dagegen offensichtlich begründet, so vermindern sich die Anforderungen an den Anordnungsgrund. Auch dann kann aber nicht gänzlich auf einen Anordnungsgrund verzichtet werden (Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 4; LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 15. November 2013 – L 15 AS 365/13 B ER – juris Rdnr. 18; Hessisches LSG, Beschluss vom 5. Februar 2007 – L 9 AS 254/06 ER – juris Rdnr. 4).

b) Es kann dahinstehen, ob ein Anordnungsanspruch besteht. Jedenfalls ist ein Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht.

aa) Ein Anordnungsgrund besteht nicht, wenn der Antragsteller jedenfalls gegenwärtig auf eigene Mittel oder zumutbare Hilfe Dritter zurückgreifen kann (Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 8; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4. September 2014 – L 5 KR 147/14 B ER – juris Rdnr. 17; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 28. März 2011 – L 5 KR 20/11 B ER – juris Rdnr. 10), etwa zur Vorfinanzierung (Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 8; LSG Thüringen, Beschluss vom 26. November 2015 – L 6 KR 1266/15 B ER – juris Rdnr. 14 f.; LSG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 4. September 2014 – L 5 KR 147/14 B ER – juris Rdnr. 17). Dies ist auch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (BVerfG, Beschluss vom 21. September 2016 – 1 BvR 1825/16 – juris Rdnr. 4; BVerfG, Beschluss vom 27. Juli 2016 – 1 BvR 1241/16 – juris Rdnr. 7).

Bei der Frage des Anordnungsgrundes können auch Mittel Berücksichtigung finden, die bei der materiellen Frage der Hilfebedürftigkeit außen vor bleiben müssen, weil es sich um Schonvermögen (§ 60a, § 90 Abs. 2 SGB XII) oder nicht zu berücksichtigendes Einkommen (§§ 85 ff. SGB XII) handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – n.v.) oder weil es sich (etwa gemäß § 92 Abs. 2 SGB XII) generell nicht um eine bedarfsabhängige Leistung handelt (Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 9).

bb) Nach diesen Maßstäben ist bereits kein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Dem Kläger entstehen für die Unterbringung und Betreuung im Seniorenstift B. S. Kosten von kalendertäglich 81,44 EUR, also monatliche Kosten von 2.443,20 EUR (Monate mit 30 Tagen) bzw. 2.524,64 EUR (Monate mit 31 Tagen), sofern man trotz der Kündigung des Vertrages durch den Heimbetreiber zum 28. Februar 2017 auch gegenwärtig noch von einer Zahlungspflicht – etwa in Form einer Nutzungsentschädigung – ausgeht. Zum einen erhält der Kläger Zahlungen der Pflegeversicherung. Diese betrugen im Jahr 2016 monatlich 1.064,00 EUR (Pflegestufe I gemäß § 43 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch [SGB XI] in der vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2016 geltenden Fassung). Zu den gegenwärtigen Zahlungen der Pflegeversicherung hat sich der Kläger nicht geäußert. Da er bislang der Pflegestufe I zugeordnet war, ist er gemäß § 140 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Buchstabe a SGB XI in der seit dem 1. Januar 2017 geltenden Fassung in den Pflegegrad 2 eingestuft; der Senat geht davon aus, dass er aufgrund der Besitzstandsschutzregelung des § 141 Abs. 3 SGB XI zumindest Leistungen in derselben Höhe weiterhin erhält. Dies wird bestätigt durch den Umstand, dass die von der Trägerin des Seniorenstiftes für Januar 2017 geltend gemachten – weil von den Leistungen der Pflegeversicherung nicht gedeckten – offenen Heimkosten nur 1.331,91 EUR betrugen, während sie sich etwa für Oktober 2016 noch auf 1.460,64 EUR beliefen.

Außerdem verfügt der Kläger über monatliche Renteneinkünfte (Auszahlungsbetrag) von inzwischen (seit dem 1. Juli 2016) 862,17 EUR – bis zum 30. Juni 2016: 827,07 EUR – (gesetzliche Rente) und 57,67 EUR (Betriebsrente), so dass schon unter Berücksichtigung dieser Einkünfte nur noch ein ungedeckter Bedarf von allenfalls 459,36 EUR (Monate mit 30 Tagen) bzw. 540,80 EUR (Monate mit 31 Tagen), durchschnittlich damit 500,08 EUR besteht.

