L 4 KR 990/17 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 10 KR 282/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 KR 990/17 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen wird abgelehnt.

Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. März 2017 (S 10 KR 282/17 ER) wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Kläger ist als Bezieher von Arbeitslosengeld II versicherungspflichtiges Mitglied der beklagten Krankenkasse.

Mit Schreiben vom 21. April 2015 forderte die Beklagte beim Kläger ein Lichtbild an, um ihm eine elektronische Gesundheitskarte ausstellen zu können. Der Kläger widersprach mit Schreiben vom 28. April 2015 dieser Anforderung sowie der Speicherung von medizinischen und ärztlichen Daten auf der elektronischen Gesundheitskarte. Gleichzeitig beantragte er, ihm eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild und Speicherfunktion sowie ein kostenloses Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte zuzusenden. Unter dem 4. Mai 2015 (ohne Rechtsbehelfsbelehrung) lehnte es die Beklagte sinngemäß ab, dem Kläger eine elektronische Gesundheitskarte ohne Lichtbild auszufertigen, weil einer der Ausnahmefälle nicht vorliege. Ferner erläuterte sie die Folgen und wies darauf hin, dass sie unter strengsten Bedingungen das Lichtbild lediglich für die elektronische Gesundheitskarte speichere und wenn zukünftig medizinische Daten auf dieser gespeichert würden, erfolge dies nur, falls er ausdrücklich zustimme. Der Kläger erwiderte hierauf (Schreiben vom 8. Mai 2015), er habe "gegen den Verwaltungsakt der Bildanforderung und die uneinheitliche sowie fehlerhafte Umsetzung" Widerspruch eingelegt, und legte die seiner Auffassung nach bestehenden Bedenken gegen die Verwendung der elektronischen Gesundheitskarte dar.

Unter dem 13. Mai 2015 teilte die Beklagte dem Kläger nochmals mit, eine elektronische Gesundheitskarte könne sie nicht herstellen, solange der Kläger ihr kein Lichtbild zusende. Ferner listete sie die dem Kläger möglicherweise entstehenden Nachteile auf. Hiergegen wandte sich der Kläger in seinem Schreiben vom 10. Juni 2015 mit einem "Widerspruch" und bat um "schriftliche Stellungnahme und Aufklärung" zu fünf näher bezeichneten Punkten.

Der Widerspruchsausschuss der Beklagten wies mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juni 2015 den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 4. Mai 2015 wegen der Anforderung des Lichtbilds für die elektronische Gesundheitskarte zurück. In der Begründung führte er gesetzliche Vorschriften, insbesondere §§ 291 und 291a SGB V, an, und verwies auf das Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 18. November 2014 (B 1 KR 35/13 R, juris), wonach die Umstellung auf die elektronische Gesundheitskarte und die freiwillig, vom Einverständnis des Betroffenen abhängigen Anwendungen verfassungsgemäß seien sowie die elektronische Gesundheitskarte nicht gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verstoße. Ferner führte er aus, die Übernahme der Kosten für ein Lesegerät der elektronischen Gesundheitskarte zulasten der gesetzlichen Krankenversicherung sei nicht möglich. Dies übersteige das Maß des Notwendigen. Der Kläger habe die Möglichkeit, Einsicht in die über ihn gespeicherten Daten bei der Beklagten zu nehmen.

Der Kläger erhob wegen des Widerspruchsbescheids vom "23." (richtig 22.) Juni 2015 am 29. Juni 2015 Klage beim SG (S 10 KR 3552/15) mit dem Begehren, 1. die Beklagte zu verpflichten, ihm als Härtefall sofort eine elektronische Gesundheitskarte und bis zu deren Erhalt ein gleichwertiges Ersatzdokument auszustellen, mit dem er ohne Zusatzkostenrisiko bzw. zusätzlichen (Verwaltungs-)Aufwand ärztliche medizinische Leistungen erhalten könne, 2. den Geschäftsführer der Beklagten zu verpflichten, den von ihm gestellten Aufklärungsantrag vom 10. Juni 2015 zu beantworten sowie 3. ein Lesegerät für die elektronische Gesundheitskarte herauszugeben und ihn in Form von Auszahlung seiner Versicherungsbeiträge, die die Beklagte seit Einführung der elektronischen Gesundheitskarte ohne Gegenleistungen mit der elektronischen Gesundheitskarte erhalten habe, herauszugeben. Des Weiteren erhob er "alle möglichen Klagearten" und legte "alle Rechtsmittel" ein, die er auch gegen das System der elektronischen Gesundheitskarte richte.

Am 9. Februar 2016 erhob der Kläger beim SG Untätigkeitsklage (S 10 KR 1206/16) wegen seiner nicht beschiedenen Anträge vom 10. Juni 2015 sowie "alle Klagearten und (ER )Rechtsmittel", die dazu geeignet sind, dass der Geschäftsführer der Beklagten dort gestellte Fragen unverzüglich beantwortet und die beantragten Beweise vorlegt. Am 21. März 2016 beantragte er für das Klageverfahren Prozesskostenhilfe.

Bereits mit der jeweiligen Klageerhebung beantragte er einstweiligen Rechtsschutz. Diese Anträge blieben erfolglos. u.a. Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 26. Januar 2017 (L 11 KR 4861/16 ER-B).

Am 13. Januar 2017 machte der Kläger beim SG "erneut eine ER-Eingabe". Er nahm Bezug auf ein Schreiben des Präsidenten des SG, mit welchem dieser eine Dienstaufsichtsbeschwerde des Klägers gegen den zuständigen Kammervorsitzenden beim SG beantwortet hatte, und führte aus, entgegen der Behauptung des Präsidenten des SG seien mit den "Scheinbeschlüssen" vom 15. Dezember 2016 keine Beschlüsse ergangen, die seine Anträge auf einstweiligen Rechtsschutz vom 11. Juli und 28. November 2016 "wortgetreu behandeln und die geforderten Beweise vorlegen". Das SG behandelte diese Eingabe als weiteres Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes (S 10 KR 282/17 ER). Im Schreiben vom 15. Februar 2017 führte der Kläger aus, Antragsgegenstand seien "Eilauskünfte [ ...], die Herausgabe eines Versicherungsvertrags in Papierform [ ], die gerichtliche Klärung und Feststellung seiner Kündigungsfristen/Sonderkündigungsrechte und Feststellung, dass dem Versicherungsverhältnis ein Beitrags- und Gegenleistungsstreitwert über 750 EUR zugrunde liegt" (Fettdruck im Original).

Des SG wies mit Beschluss vom 2. März 2017 den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung aus den Gründen des Beschlusses des LSG Baden-Württemberg vom 26. Januar 2017 (L 11 KR 4861/16 ER-B) zurück.

Der Kläger hat am 14. März 2017 unter anderem unter Angabe des Aktenzeichen S 10 KR 282/17 gegen den Beschluss vom "08.03.2017 [.] alle Rechtsmittel, Anträge und Begründungen geltend [gemacht], die ein Fachanwalt für mich eingeben und durchsetzen könnte [ ]" sowie Prozesskostenhilfe beantragt. Er hat behauptet, es lägen schwere Verfahrensfehler und Rechtsbeugung vor.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Beschluss des Sozialgerichts Stuttgart vom 2. März 2017 aufzuheben und durch einstweilige Anordnung 1. die Beklagte zu verpflichten, seine Schreiben vom 10. Juni 2015, 19. April, 9. Mai, 11. Juli und 31. Oktober 2016 sowie 14. Januar und 3. Februar 2017 zu beantworten sowie einen Versicherungsvertrag in Papierform herauszugeben, 2. gerichtlich seine Kündigungsfristen/Sonderkündigungsrechte zu klären und festzustellen sowie festzustellen, dem Versicherungsverhältnis liege ein Beitrags- und Gegenleistungsstreitwert von über EUR 750,00 zugrunde sowie 3. ihm für Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung zu bewilligen.

Die Beklagte hat sich im Beschwerdeverfahren nicht geäußert.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakte, die Akten des SG sowie die dem SG vorgelegte Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Der Senat wertet das Schreiben des Klägers vom 14. März 2017 als Beschwerde gegen den Beschluss des SG vom 2. März 2017 betreffend die Ablehnung einstweiligen Rechtsschutzes. Als sachdienliches Rechtsmittel kommt allein die Beschwerde in Betracht. Soweit der Kläger in der Beschwerdeschrift als Datum des Beschlusses den 8. März 2017 nennt, geht der Senat davon aus, dass dem Kläger insoweit ein Schreibfehler unterlief und im Hinblick auf die Angabe des Aktenzeichens, unter welchem das SG das Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes führte, der Beschluss vom 2. März 2017 gemeint war.

2. Gegenstand des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes sind die vom Kläger in seinem Schreiben vom 15. Februar 2017 genannten Begehren. Dies sind 1. die Beantwortung verschiedener (von ihm datumsmäßig bezeichneter) Schreiben durch die Beklagte, 2. die Herausgabe eines Versicherungsvertrags in Papierform, 3. die gerichtliche Klärung und Feststellung seiner Kündigungsfristen/Sonderkündigungsrechte und 4. die Feststellung, dass dem Versicherungsverhältnis ein Beitrags- und Gegenleistungsstreitwert von über EUR 750,00 zugrunde liegt.