Allein das Vermögen der Ehefrau bei der Volksbank K. W.-S. in Form von Bank- und Bauspareinlagen betrug zum 31. Januar 2017 3.502,54 EUR, so dass von diesem Vermögen der ungedeckte Bedarf für einen Zeitraum von sieben Monaten gedeckt werden kann. Im Hinblick darauf, dass für Geldleistungen eine einstweilige Anordnung längstens für sechs Monate ergehen darf, weil im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nur Leistungen für die Gegenwart und die nahe Zukunft zugesprochen werden dürfen (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. September 2012 – L 13 AS 3794/12 ER-B – juris Rdnr. 3; LSG Baden-Württemberg, Beschluss vom 25. Februar 2011 – L 13 AS 628/11 ER-B – juris Rdnr. 2; Oberverwaltungsgericht Niedersachsen, Beschluss vom 23. Februar 1990 – 4 M 10/90 – juris Rdnr. 6), besteht deswegen bereits kein Anordnungsgrund. Dabei kann im Rahmen des Anordnungsgrundes das Vermögen der Ehefrau unabhängig davon berücksichtigt werden, ob es sich um Schonvermögen handelt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 30. März 2007 – 1 BvR 535/07 – n.v.; Beschluss des Senats vom 6. März 2017 – L 7 SO 420/17 ER-B – juris Rdnr. 9). Letzteres ist nur eine Frage des – hier nicht entscheidungserheblichen – Anordnungsanspruchs.

Bei der aufgezeigten Berechnung sind weitere Einkommens- und Vermögenspositionen des Klägers und seiner Ehefrau noch gar nicht berücksichtigt. Neben der monatlichen gesetzlichen Rente der Ehefrau des Klägers in Höhe von derzeit 619,41 EUR netto (693,23 EUR brutto) ist insbesondere noch nicht berücksichtigt, dass der Kläger seit Einzug in das Seniorenstift B. S. am 16. März 2016 keinerlei Zahlungen aus seiner Rente an den Träger dieser Einrichtung (Seniorenstift E. V.-GmbH) entrichtet hat, so dass der Kläger allein für die Zeit von April 2016 bis Februar 2017 Renteneinkommen in Höhe von insgesamt 9.378,57 EUR erzielt hat, über dessen Verbleib der Kläger sich weigert, Angaben zu machen. Auch dieses Vermögen, von dessen Vorhandenseins der Senat mangels plausibler Erklärung des Klägers ausgeht, steht einem Anordnungsanspruch entgegen. Das Gleiche gilt mit Blick darauf, dass der Kläger – worauf bereits das SG hingewiesen hat – keine Erklärung dafür vorgebracht hat, wo das noch am 1. September 2016 vorhandene Vermögen in Höhe von 1.069,93 EUR auf dem Konto 1001733903 des Klägers bei der Sparkasse Heidelberg verblieben ist; der Kontostand betrug am 25. Januar 2017 nur noch 191,92 EUR. Zu diesen auch vom SG bereits thematisierten Fragen hat der Kläger auch im Beschwerdeverfahren nichts vorgetragen. Der Kläger hat lediglich vage in Aussicht gestellt, seine Ehefrau könne in einem Erörterungstermin den Verbleib seiner Rente erklären.

Da der Kläger und seine Ehefrau gemeinsam Eigentümer einer Eigentumswohnung sind, hätte im Übrigen auch die Beleihung dieser Wohnung Vorrang vor der Verpflichtung des Beklagten im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (vgl. LSG Sachsen, Beschluss vom 18. April 2016 – L 7 AS 85/16 B ER – juris Rdnr. 34 ff. – dort zum Anordnungsanspruch).

Davon, dass der Beklagte den Kläger in eine Schuldenfalle getrieben habe, kann im Übrigen keine Rede sein. Es war der Kläger, der trotz eigener Renteneinkünfte seinen Zahlungsverpflichtungen gegenüber dem Seniorenstift B. S. nicht nachgekommen ist, wie sich seiner Antragsschrift vom 6. Februar 2017 entnehmen lässt, in der er einräumt, die Zahlungen an das Seniorenstift nicht geleistet zu haben, weil anderenfalls für diese Zeiträume keine Leistungen der Sozialhilfe gewährt würden.

c) Im Übrigen ist aber auch ein Anordnungsanspruch nicht glaubhaft gemacht. Selbst die Übernahme der laufenden, ungedeckten Kosten der Heimunterbringung durch den Beklagten könnte nicht sicherstellen, dass der Kläger in dem Seniorenstift B. S. verbleiben könnte, da bereits für die Vergangenheit erhebliche, vom Kläger nicht beglichene Kosten, deren Übernahme er im Verfahren L 7 SO 891/17 ER-B in Höhe von 15.829,96 EUR begehrt, aufgelaufen sind. Insofern verweist der Senat auf seinen gegenüber den Beteiligten ergangenen Beschluss vom 22. November 2016 (L 7 SO 3921/16 ER-B).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

4. Der Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Rechtsanwaltsbeiordnung für das Beschwerdeverfahren ist abzulehnen, weil es – wie dargestellt – an der erforderlichen hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung mangelt (§ 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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