3. Die Beschwerde des Klägers ist zulässig. Der Kläger hat die Beschwerde form- und fristgerecht eingelegt. Die Beschwerde ist nicht nach § 172 Abs. 3 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ausgeschlossen. Eine Berufung mit dem vom Kläger im einstweiligen Rechtsschutzverfahren erhobenen Begehren bedurfte nicht der Zulassung nach § 144 Abs. 1 SGG. Die vom Kläger erhobenen Begehren betreffen keine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt.

4. Die Beschwerde des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat im Ergebnis zu Recht den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt.

Nach § 86b Abs. 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (Satz 1). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (Satz 2). Für den Erlass einer einstweiligen Anordnung ist Voraussetzung, dass ein dem Antragsteller zustehendes Recht oder rechtlich geschütztes Interesse vorliegen muss (Anordnungsanspruch), das ohne Gewährung des vorläufigen Rechtsschutzes vereitelt oder wesentlich erschwert würde, so dass dem Antragsteller schwere, unzumutbare Nachteile entstünden, zu deren nachträglicher Beseitigung die Entscheidung in der Hauptsache nicht mehr in der Lage wäre (Anordnungsgrund). Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund müssen glaubhaft gemacht sein (§ 86b Abs. 2 Satz 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung [ZPO]). Hinsichtlich aller vier Begehren des Klägers fehlt es an einem Anordnungsanspruch.

a) Eine Anspruchsgrundlage, dass die Beklagte Schreiben des Klägers beantwortet, fehlt. Auf § 13 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I), wonach die Leistungsträger, ihre Verbände und die sonstigen, in diesem Gesetzbuch genannten öffentlich-rechtlichen Vereinigungen verpflichtet sind, im Rahmen ihrer Zuständigkeit die Bevölkerung über die Rechte und Pflichten nach diesem Gesetzbuch aufzuklären, kann der Kläger sein Begehren nicht stützen. Diese Vorschrift begründet grundsätzlich kein subjektives Recht des Versicherten gegenüber dem Versicherungsträger. Die Pflicht zur Aufklärung besteht lediglich gegenüber der Allgemeinheit, nicht gegenüber dem Betroffenen (Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Juli 2004 – B 7 SF 1/03 R – juris, Rn. 21).

Unabhängig davon hat die Beklagte das Schreiben des Klägers vom 14. Januar 2017 mit Schreiben vom 25. Januar 2017 beantwortet, so dass insoweit das Begehren des Klägers erledigt ist.

b) Das Begehren des Klägers, einen Versicherungsvertrag in Papierform herauszugeben, geht ins Leere. Denn ein Versicherungsvertrag besteht nicht (so bereits der zwischen den Beteiligten ergangene Beschluss vom 26. Januar 2017 – L 11 KR 4859/16 ER-B –). Die Mitgliedschaft des Klägers bei der Beklagten beruht auf gesetzlichen Vorschriften.

c) Für die gerichtliche Klärung und Feststellung von Kündigungs-fristen/Sonderkündigungsrechten des Klägers im Rahmen eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes besteht derzeit kein Rechtsschutzbedürfnis. Es ist nicht erkennbar, dass er gegenüber der Beklagten eine Kündigung erklärte und hierbei eine Mitgliedschaft bei einer anderen Krankenkasse durch eine Mitgliedsbescheinigung oder das Bestehen einer anderweitigen Absicherung im Krankheitsfall nachwies (§ 175 Abs. 4 Satz 2 bis 4 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch [SGB V]). Da die Beklagte jedenfalls für das Jahr 2017 den Zusatzbeitrag nach § 242 Abs. 1 SGB V nicht erhöhte, kann auch kein Sonderkündigungsrecht nach § 175 Abs. 4 Satz 5 SGB V bestehen.

d) Ebenso fehlt ein Rechtsschutzbedürfnis für die vom Kläger begehrte Feststellung, dem Versicherungsverhältnis liege ein Beitrags- und Gegenleistungsstreitwert von über EUR 750,00 zugrunde. Ob der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 SGG überschritten ist oder nicht, ist in jedem Rechtstreit gesondert zu prüfen und einer allgemeinen Feststellung nicht zugänglich.

5. Der Antrag des Klägers, ihm für das Beschwerdeverfahren Prozesskostenhilfe zu bewilligen, ist nach § 73a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO abzulehnen, weil das Beschwerdeverfahren – wie dargelegt – keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat.

6. Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1, Abs. 4 SGG.

7. Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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